JudikaturJustiz8ObA2344/96f

8ObA2344/96f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien

1) Rosamunde E*****, Angestellte, und 2) Rosa J*****, Angestellte, beide ***** beide vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E***** Verlagsgesellschaft mbH i. L., Liquidator Werner R*****c/o BMA/T, *****vertreten durch Dr. Susanna Fuchs-Weisskirchner, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 499.153,84 brutto sA bzw S 662.954 brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Oktober 1996, GZ 8 Ra 232/96p-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31. Jänner 1996, GZ 30 Cga 99/95p-16, bestätigt wurde,

I. durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Norbert Riedl und Walter Darmstädter als weitere Richter am 24. August 1998 den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 OGHG vor; zur Entscheidung über die Revision ist deshalb ein verstärkter Senat berufen;

II. durch den Senaptspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Steinbauer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Norbert Riedl, Walter Darmstädter, Dr. Pipin Henzl und Mag. Dagmar Armitter als weitere Richter in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Die außerordentliche Revision wird verworfen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägerinnen die mit je S 11.592 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin je S 1.932 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerinnen waren bei der beklagten Partei ab 1. Juli 1990 mit einer fixen Arbeitszeit Montag bis Freitag von 9,00 bis 18,00 Uhr in deren Fotolabor und Fotostudio gegen ein monatliches Entgelt von je 21.600 S brutto, 14 x jährlich, beschäftigt. Die Klägerinnen wurden nicht zur Gebietskrankenkasse angemeldet, um die beklagte Partei nicht mit zusätzlichen Lohnnebenkosten zu belasten. Die Parteien vereinbarten vielmehr, daß sich die Klägerinnen als selbständige Fotografinnen bei der Gewerbebehörde anmeldeten und die beklagte Partei ihnen die an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge vergüte; die Versteuerung des Entgeltes hatten die Klägerinnen selbst vorzunehmen. Sämtliche Arbeitsmittel und Geräte wurden von der beklagten Partei zur Verfügung gestellt. Der Urlaub wurde von den Klägerinnen mit der beklagten Partei vereinbart. Sie erhielten während des Urlaubs und im Krankheitsfall das vereinbarte Entgelt weiter ausgezahlt. Die Klägerinnen arbeiteten vorwiegend für die eigene Presseagentur der beklagten Partei und machten zusätzlich ihnen von der beklagten Partei zugewiesene Ausarbeitungen für andere Kunden. Die beklagte Partei richtete ein eigenes Subkonto für Labor und Studio ein. Darauf gingen Zahlungen der Kunden ein, hievon wurden Materialeinkäufe getätigt und teilweise auch die Honorare der Klägerinnen gezahlt. Für dieses Konto waren auch die Klägerinnen zeichnungsberechtigt. Ab dem Jahre 1992 erhielten die Klägerinnen folgende Zahlungen:

die Erstklägerin

für die Monate Jänner bis Mai 1992 je S 21.600

für die Monate Jänner bis Oktober 1993 je S 21.600

für die Monate Jänner bis März 1994 je S 21.600

für November 1994 Beträge von S 12.000 und S 3.500;

die Zweitklägerin

für die Monate Jänner bis Mai 1992 je S 21.600

für die Monate Jänner bis Oktober 1992 je S 21.600

für Jänner 1994 S 21.600

für Juni 1994 einen Betrag von S 9.805.

Die Klägerinnen verbrauchten an Urlaub im Kalenderjahr 1990 drei Werktage, 1991 12 Werktage, 1992 16 Werktage, 1993 20 Werktage und 1994 14 Werktage.

Die Erstklägerin löste nach schriftlicher Urgenz der ausständigen Gehaltszahlungen das Dienstverhältnis mit Schreiben vom 25. Oktober 1994 durch Kündigung zum 30. November 1994 auf und führte dabei als Grund die Vorenthaltung fälliger Bezüge an.

Die Zweitklägerin erklärte nach fruchtloser Nachfristsetzung und Austrittsdrohung mit Schreiben vom 4. November 1994 ihren Austritt wegen Vorenthaltens des Entgeltes.

Die Klägerinnen begehrten in ihrem am 3. Mai 1995 bei Gericht überreichten Klagen rückständiges Entgelt, Abfertigung und Urlaubsentschädigung, die Zweitklägerin zusätzlich Kündigungsentschädigung in der Höhe von 499.153,84 brutto (Erstklägerin) und von S 662.954 brutto (Zweitklägerin).

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, es handle sich bei den Verträgen der Klägerinnen um Werkverträge. Die Klägerinnen hätten über das Firmenkonto verfügen können, wodurch ihre Entgeltansprüche abgedeckt worden seien.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Die Vertragsverhältnisse der Klägerinnen wiesen alle Merkmale von Arbeitsverhältnissen auf; die geltend gemachten Ansprüche auf rückständiges Entgelt, Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung seien daher berechtigt. Die Erstklägerin habe bei ihrer Kündigung auf den vorliegenden Austrittsgrund hingewiesen; der Austritt der Zweitklägerin sei berechtigt, weshalb ihr eine Kündigungsentschädigung bis 31. März 1995 gebühre.

Im Berufungsverfahren brachte die beklagte Partei vor, mit Beschluß vom 3. Juli 1996 sei ihre amtswegige Löschung verfügt worden; damit sei die passive Legitimation der beklagten Partei beendet.

