JudikaturJustiz2Ob219/11m

2Ob219/11m – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Thiery Ortenburger Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei C***** B*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Erlöschens eines Unterhaltsanspruchs, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Juli 2011, GZ 43 R 251/10w 181, in der Fassung des Beschlusses vom 30. September 2011, GZ 43 R 251/10w 188, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 8. Februar 2010, GZ 2 C 123/06s 134, in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 6. Oktober 2010 und vom 4. November 2010, GZ 2 C 123/06s 158 und 168, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die nachträgliche Urkundenvorlage der klagenden Partei (Rechtsgutachten) wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 21. 4. 1995, AZ 2 C 70/95b, im Einvernehmen geschieden. In Punkt IV des Scheidungsfolgenvergleichs verpflichtete sich der Kläger, ab dem der Scheidung folgenden Monatsersten an die Beklagte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 10.000 S (726,73 EUR) bis auf weiteres, längstens jedoch bis zu ihrer allfälligen Wiederverehelichung, zu bezahlen. Vereinbart wurde ferner die Wertbeständigkeit der Unterhaltsbeiträge. Der Kläger verzichtete mit hier nicht interessierenden Ausnahmen auf die Herabsetzung des Unterhalts „aus welchem Grund immer“, insbesondere aus dem Hinzukommen weiterer Sorgepflichten und eines sich erhöhenden Einkommens der Beklagten. Schließlich wurde festgehalten, dass die Unterhaltsverpflichtung des Klägers jedenfalls mit dem Verstreichen des 60. Lebensjahres endet.

Mit Beschluss vom 18. 9. 1997, AZ 12 E 8495/96g, bewilligte das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz der nunmehrigen Beklagten aufgrund des Scheidungsfolgenvergleichs zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands die Fahrnis und Forderungsexekution sowie zur Hereinbringung der ab 1. 1. 1997 fälligen monatlichen Unterhaltsbeträge die Forderungsexekution. Die am 23. 10. 1997 beim Bewilligungsgericht eingebrachte Oppositionsklage des Klägers, AZ 12 C 5/97y, blieb erfolglos. Die klagsabweisende Entscheidung des Bewilligungsgerichts wurde mit Berufungsurteil vom 1. 3. 2001 bestätigt und erwuchs in Rechtskraft.

Mit der am 28. 3. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten gemäß Punkt IV des erwähnten Scheidungsfolgenvergleichs seit 1. 10. 1995 erloschen sei; hilfsweise wurden mehrere spätere Termine genannt. Er brachte vor, die Beklagte habe sich schwerer Verfehlungen gegen den Kläger schuldig gemacht, weshalb der Unterhaltsanspruch iSd § 74 EheG verwirkt worden sei. Zuletzt behauptete der Kläger 21 zeitlich gestaffelte Verwirkungstatbestände, die allenfalls im Zusammenwirken zum Erlöschen des Anspruchs geführt hätten.

Die Beklagte bestritt die Vorwürfe des Klägers. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil das Exekutionsverfahren nach wie vor anhängig sei.

Das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache wurde in einem Zwischenverfahren rechtskräftig verneint (vgl 2 Ob 120/05v). In der soeben zitierten Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof auch fest, dass auf die vom Rekursgericht aufgeworfene und unter den gegebenen Umständen bejahte Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage während eines anhängigen Exekutionsverfahrens mangels zulässigen Rechtsmittels nicht weiter einzugehen sei.

Mit Beschluss des Exekutionsgerichts vom 25. 4. 2007 wurde das Exekutionsverfahren AZ 12 E 8495/96g (rechtskräftig) eingestellt. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt die ihm im Scheidungsfolgenvergleich auferlegten Unterhaltspflichten bereits zur Gänze erfüllt. Am ***** 6. 2007 vollendete der Kläger das 60. Lebensjahr.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (auch) im (richtig) zweiten Rechtsgang ab. Es traf Feststellungen zu den geltend gemachten Verwirkungstatbeständen und gelangte zu der Auffassung, dass die Verhaltensweisen der Beklagten weder einzeln noch in der Gesamtschau die nach § 74 EheG erforderliche Schwere erreichen würden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es ließ die geltend gemachten Berufungsgründe allesamt unerledigt und führte aus, nach den Verfahrensergebnissen sei ohne weitere inhaltliche Prüfung vom Vorliegen einer zulässigen Feststellungsklage auszugehen. Es müsse jedoch der bisher nicht beachtete Umstand berücksichtigt werden, dass das anhängig gewesene Exekutionsverfahren bereits mit Beschluss vom 25. 4. 2007 rechtskräftig eingestellt worden sei. Das Feststellungsbegehren gehe seither ins Leere. Der Kläger könne seine Ziele zur Gänze durch eine Leistungsklage erreichen, worauf die Beklagte in ihren beiden Berufungsbeantwortungen (erster und zweiter Rechtsgang) auch hingewiesen habe. Dem Kläger fehle es demnach am Feststellungsinteresse, was in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen sei. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.

