Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision des Dr. A B in C, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19. Februar 2024, LVwG 2023/37/2672 3, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer Disziplinarkommission für Tirol; weitere Partei: Bundesministerin für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Österreichische Ärztekammer hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der im Jahr 1959 geborene Revisionswerber ist als niedergelassener Facharzt für Lungenheilkunde und Arzt für Allgemeinmedizin in die Ärzteliste eingetragen und ordentlicher Kammerangehöriger der Ärztekammer für Tirol.
2 Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2022 beantragte der Disziplinaranwalt die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Revisionswerber, weil dieser am 1. Februar 2021 in einem im Internet zugänglichen Gesprächsforum die in der 4. COVID 19 Schutzmaßnahmenverordnung festgelegte Pflicht zum Tragen von FFP2 Masken unter anderem als „vorsätzliche Körperverletzung“ und „Strafverschärfung für die Bevölkerung“ bezeichnet und behauptet habe, dass durch das Tragen der FFP2 Masken, „die über 80Jährigen massenhaft Schenkelhalsbrüche erleiden und kollabieren werden und die Jüngeren ebenfalls kollabieren und hyperventilieren werden“. Der Revisionswerber habe dadurch die Disziplinarvergehen nach § 136 Abs. 1 Z 1 und 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) begangen.
3Darüber fasste der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde), mit 5. Juli 2022 einen Rücklegungsbeschluss nach § 151 Abs. 2 erster Satz ÄrzteG 1998. Dieser wurde zusammengefasst dahingehend begründet, dass der Revisionswerber die FFP2 Masken Tragepflicht zwar sehr pointiert und scharf kritisiert, sich dabei aber auf seriöse Quellen und seine nachvollziehbaren Fachkenntnisse als Lungenfacharzt gestützt habe. Er habe nicht zum Ungehorsam gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen aufgerufen, sondern plausibel Vorbelastungen aufgezählt, bei denen ein Maskenbefreiungsattest ausgestellt werden könne. Damit habe er noch im Rahmen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gehandelt.
4 Der gegen diesen vom Disziplinaranwalt erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 3. März 2023 Folge. Es behob den Rücklegungsbeschluss und trug der belangten Behörde die Fortsetzung des Verfahrens über den Einleitungsantrag auf. Dies begründete das Verwaltungsgericht nach ausführlichen Feststellungen zum Wissensstand zu Schutzmasken und den Ausführungen des Revisionswerbers in der Diskussion damit, dass die inkriminierten Äußerungen aus näher dargelegten Erwägungen als unsachlich qualifiziert werden könnten.
5 Nach dem daraufhin gefassten Einleitungsbeschluss vom 28. Juni 2023 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber mit Disziplinarerkenntnis vom 12. September 2023 schuldig, er habe durch die an seiner Wohnadresse aufgenommenen und im Februar 2021 im Internet veröffentlichten Äußerungen im Rahmen eines namentlich bezeichneten Gesprächsforums, wonach die Vorschrift zum Tragen von FFP2Masken eine „vorsätzliche Körperverletzung“ und eine „Strafverschärfung für die Bevölkerung“ sei, 1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch sein Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigt, und 2. die Berufspflichten, zu deren Einhaltung er nach dem Ärztegesetz verpflichtet sei, nämlich die in § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 normierte Pflicht, sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten, verletzt. Dadurch habe er die Disziplinarvergehen nach § 136 Abs. 1 Z 1 und Z 2 ÄrzteG 1998 begangen, weswegen über ihn gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 unter Anwendung des § 139 Abs. 6 ÄrzteG 1998 eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verhängt und ihm der Ersatz der mit 1.600 Euro bestimmten Kosten aufgetragen wurde.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Februar 2024 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers gegen dieses Disziplinarerkenntnis ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
7 Das Verwaltungsgericht traf zu den Aussagen des Revisionswerbers folgende Feststellungen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„Der [Revisionswerber] nahm im Februar 2021 online an einer Diskussion der Plattform Respekt zu einer der COVID 19 Verordnungen und insbesondere zu der damit normierten Verpflichtung zum Maskentragen teil. Die Diskussion war und ist im Internet allgemein zugänglich veröffentlicht (aktuell, wenn man im Internet den Suchbegriff ‚D‘ eingibt).