Tatsächlich wurde nach Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 3. Juli 1996 die Löschung der beklagten Gesellschaft mbH gemäß § 2 AmtsLG verfügt und am 4. Juli 1996 durch Eintragung im Firmenbuch vollzogen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Was die Löschung der beklagten Partei betrifft, vertrat das Berufungsgericht der Entscheidung SZ 62/43 folgend, die Auffassung, der Prozeß sei nach Löschung der beklagten Gesellschaft unabhängig vom Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen fortzusetzen und zu beenden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei, in der unter den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens Nichtigkeit geltend gemacht wird, mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Zurückweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerinnen beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der hier relevanten Rechtsfrage der prozessualen Wirkungen der Löschung einer beklagten Gesellschaft des Handelsrechtes uneinheitlich ist.

Zu I.:

Die Uneinheitlichheit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage bewog den erkennenden Senat, gemäß § 8 Abs 1 OGHG seine Verstärkung zu beschließen.

Während der erste Senat in der Entscheidung vom 15. März 1989, 1 Ob 551,552/89 (SZ 62/43 = GesRZ 1990, 153, dazu Mahr, 148 und Dellinger JBl 1991, 629) die Auffassung vertritt, daß ein einmal eingeleitetes Verfahren gegen eine Personengesellschaft (hier GmbH Co KG) auch mit einer voll beendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder nicht, fortzusetzen ist, meinte der 8. Senat in der Entscheidung vom 29. Juni 1989, 8 Ob 652/88 (SZ 62/127 = GesRZ 1990, 156; dazu Mahr aaO und Dellinger aaO), daß mit der Vollbeendigung einer Personengesellschaft (auch hier einer GmbH Co KG) während des anhängigen Verfahrens auch das Prozeßrechtsverhältnis mit dieser Gesellschaft beendet werde und eine Fortsetzung des Prozesses gegen die untergegangene Gesellschaft nicht möglich sei. An dieser Entscheidung hat der 8. Senat in der Folge festgehalten (8 Ob 6/94 vom 25. 11.1994 = GesRZ 1995, 53, betreffend eine GmbH Co KG; 8 ObA 207/95 vom 9. 2. 1995, betreffend eine GmbH und 8 Ob 8/95 vom 29. 6.1995 = ecolex 1995, 887, betreffend einen Verein). Auch der 9. Senat hat sich dieser Auffassung in der die Vollbeendigung eines Vereins betreffenden Entscheidung 9 ObA 17/96 vom 28. 2. 1996 angeschlossen.

Der 2. Senat vertrat in der eine GmbH betreffenden Entscheidung vom 10. 4. 1991, 2 Ob 518/91 (= GesRZ 1991, 225 [Dellinger]) eine vermittelnde Lösung, indem er zwar weitgehend die Begründung der Entscheidung 8 Ob 652/88 (= SZ 62/127) übernahm, aber die Vollbeendigung, zumindest im Fall der Fortsetzung des Prozesses durch die beklagte Gesellschaft, wegen des von der Gesellschaft weiter verfolgten Interesses an einer für sie positiven Kostenentscheidung, nicht eintreten ließ. Hiebei folgte er der Entscheidung des BGH NJW-RR 1986, 394, der den von der beklagten Genossenschaft gegen ihre von der Vorinstanz angenommene Vermögenslosigkeit ins Treffen geführten Kostenersatzanspruch für den Fall der Klagsabweisung als ausreichendes Vermögen ansah.

Diese divergierende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Folgen der Löschung einer Gesellschaft während eines gegen sie anhängigen Passivprozesses und die Bedeutsamkeit dieser Rechtsfrage für die Praxis bewogen den erkennenden Senat - allerdings nur zur Entscheidung über die hier strittigen Folgen der Löschung einer als Beklagte in Anspruch genommenen GmbH - gemäß § 8 Abs 1 OGHG seine Verstärkung zu beschließen.

Zu II:

Unter den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens führt die Revisionswerberin lediglich aus, daß die nunmehr gelöschte beklagte GmbH wegen Vollbeendigung nicht mehr parteifähig sei. Da die unrichtige Bezeichnung des Revisionsgrundes nicht schadet und die Ausführungen in der Revisionsschrift den Anfechtungsgrund deutlich erkennen lassen (3 Ob 558/79, 8 Ob 21/73), ist davon auszugehen, daß die Revisionswerberin in Wahrheit ausschließlich den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Parteifähigkeit geltend macht.

Die kontroversiellen Entscheidungen des 1. und 8. Senates sowie die vermittelnde Entscheidung des 2. Senates wurden von der Lehre eingehend erörtert.

Während die Auffassung des 1. Senates, die Vollbeendigung der Gesellschaft während eines anhängigen Verfahrens sei aufgrund einer Fortbestehensfiktion der Gesellschaft analog § 234 ZPO prozessual irrelevant, in der Lehre auf nahezu einhellige Ablehnung - vor allem bezüglich der Begründung - stieß, fand die vom 8. Senat vertretene Gegenposition, die Vollbeendigung der Gesellschaft führe auch während eines anhängigen Verfahrens zum Verlust ihrer Parteifähigkeit, fast allgemeine Zustimmung (Dellinger, Personenhandelsgesellschaft, Gläubigerschutz und Vollbeendigung während des Passivprozesses, JBl 1991, 629 [637 f]; Mahr, Rechtsprobleme bei Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft, GesRZ 1990, 148; derselbe Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreites, GesRZ 1995, 170; Bajons, Zivilverfahren, Rz 64 FN 1;

Aicher in der Anmerkung zu beiden Entscheidungen WBl 1990, 88;

Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht4 II, 280 f; Torggler/Kucsko in Straube HGB2 I, § 157 Rz 4; Jabornegg in Jabornegg HGB § 124 Rz 47;

Oberhammer, Die OHG im Zivilprozeß, 180 ff; aM Graff, AnwBl 1991, 745 und 1992, 154).

