Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Mag. Schindler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der H, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. Dezember 2024, LVwG AV 2690/002 2023, betreffend Aufforderung gemäß § 91 StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit der Revisionswerberin damit die Ausästung (Entfernung) der in den Verkehrsraum ragenden Bäume auch auf der Grundstücksnummer 937/4, KG S, aufgetragen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 26. April 2022 wurde die Revisionswerberin als Eigentümerin der Grundstücke mit den Nrn. 87/1, 937/1, 937/7, 939/1-3, 940/1, 941/4 und 952/1, alle EZ 140, KG S, aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides, die Bäume, die sich auf ihren Grundstücken neben der Gemeindestraße mit der Grundstücksnummer 3003, KG S, befänden, so zurückzuschneiden, dass diese nicht in den Verkehrsraum dieser Gemeindestraße mit einer Querschnittsbreite von 3,1 Meter mal einer Höhe von 4,2 Meter hineinragen.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, als die Ausästung (Entfernung) der in den Verkehrsraum ragenden Bäume auch auf der Grundstücksnummer 937/4, KG S, zu erfolgen habe. Die Frist zur Herstellung des aufgetragenen Zustandes setzte es mit vier Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses fest. Darüber hinaus sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, die Revisionswerberin sei Eigentümerin der genannten Grundstücke, welche sich teils südlich teils nördlich eines Güterwegs befänden. Es handle sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Der Weg sei als Spurweg zu charakterisieren, dessen Fahrspuren mit Kies befestigt seien. Auf den Liegenschaften seien beidseitig des Güterwegs Obstbäume vorhanden, deren Äste augenscheinlich in den Verkehrsraum und Lichtraum des Güterwegs ragten.
4 Das Verwaltungsgericht verwarf im Rahmen der Beweiswürdigung die von der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Befangenheit des verkehrstechnischen Amtssachverständigen und verwies darauf, dass es grundsätzlich zulässig sei, einen bereits vor der Behörde tätig gewordenen Sachverständigen auch vom Verwaltungsgericht in derselben Sache beizuziehen und seine Einbindung in die Amtshierarchie allein keine Befangenheit zu begründen vermöge. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seien keine Umstände hervorgekommen, welche seine Fachkunde in Zweifel ziehen könnten.
5 Sodann führte es in rechtlicher Hinsicht aus, dass zur verkehrssicheren Gewährleistung der Benutzbarkeit der Gemeindestraße die unter Beachtung der maßgeblichen näher bezeichneten Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) eine ländliche Straße mit geringer Verkehrsbedeutung und der Erschließung von land und forstwirtschaftlichen Flächen sei mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Arbeitsgeräten sowie Einsatzfahrzeugen der Verkehrsraum durchgehend mit einer Querschnittsbreite von 3,1 Meter mal einer Höhe von 4,2 Meter von allen Hindernissen freizuhalten sei. Alle in diesen Verkehrsraum hineinragenden Baumteile und Äste seien daher zu entfernen. Das Ausschneiden von Ästen bzw. sogar das allfällig erforderliche Entfernen von Bäumen, damit die Gemeindestraße ungehindert befahrbar sei, stelle zwar einen Eingriff in das Eigentum dar, entspreche jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die dadurch wieder auch mit Arbeitsgeräten und Einsatzfahrzeugen hergestellte Befahrbarkeit der Gemeindestraße. Dem von der Revisionswerberin zu ihrem Vorbringen, eine Ausgestaltung des Weges für eine Durchfahrt von LKWs, welche eine Durchfahrtsbreite von vier Metern benötigen, sei niemals geschuldet gewesen, ins Treffen geführten gerichtlichen Vergleich vom 17. September 1999 mit der Gemeinde sei lediglich die Verpflichtung der Revisionswerberin, den öffentlichen Weg in einem „betroffenen Bereich“ in Form eines geschotterten Wiesenweges zu sanieren bzw. wiederherzustellen, aber keine Festlegung der Breite des Weges zu entnehmen.
6 Der Spruch sei dahingehend zu berichtigen, als die Ausästung bzw. Entfernung der Bäume auch auf der Grundstücksnummer 937/4 anzuordnen sei, weil die Revisionswerberin zum Entscheidungszeitpunkt auch grundbücherliche Eigentümerin dieser Liegenschaft gewesen sei und das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im Verwaltungsverfahren grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach und Rechtslage auszurichten habe.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
8Soweit trennbare Absprüche vorliegen, ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. VwGH 22.4.2025, Ra 2024/02/0224, mwN). Im vorliegenden Fall liegt insofern eine Trennbarkeit des Ausspruches über die Verpflichtung der Revisionswerberin zur Ausästung (Entfernung) nach § 91 Abs. 1 StVO vor, als sich dieser auf die einzelnen mit Grundstücksnummer angeführten Grundstücke der Liegenschaft EZ 140, KG S, bezogen hat. Es handelt sich insofern um voneinander trennbare Teile der Entscheidung.
