JudikaturJustiz6Ob80/06t

6Ob80/06t – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara B*****, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei Rupert B*****, vertreten durch Dr. Karl Claus Mag. Dieter Berthold Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Mistelbach, wegen Ehescheidung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 1. Dezember 2005, GZ 20 R 122/05i-33, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Zistersdorf vom 28. April 2005, GZ 4 C 51/04s-29, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Anordnung der Fortsetzung des streitigen Scheidungsverfahrens richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit dahingehend

abgeändert, dass diese zu lauten haben:

„Die Zurückziehung des Scheidungsantrags ist unwirksam."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens sowie die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am 3. 6. 2004 brachte die Klägerin beim Erstgericht die Scheidungsklage ein. In der Tagsatzung am 23. 6. 2004 beantragten die Streitteile einvernehmlich die Scheidung der Ehe gemäß § 55a EheG. Der Erstrichter verkündete den Beschluss auf Scheidung gemäß § 55a EheG sowie den Beschluss, dass die Scheidungsklage mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses als zurückgenommen gelte und die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben werden.

Eine Ausfertigung des Scheidungsbeschlusses sowie des Scheidungsvergleiches und des Protokolls wurde den Parteien ausgefolgt; ein Rechtsmittelverzicht erfolgte nicht. Am 6. 7. 2004 (Postaufgabe) brachte der - anwaltlich vertretene - Beklagte einen als „Vergleichswiderruf und Rekurs" bezeichneten Schriftsatz ein (ON 9). Darin erklärte er, den Vergleich zu widerrufen. Der Vergleichswiderruf bzw der „Rekurs" werde damit begründet, dass der Beklagte finanziell nicht in der Lage sei, Punkt

5.2. des Vergleichs, wonach er sich zur Rückzahlung eines im Einzelnen näher bezeichneten Kredits verpflichtete, zu erfüllen. Er sehe sich daher genötigt, den Scheidungsvergleich zu widerrufen bzw „Rekurs im Sinne der einschlägigen Bestimmungen zu erheben". Mit Beschluss vom 9. 7. 2004 (ON 10) stellte das Erstgericht diesen Schriftsatz zur Verbesserung binnen drei Tagen zurück. Aus dem Inhalt des Schriftsatzes sei nicht erkennbar, welche Anträge der Beklagte stellen möchte. Die Anträge seien daher entsprechend zu konkretisieren. Dieser Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter am 15. 7. 2004 zugestellt.

Am 20. 7. 2004 langte beim Erstgericht ein am 16. 7. 2004 zur Post gegebener, ausdrücklich als „Verbesserung" bezeichneter Schriftsatz des Beklagten ein (ON 11). Darin verbesserte er seinen Schriftsatz vom 6. 7. 2004 dahingehend, dass der Scheidungsbeschluss mit Rekurs angefochten werde. Das Rekursgericht möge dem Rekurs Folge geben und den Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen gemäß § 55a EheG sowie den „integrierten Vergleich" ersatzlos aufheben. Am 21. 7. 2004 langte beim Erstgericht ein weiterer, als „ergänzende Verbesserung" bezeichneter Schriftsatz des Beklagten ein (ON 12). Darin erklärte er neuerlich, gegen den Scheidungsbeschluss Rekurs zu erheben. Außerdem erklärte der Beklagte, eine Verbesserung des Vergleichswiderrufs und des Rekurses dahingehend vorzunehmen, dass der Scheidungsantrag gemäß § 224 Abs 1 AußStrG 1854 zurückgenommen werde. Da der Scheidungsbeschluss noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei, werde der Scheidungsantrag zurückgezogen, sodass der Vergleich gemäß § 55a EheG hinfällig sei. Gleichzeitig beantragte der Beklagte ausdrücklich die Fortsetzung des strittigen Ehescheidungsverfahrens. Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom 7. 9. 2004, GZ 20 R 148/04m-16, dem Rekurs nicht Folge. Die Unerfüllbarkeit des abgeschlossenen Scheidungsvergleiches stelle keinen Rekursgrund dar. Die Erhebung des Rekurses gegen den Scheidungsbeschluss sei der Zurücknahme des Antrags auf Scheidung (§ 224 Abs 1 AußStrG 1854) nicht gleichzuhalten. Die Rücknahme des Scheidungsantrags sei außerhalb der gesetzten Verbesserungsfrist erfolgt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes über den Antrag der Streitteile auf Scheidung ihrer Ehe nach § 55a EheG seien die in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen vorgelegen. Eine erst nach der Beschlussfassung des Erstgerichtes erfolgte Änderung der Sachlage könne sich nur mehr auf die Gültigkeit des abgeschlossenen Vergleiches auswirken, aber nichts daran ändern, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes die im Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe der Streitteile im Einvernehmen vorlagen.

Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel erhoben. Mit Beschluss vom 1. 12. 2004 (ON 17) wies das Erstgericht den Vergleichswiderruf des Beklagten zurück. Der Scheidungsbeschluss sei aufgrund der Entscheidung des Rekursgerichtes in Rechtskraft erwachsen. Der Scheidungsvergleich entfalte damit ebenfalls Rechtswirksamkeit, weil eine Widerrufsmöglichkeit nicht vorgesehen gewesen sei und innerhalb der Rechtsmittelfrist keine rechtsgültige Eingabe erfolgt sei.

Das Rekursgericht bestätigte mit Beschluss vom 10. 1. 2005, GZ 20 R 11/05s-22, diesen Beschluss. Die Zurückziehung des Scheidungsantrages stelle sich rechtlich als „Aliud" zu einem bloßen Vergleichswiderruf dar und könne daher nicht im Rahmen einer Verbesserung erfolgen. Mit Schriftsatz vom 17. 3. 2005 erklärte der Beklagte daraufhin „aus prozessualer Vorsicht" neuerlich, den Scheidungsantrag zurückzuziehen (ON 23).

Mit Beschluss vom 28. 4. 2005 (ON 29) stellte das Erstgericht fest, dass die Rückziehung des Antrags auf einvernehmliche Scheidung rechtzeitig erfolgt sei, sodass der Scheidungsbeschluss und der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vergleich keine Rechtswirksamkeit entfalte. Weiters sprach das Erstgericht aus, dass das streitige Scheidungsverfahren fortgesetzt werde. Die Zurücknahme des Scheidungsantrages sei vor Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses erfolgt, sodass diese als rechtzeitig zu werten sei. Aus prozessökonomischen Gründen sei festzustellen, dass der Scheidungsbeschluss keine Rechtswirksamkeit entfalte. Über Rekurs der klagenden Partei bestätigte das Rekursgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 1. 12. 2005, GZ 20 R 122/05i-33, diesen Beschluss. Die erfolgte Anfechtung des Scheidungsvergleiches berühre die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses nicht. Wenn aber - wie im gegenständlichen Fall - der Scheidungsbeschluss wegen Zurücknahme des Antrags auf einvernehmliche Scheidung wirkungslos werde, so sei auch der im Hinblick auf die Scheidung geschlossene Vergleich nicht mehr wirksam.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage der in § 59 Abs 1 Z 2, § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualifikation nicht vorliege. Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorweg ist festzuhalten, dass sich die Anfechtung des gegenständlichen Beschlusses, soweit damit über die Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses entschieden wurde, nach dem AußStrG 2003 richtet, weil der Ausspruch der Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses aufgrund einer nachträglichen Rückziehung des Antrags trotz der in § 460 Z 10 ZPO geregelten Auswirkungen eines Antrags auf einvernehmliche Scheidung auf ein anhängiges streitiges Scheidungsverfahren dem Außerstreitverfahren zuzurechnen ist. Dabei unterliegt das Revisionsrekursverfahren bereits den Bestimmungen der §§ 62 ff AußStrG (§ 203 Abs 7 AußStrG 2003). Hingegen sind nach der Übergangsbestimmung des § 203 Abs 3 AußStrG 2003 auf die Antragsrücknahme in einem vor dem 1.1.2005 eingeleiteten Verfahren weiter die Bestimmungen des AußStrG 1854, mithin § 224 Abs 1 AußStrG 1854, anzuwenden. Dem lag die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, insoweit nicht in berechtigte „Erwartungshaltungen" eingreifen zu wollen (ErläutRV AußStrG 224 BlgNR 22. GP 120, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 544).

