JudikaturVwGH

Ra 2023/09/0055 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt Klotz Straße 21A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. Jänner 2023, LVwG S 2770/001 2022, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Bestätigung des behördlichen Straferkenntnisses den Revisionswerber als für eine konkrete Filiale eines näher bezeichneten Einzelhandelsunternehmens verantwortlichen Beauftragten und damit als gemäß § 9 Abs. 2 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ sechser Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. e und Abs. 3 lit. c in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und § 3 Abs. 3 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) schuldig, weil dieses als Arbeitgeber sechs namentlich genannte afghanische Staatsangehörige in der Filiale an konkret angeführten Tagen von März bis Juni 2020 beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien, und verhängte über ihn hiefür sechs Geldstrafen sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen.

Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Wenn zur Zulässigkeit der Revision zunächst vorgebracht wird, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass bereits eines der in § 4 Abs. 2 AÜG genannten Kriterien ausreiche, um das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung zu begründen und unter Hinweis auf VwGH [22.8.2017], Ra 2017/11/0068, sowie EuGH 18.6.2015, Martin Meat , C 586/13, argumentiert wird, auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten seien die unionsrechtlichen Vorgaben, deren Umsetzung die Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes dienten, zu berücksichtigen, wird damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt.

5 Zum einen stellte das Verwaltungsgericht keineswegs auf das Vorliegen lediglich eines der in § 4 Abs. 2 AÜG genannten Kriterien ab, sondern kam aufgrund einer Gesamtwürdigung der von ihm festgestellten Aspekte der Tätigkeiten der Ausländer, des Betriebsablaufs und der Vertragsbeziehungen zu einem fallbezogenen Gesamtbild und zum Ergebnis, dass vom Vertragspartner des Unternehmens lediglich Arbeitskräfte überlassen und kein konkretes Werk erbracht wurde. Zum anderen findet das Unionsrecht nach ständiger Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofes auf rein innerstaatliche Sachverhalte, die keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, keine Anwendung (VwGH 24.1.2022, Ra 2020/09/0077, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung auch des Verfassungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union; vgl. etwa auch VwGH 24.6.2021, Ra 2017/09/0005). Den vom Revisionswerber zitierten Entscheidungen lagen jeweils hier nicht gegebene grenzüberschreitende Sachverhalte zu Grunde.

6 Auch mit dem auf eine Notstandssituation infolge Pandemie und „Lockdown“ sowie einen außerhalb des typischen und vermeidbaren Fehlerbereichs liegenden Fehler abstellenden Zulässigkeitsvorbringen werden Rechtsfragen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG schon deshalb nicht aufgezeigt, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 29.7.2021, Ra 2020/12/0002, mwN), wofür ein bloßer Verweis auf die Zulässigkeitsausführungen nicht ausreicht. Darüber hinaus liegt eine im Einzelfall zu beurteilende (vgl. hiezu ausführlich VwGH 21.2.2023, Ra 2023/02/0021) Notstandssituation im Zusammenhang mit Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nach der gesicherten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht schon dann vor, wenn bloß eine wenn auch schwere Gefahr für das Vermögen oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll. Zum Wesen des Notstands gehört es auch, dass die Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (siehe etwa VwGH 26.2.2009, 2009/09/0031, mwN). Dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang bei seiner Beurteilung von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, wird nicht aufgezeigt. Dem Revisionswerber wurde auch nicht zum Vorwurf gemacht, sich in Zeiten erhöhten Arbeitsanfalls überlassener Arbeitskräfte bedient zu haben, sondern Ausländer ohne Zulassung zum österreichischen Arbeitsmarkt eingesetzt zu haben, wobei er ein wirksames Kontrollsystem nicht aufzeigte (vgl. zu dessen Voraussetzungen etwa VwGH 1.3.2022, Ra 2021/09/0244, mwN).

7 Die Revision war somit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Verbesserungsverfahren im Hinblick auf den nicht konkret ausgeführten Revisionspunkt (vgl. VwGH 1.9.2022, Ra 2022/09/0090, mwN).

Wien, am 14. Juni 2023

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