Weniger positiv sieht die Lehre allerdings die vom 8. Senat daraus (insbesondere in 8 Ob 6/94 = GesRZ 1995, 53) abgeleitete Beendigung des Prozeßverhältnisses durch Einstellung des Verfahrens und präsentiert verschiedene Lösungsvarianten, um dieses Ergebnis zu vermeiden.

So wird insbesondere die Einbeziehung der bisherigen Gesellschafter im Wege eines Parteiwechsels gefordert. Dellinger (aaO, 641) will hiebei dem unterschiedlichen Prozeßgegenstand, insbesondere dem allfälligen Verlust persönlicher Einwendungen des Gesellschafters bei Parteiwechsel nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz durch die Möglichkeit einer auf schutzwürdige Interessen gestützten Verweigerung der Zustimmung Rechnung tragen. Oberhammer (aaO, 209 ff) will dieser Schwierigkeit durch Klagsänderung in ein einheitliches Begehren auf Feststellung der Gesellschaftsschuld begegnen. Auch Torggler/Kucsko (aaO) wollen unter Berufung auf Dellinger dem Kläger im Sonderfall der Vollbeendigung der beklagten Gesellschaft ohne Gesamtrechtsnachfolger während des Prozesses ausnahmsweise die Möglichkeit zugestehen, durch gewillkürten Parteiwechsel die bisherigen Gesellschafter in den Prozeß einzubeziehen, wobei die erforderliche Zustimmung der Gesellschafter im Fall rechtsmißbräuchlicher Verweigerung durch das Gericht zu ersetzen wäre. Diese Lösung vertreten auch Zib (zum Vertrauensschutz nach § 15 HGB im Zivilprozeß, GesRZ 1988, 96 und 160 [162]), Fasching (ZPR2 Rz 385), Ballon (Einführung in das österreichische Zivilprozeßrecht7 Rz 102), Rechberger (in Rechberger ZPO § 235 Rz 12) und Rechberger/Simotta (Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes4 Rz 212). Gegen diese Lösung - Weiterführung des Prozesses gegen die Gesellschaft oder vollbeendeten Gesellschaft - tritt Gitschthaler (in Rechberger ZPO § 157 Rz 5 g) unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des gewillkürten Parteiwechsels ein, ohne selbst eine Alternative zur Rettung des bisherigen Prozeßaufwandes zu bieten. Ebenso lehnt Mahr (Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreites, GesRZ 1995, 170 [175 f]) auch bei Vollbeendigung einer handelsrechtlichen Personengesellschaft einen Parteiwechsel auf die Gesellschafter ab, gelangt aber unter Zugrundelegung der These, daß auch für andere Personengesellschaften als die GmbH Co KG die im § 155 HGB enthaltenen Gläubigerschutzvorschriften zwingend und Nachschußforderungen gegen die Gesellschafter von den Liquidatoren einzuziehende Sozialansprüche seien, zum Ergebnis, daß bis zur Abwicklung aller Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu Dritten und Tilgung der Gesellschaftsschulden vom Bestehen ungeteilten Gesellschaftsvermögens auszugehen sei.

Schließlich gibt auch Jabornegg (aaO) zu bedenken, daß die trotz Gesellschaftsauflösung fortdauernde Rechtsfähigkeit der Abwicklung offener Rechtsbeziehungen dient und letztlich auch ein offener Passivprozeß eine solche noch nicht abgewickelte Rechtsbeziehung darstellt.

Während nun Mahr (in GesRZ 1990, 148 [151 ff] sowie in GesRZ 1995, 170 [182 ff]) aus den Liquidationsvorschriften des HGB sowie der Konkursantragspflicht nach § 69 KO für die Personengesellschaften ganz allgemein folgert, daß auch im Falle einer scheinbaren Vermögenslosigkeit der Gesellschaft in Wahrheit regelmäßig Gesellschaftsforderungen gegen die Gesellschafter und - im Falle der GmbH Co KG - gegen die Geschäftsführer und Liquidatoren der Komplementärgesellschaft wegen Verletzung der sie treffenden Pflichten bestünden und daher zu vermuten seien, vertritt Dellinger (JBl 1991, 634 ff) diese Auffassung nur für die GmbH Co KG, da für diese zwingende Liquidationsvorschriften gelten, hält aber ein entsprechendes Vorbringen der Gegenseite insbesondere dort für erforderlich, wo nicht bloß Rückforderungsansprüche gegen die Gesellschafter nach rechtswidriger Verteilung von Gesellschaftsvermögen, sondern Schadenersatzansprüche der KG gegen die Geschäftsführer der ebenfalls bereits gelöschten Komplementär GmbH der Vollbeendigung entgegenstehen könnten, da der für die Prüfung der Parteifähigkeit geltende Untersuchungsgrundsatz nicht so weit reiche, daß das Gericht ohne ersichtlichen Grund weitere Erhebungen anstellen müsse.