2. Hingegen betrifft die Entscheidung über die Verfahrensfortsetzung das Streitverfahren (vgl § 460 Z 10 Satz 3 ZPO), sodass insoweit die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind. Die gemeinsame Ausfertigung dieses Beschlusses mit einem anderen, im Außerstreitverfahren ergangenen Beschluss vermag daran ebenso wenig wie der zweifellos gegebene enge Sachzusammenhang (vgl Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 ZPO Rz 6; Fasching in Fasching/Konecny² IV Einl Rz 149) zwischen den beiden Entscheidungen etwas zu ändern. Nach dem Grundsatz, dass bei Verbindung zweier Entscheidungen, für deren Anfechtung unterschiedlich lange Rechtsmittelfristen zur Verfügung stehen, unabhängig von der Zulässigkeit einer derartigen Vorgangsweise (JBl 1962, 452) die längste Rechtsmittelfrist für die Anfechtung aller Entscheidungen maßgeblich ist (ZBl 1932/282; RZ 1937, 300; RZ 1983/40; DRdA 1986, 228; EvBl 1990/124; vgl auch RIS-Justiz RS0041670), ist im vorliegenden Fall nicht die vierzehntägige Rekursfrist des AußStrG, sondern die vierwöchige Rekursfrist des § 521 Abs 1 iVm § 521a ZPO anzuwenden. Die Anfechtung des Ausspruches über die Verfahrensfortsetzung zufolge Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses ist nämlich in Analogie zu § 521a Abs 1 Z 3 ZPO der Entscheidung über die Beendigung des Prozessverhältnisses gleichzuhalten, wird damit doch - ebenso wie bei der Anfechtung der Entscheidung über einen Antrag auf Klagszurückweisung - die sofortige Beendigung bzw Fortsetzung des Verfahrens angestrebt. Damit erweist sich auch die zwar nach Ablauf von 14 Tagen, aber innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Freistellungsbeschlusses zur Post gegebene Rekursbeantwortung als rechtzeitig.

3.1. Die Zulässigkeit der Revisionsrekursbeantwortung ergibt sich hinsichtlich der Entscheidung über die Verfahrensfortsetzung des Streitverfahrens schon aus einer - zwar in Hinblick auf ihren rein verfahrensrechtlichen Charakter nicht aufgrund von Art 6 MRK, aber aus einfachgesetzlichen innerstaatlichen Erwägungen gebotenen - analogen Anwendung des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO, weil die Abänderung einer Entscheidung der Vorinstanzen insoweit zu einer endgültigen Verweigerung der Verfahrensfortsetzung führte, die wertungsmäßig der Klagzurückweisung gleichzuhalten ist (vgl G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [543]). Dies erfordert, dem Kläger zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung zuzubilligen. Dabei ist § 521a Abs 1 Z 3 ZPO trotz des Abstellens des Gesetzeswortlauts auf einen diesbezüglichen Antrag zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken und Wertungswidersprüchen auch auf von Amts wegen gefällte Entscheidungen, die zur Beendigung des Prozessverhältnisses führen, anzuwenden (G. Kodek in Fasching/Konecny² § 261 ZPO Rz 90).

3.2. Doch auch hinsichtlich der dem Außerstreitverfahren zuzuordnenden Entscheidung über die Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses war dem Beklagten Gelegenheit zur Erstattung einer Äußerung im Sinne des - auch im Revisionsrekursverfahren anzuwendenden (§ 71 Abs 4 AußStrG) - § 52 Abs 1 Satz 2 AußStrG einzuräumen: Nach § 68 Abs 1 AußStrG ist zwar die Einholung einer Revisionsrekursbeantwortung nur für Beschlüsse vorgesehen, mit denen „über die Sache" entschieden wurde. Dies entspricht - abgesehen vom dort weiters angeführten Fall der (an den Obersten Gerichtshof in Hinblick auf § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG ohnehin nicht heranzutragenden) Kostenentscheidung - der Regelung des § 48 Abs 1 AußStrG für das Rekursverfahren. Eine generelle Einführung der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens hielt der Gesetzgeber demgegenüber für überschießend (ErläutRV AußStrG 224 BlgNR 22. GP 48, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 185).