Seinen Zulassungsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass die „dargestellte Verschränkung von Oppositions und Feststellungsgründen“ noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen gewesen sei.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem primären Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird auch ein Abänderungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil es klarstellender Ausführungen durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe das Feststellungsinteresse zu Unrecht verneint. Er rügt als Mangel des Berufungsverfahrens, das Berufungsgericht habe trotz der Durchführung mehrerer Berufungsverhandlungen die Frage des Feststellungsinteresses mit den Parteien nicht erörtert und eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen. Hätte das Berufungsgericht seine Rechtsansicht offen gelegt, so hätte der Kläger vorgebracht, dass sich sein Feststellungsinteresse nicht nur auf den vertraglichen, sondern auch auf den gesetzlichen nachehelichen Unterhalt der Beklagten beziehe, mit dessen Geltendmachung noch zu rechnen sei. Dem Kläger sei auch nicht zuzumuten, vorausschauend beurteilen zu müssen, ab welchem Zeitpunkt die Gerichte eine Unterhaltsverwirkung bejahen. Die Höhe des rechtsgrundlos bezahlten Unterhalts könne erst bestimmt werden, wenn der genaue Verwirkungszeitpunkt feststehe. Insoweit komme der Feststellungsklage die funktionale Bedeutung einer Rechtsgestaltungsklage zu. Sie diene auch der Vermeidung des mit einer Leistungsklage verbundenen unzumutbaren Kostenrisikos. Eine Leistungsklage wäre überdies deshalb unökonomisch, weil der Beklagten im Leistungsprozess der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs des Unterhalts offen stünde. Diese Problematik entfalle im Feststellungsprozess. All diese Argumente hätte der Kläger mit dem Berufungsgericht im Detail erörtert und sein Prozessverhalten entsprechend den Ergebnissen des Erörterungsprozesses ausgerichtet. Der Verfahrensmangel sei daher von Relevanz.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu wurde erwogen:

1. Der Kläger hat nach Einbringung der Revision ein in seinem Auftrag von Univ. Prof. Dr. Astrid Deixler Hübner erstattetes Rechtsgutachten vorgelegt. Diese nachträgliche, unmittelbar beim Obersten Gerichtshof erfolgte Urkundenvorlage verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften, Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RIS Justiz RS0041666). Im Übrigen gilt, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach betonte (zuletzt 2 Ob 92/11k mwN), der Grundsatz iura novit curia.

2. Die Streitteile schlossen anlässlich ihrer Ehescheidung gemäß § 55a EheG am 21. 4. 1995 einen vollstreckbaren Vergleich, in welchem sie auch den Ehegattenunterhalt regelten.

Gemäß § 74 EheG verwirkt der Berechtigte den Unterhaltsanspruch, wenn er sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. Die Unterhaltsverwirkung nach dieser Bestimmung, die auch auf vergleichsweise geregelte Unterhaltsansprüche anwendbar ist (RIS Justiz RS0057429; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 74 EheG Rz 4), setzt eine besonders schwerwiegende, das Maß schwerer Eheverfehlungen iSd § 49 EheG übersteigende Verfehlung gegen den früheren Ehegatten voraus, sodass dem Verpflichteten die Unterhaltsleistung für alle Zukunft nicht mehr zumutbar ist (vgl 3 Ob 90/07t; RIS Justiz RS0078153; Gitschthaler aaO § 74 EheG Rz 2). Ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhalts gegeben sind, kann daher ein Unterhaltsanspruch für die Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden. Es entspricht herrschender Auffassung, dass ein einmal erloschener Unterhaltsanspruch nicht wieder aufleben kann (1 Ob 303/00s mwN; RIS Justiz RS0114621). Die Verwirkung, die nicht von selbst eintritt, ist vom Verpflichteten klage oder einredeweise geltend zu machen (SZ 43/196; Gitschthaler aaO § 74 EheG Rz 15).

3. Der Kläger strebt mit der vorliegenden Klage die Feststellung des Erlöschens des durch den Vergleich titulierten Anspruchs an. Im Zeitpunkt des Einlangens der negativen Feststellungsklage beim Erstgericht war die Exekution zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts anhängig, der zunächst geführte Oppositionsprozess war bereits rechtskräftig beendet.

