Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, vertreten durch die Finanzprokuratur, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2022, Zl. W292 2256548 1/27E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: A R in K, vertreten durch Mag. Thomas Preisinger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben.
1 1.1. Die Mitbeteiligte ist eine im öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich stehende Justizwachebeamtin. Bei der Überstellung eines Strafgefangenen wurde sie von diesem tätlich angegriffen und erlitt dabei Verletzungen.
2 Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt (im Folgenden: Revisionswerberin) führte ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Widerstands gegen die Staatsgewalt und einer gemäß § 84 Abs. 2 StGB qualifizierten Körperverletzung zum Nachteil der Mitbeteiligten gegen den zum maßgeblichen Zeitpunkt in Strafhaft befindlichen Angreifer. Eine wegen des Vorfalls von der Justizanstalt Klagenfurt erstattete Strafanzeige und auch ein von der Finanzprokuratur zum Ermittlungsverfahren eingebrachter Schriftsatz betreffend die Anzeige des Privatbeteiligtenanschlusses durch den Bund wegen des durch die erforderliche Lohnfortzahlung während des Krankenstandes der Mitbeteiligten enthielten jeweils personenbezogene Daten derselben in Form von deren Namen, Anschrift, Handynummer, Geburtsdatum, Geburtsort, Lohnzettel, Personalnummer, Eintrittsdatum in die Justiz, Sozialversicherungsnummer, Krankenstandsdaten, Familienstand und einen Unfallbericht.
3 Am 20. Mai 2021 wurden die genannten Aktenstücke in den physisch angelegten Ermittlungsakt der Revisionswerberin übernommen. Am 21. Mai 2021 beantragte die Revisionswerberin beim zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes Klagenfurt unter gleichzeitiger Übersendung des gesamten Ermittlungsakts die Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschuldigten.
4 Der Haftrichter verhängte in der Folge die Untersuchungshaft, beschloss die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, verfügte die Aushändigung einer Aktenkopie an den bestellten Verfahrenshelfer und sandte die Akten an die ermittelnde Staatsanwaltschaft zurück. Am 6. Juni 2021 wurden im Haftraum des Beschuldigten Unterlagen sichergestellt, welche die oben genannten personenbezogenen Daten der Mitbeteiligten enthielten.
5 1.2. Die Mitbeteiligte brachte am 24. Juni 2021 eine Beschwerde bei der belangten Behörde (Datenschutzbehörde DSB) wegen Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz (DSG) ein und beantragte die Feststellung dieser Rechtsverletzung. Die Revisionswerberin habe bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gegen das Grundrecht auf Geheimhaltung verstoßen. Zu dem der vorgebrachten Rechtsverletzung zugrundeliegenden Sachverhalt brachte die Mitbeteiligte vor, die Revisionswerberin habe ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung in ungerechtfertigter Weise die von ihr bezeichneten personenbezogenen Daten an den Insassen der Justizanstalt Klagenfurt weitergegeben.
6 2. Im Ermittlungsverfahren der belangten Behörde brachte die Revisionswerberin in ihren Stellungnahmen zur Datenschutzbeschwerde unter anderem vor, es sei bei ihr keine Einsichtnahme in den physischen Akt erfolgt. Es liege in Bezug auf die Offenlegung der personenbezogenen Daten kein kausales Handeln der Revisionswerberin vor, zumal diese auch zu keinem Zeitpunkt Aktenteile oder Kopien ausgefolgt habe. Die Revisionswerberin habe keine Weitergabe ungeschwärzter Aktenteile an den Haftinsassen zu verantworten.
7 Mit Bescheid vom 14. April 2022 wies die belangte Behörde die Datenschutzbeschwerde der Mitbeteiligten ab. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, Beschwerdegegenstand sei die Frage, ob die Revisionswerberin die Mitbeteiligte im Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, indem sie personenbezogene Daten rechtswidriger Weise gegenüber einem Dritten namentlich gegenüber dem Haftinsassen offengelegt habe.