3.3. Unter „Beschluss über die Sache" wird jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand, sei diese meritorisch oder zurückweisend, verstanden (ErläutRV AußStrG 224 BlgNR 22. GP 48, abgedruckt bei Fucik/Kloiber 185; ebenso Fucik/Kloiber, AußStrG § 45 Rz 2). Eine Entscheidung über die Sache in diesem Sinn liegt im vorliegenden Fall nicht vor, weil das Rekursgericht nicht über den Scheidungsantrag, sondern über den vom Erstgericht gefällten Ausspruch der Unwirksamkeit des Scheidungsbeschlusses entschieden hat. Damit haben die Vorinstanzen keine Entscheidung über civil rights, mithin zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, im Sinne des Art 6 MRK, sondern eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung gefällt, auf die die Garantien des Art 6 MRK grundsätzlich nicht anzuwenden sind (Miehsler, IntKomm EMRK Art 6 Rz 185 mwN; G. Kodek, ÖJZ 2004, 534 [540]; vgl auch zu einem Unterbrechungsbeschluss 4 Ob 133/02s = EvBl 2002/199).

3.4. Der vorliegende Fall ist vielmehr in gewissem Sinn der Entscheidung über die Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung vergleichbar, wo die Rechtsprechung nach wie vor von der Einseitigkeit des Rekurses ausgeht (9 Ob 191/98y; RIS-Justiz RS0001596; aA OLG Graz 8 Ra 110/03p). Auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Freilinger gegen Österreich vom 9. 2. 2006, Beschwerde-Nummer 4533/02, ist die Einseitigkeit des Rekursverfahrens im Exekutionsverfahren grundsätzlich unbedenklich. Allerdings stellte der EGMR in dieser Entscheidung maßgeblich darauf ab, dass im mittlerweile eröffneten Konkursverfahren ohnedies eine Geltendmachung der Forderung möglich wäre. Demgegenüber hätte eine Bestätigung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Folge, dass die Klägerin um ihren bereits erzielten Prozesserfolg, nämlich die Scheidung ihrer Ehe, gebracht würde. Nach neuerer Auffassung kann aber in der Aufhebung einer bereits endgültigen Entscheidung ein Eingriff in die als civil right im Sinne des Art 6 MRK zu qualifizierende Rechtsstellung der obsiegenden Partei (idR des Klägers) liegen, was es etwa erfordern kann, gegen einen Rekurs gegen die einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit abweisende Entscheidung die Rekursbeantwortung zuzulassen, um dem Obsiegenden die Verteidigung seiner Rechtsposition zu ermöglichen (vgl G. Kodek, ÖJZ 2004, 534 [540 f], 589 [594 f]). Inwieweit diese Überlegung trotz der insoweit „asymmetrischen", sich diesfalls nur auf die Rechtsstellung des Obsiegenden beziehenden Geltung des Art 6 MRK (vgl G. Kodek aaO 541) aus innerstaatlichen Gründen die generell zweiseitige Ausgestaltung des Rekursverfahrens für beide Parteien erfordert, weil nach der innerstaatlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens die Zweiseitigkeit nach § 48 AußStrG ebenso wie nach § 521a ZPO vom konkreten Verfahrensausgang unabhängig ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. In Hinblick auf die Komplexität der Rechtslage und die Bedeutung der Entscheidung für die Parteien erschien nämlich aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls jedenfalls die Einholung einer Äußerung der Gegenpartei zur Wahrung ihres - über die Mindestgarantien des Art 6 MRK hinausgehenden - innerstaatlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl ErläutRV AußStrG 224 BlgNR 21. GP 50, abgedruckt bei Fucik/Kloiber 198) geboten. In Anbetracht des Umstandes, dass eine Entscheidung, gegen die der Rekurs jedenfalls zweiseitig ist, und eine andere Entscheidung gemeinsam ausgefertigt wurden, können auch die vom Gesetzgeber gegen die Einführung einer generellen Zweiseitigkeit des Rekurses ins Treffen geführten prozessökonomischen Überlegungen nicht zum Tragen kommen.

