Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des B I, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Spruchpunkte II. und III. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 23. Mai 2025, Zl. LVwG 1 884/2024 R10, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 1. Juni 2024 wurde der Revisionswerber soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutungin den Spruchpunkten 4., 6., 7., 8., 9. und 10. wegen sechs Übertretungen nach § 37 Abs. 2 Z 8 iVm § 13 Abs. 1a Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) mit sechs Geldstrafen in der Gesamthöhe von 2.580 Euro bestraft und zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
2Der Tatvorwurf lautete dabei jeweils, dass der Revisionswerber in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher genannten Gesellschaft und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verantwortliches Organ zu verantworten habe, dass das genannte Unternehmen als Beförderer das gefährliche Gut, nämlich 700 Liter Diesel, befördert (bzw. die Beförderung dieses gefährlichen Gutes durchgeführt) und dabei unterlassen habe, sich über jeweils näher umschriebene Umstände zu vergewissern bzw. bestimmte Prüfungen vorzunehmen.
3Als verletzte Verwaltungsvorschrift wurde zu Spruchpunkt 6 angeführt: „§ 37 Abs. 2 Z 8 iVm. § 13 Abs 1a Z 2 GGBG, BGBl. I Nr. 145/1998, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 47/2018 iVm Abschnitt 5.4.1 ADR, Absatz 1.4.2.1 lit. b ADR“.
4Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis insoweit Folge, als die Spruchpunkte 7. und 9. zu einem Spruchpunkt zusammengefasst und (dafür) eine Geldstrafe in der Höhe von 110 Euro samt Ersatzstrafe festgesetzt wurde, wobei die Einstufung der in den Spruchpunkten festgestellten Mängel in die Gefahrkategorie II bleibt aufrecht blieb (Spruchpunkt II). Im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf die Spruchpunkte 4., 6., 8. und 10. mit der Maßgabe bestätigt, dass es bei „Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:“ in Punkt 6. heißt: „§37 Abs 2 Z 8 iVm § 13 Abs 1a Z 3 GGBG, BGBl I Nr 145/1998, zuletzt geändert durch BGBl Nr 47/2018 iVm Abschnitt 5.4.1 ADR, Unterabsatz 1.4.2.2 ADR“ (Spruchpunkt III).
5 Weiters setzte das Verwaltungsgericht den Beitrag des Revisionswerbers zu den Kosten des behördlichen Verfahrens neu fest, verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.
6 Gegen den dargestellten Teil des angefochtenen Erkenntnisses, konkret insoweit, als zu den Spruchpunkten II. und III. der Beschwerde gegen das Straferkenntnis keine Folge gegeben wurde, richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10Zur Begründung ihrer Zulässigkeit zitiert die Revision zunächst Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach unter einer Vorfrage im Sinne der §§ 38 und 69 Abs. 1 Z 3 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen ist, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist (Hinweis auf VwGH 25.1.2022, Ra 2020/11/0226).
11In diesem Zusammenhang bringt sie vor, dass der Lenker des betroffenen Transportes die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreite und Beschwerde gegen das ihn betreffende behördliche Straferkenntnis erhoben habe, über welche „bis dato“ nicht entschieden worden sei. Das Strafverfahren gegen den Lenker sei präjudiziell, weil den Vorwürfen gegen den Revisionswerber der Boden entzogen sei, wenn dem Lenker kein strafbares Verhalten angelastet werden könne. Die belangte Behörde habe einem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens keine Folge gegeben, und auch das Verwaltungsgericht habe entschieden, ohne auf das parallele Lenkerverfahren Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof werde ersucht, bei der Entscheidung über diese außerordentliche Revision auf die Entscheidung im (zu Ra 2025/03/0064 anhängigen) Revisionsverfahren des Lenkers gegen das diesen betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 16. Mai 2025 Bedacht zu nehmen.
12Soweit der Revisionswerber damit einen Verfahrensmangel aufgrund der unterbliebenen Aussetzung seines Beschwerdeverfahrens nach § 38 AVG iVm § 24 VStG iVm § 38 VwGVG geltend machen will, ist er darauf zu verweisen dass § 38 AVG einer Partei keinen Anspruch auf Aussetzung eines Verfahrens einräumt und daher auch das Unterbleiben einer solchen Aussetzung, selbst wenn die Voraussetzungen dafür vorgelegen wären, nicht zur Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung führen kann (vgl. VwGH 12.9.2023, Ro 2023/20/0001, Rn. 31 und 37 mwN).