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass mit der Oppositionsklage alles erreicht wird, was auch mit einer negativen Feststellungsklage erreichbar ist. Sobald ein Exekutionsverfahren anhängig ist, ist nur mehr die Oppositionsklage zur Feststellung des Erlöschens oder der Hemmung des Anspruchs zulässig (vgl 2 Ob 93/00s; 2 Ob 256/06w; 4 Ob 17/11w; 10 Ob 100/11w; 3 Ob 66/12w; RIS Justiz RS0000833, RS0001715 [T8]; Jakusch in Angst , EO 2 § 35 Rz 8).

Im eingangs erwähnten Zwischenverfahren hatte das Gericht zweiter Instanz die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage dennoch bejaht. Dabei vertrat es die von ihm nun nicht neuerlich überprüfte Ansicht, dass die Verweisung des Klägers auf eine weitere Oppositionsklage nicht zielführend sei, weil ein „Gesamtverwirkungsprozess“ geltend gemacht werde, der in schon vor der Titelschaffung gelegenen Gründen wurzle (vgl 2 Ob 120/05v).

Ob dieser Umstand eine Ausnahme von der zitierten Rechtsprechung (zu einer solchen vgl auch Jakusch aaO § 35 Rz 8) rechtfertigte, bedarf hier aber keiner weiteren Untersuchung. Denn selbst wenn die Feststellungsklage bei ihrem Einlangen im Sinne der Rechtsprechung unzulässig gewesen wäre, war dies infolge der zwischenzeitigen Einstellung des Exekutionsverfahrens jedenfalls bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr der Fall. In diesem für die Beurteilung letztlich maßgeblichen Zeitpunkt wäre daher bei Vorliegen des erforderlichen Feststellungsinteresses die negative Feststellungsklage wieder zulässig gewesen ( Jakusch aaO § 35 Rz 9 mwN).

4. Erfolgsvoraussetzung eines jeden Feststellungsbegehrens ist das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung, bei dessen Mangel das Begehren mit Urteil abzuweisen ist (2 Ob 186/10g; 2 Ob 53/12a; RIS Justiz RS0039201). Das Feststellungsinteresse, dessen Mangel auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen ist (3 Ob 49/12w; RIS Justiz RS0039123), muss schon bei Einlangen der Klage, jedenfalls aber in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die mündliche Verhandlung über die Klage geschlossen wird (2 Ob 33/05z; 2 Ob 31/07h; 2 Ob 186/10g; RIS Justiz RS0039085, RS0039204). Der nachträgliche Fortfall des Feststellungsinteresses nach Klagseinbringung ist zu beachten (2 Ob 33/05z mwN).

Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (8 Ob 129/10v mwN; 3 Ob 49/12w; RIS Justiz RS0038817). Bei einem Dauerrechtsverhältnis, wie es auch durch den Abschluss einer Unterhaltsvereinbarung begründet wird, bejaht die Rechtsprechung allerdings das Feststellungsinteresse in Beziehung auf den Bestand und den Inhalt des Rechts ohne Rücksicht darauf, ob eine Leistungsklage auf aus dem Rechtsverhältnis fällig gewordene Leistungen möglich ist oder nicht (2 Ob 138/08w mwN; 1 Ob 9/12y; RIS Justiz RS0039110). Entscheidend ist aber, dass das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen und einen künftigen Rechtsstreit zu vermeiden (1 Ob 9/12y; RIS Justiz RS0038908). Bei bereits beendeter Rechtsbeziehung wird das rechtliche Interesse nur anerkannt, wenn das begehrte Urteil auch noch für die gegenwärtige Rechtslage der Parteien von Bedeutung ist (2 Ob 285/04g mwN; 2 Ob 33/05z; RIS Justiz RS0038969, RS0039186). Besonders in einem solchen Fall liegt es am Kläger, sein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten und erforderlichenfalls auch zu beweisen (vgl 2 Ob 33/05z; 9 ObA 13/11v; RIS Justiz RS0039239 [T4]).