Der [Revisionswerber] kritisierte die damals verordnete Pflicht zum Tragen von FFP2 Masken und traf unter anderem folgende Aussagen:
o Das Maskentragen hat keine epidemiologische Wirkung und muss daher schlechthin dramatisch hinterfragt werden. Die FFP2 Maske bildet einen Verstoß gegen die Menschlichkeit und die Gesundheit des Menschen und somit eine vorsätzliche Körperverletzung, weil die Menschen durch das Tragen von FFP2 Masken krankgemacht werden. Dies hat auch das Robert Koch Institut (RKI) auf seiner Homepage festgestellt,
o Die Menschen werden durch das Tragen von FFP2 Masken krank, derartige Masken sollen daher für den privaten Gebrauch nicht verwendet werden,
o Dem Maskentragen hat eine arbeitsmedizinische Untersuchung voranzugehen, ob die betreffende Person geeignet ist, eine Maske zu tragen. Arbeitsrechtlichen Vorschriften entsprechend darf eine solche Maske lediglich 75 Minuten getragen werden. Danach ist eine Pause von 30 Minuten einzuhalten (so lautet auch die Empfehlung des RKI). Das Maskentragen ist daher eine Strafverschärfung für die Bevölkerung.
Eine vorsätzliche Körperverletzung durch das Tragen von Masken begründete der [Revisionswerber] mit der fehlenden Evidenz für deren Schutzwirkung. Trotz dieses Umstandes sei flächendeckend für die gesamte Bevölkerung eine Maskenpflicht verordnet worden. Laut dem [Revisionswerber] ist historisch betrachtet die Maske das Zeichen für die Sklaverei; die Sklaven hatten Masken zu tragen und konnten damit an der Kommunikation der Herrschenden nicht mehr teilnehmen. Zu seiner Qualifizierung der Vorschreibung der Maskentragepflicht als Strafverschärfung verwies der [Revisionswerber] auf die während der ‚Coronazeit‘ ohne Begründung verhängten einschränkenden Maßnahmen. Da die Maskentragepflicht erschwerend hinzutrat, bezeichnete der [Revisionswerber] diese als ‚Strafverschärfung für die Bevölkerung‘. Die Formulierung ‚Strafverschärfung‘ erfolgte zudem im Zusammenhang mit der aus Sicht des [Revisionswerbers] manipulativen Berichterstattung, die darauf abzielte, die Bevölkerung zum Maskentragen zu drängen. Ähnliches erfolgte nach Meinung des [Revisionswerbers] auch bei den Impfungen, zu denen die Bevölkerung durch Panik veranlasst wurde.“
8 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhalten des Revisionswerbers unter dem Blickwinkel der Tatbestände des § 136 Abs. 1 Z 1 und 2 ÄrzteG 1998 aus, dass der Revisionswerber im Rahmen der Diskussion die Verpflichtung zum Tragen von FFP2Masken kritisiert habe, weil sich ein Zusammenhang zwischen dem Tragen von Masken und den Inzidenzen nicht ableiten lasse. Darüber hinaus habe er auf die Risiken verwiesen, die mit dem Tragen von Masken verbunden seien. Diese Aussagen bewegten sich innerhalb der durch Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit.
9 Da die belangte Behörde ausschließlich die Äußerungen des Revisionswerbers in der Diskussion, wonach die Vorschrift zum Tragen von FFP2Masken eine „vorsätzliche Körperverletzung“ und eine „Strafverschärfung für die Bevölkerung“ darstelle, als Disziplinarvergehen qualifiziert habe, bildeten nur diese Aussagen den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Diese seien auf einen Verstoß gegen die sich aus § 53 ÄrzteG 1998 ergebenden Verpflichtungen zu untersuchen.
10 Der Revisionswerber sei bei der Diskussion als medizinischer Fachmann aufgetreten und habe seine Aussagen unter Berufung auf sein Wissen und seine Erfahrung als Lungenfacharzt getätigt, sodass ein Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes gegeben gewesen sei. Davon ausgehend sei zu untersuchen, ob seine Äußerungen im Sinn der §§ 1 und 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 zu qualifizieren seien.
11 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sei seine Aussage, dass „die über 80 Jährigen massenhaft Schenkelhalsbrüche erleiden und kollabieren werden und die Jüngeren ebenfalls kollabieren und ventilieren werden“ von der belangten Behörde nicht als wahr festgestellt, sondern bloß durch die Meinungsfreiheit gedeckt angesehen worden.
