Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Agrargemeinschaft N, vertreten durch Dr. Helmut Binder, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 22. Oktober 2020, KLVwG 2383/14/2019, betreffend einen Bauauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde T, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft OG in 9300 St. Veit an der Glan, Unterer Platz 11; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Marktgemeinde T hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde T. vom 29. Mai 2017 wurde der revisionswerbenden Partei und einer weiteren Partei gemäß § 36 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1996 (K BO 1996) hinsichtlich entgegen der K BO 1996 auf näher bezeichneten Grundstücken der KG T. ausgeführter bewilligungspflichtiger Vorhaben („Errichtung eines Zubaues und eines Gastankes“) ein baupolizeilicher Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen näher genannter Frist erteilt. In der Begründung dieses Bescheides ist keine Rede von einem Gastank, dafür aber von einer Stützmauer, die im Spruch des genannten Bescheides wiederum keine Erwähnung findet. Eine nähere Konkretisierung etwa hinsichtlich der Lage jener Objekte am Grundstück, die vom Bauauftrag erfasst sein sollen, findet sich im Spruch ebenfalls nicht.
2 Aufgrund einer Berufung der revisionswerbenden Partei wurde ihr mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 2. Oktober 2019 daraufhin mit näherer Begründung gemäß § 36 Abs. 1 K BO 1996 die Beseitigung von konsenslos errichteten Bauten („Errichtung eines Zubaues und eines Gastanks“) aufgetragen
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet ab und fasste den Spruch des bekämpften Bescheides neu. Der revisionswerbenden Partei wurde nunmehr aufgetragen, „den rechtmäßigen Zustand durch Abtragung aller westlich des Hauptgebäudes der ‚T[...]hütte‘ gelegenen Anbauten und baulichen Anlagen, mit Ausnahme des Gastanks, wiederherzustellen, oder binnen 2 Monaten nach Zustellung dieses Erkenntnisses um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung der gegenständlichen Zubauten, soweit sie auf GSt [...] gelegen sind, anzusuchen.“ Gleichzeitig sprach das LVwG spruchmäßig eine Leistungsfrist sowie hinsichtlich der abzutragenden Gebäudeteile Folgendes aus: „Die abzutragenden Gebäudeteile sind in Anlage ./A, zeichnerische Darstellung des DI [...] vom 16.4.2014, dargestellt, die einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet. Es sind dies die westlich einer gedachten Linie der mit ‚(11E) 7893, 7894, 7895, 7904, 7905, 7884 und 7885‘ bezeichneten Punkte gelegenen Bauteile bzw. Anbauten zum Haupthaus“.
4 Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das LVwG für zulässig, und führte dazu begründend aus, die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege in der Umgrenzung der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens im (amtswegigen) Bauauftragsverfahren gemäß § 36 K BO 1996. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei diese „Sache“ jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des behördlichen Bescheides gebildet habe. „Nun könnte die Auffassung vertreten werden“, dass analog zum Strafverfahren auch in amtswegigen baupolizeilichen Verfahren die räumlichen Grenzen der „Sache“ durch den behördlichen Spruch definiert würden (also eine Abtragung von wenigen Zentimetern). Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem Themenkomplex habe nicht gefunden werden können. Der Verwaltungsgerichtshof habe schon im grundlegenden Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, ausgesprochen, dass im Bereich des AVG kein Anhaltspunkt für das Verbot der „reformatio in peius“ bestehe und daher auch ein über den Bescheidspruch hinausgehender, für den Beschwerdeführer nachteiliger Verfahrensausgang möglich sei. Mit dem Erkenntnis vom 1. Juli 2020, Ro 2017/06/0030, sei für die Untersagung der Bauausführung judiziert worden, dass das Gericht dabei nicht an die von der Behörde herangezogenen Untersagungsgründe gebunden sei. „Aus der Zusammenschau dieser Rechtsprechung mit dem Verfahrensgegenstand (Überprüfung der Erweiterungen der ‚T[...]hütte‘)“ werde die Auffassung vertreten, dass das Gericht zur Abänderung des Spruches in diesem Umfang berechtigt sei. Weil Bauauftragsverfahren einen großen Teil der vom LVwG zu behandelnden Bauangelegenheiten ausmachten, sei von einer grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage auszugehen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit unter anderem auf die Zulassungsbegründung durch das VwG zur „Sache“ des Verfahrens zurückgreift und vorbringt, entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehe der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses weit über den Umfang des Bauauftragsverfahrens hinaus.