8 Die belangte Behörde traf unter anderem die Feststellung, dass bei der Revisionswerberin keine Einsicht in den physischen Akt vorgenommen worden sei. Es habe auch kein Datenleck gegeben. Ausgehend von diesen Feststellungen folgerte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht, es sei davon auszugehen, dass keine Weitergabe bzw. Offenlegung der personenbezogenen Daten der Mitbeteiligten an den Haftinsassen oder eine dritte Person namentlich den Verfahrenshilfeverteidiger durch die Revisionswerberin erfolgt sei. Da gegenständlich nicht habe erwiesen werden können, dass tatsächlich von der Revisionswerberin personenbezogene Daten der Mitbeteiligten an einen Dritten weitergegeben bzw. offengelegt worden seien, erweise sich das hierauf bezogene Vorbringen als nicht erwiesen. Es liege daher keine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG der Mitbeteiligten durch die Revisionswerberin vor.
9 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
10 3. Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vom 9. November 2022 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass dieser wie folgt zu lauten habe:
„Der Datenschutzbeschwerde der [A.R.] als datenschutzrechtlich Betroffene wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird Folge gegeben und es wird festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, als datenschutzrechtlich Verantwortliche für die Führung des Ermittlungsverfahrens [...] die Beschwerdeführerin im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 DSG verletzt hat, indem sie entgegen der Vorgaben des § 74 StPO
a) die private Mobiltelefonnummer der Betroffenen am 20.5.2021 vom Tagebuch zum Ermittlungsakt genommen und am 21.5.2021 an den Haft und Rechtschutzrichter des Landesgericht Klagenfurt übermittelt hat, ohne dass diese Informationen für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verantwortlichen erforderlich waren, und
b) weitere Informationen der Betroffenen aus der Strafanzeige und der Anschlusserklärung der Finanzprokuratur als Privatbeteiligte, namentlich die private Wohnadresse, Geburtsdatum, Geburtsort, Lohnzettel inklusive Zulagen, Personalnummer, Eintrittsdatum in die Justiz, Sozialversicherungsnummer, Krankenstandsdaten, Familienstand, am 20.5.2021 vom Tagebuch zum Ermittlungsakt genommen und am 21.5.2021 an den Haft und Rechtschutzrichter des Landesgericht Klagenfurt übermittelt hat, ohne dabei geeignete Vorkehrungen ergriffen zu haben um sicherzustellen, dass die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen in jeder Lage des Verfahrens gewahrt bleiben und der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten Vorrang eingeräumt wird.“
Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
11 In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht über den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend fest, die Revisionswerberin habe während des Zeitraums vom Einlagen der verfahrensgegenständlichen Strafanzeige der Justizanstalt Klagenfurt vom 8. April 2021 und der Erklärung über den Anschluss als Privatbeteiligte der Republik Österreich vom 26. April 2021 bis zur vollständigen Übernahme derselben in den Ermittlungsakt am 20. Mai 2021 und dessen Übermittlung an den Haft und Rechtsschutzrichter im Zuge der Beantragung von Zwangsmitteln am 21. Mai 2021 keine tatsächliche Prüfung der Dokumente dahingehend vorgenommen, ob diese personenbezogene Daten der Mitbeteiligten beinhalten würden, die zum Zweck der Aufgabenerfüllung im gegenständlichen Fall erforderlich wären.
12 Ferner stellte das Bundesverwaltungsgericht den Inhalt der verfahrensgegenständlichen Datenschutzbeschwerde fest sowie, dass der Mitbeteiligten mit Schreiben vom 3. September 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme der Revisionswerberin im behördlichen Verfahren eingeräumt worden sei. Die Mitbeteiligte sei auch darauf hingewiesen worden, dass der Stellungnahme der Revisionswerberin zu entnehmen sei, dass der in der verfahrenseinleitenden Datenschutzbeschwerde geschilderte Sachverhalt sich als unzutreffend zu erweisen scheine. In der darauf erfolgten Stellungnahme der Mitbeteiligten sei bezogen auf den von der Finanzprokuratur am 26. April 2021 eingebrachten Privatbeteiligtenanschluss wiederum wörtlich darauf hingewiesen worden, dass „dieser [...] durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ungeschwärzt an den Insassen P[...] weitergegeben“ worden sei, und es sei „diesem sowohl das gesamte Lohnkonto der Beschwerdeführerin als auch die Unfallsmeldung samt persönlichen Daten der Beschwerdeführerin zu entnehmen“.