9 Die Revisionswerberin macht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision betreffend den Auftrag zur Ausästung (Entfernung) der in den Verkehrsraum ragenden Bäume auch auf dem Grundstück Nr. 937/4 geltend, dass sich das vor der Verwaltungsbehörde durchgeführte Verfahren noch nicht auf dieses Grundstück bezogen habe. Das Verwaltungsgericht dürfe sachlich nicht über mehr entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde gewesen sei.
10 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision in diesem Umfang als zulässig und begründet.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts die „Sache“ des bekämpften Bescheides. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist somitungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangsnur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Das Verwaltungsgericht hat also die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde (vgl. zu alldem VwGH 25.6.2024, Ra 2022/04/0167, mwN).
12Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder nicht in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewesen ist, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und die Entscheidung ist im diesbezüglichen Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. VwGH 8.9.2022, Ro 2022/02/0017, mwN).
13In der Revision wird zutreffend darauf hingewiesen, dass das Grundstück Nr. 937/4 (EZ 140, KG S) nicht Teil des Spruchs des behördlichen Bescheids war, welcher den äußersten Rahmen der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts bildet. Das Verwaltungsgericht weist im angefochtenen Erkenntnis selbst darauf hin, dass die Revisionswerberin erst im Jahr 2024 im Zuge einer Kommassierung daran Eigentum erworben habe. Das angeführte Grundstück war nicht Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde und es hätte daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Aufforderung zur Ausästung (Entfernung) von Bäumen auf diesem Grundstück erlassen werden dürfen. Durch den Abspruch darüber hat das Verwaltungsgericht die „Sache“ seines Verfahrens überschritten (vgl. dazu auch VwGH 6.9.2005, 2002/03/0203; 31.5.2022, Ro 2021/06/0008).
14Das angefochtene Erkenntnis war daher in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
15Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2014. Da für den Schriftsatzaufwand (§ 48 Abs. 1 Z 2 VwGG) in der zitierten Verordnung gemäß § 49 Abs. 1 VwGG Pauschalbeträge festgesetzt wurden, in welchen auch bereits die geltend gemachte Umsatzsteuer enthalten ist (vgl. VwGH 13.2.2024, Ra 2023/02/0247, mwN) und kein zusätzlicher Ersatz von Einheitssatz und ERVZuschlag vorgesehen ist (vgl. VwGH 27.3.2025, Ro 2024/10/0009, mwN), war das über den Ersatz der Eingabegebühr und den in der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014 genannten Pauschalbetrag (vgl. § 1 Z 1 lit. a leg. cit.) hinausgehende Mehrbegehren abzuweisen.
Zu II.:
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen.
18Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Sofern die Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit ausführt, hinsichtlich des Grundstücks Nr. 937/1 sei ihr kein Parteiengehör eingeräumt worden, ist festzuhalten, dass dieses Grundstück sowohl Gegenstand des behördlichen Verfahrens war als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht unter anderem auf dieses Bezug genommen wurde und es der Revisionswerberin (durch ihre anwesenden Vertreter) offenstand, weiteres Vorbringen zu diesem zu erstatten. Ausgehend davon zeigt die Revision mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf.
20Die Revisionswerberin stützt sich zur Begründung der Zulässigkeit zudem darauf, dass ein Verfahrensmangel vorliege, weil das Verwaltungsgericht eine Befangenheit des Amtssachverständigen, welcher bereits im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen worden sei und einer institutionellen Nähe sowie Weisungsgebundenheit zur Behörde unterliege, verneint habe. Es liege ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK vor.
21Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehen gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten keine grundsätzlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat jedoch stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wurde. Bei der Beurteilung, ob Bedenken gegen die Unbefangenheit des Amtssachverständigen zu Recht bestehen, kommt es vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK darauf an, ob diese Bedenken objektiv gerechtfertigt sind, wobei dafür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte drei Faktoren für maßgeblich erachtet wurden: 1. die Natur der dem Sachverständigen übertragenen Aufgabe, 2. die Stellung des Sachverständigen in der Hierarchie der Partei des Verfahrens, und 3. seine Rolle im Verfahren, insbesondere im Hinblick auf das seinem Gutachten beigemessene Gewicht (vgl. etwa VwGH 15.11.2023, Ra 2022/02/0169, mwN).
22Die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, stellt keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar, welche die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen vermag, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage vertretbar gelöst hat (vgl. etwa VwGH 20.9.2023, Ra 2023/07/0124, mwN).