6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragt. Die Kärntner Landesregierung erstattete keine Äußerung.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist, soweit sie eine Überschreitung der Sache des Beschwerdeverfahrens rügt, zulässig und im Ergebnis auch begründet.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein baupolizeilicher Auftrag so bestimmt zu sein, dass er Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein kann. Bei einem Beseitigungsauftrag darf daher kein Zweifel darüber bestehen, was im Detail beseitigt werden soll, und es muss aus ihm unmittelbar zu entnehmen sein, welche Bauteile abzubrechen sind. Hierbei genügt es, dass dies ein Fachkundiger dem Spruch des Bescheides entnehmen kann (vgl. etwa VwGH 13.11.2012, 2009/05/0203, 4.11.2016, 2013/05/0117, oder auch sinngemäß 12.4.2021, Ra 2019/06/0118, jeweils mwN). Weiters sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 28.3.2022, Ra 2019/06/0061 oder auch 24.3.2022, Ra 2021/05/0154, mwN) verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse so zu begründen, dass sie eine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit ermöglichen.
10 Fallbezogen entspricht bereits der erstinstanzliche Bauauftrag vom 29. Mai 2017 dem genannten Konkretisierungsgebot für baupolizeiliche Aufträge nicht. Zum einen stellt sich schon der Spruch des Bescheides als nicht ausreichend bestimmt dar, zum anderen besteht nach dem oben bereits Gesagten ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung dieses Bescheides.
11 Diesen Mangel griff die Berufungsbehörde die ihrerseits im Spruch ihres Bescheides vom 2. Oktober 2019 von der „Errichtung eines Zubaues und eines Gastanks“, und in der Begründung wiederum von einem Zubau und einer Stützmauer spricht nicht auf.
12 Was das angefochtene Erkenntnis betrifft, ist für den Verwaltungsgerichtshof aufgrund seiner diesbezüglich mangelnden Feststellungen und der nicht eindeutigen Begründung, sowie aufgrund der fehlenden verbalen Umschreibung der von diesem erfassten Bauten („Anbauten und baulichen Anlagen“) nicht nachvollziehbar, für wie viele und welche Baulichkeiten der verfahrensgegenständliche baupolizeiliche Auftrag vom LVwG genau erlassen worden sein soll. Es fällt jedoch auf, dass sich der Bauauftrag des LVwG auf mehrere verschiedene „Anbauten“, „bauliche Anlagen“, bzw. „Gebäudeteile“ bezieht. Sollte damit intendiert gewesen sein, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch weitere Objekte in den Bauauftrag einzubeziehen, als dies vor der Baubehörde der Fall war, hätte das LVwG die „Sache“ seines Verfahrens überschritten.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits vielfach ausgesprochen, dass äußerster Rahmen für die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte die „Sache“ des bekämpften Bescheides ist (vgl. etwa VwGH 8.2.2022, Ro 2021/04/0033, 26.2.2020, Fr 2019/05/0024, 29.1.2020, Ra 2018/08/0234, 4.7.2019, Ra 2017/06/0210, 29.6.2016, Ra 2016/05/0052, 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, oder auch bereits 24.11.1992, 92/05/0168, jeweils mwN). „Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist damit jedenfalls (nur) jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat. Nimmt das Verwaltungsgericht mit einer Entscheidung in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde war, mithin mit einer „Überschreitung der Sache“ des Verfahrens der belangten Behörde, eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch, belastet es seine eigene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit (vgl. etwa VwGH 15.2.2021, Ra 2018/11/0208, mwN).
14 Gegenständlich entzieht sich das angefochtene Erkenntnis aber aufgrund der dargestellten Feststellungs- und Begründungsmängel einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit. Das Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.