13 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht zunächst zum Verfahrensgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bzw. im Verfahren vor der belangten Behörde aus, insofern die belangte Behörde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht habe, der Verfahrensgegenstand betreffe aufgrund des verfahrenseinleitenden Antrages die Behauptung der Offenlegung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten gegenüber dem Haftinsassen bzw. dessen Verfahrenshilfeverteidiger unmittelbar durch die Revisionswerberin, sei dem nicht zu folgen. Den äußeren Rahmen für die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts bilde die Sache des bekämpften Bescheids. Der verfahrensgegenständliche Spruch des angefochtenen Bescheides nehme keinerlei Einschränkung dahingehend vor, dass der Verfahrensgegenstand auf einen bestimmten Teilaspekt der von der mitbeteiligten Partei vorgenommenen Datenverarbeitungsvorgänge beschränkt wäre, da dieser in einer „bloßen“ Abweisung bestehe. Zwar führe der angefochtene Bescheid in seiner Begründung an, dass Beschwerdegegenstand die Frage sei, „ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt [habe], indem diese personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin rechtswidrig einem Dritten gegenüber offengelegt“ habe. Welche Überlegungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu dieser Festlegung der Behörde geführt hätten, lasse die Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch offen. Hinsichtlich der Auslegung von verfahrenseinleitenden Anträgen diese würden nämlich den Prozessgegenstand des Verwaltungsverfahrens konstituieren und begrenzen sei der Inhalt eines Anbringens nach dem objektiven Erklärungswert des Antrages in Zusammenhang mit dem äußeren Erscheinungsbild zu beantworten. Die Mitbeteiligte habe durch ihre datenschutzrechtliche Beschwerde klar und deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich im Recht auf Geheimhaltung verletzt erachte. Die Bezugnahme auf konkrete Bestimmungen der DSGVO würden in diesem Zusammenhang nicht schaden. Es sei daher anhand des verfahrenseinleitenden Antrages als Verfahrensgegenstand vor der belangten Behörde eine behauptete Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch die datenschutzrechtlich Verantwortliche anzusehen, wobei vom Verfahrensgegenstand auch die Frage der Einhaltung der Grundsätze und Rechtmäßigkeitstatbestände miterfasst sei. Zu bemerken sei, dass die Mitbeteiligte die genauen Umstände, wie der Haftinsasse zu den personenbezogenen Daten gelangt sei, nicht gekannt habe. Die Behörde hätte in diesem Zusammenhang geeignete Ermittlungsschritte zu setzen gehabt, um festzustellen, durch welche tatsächlichen Umstände die in Rede stehenden personenbezogenen Daten in den Verfügungsbereich des Beschuldigten gelangt seien. Nachdem der verfahrenseinleitende Antrag eine behauptete Verletzung im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 DSG durch die Revisionswerberin als datenschutzrechtlich Verantwortliche geltend mache, sei zu klären, welche datenschutzrechtlichen Verpflichtungen diese als Strafverfolgungsbehörde treffe. Zusammenfassend schließt das Bundesverwaltungsgericht, dass unter Heranziehung des § 74 StPO als gesetzliche Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Staatsanwaltschaft die Revisionswerberin verpflichtet gewesen wäre, die verfahrensgegenständlichen personenbezogenen Daten der Mitbeteiligten im Ermittlungsakt unkenntlich zu machen.
Die Revision sei nicht zulässig, weil die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sei.
14 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
15 Die Mitbeteiligte und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
16 Aus Anlass der vorliegenden Revision stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. Mai 2023, A 2023/0008 (Ro 2022/04/0167), an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 31 Abs. 1 erster Satz, § 32 Abs. 1 Z 4 sowie § 36 Abs. 2 Z 15 DSG in näher zitierter Fassung (bzw. in eventu eine Reihe weiterer Bestimmungen des DSG) als verfassungswidrig aufzuheben.