12 Eine „vorsätzliche Körperverletzung“ sei ein Strafdelikt und bedeute eine rechtswidrige Gewaltanwendung gegen andere. Bei einem neutralen Beobachter werde damit der Eindruck erweckt, dass der Verordnungsgeber mit der Verpflichtung zum Maskentragen Schädigungen an der Gesundheit der Rechtsunterworfenen zumindest in Kauf nehme. Der Vorwurf des Revisionswerbers habe sich insbesondere gegen den jeweiligen Gesundheitsminister gerichtet, der maßgeblich für die Erlassung der Verordnungen über die Verpflichtung zum Maskentragen verantwortlich gewesen sei. In diesem Sinn sei auch seine Darlegung in der mündlichen Verhandlung zu verstehen, dass die Politik flächendeckend für die gesamte Bevölkerung eine Maskenpflicht verordnet habe, obwohl es für die Schutzwirkung von Masken keine Evidenz gegeben habe. Die Bezeichnung der Maskenpflicht als „vorsätzliche Körperverletzung“ richte sich aber auch gegen jene Mediziner und Medizinerinnen, die diese Maßnahme als zur Bekämpfung der Pandemie geeignet bewertet hätten.
13 Für den Revisionswerber sei die als „vorsätzliche Körperverletzung“ bezeichnete Verpflichtung zum Tragen von Masken neben anderen, nicht begründeten, einschränkenden gesundheitspolitischen Maßnahmen, wie „Lockdowns“, verordnet worden, weshalb er die Maskentragepflicht als „Strafverschärfung für die Bevölkerung“ qualifiziert habe. Die „Strafverschärfung“ sei nach seiner Ansicht auch dadurch bewirkt worden, dass die Bevölkerung durch Panik zum Maskentragen veranlasst worden sei. Die Aussagen könnten von einem neutralen Beobachter wegen des vom Revisionswerber anlässlich seiner Einvernahme hergestellten Zusammenhangs zwischen der Maskenpflicht und der Sklaverei auch dahingehend verstanden werden, dass die Maskentragepflicht nicht zur Verfolgung gesundheitspolitischer Ziele, sondern aus anderen politischen Motiven verordnet worden sei. Die Bewertung der Maskenpflicht als „vorsätzliche Körperverletzung“ und die damit erfolgte Gleichstellung mit einer kriminellen Handlung, sei unsachlich im Sinn der §§ 1 und 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Information in der Öffentlichkeit (Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014). Dies gelte auch für die Behauptung, die Maskenpflicht stelle eine „Strafverschärfung der Bevölkerung“ dar. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass Ziel der Maskenpflicht nicht der Schutz der Bevölkerung gewesen sei, sondern diese noch härter habe bestraft werden sollen. Damit unterstelle der Revisionswerber den für die Erlassung der einschlägigen Verordnungen Verantwortlichen, sowie im weiteren Sinn jenen seiner Kollegen, die das Maskentragen als zielführende Maßnahme qualifiziert hätten, eine kriminelle Vorgangsweise.
14Zusammenfassend kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass Kritik am Pandemiemanagement und damit auch an der Einführung der Maskentragepflicht grundsätzlich kein standeswidriges Verhalten und auch keine Verletzung der in § 53 ÄrzteG 1998 normierten Berufspflicht darstelle, auch wenn die wiedergegebene Meinung von der Mehrheitsmeinung abweiche. Allerdings dürfe eine solche Kritik den Boden der Sachlichkeit nicht verlassen. Die Bewertung der Maskenpflicht als „vorsätzliche Körperverletzung“ und „Strafverschärfung für die Bevölkerung“ sei jedoch nicht als sachliche Kritik zu qualifizieren. Dies gelte umso mehr, als aufgrund des Bezugs zur fachärztlichen Tätigkeit des Revisionswerbers ein strengerer Maßstab anzulegen sei. Immerhin habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. September 2021, V 155/2021, festgehalten, dass die in der COVID 19 Schulverordnung 2020/21 normierte Pflicht zum Tragen eines Mund Nasenschutzes gemeinsam mit weiteren Schutzmaßnahmen ein taugliches Mittel zur Erreichung des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von COVID19 im Schulwesen und zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 12. Mai 2023, Ra 2023/09/0039, im Zusammenhang mit der 4. COVID 19 Maßnahmenverordnung zum Ausdruck gebracht, dass das Maskentragen einem gesundheitspolitischen Ziel von erheblichem Gewicht diene.