13Im Übrigen trifft es entgegen den Revisionsbehauptungen nicht zu, dass der Revisionswerber dafür strafrechtlich haftbar gehalten werde, dass er es in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft zu verantworten habe, dass der Lenker Bestimmungen des ADR nicht eingehalten habe. Vielmehr wurde dem Revisionswerber die Verantwortung für Unterlassungen der Gesellschaft als Beförderer iSd GGBG angelastet, welche von der strafrechtlichen Verantwortung (bzw. Bestrafung) des Lenkers des betreffenden Transportes unabhängig ist (vgl. zur unterschiedlichen Zielrichtung der Strafnormen des GGBG für Lenker und Beförderer etwa VwGH 19.10.2004, 2003/03/0150).
14 Im weiteren Zulässigkeitsvorbringen wiederholt die Revision dann (im Wesentlichen wörtlich) das Vorbringen des Revisionswerbers aus seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht dazu, dass die Gesellschaft schon nach ihrem Unternehmensgegenstand kein Gefahrgut transportiere, die Angaben des Lenkers in seinem Verwaltungsstrafverfahren nicht als Grundlage für eine Verurteilung herangezogen werden könnten und die übrigen Beweisergebnisse den Schluss nahelegen würden, dass nur eine geringe Menge, jedenfalls weniger als 50 Liter, nachgefüllt worden sei.
15 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht dargetan, weil weder konkret vorgebracht wird, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, noch eine Rechtsfrage formuliert wird, die der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet haben soll (vgl. zu diesen Anforderungen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 17.4.2024, Ra 2023/03/0173, Rn. 12, mwN).
16Soweit dazu abschließend ausgeführt wird, die Beweisergebnisse reichten nicht aus, um gesicherte Feststellungen dazu zu treffen, dass beim Betanken des Bootes (mit der Ladung des verfahrensgegenständlichen Gefahrguttransportes) tatsächlich „die kritische Menge an Treibstoff“ erreicht bzw. überschritten worden sei, wird damit die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes bekämpft, ohne deren Unvertretbarkeit darzulegen (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung etwa VwGH 30.1.2025, Ra 2024/03/0026, Rn. 16, mwN).
17 Schließlich wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Spruchberichtigung, nämlich die Abänderung der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschriften zu Spruchpunkt 6. Sie behauptet, eine Berichtigung der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei, sei nur innerhalb der Verjährungsfrist zulässig. Weil die Übertretungen am 9. August 2023 begangen worden sein sollen, sei mit 9. August 2024 mittlerweile Verfolgungsverjährung eingetreten.
18Eine Abweichung von der in der Revision in diesem Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 13.6.1984, 82/03/0265, VwSlg. 11.466/A, und VwGH 3.10.1985, 85/02/0053, VwSlg. 11.864/A) liegt schon deshalb nicht vor, weil diese Rechtsprechung die Anforderungen an die Angabe des Tatortes als Element der als erwiesen angenommenen Tat nach (nunmehr) § 44a Z 1 VStG und nicht die verletzte Verwaltungsvorschrift nach § 44a Z 2 VStG behandelt.
19Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 17.7.2023, Ra 2023/02/0055, Rn. 12, mwN).
20Als solche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG ist (spätestens) das behördliche Straferkenntnis vom 1. Juni 2024 anzusehen, welches jedenfalls innerhalb der einjährigen Frist des § 31 Abs. 1 VStG ergangen ist.
21Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die zur Wahrung der Verfolgungsverjährung erforderliche Verfolgungshandlung lediglich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente zu beziehen, hingegen ist es nicht erforderlich, der beschuldigten Person die Subsumtion der ihr angelasteten Übertretung zur Kenntnis zu bringen; die rechtliche Qualifikation der angelasteten Verwaltungsübertretung ist für die Verfolgungsverjährung bedeutungslos. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) ist daherunabhängig von der Verjährungsfrist des § 31 VStGzulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. VwGH 8.3.2023, Ra 2022/03/0103, Rn. 39 und 40, mwN).
22Entgegen dem Revisionsvorbringen liegt daher in der bloßen Abänderung der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 44a Z 2 VStG und damit der rechtlichen Qualifikation des vorgeworfenen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht auch später als ein Jahr nach der vorgeworfenen Tat keine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 11. August 2025