17 Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2023, G 212/2023 ua., wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag (und weitere gleichlautende Anträge) ab.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 4.1. Die Revision releviert in der Zulässigkeitsbegründung die Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde für den Fall einer Datenschutzbeschwerde gegen die Revisionswerberin. Ferner bringt die Revisionswerberin vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des DSG einerseits bzw. der StPO und des GOG andererseits sowie zur Zuständigkeit der DSB im Zusammenhang mit der Überprüfung von Datenverarbeitungen durch Staatsanwaltschaften.
Die Revision erweist sich wegen der ins Treffen geführten Rechtsfragen als zulässig.
19 Eingangs wird betreffend die von der Revision aufgeworfene Rechtsfrage der Zuständigkeit der DSB in einem wie vorliegend gegen die Staatsanwaltschaft geführten Verfahren betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im Erkenntnis vom 1. Februar 2024, Ro 2020/04/0016, verwiesen. Die dortigen Überlegungen sind auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt übertragbar.
20 4.2. Aufgrund der zulässigen Revision ist eine allfällige Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts von Amts wegen aufzugreifen.
21 4.2.1. Den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts bildet die „Sache“ des bekämpften Bescheides (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/04/0012). „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist somit ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl dazu etwa VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055; VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077). Das Verwaltungsgericht hat also die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde.
22 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erfolgt somit nicht isoliert, sondern in Bezug auf den bekämpften Bescheid. Aufgrund des typengebundenen Systems des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes hat die Abgrenzung des Verfahrensgegenstandes stets in Relation zum angefochtenen Bescheid und nicht anhand des das Administrativverfahren einleitenden Antrags zu erfolgen. Dementsprechend muss sich die verwaltungsgerichtliche Entscheidung innerhalb jenes Themas bewegen, das die belangte Behörde entschieden hat (vgl. Mayrhofer in Holoubek/Lang [Hrsg.], Grundfragen der Verwaltungs und Finanzgerichtsbarkeit, 2017, 59 [63]).
23 Bleibt eine Verwaltungsbehörde in ihrer bescheidförmigen Erledigung eines Antrags hinter diesem zurück, ist es in der Regel nicht die Aufgabe des Verwaltungsgerichts im Bescheidbeschwerdeverfahren, das dadurch möglicherweise begründete rechtswidrige Behördenverhalten durch eine vollumfängliche Erledigung des Antrags zu beseitigen. Vielmehr steht für solche Konstellationen das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B VG zur Verfügung (vgl. erneut Mayrhofer , aaO., 64).
24 Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens gewesen war, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und die Entscheidung ist in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. die auf das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren übertragbare ständige hg. Judikatur zu Berufungsentscheidungen, zB VwGH 21.10.2005, 2005/12/0115; VwGH 26.7.2012, 2010/07/0215, sowie VwGH 26.3.2015, Ro 2014/11/0019).
25 4.2.2. Vor dem Hintergrund des oben Gesagten kommt es bei der Beurteilung des Umfangs der Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichts darauf an, worüber die Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgesprochen hat.
26 Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist dabei als Ganzes zu beurteilen. Für die Lösung der Frage, inwieweit in einem Bescheid die Absicht bestanden hat, über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen, ist nicht nur vom Spruch des Bescheides auszugehen, sondern zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. VwGH 25.2.2009, 2007/07/0121; VwGH 20.3.2012, 2012/11/0013; vgl. dazu auch VwGH 26.6.2013, 2011/05/0199, wonach für die Frage der Rechtsmittellegitimation ausschließlich der (tatsächliche) Inhalt des Bescheides [nämlich der Spruch im Zusammenhang mit der Begründung] insoweit maßgebend sei, als daraus zu entnehmen sei, über welche Sache der Bescheid abspricht und an wen er gerichtet bzw. für wen er bestimmt ist).
27 4.2.3. Vor diesem Hintergrund ist fallbezogen der Umfang der Kognitionsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend vom Spruch des angefochtenen Bescheids unter soweit zur Deutung notwendig Heranziehung der Bescheidbegründung zu beurteilen.
28 Hingegen ist für diese vorzunehmende Beurteilung des Umfangs des verwaltungsgerichtlichen Prozess und Entscheidungsgegenstandes entgegen der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts der verfahrenseinleitende Antrag fallbezogen die Datenschutzbeschwerde nicht maßgeblich. Dieser wäre allenfalls Bezugspunkt für die Frage der vollständigen Erledigung der durch den verfahrenseinleitenden Antrag determinierten datenschutzrechtlichen Beschwerdeangelegenheit durch die belangte Behörde.