15Der Revisionswerber habe damit gegen das Gebot der Sachlichkeit bei der Äußerung von Kritik und damit gegen § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 iVm der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 in objektiver und subjektiver Hinsicht verstoßen und die Disziplinarvergehen des § 136 Abs. 1 Z 1 und Z 2 ÄrzteG 1998 in Idealkonkurrenz begangen. Die verhängte Geldstrafe wurde mit näherer Ausführung als schuld und tatangemessen beurteilt.
16Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es bei seiner Auslegung von § 53 ÄrzteG 1998 iVm der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 nicht von der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Meinungsäußerungen abgewichen sei.
17 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 16. September 2024, E 1220/202413, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, weil hinsichtlich der in der Beschwerde gerügten Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten keine spezifisch verfassungsrechtlichen Überlegungen anzustellen seien und die in § 53 iVm § 136 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sowie der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014, normierten Vorschriften zum einen ausreichend bestimmt und zum anderen mit dem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung in Einklang zu bringen seien.
18In der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhob der Revisionswerber gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren keine erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Die Revision ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
20 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21Soweit der Revisionswerber unter diesem Gesichtspunkt zur Zulässigkeit seiner Revision zunächst die Befangenheit des Richters des Verwaltungsgerichts geltend macht und dazu auch auf Bestimmungen der Strafprozessordnung verweist, übersieht er, dass es sich bei einem Disziplinarverfahren nach dem Ärztegesetz nicht um einen Strafprozess, sondern um ein Verfahren über ein „civil right“ im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK handelt (siehe VwGH 15.7.2015, Ro 2014/09/0064, mwN). Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten die in § 43 Abs. 2 StPO getroffene Regelung nicht zum Tragen kommt, weil diese lediglich für das strafgerichtliche Verfahren normiert ist; in sonstigen Verfahren könnte eine (sinngemäße) Anwendung dieser Gesetzesstelle nur dort Platz greifen, wo dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. VwGH 30.6.2015, Ro 2015/03/0021, mwN). Dies ist hier mit Blick auf § 167d ÄrzteG 1998 nicht der Fall.
22 Auch aus der vom Verwaltungsrichter gefassten und unangefochten gebliebenenEntscheidung im Beschwerdeverfahren über den Rücklegungsbeschluss sind Gründe für die Annahme einer Befangenheit nicht abzuleiten, wird im Verfahren über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens doch noch nicht bindend über Schuld und Strafe abgesprochen (vgl. ausführlich VwGH 20.5.2015, Ro 2014/09/0053, mwN). Es besteht keine Bindung an die rechtliche Würdigung der Taten im Einleitungsbeschluss (vgl. etwa VwGH 30.3.2023, Ra 2021/09/0001, mwN). Der Beschuldigte hat auch nach Erlassung eines Einleitungsbeschlusses die Möglichkeit, alle zu seiner Verteidigung sprechenden Umstände geltend zu machen (VwGH 19.7.2021, Ra 2021/09/0164, zum BDG 1979).
23Im Zulässigkeitsvorbringen wird vor dem Hintergrund der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht konkret aufgezeigt, worin die Befangenheit des Verwaltungsrichters gelegen sein sollte (vgl. zur hiezu erforderlichen Darlegung VwGH 19.3.2024, Ra 2023/09/0186 bis 0187 u.a.). Die vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, der Richter habe „das Unionsrecht“ völlig ignoriert (das dazu ohne nähere Bezugnahme zum Revisionsverfahren zitierte Erkenntnis VwGH [13.6.2024], Ra 2023/11/0117, betraf einen nicht vergleichbaren Fall) zeigt eine grundsätzliche Rechtsfrage und damit die Zulässigkeit der Revision nicht auf.