23Das Verwaltungsgericht ist dem Vorwurf der Befangenheit mit näherer Begründung nicht gefolgt. Dass diese Beurteilung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre, wird in der Revision, die keine konkreten Umstände darlegt, welche die Objektivität des Sachverständigen bezogen auf den gegenständlichen Fall in Zweifel ziehen würden, nicht aufgezeigt. Der Umstand, dass der Amtssachverständige vorliegend eine für die Revisionswerberin ungünstige gutachterliche Stellungnahme erstattet hat, vermag eine Befangenheit nicht zu begründen (vgl. VwGH 15.11.2019, Ra 2019/02/0170, mwN).
24 Die Revisionswerberin bemängelt in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision zudem, der Amtssachverständige habe bei der Befundung lediglich fotografische Aufnahmen herangezogen und keine Vermessungen durchgeführt, aus welchen sich empirisch ableiten lasse, ob ein Verkehrsraum mit einer Querschnittsbreite von 3,1 Meter mal einer Höhe von 4,2 Meter zur Verfügung stehe. Mit diesem Vorbringen behauptet die Revisionswerberin Verfahrensmängel bzw. Mängel der Beweiswürdigung.
25 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 15.2.2023, Ra 2023/02/0018, mwN).
26Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 20.12.2024, Ra 2024/07/0219, mwN).
27 Eine derart grobe Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf. Geht doch die Revisionswerberin in ihrer Revision selbst davon aus, dass der Weg für eine freie Durchfahrt für große Fahrzeuge, welche eine Durchfahrtsbreite von 3,1 Meter mal einer Höhe von vier Metern benötigen, nicht geeignet sei. Das Verwaltungsgericht hat zudem bereits darauf hingewiesen, dass der Sachverständige anlässlich seines Ortsaugenscheines sehr wohl Vermessungen durchgeführt habe (siehe Ausführungen zum Antrag der Revisionswerberin auf Berichtigung des Verhandlungsprotokolls, Erkenntnis Seite 15).
28 Das zudem erstmals in der Revision und entgegen den ausdrücklichen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sie sei nach wie vor Liegenschaftseigentümerin der im Bescheid angeführten Liegenschaften, welche auch in der späteren Protokollrüge unwidersprochen blieben, nicht näher belegteerstattete Vorbringen der Revisionswerberin, sie sei nicht mehr Eigentümerin zweier näher bezeichneter Grundstücke, stellt gemäß § 41 VwGG eine (unbeachtliche) Neuerung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dar, weil es weder bereits im Verfahren vor der belangten Behörde noch jenem vor dem Verwaltungsgericht erstattet wurde. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG kann jedoch nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das sogenannte Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 28.11.2024, Ra 2024/02/0207, mwN).
29 Schließlich macht die Revision zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, mit dem rechtskräftigen gerichtlichen Vergleich sei in bindender Weise die Ausgestaltung des öffentlichen Weges festgelegt worden. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob auch in diesem Fall die entsprechenden RVS einzuhalten seien.
30Ein gerichtlicher Vergleich ist einerseits ein prozessualer Akt in der Erscheinungsform eines Exekutionstitels (§ 1 Z 5 EO). Als solcher ist seine Tragweite allein auf Grund seines Wortlautes (§ 7 Abs. 1 EO) auszulegen. Daneben ist er aber auch eine Vereinbarung zwischen den Parteien, die ihre privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zueinander bestimmt. Als solche ist er nach den Bestimmungen der §§ 914 ff ABGB, also insbesondere auch nach dem zu Grunde liegenden Parteiwillen auszulegen (vgl. VwGH 14.12.2022, Ra 2021/12/0031, mwN).
31 Dass das vom Verwaltungsgericht nach den Umständen des hier vorliegenden Falles gewonnene Auslegungsergebnis, wonach mit dem gerichtlichen Vergleich lediglich die Wiederherstellung und Sanierung des geschotterten Wiesenwegs (nach Abschwemmungen und Schottereinträgen in die Grundstücke der Revisionswerberin) geregelt worden sei, unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf.
32Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass, wenn im Gesetz nichts anderes bestimmt wird, nicht unterstellt werden darf, dass eine im öffentlichen Recht begründete Verpflichtung durch privatrechtliches Handeln gestaltbar ist (vgl. dazu bereits VwGH 24.1.1977, 1454/76; siehe auch VwGH 19.12.2007, 2006/08/0164). Ist über die Zulässigkeit einer durch das öffentliche Interesse bestimmten Eigentumsbeschränkung zu entscheiden, muss die Auswahl ausschließlich nach generell gültigen und daher von privaten Rechtsgeschäften unbeeinflussten Merkmalen vorgenommen werden (vgl. VwGH 23.5.2017, Ra 2017/05/0074).
33 Die Revision war daher im Übrigen mit dem in jeder Lage des Verfahrens zu fassenden Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG zurückzuweisen.
34 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 10. September 2025