29 Anders als die der in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten oftmals schwierigen Beurteilung des Rechtskraftumfangs in seiner Klarheit Rechnung tragende Fassung des Spruchs im vorliegend angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis lautete der Spruch im angefochtenen Bescheid zwar bloß auf Abweisung der datenschutzrechtlichen Beschwerde. Die belangte Behörde hat jedoch jedenfalls in der Begründung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise festgehalten, dass mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid über das Begehren abgesprochen werden solle, dass die Revisionswerberin (als dortige Beschwerdegegnerin) die direkte Offenlegung der zur Rede stehenden personenbezogenen Daten an Dritte zu verantworten habe. Die belangte Behörde beschränkt sich in der Begründung des Bescheids auch darauf, ausgehend von den Tatsachenfeststellungen, dass die Revisionswerberin selbst weder Akteneinsicht gewährt habe noch Aktenteile oder kopien ausgehändigt habe, die Datenschutzbeschwerde deshalb abzuweisen, weil es zu keiner Offenlegung durch die Revisionswerberin an den Haftinsassen oder seinen Verfahrenshilfeverteidiger gekommen sei.
30 Das Bundesverwaltungsgericht änderte den abweisenden Bescheid hier auf den wesentlichen Inhalt zusammengefasst dahingehend ab, dass die Revisionswerberin die Mitbeteiligte im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 DSG verletzt habe, indem sie entgegen den Vorgaben des § 74 StPO ein bestimmtes personenenbezogenes Datum der Mitbeteiligten am 20. Mai 2021 vom Tagebuch zum Ermittlungsakt genommen und am 21. Mai 2021 an den Haft und Rechtsschutzrichter des Landesgericht Klagenfurt übermittelt habe, ohne dass diese Information für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verantwortlichen erforderlich gewesen wäre (Spruchpunkt a), und weitere Informationen der Mitbeteiligten aus der Strafanzeige und der Anschlusserklärung der Finanzprokuratur als Privatbeteiligte, namentlich die private Wohnadresse, Geburtsdatum, Geburtsort, Lohnzettel inklusive Zulagen, Personalnummer, Eintrittsdatum in die Justiz, Sozialversicherungsnummer, Krankenstandsdaten, Familienstand, am 20. Mai 2021 vom Tagebuch zum Ermittlungsakt genommen und am 21. Mai 2021 an den Haft und Rechtsschutzrichter des Landesgerichts Klagenfurt übermittelt habe, ohne dabei geeignete Vorkehrungen ergriffen zu haben, um sicherzustellen, dass die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen in jeder Lage des Verfahrens gewahrt bleiben würden und der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten Vorrang eingeräumt werde (Spruchpunkt b).
31 Mit diesem Ausspruch wird nicht wie im angefochtenen Bescheid über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der datenschutzrechtlichen Verletzung durch Offenlegung der personenbezogenen Daten an den Haftinsassen selbst abgesprochen. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht wie aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses selbst ersichtlich ist und in der Begründung weiter untermauert wird die Rechtswidrigkeit des Datenflusses von der Revisionswerberin an den Haftrichter durch Aufnahme diverser personenbezogener Daten in den Ermittlungsakt bzw. deren ungeschwärzte Weiterleitung zum Gegenstand des die Rechtsverletzung dieser Datenverarbeitungen feststellenden Erkenntnisses. Diese Datenverarbeitungen konkret die Aufnahme der personenbezogenen Daten in den Ermittlungsakt und deren Übermittlung an den Haftrichter waren jedoch wie oben dargestellt nicht Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheids.
32 Indem das Bundesverwaltungsgericht über einen Verfahrensgegenstand entschieden hat, der nicht Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde war, hat es seine Kognitionsbefugnis überschritten. Die sich aus der Überschreitung des Verfahrensgegenstandes ergebende funktionale Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die im angefochtenen Erkenntnis getroffene Feststellung ist aus Anlass der Revision von Amts wegen wahrzunehmen.
33 Das angefochtene Erkenntnis ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
Wien, am 25. Juni 2024