Der Auffassung von Dellinger und Torggler/Kucsko (in Straube HGB2 I § 145 Rz 15), bei einer GmbH Co KG sei eine teleologische Reduktion des § 145 Abs 1 HGB dahin geboten, daß sich die Abdingbarkeit des Liquidationsrechtes nicht auf den Vorrang der Gläubigerbefriedigung beziehe, weil bei dieser gesellschaftsrechtlichen Mischform lediglich eine juristische Person unbeschränkt weiter hafte und § 67 KO indirekt das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gläubiger schütze, folgte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 21. 12. 1995, 2 Ob 594/95 (= SZ 68/244) und bejahte grundsätzlich die Haftung der Geschäftsführerin der Komplementärgesellschaft und Liquidatorin der KG, die gegen das Befriedigungs- bzw Zurückbehaltungsgebot der §§ 149, 155 HGB verstoßen habe. Bei diesem Verfahren handelte es sich um den Folgeprozeß zum Verfahren 8 Ob 652/88 (= SZ 62/127), in dem vom

8. Senat ausgesprochen worden war, daß die von der klagenden Partei zunächst in Anspruch genommene Gesellschaft - sollte eine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des § 142 HGB auszuschließen sein - untergegangen sei und der Prozeß gegen sie nicht fortgeführt werden könne (siehe Mahr in der Anmerkung zu 2 Ob 594/95, WBl 1996, 304, in der er die Auffassung vertritt, wegen des im Folgeprozeß hervorgekommenen Rückforderungsanspruches, der Gesellschaftsvermögen darstelle, sei eine Vollbeendigung der Gesellschaft entgegen der in 8 Ob 652/88 vertretenen Auffassung nicht eingetreten gewesen).

Des weiteren wurde in der deutschen Lehre (Bork, Die als vermögenslos gelöschte GmbH im Prozeß, dJZ 1991, 841 [848 f]) die Ansicht vertreten, die gelöschte Gesellschaft sei im Passivprozeß immer parteifähig, weil erst mit rechtskräftigem Sachurteil über das Schicksal ihres Kostenerstattungsanspruches entschieden werde. Diese auch vom 2. Senat in der Entscheidung vom 10. 4. 1991, 2 Ob 518/91 (= EvBl 1991/125) vertretene Rechtsauffassung wurde sowohl von einem Großteil der Lehre (ablehnend Dellinger, GesRZ 1991, 227; Hämmerle/Wünsch Handelsrecht4 II 281; kritisch Mahr, Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreites, GesRZ 1995, 170 [186]; unentschieden, eher zustimmend bei Oberhammer, Die OHG im Zivilprozeß, 171 ff; zustimmend Koppensteiner GmbHG § 93 Rz 8) als auch von der Rechtsprechung (8 Ob 6/94; 8 ObA 207/95; 8 Ob 8/95; 9 ObA 412/97x sowie 9 ObA 17/98k) abgelehnt.

Der verstärkte Senat vertritt mit der herrschenden Lehre die Auffassung, daß eine vollbeendete Gesellschaft des Handelsrechtes grundsätzlich nicht mehr parteifähig ist, erachtet es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK - insbesondere Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung - unvereinbar, wenn die beklagte Partei durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluß hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kläger rite geltend gemachten, mit erheblichem Aufwand an Geld, Zeit und Mühe vor Gericht verfolgten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Besonders schutzwürdig erscheint der Kläger, wenn ihm, wie im vorliegenden Fall, eine GmbH (oder eine Personengesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft als einzigem Komplementär) gegenübersteht, da er in diesem Fall der Gefahr des Abhandenkommens des Prozeßgegners nicht durch Klagsführung auch gegen die als Gesellschafter persönlich haftenden natürlichen Personen begegnen kann. In diesem Fall versagt im Hinblick auf das bei Kapitalgesellschaften geltende Trennungsprinzip auch die in der Lehre breit erörterte Lösung durch Zulassung eines Parteiwechsels auf die Gesellschafter.

Allenfalls käme eine Prüfung in Frage, ob nicht, wie im ähnlich

gelagerten, Gegenstand der Entscheidungen 8 Ob 652/88 (= SZ 62/127)

und 2 Ob 594/95 (= SZ 68/244) bildenden Fall, unverteiltes Vermögen

etwa in Form von Ansprüchen gegen Gesellschafter, Geschäftsführer und Liquidatoren vorhanden ist. Aus dem Unterbleiben der Liquidation samt Gläubigerbefriedigung allein kann allerdings, wie zu SZ 68/244 ausgesprochen wurde, bei einer gemäß § 2 AmtsLG wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH ein Ersatzanspruch nicht abgeleitet werden, da es sich bei der Liquidation einer vermögenslosen Gesellschaft um eine überflüssige Formalität handeln würde (siehe auch Koppensteiner GmbHG § 89 Rz 7). Ein Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer wird in diesem Fall in erster Linie aus § 25 Abs 3 GmbHG abzuleiten sein (siehe Koppensteiner aaO § 25 Rz 5 und 26; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht2 I Rz 2/392), wobei ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflicht nach § 25 Abs 3 Z 1 GmbHG auch vorliegt, wenn in der Krise Eigenkapital ersetzende Leistungen an die Gesellschafter zurückgewährt werden (Reich-Rohrwig, aaO Rz 2/328 und 2/367); weiters ist das Zahlungsverbot nach § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG.im Wege der Analogie auf die meisten anderen Handlungen auszudehnen, die die Konkursmasse schmälern (Reich-Rohrwig aaO Rz 2/383). Eine Haftung (auch) gegenüber der GmbH nach § 25 GmbHG wird aber auch durch das Delikt der fahrlässigen Krida nach § 159 StGB, insbesondere durch Fortsetzen der Geschäftstätigkeit und Eingehen neuer Schulden nach dem Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsführer den Konkursantrag hätten stellen müssen (Konkursverschleppung), jedenfalls hinsichtlich des den Gläubigern