24 Soweit der Revisionswerber ferner die Frage aufwirft, ob die im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen , C791/19, zum Disziplinarverfahren gegen Richter formulierten Anforderungen an die Konkretisierung des Verhaltens, das ein Disziplinarvergehen darstellt, in gleicher Weise für das Disziplinarrecht der Ärzte gelten müssten, zeigt er weder auf, weshalb die in dieser Entscheidung unter dem Blickwinkel der besonderen Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit getroffenen Ausführungen auf Ärzte auszudehnen wären, noch weshalb entgegen der ständigen Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 14.6.2023, Ra 2023/09/0055 u.a., mwN) auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ohne grenzüberschreitenden Bezug wie den vorliegendeninsoweit das Unionsrecht anzuwenden wäre. Der Anregung, hierzu gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union einzuholen, war daher nicht näherzutreten. Dass der Begriff des „Ansehens der österreichischen Ärzteschaft“ in § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 einen ausreichend konkreten Inhalt aufweist, entspricht wie auch im Zulässigkeitsvorbringen eingeräumt wirdsowohl der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa VwGH 5.9.2024, Ra 2023/09/0002 bis 0003, mwN), als auch der in dieser Sache bereits ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, der auch zur Verordnung „Arzt und Öffentlichkeit 2014“ Stellung bezog (VfGH 16.9.2024, E 1220/2024).
25Das Vorbringen zur Zusammensetzung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wiederum übergeht den Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof zwar mit dem am 21. März 2023 in BGBl. I Nr. 19/2023 kundgemachten Erkenntnis vom 6. März 2023, G 237/2022, u.a., die Wortfolge „und auf Vorschlag des Vorstandes der Österreichischen Ärztekammer vom Bundesminister für Gesundheit und Frauen bestellt wird“ in § 140 Abs. 3 erster Satz ÄrzteG 1998, die Wortfolge „auf Vorschlag des Vorstandes der Österreichischen Ärztekammer vom Bundesminister für Gesundheit und Frauen“ in § 140 Abs. 3 zweiter Satz und den dritten Satz in § 140 Abs. 3 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169, idF BGBl. I 140/2003, mit Ablauf des 30. September 2024 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen hat, dass frühere Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Eine Erstreckung der Anlassfallwirkung gemäß Art. 140 Abs. 7 B VG wurde jedoch nicht verfügt. Wird ein derartiger Ausspruch vom Verfassungsgerichtshof nicht getroffen, und handelt es sich wie im Revisionsfall nicht um einen (Quasi )Anlassfall, ist die aufgehobene Norm auf vor der Aufhebung verwirklichte Sachverhalte weiterhin anzuwenden. Diese bleibt also zur Gänze anwendbar und wird vielmehr „verfassungsrechtlich unangreifbar“ also „immunisiert“. Die Einleitung eines weiteren Verordnungs oder Gesetzesprüfungsverfahrens und eine neuerlicheAufhebung etwa aufgrund anderer Bedenken kommt nicht in Betracht (vgl. VwGH 5.9.2024, Ra 2023/09/0036 bis 0037 u.a., Rn. 13, mwN).
26 Der Revisionswerber zeigt jedoch die Zulässigkeit der Revision auf, wenn er eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin erblickt, ob seine inkriminierten, auf einem konkreten Tatsachensubstrat beruhenden und als Wertungen zu beurteilenden Äußerungen geeignet seien, das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft zu schädigen, oder diese nicht vielmehr im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit zulässig sein müssten.
27 Die Revision erweist sich damit auch als begründet.
28Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 22. März 2023, Ra 2021/09/0269, seine gefestigte Rechtsprechung zur Auslegung der einfachgesetzlichen Disziplinarvorschriften des Ärztegesetzes 1998 im Lichte des Art. 10 EMRK wie folgt dargelegt:
„10 Gemäß Art. 10 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen erfasst. Art. 10 Abs. 2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind. Ein Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke ‚in einer demokratischen Gesellschaft notwendig‘ sein (vgl. anstatt vieler VfGH 24.2.2021, E 607/2020, unter Hinweis unter anderem auf die einschlägige Rechtsprechung des EGMR, darunter grundlegend EGMR 26.4.1979, The Sunday Times/Vereinigtes Königreich , 6538/74).
11 In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Disziplinarrecht der Ärzte gehegt und es im öffentlichen Interesse für gerechtfertigt erachtet, die Werbung bestimmter Berufsgruppen, wozu u.a. Rechtsanwälte und Ärzte zählen, Beschränkungen zu unterwerfen (vgl. etwa VfSlg. 6026/1969, 10.700/1985, 11.996/1989, 16.296/2001, 17.382/2004, 17.852/2006, 18.559/2008, 18.763/2009). Das in § 53 ÄrzteG 1998 normierte Verbot unsachlicher, unwahrer oder das Standesansehen der Ärzteschaft beeinträchtigender Informationen liegt sowohl im Interesse der Ärzteschaft als auch im Interesse der Allgemeinheit, sich bei der Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (vgl. VwGH 28.10.2021, Ra 2019/09/0140, unter Verweis auf VfGH 12.6.2012, B 811/11; siehe auch RISJustiz RS0108834).