5. Im vorliegenden Fall wurde das durch den Abschluss der Unterhaltsvereinbarung begründete Rechtsverhältnis der Streitteile mit der Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers im Juni 2007 beendet. Zu diesem Zeitpunkt waren die aus der Vereinbarung resultierenden Unterhaltsansprüche der Beklagten bereits zur Gänze erfüllt. Der Kläger behauptet, zu diesen Leistungen nicht verpflichtet gewesen zu sein, weil der Anspruch der Beklagten aufgrund nach der Schaffung des Titels eingetretener Umstände erloschen sei. Trifft diese Behauptung zu, stünde ihm ein Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Dem steht nicht entgegen, dass die Unterhaltsleistungen ganz oder teilweise auf exekutivem Weg von ihm hereingebracht worden sind. Nach herrschender Auffassung kann nämlich die Rückforderung einer Leistung trotz des Bewusstseins, zu dieser nicht verpflichtet zu sein, gerechtfertigt sein. Treten an die Stelle des Irrtums über den Bestand der Schuld iSd § 1431 ABGB gleich zu gewichtende andere Umstände, so kann die Leistung zurückgefordert werden, wenn die Zahlung nur zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung geleistet wurde und der Rückforderung auch nicht die Rechtskraft einer Entscheidung entgegensteht oder die Zwangsvollstreckung selbst eingreift und eine Vermögensverschiebung bewirkt (SZ 61/207 mwN; 4 Ob 204/02g; 2 Ob 256/06w; RIS Justiz RS0033569).

6. Ab Beendigung des Rechtsverhältnisses mit der Beklagten wäre dem Kläger die Geltendmachung seines gesamten Rückforderungsanspruchs mittels Leistungsbegehrens möglich gewesen. Dazu hätte es nicht der Einbringung einer neuen Klage, sondern bloß einer Klagsänderung durch Umstellung des Feststellungs auf ein Leistungsbegehren bedurft (vgl RIS Justiz RS0038807), die im Hinblick auf die laut § 49 Abs 2 Z 2 JN gegebene sachliche Eigenzuständigkeit des Erstgerichts (vgl 4 Ob 210/01p = RIS Justiz RS0046467 [T5]) gemäß § 235 Abs 3 ZPO ungeachtet allfälliger Einwendungen der Beklagten zugelassen hätte werden können (zu diesem Kriterium vgl auch 3 Ob 72/98d).

Da es der Kläger jedoch bei seinem Feststellungsbegehren beließ, hätte er nach den in Punkt 4. dargelegten Grundsätzen vorbringen müssen, aus welchen Gründen das jedenfalls ab dem genannten Zeitpunkt nicht mehr offenkundige Feststellungsinteresse weiterhin besteht. Der Kläger hat solches Vorbringen nicht erstattet. Er rügt jedoch als Verfahrensmangel, dass die Frage des Feststellungsinteresses nicht mit ihm erörtert worden sei.

7. Durch § 182a ZPO wurde die Erörterungspflicht der Gerichte dahin erweitert, dass sie auch in jenen Fällen gelten soll, in denen eine Partei erkennbar rechtliche Gesichtspunkte, die „von der Gegenseite bereits ins Spiel gebracht wurden“, übersehen und für unerheblich gehalten haben kann (2 Ob 203/08d mwN; RIS Justiz RS0120056).

Das Erstgericht hat zu einer Erörterung des Feststellungsinteresses keine Veranlassung gesehen, zumal es das Klagebegehren aus anderen Gründen abgewiesen hat. Der Vorwurf des Klägers trifft daher folgerichtig das Berufungsgericht, das in immerhin drei Berufungsverhandlungen die Frage des Feststellungsinteresses ebenfalls nicht angesprochen hat. Indem es in seiner Berufungsentscheidung das Feststellungsinteresse dennoch verneinte, verstieß es gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung.

Damit ist für den Kläger aber noch nichts gewonnen. Der eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des Verbots einer Überraschungsentscheidung erhebende Rechtsmittelwerber hat die Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes darzutun, also darzulegen, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte, wenn der Fehler unterblieben wäre (4 Ob 64/12h). Dazu hatte er im vorliegenden Fall jenes Vorbringen anzuführen, das er erstattet hätte, wenn er über die Rechtsansicht des Berufungsgerichts informiert worden wäre (1 Ob 160/07x; 2 Ob 203/08d; RIS Justiz RS0037095 [T4, T5, T6, T16]). Diesem Erfordernis hat der Kläger in seiner Revision zwar entsprochen. Sein hypothetisches Vorbringen lässt aber die Relevanz des Verfahrensmangels nicht erkennen:

7.1 Kommt es zu einer einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG, besteht zwischen den Ehegatten grundsätzlich kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch. § 69a Abs 1 EheG bestimmt daher, dass der aufgrund einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG geschuldete Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist (vgl RIS Justiz RS0109251; Gitschthaler aaO § 69a EheG Rz 1). Liegt eine rechtswirksame Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten nicht vor, normiert § 69a Abs 2 EheG, dass der Anspruch auf Unterhalt nach „Billigkeit“ in einem im Gesetz nicht näher ausformulierten Umfang besteht (9 Ob 73/07m).