verursachten Quotenschadens, begründet (WBl 1988, 29; SZ 63/124 = WBl

1990, 348 [zust Dellinger] = exolex 1990, 675 [Karollus 669]; WBl

1991, 208; 9 ObA 416/97k; Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH, 62; Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall, 233 f; Liebeg, Beteiligung am zivilrechtlichen Kridadelikt des § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG und Aktivlegitimation des Masseverwalters? RdW 1991, 346; Karollus in Steffen-FS [1995], 213, 222; Koppensteiner, GmbHG § 25 Rz 7 und 35; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht2 I Rz 2/386). Wird nun der Kläger während des laufenden Verfahrens mit der nur deklarativ wirkenden (GesRZ 1990, 95; SZ 64/134; zuletzt 9 ObA 17/98k) Löschung der beklagten Gesellschaft im Firmenbuch konfrontiert, kann er, folgt man den Entscheidungen 8 Ob 652/88 (= SZ 62/127) und 8 Ob 6/94, die Fortsetzung des Verfahrens nur erreichen, wenn er verwertbares Vermögen der beklagten Partei behauptet und diese Behauptung auch erwiesen wird. Ebenso erachtet Dellinger (JBl 1991, 629 [636, FN 71]) im Fall der vergleichbaren GmbH Co KG im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Parteifähigkeit ein ergänzendes Vorbringen des Klägers insbesondere dort für erforderlich, wo kein Vermögen an die Gesellschafter verteilt wurde und als Vermögen nur mehr Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer in Frage kommen. Hingegen folgert Mahr (GesRZ 1990, 148 [152]; GesRZ 1995, 172 f, insbesondere FN 102) aus dem zwingenden Liquidationsrecht der GmbH, daß unverzichtbare Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter auf Rückerstattung erhaltener Zahlungen sowie gegen die Geschäftsführer und Liquidatoren wegen Verletzung der Konkursantragspflicht zu vermuten seien. Da eine derartige Vermutung grundsätzlich mit der Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 AmtsLG nicht vereinbar ist, versagt vorläufig auch diese Lösung. Entgegen der Auffassung Mahrs wären in dem über das Prozeßhindernis des Mangels der Parteifähigkeit durchzuführenden Zwischenverfahren daher substantiierte Behauptungen des Klägers über ein vorhandenes Vermögen insbesondere auch allfällige Ansprüche gegen Gesellschafter, Geschäftsführer oder Liquidatoren erforderlich, die er, mit dem Einwand der beklagten Partei, sie sei wegen Löschung voll beendet, konfrontiert, mangels Beweisnähe wohl nur "ins Blaue hinein" aufstellen könnte. Während im Verfahren erster Instanz über ein derartiges Prozeßhindernis nach der auch auf andere als die dort genannten Prozeßeinreden anzuwendenden Vorschrift des § 261 ZPO (EvBl 1986/20; 9 ObA 39/97v; 6 Ob 82/98x; Rechberger in Rechberger ZPO § 261 Rz 1) entweder aufgrund abgesonderter Verhandlung oder nach Verhandlung in Verbindung mit der Hauptsache zu entscheiden ist, ist über dieses Nichtigkeit begründende Prozeßhindernis (siehe Fasching ZPR2 Rz 337), wenn es, wie im vorliegenden Fall in zweiter oder dritter Instanz geltend gemacht - oder aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels wahrgenommen - wird, vom Berufungsgericht oder vom Obersten Gerichtshof nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 473 Abs 2 bzw § 509 Abs 3 ZPO abschließend zu entscheiden (SZ 46/25; RZ 1987/74; Fasching ZPR2 Rz 1792; Kodek in Rechberger ZPO § 473 Rz 2). Obwohl den Parteien, wie sich aus § 509 Abs 3 letzter Satz ZPO schließen läßt, Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen zu geben ist (siehe Kodek aaO; JBl 1990, 335; RZ 1994/5; SSV-NF 9/82), handelt es sich um kein mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht vergleichbares, zur Feststellung der als Vermögen einer im Firmenbuch gelöschten GmbH wohl in erster Linie in Frage kommenden Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer oder Liquidatoren geeignetes Verfahren. Derartige Ansprüche wären vielmehr in einem vom Kläger gegen die Organe der gelöschten GmbH zu führenden weiteren Rechsstreit zu klären, der aber voraussetzt, daß dem Kläger die im Prozeß gegen die gelöschte Gesellschaft geltend gemachte Forderung zusteht. Eine Möglichkeit, die für die Geltendmachung derartiger Forderungen erforderlichen Informationen zu erlangen, bietet § 93 Abs 4 Satz 2 GmbHG, wonach Gläubiger der Gesellschaft vom Firmenbuchgericht zur Einsichtnahme in die gemäß § 93 Abs 3 GmbHG von einem Gesellschafter oder einem Dritten aufzubewahrenden Bücher und Schriften der gelöschten Gesellschaft zu ermächtigen sind (siehe Koppensteiner aaO, § 93 Rz 11; Karsten Schmidt in Scholz GmbHG8 § 74 Rz 37; zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch nach dem AmtsLG gelöschte Gesellschaften siehe auch die in der in RdW 1998, 75 mit irreführendem Rechtssatz veröffentlichten Entscheidung 6 Ob 201/97w wiedergegebenen Ausführungen des Rekursgerichtes). Auch in diesem Verfahren ist die Glaubhaftmachung der Gläubigerposition und damit die Bescheinigung des im Prozeß gegen die gelöschte Gesellschaft geltend gemachten Anspruches erforderlich (siehe Lutter/Hommelhoff GmbHG14 § 74 Rz 16). Davon abgesehen, erfordert die Durchführung eines derartigen Verfahrens wohl mehr Zeit, als dem Kläger zur substantiierten Behauptung (und Bescheinigung) von Ersatzansprüchen gegen Organe der gelöschten Gesellschaft in einem bloßen Zwischenverfahren zur Prüfung der Prozeßvoraussetzung der Parteifähigkeit der beklagten Partei zur Verfügung steht.