12 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) differenziert zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen. Die Unterscheidung ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine fließende, die im jeweiligen Einzelfall zu treffen ist. Es wird vom EGMR ausdrücklich eingeräumt, dass in vielen Fällen schwer zu entscheiden ist, ob eine bestimmte Äußerung ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung darstellt. Selbst ein Werturteil ist nur dann zulässig, wenn es auf einer ausreichenden faktischen Grundlage beruht (EGMR 13.11.2003, Scharsach und News Verlagsgesellschaft mbH/Österreich , 39394/9 = ÖJZ 2004, 512).
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Eingriff durch eine disziplinarrechtliche Bestrafung, die sich gegen die Meinungsäußerungsfreiheit richtet, am Maßstab des Art. 10 EMRK zu messen (vgl. VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0202). Die Beurteilung der Zulässigkeit eines Eingriffs in eine der grundrechtlichen Gewährleistungen der EMRK wie jene des Art. 10 Abs. 2 EMRK erfordert eine Abwägung zwischen den diesen Eingriff rechtfertigenden öffentlichen Interessen und den Interessen des Betroffenen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes und des EGMR muss die Einschränkung im Einzelfall in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Angesichts der besonderen Bedeutung und Funktion der Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft, die auch der EGMR mehrfach betonte, muss die Notwendigkeit der mit einer Bestrafung verbundenen Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung im Einzelfall außer Zweifel stehen (vgl. etwa VfGH 2.3.1994, B 2045/92, mwN auch zur Rechtsprechung des EGMR, unter anderem EGMR 26.11.1991, Observer and Guardian/Vereinigtes Königreich , 13585/88).
14 Nach der Rechtsprechung bedürfen im Fall konfligierender Grundrechte bei der Interessenabwägung Äußerungen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse einen hohen Grad an Schutz unter Art. 10 EMRK (vgl. in diesem Sinn RISJustiz RS0125220; siehe auch RS0125057). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch im Zusammenhang mit disziplinären Bestrafungen von Ärzten betont, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR wie auch des Verfassungsgerichtshofes nicht nur für ‚Nachrichten‘ oder ‚Ideen‘ gilt, die ein positives Echo haben oder die als unschädlich oder gleichgültig angesehen werden, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören (vgl. erneut VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0202, mwN; zur besonderen Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung als Disziplinarvergehen vgl. zuletzt VfGH 24.2.2021, E 607/2020, mwN). Andererseits ist zu beachten, dass der Verwaltungsgerichtshof in Anknüpfung an die bereits dargestellte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bereits darauf hingewiesen hat, dass eine disziplinäre Bestrafung unsachlicher, unwahrer oder das Standesansehen der Ärzteschaft beeinträchtigender Informationen im öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit gelegen sein kann (vgl. ebenfalls VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0202).
15 Die konkrete Gewichtung der zu schützenden Rechtsgüter und die Frage der Verhältnismäßigkeit einer disziplinären Maßnahme ist anhand der konkreten Umstände im Einzelfall vorzunehmen. Eine solche Abwägung ist daher wenn kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdenicht revisibel (vgl. erneut bereits VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0202, mwN). Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalls auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.“
29Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung zur Zulässigkeit einer Disziplinierung im Hinblick auf Art. 10 EMRK zudem bereits klargestellt, dass es auch Ärzten möglich sein muss, in dieser Eigenschaft an öffentlichen Debatten über gesundheitspolitische Themen teilzunehmen und Sachkritik zu äußern, zumal diesen eine höhere Expertise zukommt. Allerdings ist bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Aussagen von Ärztinnen und Ärzten, insbesondere zum Schutz des Vertrauens der allgemeinen Bevölkerung in die Seriosität der Berufsausübung und Fachexpertise, ein auch im ärztlichen Berufsrecht verankerterstrengerer Maßstab anzulegen. Äußerungen die „gar der Vernunft“ widersprechen, sind von der Meinungsäußerungsfreiheit keinesfalls gedeckt (auch VwGH 5.9.2024, Ra 2023/09/0036 bis 0037, u.a., Rn. 36).
30Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es ferner bei der Beurteilung von Äußerungen auf den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an. Die einzelnen inkriminierten Aussagen (Meinungsäußerungen) dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet werden, sondern sind im entsprechenden sachverhaltsbezogenen Kontext darzustellen und zu beurteilen (vgl. abermals VwGH 5.9.2024, Ra 2023/09/0036 bis 0037, u.a., Rn. 37, mwN).
31Wie in dem Ra 2021/09/0269 zugrundeliegenden Fall, erfolgten auch hier die vom Verwaltungsgericht wiedergegebenen Äußerungen des Revisionswerbers im Kontext einer in der Öffentlichkeit kontrovers geführten Diskussion, welche präventiven Maßnahmen der Staat im Zusammenhang mit der COVID 19 Pandemie ergreifen soll. Dabei kritisierte der Revisionswerber im Rahmen einer Diskussionsrunde mit zwei Rechtsanwälten aus medizinischer Sicht mit harschen Worten die allen Personen und für viele Bereiche des täglichen Lebens (neu) auferlegte Pflicht zum Tragen von FFP2 Masken.
32Das Verwaltungsgericht zog gegenständlich zur Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Disziplinarvergehens nach § 136 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ausschließlich und für sich isoliert die Äußerungen des Revisionswerbers, dass die Vorschriften zum Tragen von FFP2Masken eine „vorsätzliche Körperverletzung“ und eine „Strafverschärfung für die Bevölkerung“ darstellten, heran. Anders als noch in seinem im Einleitungsverfahren ergangenen Erkenntnis vom 3. März 2023 stellte das Landesverwaltungsgericht weder den übrigen (wesentlichen) Diskussionsbeitrag des Revisionswerbers fest, noch setzte es sich mit dem medizinisch-fachlichen Hintergrund dieser verknappten und zugespitzten Aussagen des Revisionswerbers auseinander. Es ging auch weder auf den zeitlichen Kontext des Diskussionsbeitrags Anfang des Jahres 2021 noch auf den vom Revisionswerber herangezogenen fachlichen Hintergrund ein. Dies wäre aber für die Abwägungsentscheidung, ob der Revisionswerber trotz des Grundrechts auf Meinungsfreiheit hier einen Verstoß gegen § 136 Abs. 1 ÄrzteG 1998 zu verantworten hat, erforderlich gewesen.
33 Im gegebenen Zusammenhang wäre auch nicht in erster Linie darauf abzustellen gewesen, was aus juristischer Sicht unter „Vorsatz“, „Körperverletzung“ oder „Strafverschärfung“ verstanden wird, sondern wie diese Äußerungen von einem verständigen Zuhörer aus dem Gesamtzusammenhang der fachlichen Darlegungen des Revisionswerbers in seinem Diskussionsbeitrag aufzunehmen waren, wobei auch bei der Beurteilung provozierender Äußerungen als Disziplinarvergehen vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechungbesondere Zurückhaltung geboten ist. Auch wenn diese Schutzmaßnahmen in der Rechtsprechung der Höchstgerichte als nicht außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten Zielsetzung beurteilt wurden (vgl. VwGH 21.10.2022, Ra 2022/09/0043 bis 0044, u.a., Rn. 39, mwN), führt dies für sich genommen noch nicht dazu, dass auch grobeKritik an einer solchen Maßnahme jedenfalls als disziplinär zu beurteilen wäre. Die mit einer Disziplinierung erfolgende Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit hat vielmehr im Einzelfall zu einem in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Ziel im Sinn eines zwingenden sozialen Bedürfnisses insbesondere der Gesundheit erforderlich zu sein (vgl. etwa VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0010, Rn. 25, mwN).
34 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte und bereits die dazu erforderlichen Feststellungen nicht traf, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge sekundärer Feststellungsmängel.
35 Auf die Frage der Strafhöhe war bei diesem Ergebnis nicht mehr näher einzugehen (vgl. aber etwa ausführlich EGMR 27.8.2024, Bielau/Österreich , 20007/22, Z 40 ff zur Notwendigkeit der Strafe in einer demokratischen Gesellschaft und ihrer Verhältnismäßigkeit).
36Das angefochtene Erkenntnis war somit bereits aus dem genannten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
37 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.
38Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. April 2025