Die Streitteile haben im Scheidungsfolgenvergleich Unterhaltsansprüche der Beklagten bis längstens Juni 2007 festgelegt. Für die Zeit danach liegt keine vertragliche Regelung vor. Mangels gesetzlichen Unterhaltsanspruchs käme nur Unterhalt nach Billigkeit in Betracht. In einem ähnlichen, ebenfalls eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Unterhaltsverpflichtung betreffenden Fall hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, in einem auf Erlöschen eines Titels gemäß § 69a Abs 1 EheG gerichteten Verfahren sei nicht zu prüfen, ob der Beklagten ein Unterhaltsanspruch nach § 69a Abs 2 EheG zustehe. Der abgeschlossene Vergleich könne keinen Titel für einen auf anderer Rechtsgrundlage möglicherweise bestehenden Unterhaltsanspruch bilden (9 Ob 73/07m).

Diese Überlegungen kommen auch hier zum Tragen. Das Klagebegehren ist ausdrücklich auf die Feststellung gerichtet, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten „aus dem Vergleich“ erloschen ist. Das Feststellungsinteresse des Klägers kann dann aber nicht mit dem Hinweis auf spätere „gesetzliche“ Unterhaltsansprüche der Beklagten begründet werden. Sämtliche auf dieser These aufbauenden Argumente des Klägers müssen daher ins Leere gehen.

7.2 In der Entscheidung 1 Ob 56/05z wurde klargestellt, dass eine Klage auf Rückzahlung bestimmter Leistungen aufgrund eines rechtskräftigen Unterhaltstitels wegen einer nach Schluss der Verhandlung im Titelprozess eingetretenen wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung relevanten Tatsachen nicht mit einem Begehren verknüpft sein müsse, nach dem das (teilweise) Erlöschen der im Vorprozess titulierten Unterhaltspflicht ausgesprochen werden soll. Das Vorliegen einer wesentlichen Tatsachenänderung könne auch im Prozess über die geforderte Rückzahlung geprüft werden (vgl auch RIS Justiz RS0120043).

Für den vorliegenden Fall ist daraus zu gewinnen, dass der Feststellungsklage entgegen der Ansicht des Klägers keineswegs die „funktionale Bedeutung einer Rechtsgestaltungsklage“ unterstellt werden kann. Mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres wurde er in die Lage versetzt, die im vertraglich geregelten Zeitraum an die Beklagte geleisteten Unterhaltszahlungen teilweise oder zur Gänze zurückzufordern, ohne dass anders als in 1 Ob 56/05z (vgl auch 3 Ob 102/06f) ein späterer Leistungszeitraum in Betracht zu ziehen war. Der Kläger konnte ab diesem Zeitpunkt ein Leistungsbegehren erheben, dessen Erfolg die Feststellung des Erlöschens des Anspruchs gänzlich erübrigte (idS 3 Ob 2309/96x zum fehlenden Feststellungsinteresse nach Beendigung der Exekution; Jakusch aaO § 35 Rz 9).

7.3 Das vom Kläger als unzumutbar empfundene Kostenrisiko, das er in einem Leistungsprozess wegen der Ungewissheit des Verwirkungszeitpunkts zu tragen hätte, trägt er auch im Feststellungsprozess, in dem er wie hier neben dem Hauptbegehren mehrere Eventualbegehren stellt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es bei Obsiegen (lediglich) mit einem Eventualbegehren ua dann zu nachteiligen Kostenfolgen für den Kläger kommen muss, wenn mit dem Eventualbegehren nicht wenigstens annähernd der gleiche wirtschaftliche Erfolg wie bei Stattgebung des Hauptbegehrens erreicht werden kann (vgl etwa 2 Ob 196/11d mwN).

7.4 Den Einwand des gutgläubigen Verbrauchs des geleisteten Unterhalts, den der Kläger als „Todesstoß für raschen Verfahrensabschluss“ bezeichnet, könnte die Beklagte trotz eines stattgebenden Urteils im Feststellungsprozess auch in einem diesem nachfolgenden Leistungsprozess erheben. Mit dem Hinweis auf diesen möglichen Einwand liefert der Kläger daher ebenfalls kein taugliches Argument für das Weiterbestehen eines Feststellungsinteresses, obwohl ihm mit der Vollendung des 60. Lebensjahres die Umstellung auf ein Leistungsbegehren bereits möglich war.

8. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Kläger zwar zu Recht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung bemängelt, ihm jedoch die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes nicht gelingt. Nach seinem Revisionsvorbringen bleibt überdies völlig offen, welche verfahrensrechtlichen Schlüsse er aus dem vermissten „Erörterungsprozess“ mit dem Berufungsgericht gezogen hätte.

Der Revision muss somit ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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