Schließlich bringt auch die Zubilligung eines Rekursrechtes im Verfahren nach § 2 AmtsLG (siehe 6 Ob 120/97h sowie Koppensteiner aaO § 93 Rz 6) für den Gläubiger keine Abhilfe, weil er nicht als gemäß § 18 FBG Betroffener anzusehen ist, in dessen auf einer Firmenbucheintragung beruhende Rechtsstellung einzugreifen objektiv gerade das gewollte oder doch unvermeidlich bewußte Ziel der gerichtlichen Verfügung ist (EvBl 1994/152; 6 Ob 1045/94; 6 Ob 3/95; 6 Ob 2040/96k; siehe auch Burgstaller, Zur Beteiligtenstellung im Firmenbuchverfahren, RZ 1996, 30 [36]: zu verständigen ist derjenige, in dessen in das Firmenbuch eingetragene Rechte durch eine vorgesehene Verfügung eingegriffen werden soll). Der Gläubiger ist daher nicht gemäß § 18 FBG vor der gerichtlichen Verfügung der Löschung zu verständigen und ihm damit auch nicht die Gelegenheit zur Äußerung binnen einer angemessenen, auf Antrag verlängerbaren Frist (siehe Schoibl in Matscher-FS, rechtliches Gehör und Beteiligtenstellung im österreichischen Außerstreitverfahren, dargestellt am Beispiel der "Verständigung" nach § 18 FBG im Firmenbuchverfahren, 401 [416]) zu geben; der Gläubiger ist vielmehr auf die Möglichkeit verwiesen, seine Einwände in einem binnen 14 Tagen nach Bekanntmachung der Eintragung zu erhebenden Rekurs geltend zu machen (zum Beginn der Rekursfrist siehe EvBl 1994/152 und 6 Ob 2274/96x). Somit ergeben sich für den bezüglich des Vermögens der GmbH - insbesondere in Form allfälliger Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Liquidatoren - beweisfernen Gläubiger ähnliche Probleme, wie sie zum Zwischenverfahren zur Prüfung der Parteifähigkeit der beklagten Gesellschaft im anhängigen Zivilprozeß dargestellt wurden.

Wie eingangs ausgeführt, wurde die Entscheidung des 8.Senates über den Verlust der Parteifähigkeit durch die Vollbeendigung der Gesellschaft zwar von der Lehre weitgehend gebilligt, die daraus in 8 Ob 6/94 abgeleitete Konsequenz der Beendigung des Prozeßverhältnisses durch Einstellung des Verfahrens hingegen abgelehnt, und zwar unter Hinweis auf die in diesem Fall prozessual unökonomische Nutzlosigkeit des Gesellschaftsprozesses (Dellinger, JBl 1991, 639), das Interesse an der Erhaltung der bisherigen Prozeßergebnisse (Zib, GesRZ 1988, 163), auf die Folge, daß durch eine rechtliche Änderung in der Sphäre des Beklagten, auf die der Kläger keinen Einfluß hat, diesem der ansonsten verdiente Prozeßsieg aus der Hand geschlagen würde; insbesondere dann, wenn sich der Prozeß bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinde, würde es eine glatte Verweigerung des vom Kläger angestrebten Rechtsschutzzieles auf einheitliche Feststellung des Bestehens einer Forderung gegen die Gesellschaft bedeuten, wollte man seine Klage gegen die Gesellschaft wegen der Vollbeendigung zurückweisen (Oberhammer, Die OHG im Zivilprozeß, 207 und 210), weiters das Interesse des Klägers im Hinblick auf bereits erbrachte "Streitinvestitionen" "vorsorglich" einen Vollstreckungstitel zu erlangen (Lindacher in Münchner Kommentar dZPO § 50 Rz 55). Beachtlich erscheint im Hinblick auf Art 6 Abs 1 Satz 1 MRK auch das von Graff in AnwBl 1992, 154 f gebrauchte Argument, ein einmal rite betgonnenes Prozeßverhältnis dürfe nicht durch einseitige Aktionen einer Partei zur Beendigung gebracht werden.

Da nun, wie oben ausgeführt, der Kläger bei Löschung der beklagten GmbH im Zuge des Prozesses dessen Fortsetzung weder durch Parteiwechsel auf die Gesellschafter, noch durch Berufung auf einen möglichen Kostenersatzanspruch der beklagten Gesellschaft erreichen kann und ihm auch die Möglichkeit, im Zwischenverfahren Vermögen der beklagten Partei zu behaupten und zu beweisen oder die Löschung der GmbH im Firmenbuch mit Rekurs zu bekämpfen, keine ausreichende Abhilfe bietet, andererseits aber aus Art 6 Abs 1 Satz 1 MRK ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung über den von ihm in einem rite bei einem Gericht eingeleiteteten Rechtsstreit geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch abzuleiten ist (siehe auch Mahr, GesRZ 1995, 170 [172, insbesondere FN 16] sowie Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht4 Rz 13), besteht ein Bedürfnis nach einer diesem Rechtsschutzgewährungsanspruch Rechnung tragenden Lösung.

Wie oben ausgeführt, ist der Gläubiger im Amtslöschungsverfahren nicht gemäß § 18 FBG zu verständigen, sondern ist auf die Möglichkeit eines Rekurses gegen die erfolgte Löschung verwiesen, die ihm kein ausreichendes Gehör bietet. Ist aber die Entscheidung im Amtslöschungsverfahren ergangen, ohne dem Gläubiger ausreichendes Gehör zu geben, dann verstieße es gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, in dem der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten können muß, wenn daraus eine Vermutung der Vermögenslosigkeit der GmbH auch gegenüber dem Gläubiger und Kläger in einem anhängigen Zivilprozeß abgeleitet würde (vgl VfSlg 12.504/1990) und damit sein aus Art 6 MRK abzuleitender Justizgewährungsanspruch auf Entscheidung des rite eingeleiteten Verfahrens (siehe Rechberger/Simotta aaO) erheblich beeinträchtigt würde. Im Falle eines vor Löschung der beklagten GmbH eingeleiteten Zivilprozesses ist daher gegenüber dem Kläger aus dieser Löschung nicht die Vermutung der Vermögenslosigkeit abzuleiten, sondern dem Kläger die Fortsetzung dieses Prozesses ungeachtet der Löschung zuzugestehen, ohne ihn zu einer notwendigerweise "ins Blaue hinein" aufgestellten Behauptung eines Vermögens der Gesellschaft (siehe Karsten Schmidt in Scholz dGmbHG8 Anh § 60 Rz 22) und einem Nachweis dieses Vermögens in einem dazu ungeeigneten Zwischenverfahren zu zwingen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß von einem - im allgemeinen aus Ersatzansprüchen bestehenden - Vermögen der gelöschten Gesellschaft nur dann auszugehen sein wird, wenn jemand bereit ist, diese Ansprüche auch zu verfolgen; dies ist anzunehmen, wenn der Kläger die Fortsetzung des Prozesses gegen die gelöschte Gesellschaft begehrt.

Andererseits muß dem Kläger zugebilligt werden, die aus der Löschung abzuleitende Vermutung der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft auch gegen sich gelten zu lassen und den Prozeß nicht fortzusetzen. Wie Dellinger (in GesRZ 1991, 228) unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Hamm NJW-RR 1988, 1307 zutreffend ausführt, würde man das Recht der existenten klagenden Partei auf ein chancengleiches, faires Verfahren verletzen, wollte man gegen ihren Willen weitere kostenverursachende Schritte setzen; wenn feststehe, daß bei einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten, rechtsnachfolgerlosen Gesellschaft nichts mehr zu holen sei, dürften von diesem Zeitpunkt an keine neuen Kosten verursacht werden. In diesem Sinne entschied auch der BGH, NJW 1982, 238, daß im Falle der Löschung der beklagten Gesellschaft der Kläger nicht genötigt werden dürfe, den Prozeß fortzusetzen. Er müsse die Möglichkeit haben, den gegen eine parteifähige Gesellschaft eingeleiteten Prozeß, der sich durch ein nicht von ihm zu vertretendes Prozeßhindernis erledigt habe, ohne Kostenlast zu beenden, wofür die - im österreichischen Prozeßrecht nicht vorgesehene - Erledigungserklärung nach § 91 a dZPO der geeignete Weg sei. Das österreichische Zivilprozeßrecht sieht eine Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses nur durch Klagsrücknahme, Vergleich, Urteil oder Klagszurückweisung vor (Fasching ZPR2 Rz 133). Wird die Klage nachträglich wegen Wegfalles einer Prozeßvoraussetzung unzulässig, ist die Klage zurückzuweisen (siehe Buchegger, Beiträge zum Zivilprozeßrecht II, 21 ff; Ballon, Einführung in das österreichische Zivilprozeßrecht, streitiges Verfahren7 Rz 105), das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären (siehe Mayr in Rechberger ZPO § 29 JN Rz 3 und 4 sowie Gitschthaler in Rechberger ZPO § 157 Rz 5; SZ 63/11; 5 Ob 523/95; vgl JBl 1984, 153 [zust Schwimann]; IPRax 1986, 385; SZ 60/212; ÖA 1990, 19) und sind gemäß § 51 Abs 2 ZPO die Kosten gegenseitig aufzuheben. Durch diese Lösung wird auch die mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens wohl nicht vereinbare Fortsetzung des Prozesses durch die gelöschte beklagte Gesellschaft unter Berufung auf die mittlerweile eingetretene Verjährung und den ihr nunmehr erwachsenden Kostenersatzanspruch (siehe 2 Ob 518/91 = GesRZ 1991, 225 [Dellinger] sowie Mahr GesRZ 1995, 170 [186]) verhindert. Die Interessen der gelöschten beklagten Partei erscheinen in diesem Zusammenhang nicht schützenswert, weil der Gesellschaft im Löschungsverfahren nach Verständigung gemäß § 18 FBG ausreichend Gelegenheit geboten wurde, allfälliges Vermögen zu behaupten und zu bescheinigen und damit die Löschung zu verhindern. Der gelöschten Gesellschaft gegenüber ist daher die Vermutung der Vermögenslosigkeit gerechtfertigt.

Die vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 6 Ob 812/83 (= RZ

1985, 42) und 8 Ob 6/94 (= GesRZ 1995, 53) verfügte bzw erwogene

Einstellung des Verfahrens bei Unvereinbarkeit der Fortführung des Zivilprozesses mit dem Zweiparteienprinzip (wegen Parteienkonfusion bzw wegen Vollbeendigung der geklagten GmbH Co KG) ist in der ZPO nicht vorgesehen und verstößt auch gegen den Justizgewährungsanspruch des Klägers. Wie bereits Fasching (in Komm ZPO III 163) darlegt, ist der in § 239 Abs 3 letzter Satz gebrauchte Ausdruck "Einstellung des Verfahrens" der Praxis und dem überwiegenden Teil der Lehre fremd und steht auch mit dem Recht der Parteien auf Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren nach den Justizgesetzen in Widerspruch; die Beschlußfassung über die Einstellung des Verfahrens stelle sich als Fassung eines Beschlusses auf Zurückweisung der Klage wegen Fehlens der bestimmten Prozeßvoraussetzungen dar. Buchegger (aaO 25 f) weist darauf hin, daß mit dem in der älteren Lehre und Judikatur gebrauchten Ausdruck "Einstellung des Verfahrens" in aller Regel die Verfahrensbeendigung auf prozessualer Ebene ohne meritorisches Ergebnis gemeint war und damit jener Vorgang, den sowohl das Gesetz (etwa § 478 Abs 1 ZPO) wie auch die jüngere Lehre prägnant und zielführend als Zurückweisung der Klage wegen Unzulässighkeit bezeichnen; eine Erledigung ohne Entscheidung über die Rechtsschutzgewährungsansprüche durch "Einstellung des Verfahrens" sei dem Zivilrichter nicht gestattet, stelle doch die unvollständige Erledigung von Sachanträgen gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO einen Berufungsgrund dar, der zur Zurückverweisung an die erste Instanz führe. Dieser Auffassung ist auch im Hinblick auf den sich aus Art 6 Abs 1 MRK ergebenden Justizgewährungsanspruch - das dem einzelnen gegen den Staat zustehende subjektive öffentliche Recht auf Entscheidung seines Privatrechtsstreites (siehe Rechberger/Simotta aaO Rz 13) - zu folgen, da die in der ZPO - bis auf den untechnischen Gebrauch in § 239 Abs 3 - nicht vorgesehene Einstellung des Verfahrens (siehe auch Rechberger, Mangel der Parteiexistenz, Mangel der Parteifähigkeit und mangelhafte Parteibezeichnung, in Fasching-FS [1988], 385, 389f) wohl nicht als Entscheidung in diesem Sinn anzusehen ist.

Der verstärkte Senat formuliert daher folgende Rechtssätze:

Wird die beklagte Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht, ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen.

Strebt der Kläger hingegen nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft an, ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären.

Aufgrund dieser Rechtslage ist im Hinblick auf den sich aus den Revisionsbeantwortungen ergebenden Fortsetzungswillen der Klägerinnen die von der Revisionswerberin geltend gemachte Nichtigkeit zu verneinen und die Revision zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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  • RS0041831OGH Rechtssatz

    11. November 2010·3 Entscheidungen

    Nach § 473 Abs 2 ZPO sind tatsächliche Aufklärungen seitens der Parteien oder des Gerichtes erster Instanz oder andere vorgängige Erhebungen, die der Berufungssenat zur Feststellung der Berufungsgründe oder der - nach § 471 Z 5 behaupteten oder nach § 471 Z 7 selbst wahrgenommenen - Nichtigkeit erforderlich hält, anzuordnen und mit Benützung der einschlägigen, in den Berufungsschriften enthaltenen Parteiangaben entweder vom Berufungssenate selbst durchzuführen oder durch einen beauftragten Richter oder das Prozessgericht erster Instanz durchführen zu lassen. Im letzteren Fall handelt es sich nicht um formelle Beweisaufnahmen und noch weniger um die Ergänzung des erstgerichtlichen Erkenntnisverfahrens. Für eine Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht gemäß § 496 Abs 1 ZPO, der die Sach - Erledigung betrifft (Fasching IV 205), bleibt kein Raum. Das Berufungsgericht darf nicht die Sachentscheidung des Erstrichters zwecks weiterer Prüfung einer möglichen Nichtigkeit aufheben und dem Erstgericht - das möglicherweise unheilbar unzuständig ist - eine Ergänzung eben dieses von der Nichtigkeit bedrohenden Verfahrens auftragen. Es hat vielmehr wie sich schon aus der Bezeichnung als "vorgängig" zweifelsfrei ergibt, die Erhebungen im Sinne des § 473 Abs 2 ZPO vor seiner Entscheidung über die Nichtigkeitsberufung zu veranlassen und sodann gemäß § 477 Abs 1 und § 478 ZPO vorzugehen. Dasselbe hat nach § 494 ZPO zu geschehen, wenn sich das Gericht erst aus Anlass einer Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass das angefochtene Urteil oder das Verfahren in erster Instanz an einer bisher unbeachtet gebliebenen Nichtigkeit leide.