4. In der Sache selbst hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

4.1. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionsrekurswerberin enthielt bereits der Schriftsatz des Beklagten vom 19. 7. 2004 (ON 12) eine ausdrückliche Rückziehung des Scheidungsantrags. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Scheidungsbeschluss vom 23. 6. 2004 noch nicht rechtskräftig. Vielmehr hatte der Beklagte gegen diesen Beschluss innerhalb offener Frist Rekurs erhoben. Dass sich dieser Rekurs gegen den Scheidungsbeschluss richtete, ergab sich trotz des Fehlens entsprechender inhaltlicher Ausführungen schon daraus, dass es sich dabei um den einzigen einer Anfechtung im Rechtsmittelweg zugänglichen Beschluss im damaligen Verfahrensstadium handelte. Zudem hat der Beklagte innerhalb der gesetzten Verbesserungsfrist dies auch ausdrücklich klargestellt. Ob die Zurückziehung des Scheidungsantrages innerhalb der gesetzten Verbesserungsfrist erfolgte, ist nicht entscheidend, weil für diese selbständige Prozesshandlung der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (Mayr, RZ 1987, 265; G. Kodek in Fasching/Konecny² §§ 84, 85 ZPO Rz 139 ff; Zechner in Fasching/Konecny² § 505 ZPO Rz 4 ff; kritisch Fasching in Fasching/Konecny² IV Einl Rz 48 mwN) nicht gilt und die Zurücknahme des Scheidungsantrages - insoweit vergleichbar der Klagsrücknahme im streitigen Scheidungsverfahren (§ 483a ZPO, vgl auch § 483 Abs 3 ZPO) - bis zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses jederzeit erfolgen kann.

4.2. Damit hatte die Antragsrückziehung grundsätzlich nach der im vorliegenden Fall noch anzuwendenden (§ 203 Abs 3 AußStrG 2003) Bestimmung des § 224 AußStrG 1854 ex lege die Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses zur Folge. Aus Gründen der Rechtssicherheit erachtete aber bereits die Judikatur zum AußStrG 1854 einen ausdrücklichen deklarativen Beschluss, der auch einer Anfechtung im Rechtsmittelweg zugänglich ist, für erforderlich (2 Ob 548/84). In diesem Sinne hätte daher das Rekursgericht aus Anlass des Rekurses gegen den Scheidungsbeschluss die Wirkungslosigkeit des angefochtenen Beschlusses feststellen müssen (vgl zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des § 483a ZPO Pimmer in Fasching/Konecny2 § 483a ZPO Rz 6). Demgegenüber sieht § 94 Abs 3 AußStrG nunmehr ausdrücklich eine Beschlussfassung durch das erstinstanzliche Gericht vor. Ob dies auch dann gilt, wenn die Rückziehung des Scheidungsantrages im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens erfolgt, oder diesfalls in analoger Anwendung des § 11 Abs 1 AußStrG das Rechtsmittelgericht die Wirkungslosigkeit der angefochtenen Entscheidung auszusprechen hat, kann hier dahingestellt bleiben.

5.1. In Hinblick auf die zulässige Antragsrückziehung hätte das Rekursgericht über den Rekurs gegen den Scheidungsbeschluss nicht meritorisch entscheiden dürfen. Diese Entscheidung ist allerdings mangels Anfechtung durch die Streitteile in Rechtskraft erwachsen.

5.2. Zum vergleichbaren Problem der Fällung einer Entscheidung trotz Klagsrücknahme wird in der deutschen Lehre und Rechtsprechung die Ansicht vertreten, die Entscheidung sei wirkungslos (Musielak in MünchKomm ZPO² Vor § 300 Rz 4 mwN; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO21 Vor § 578 I Rz 15; Vollkommer in Zöller, ZPO25 § 300 Rz 18). Demgegenüber hat Rechberger gezeigt, dass die Entscheidung diesfalls nicht nichtig oder wirkungslos, sondern bloß anfechtbar ist (Rechberger, Die fehlerhafte Exekution [1978] 45 ff; ebenso aus der deutschen Lehre etwa Blomeyer, Zum Urteilsgegenstand im Leistungsprozeß, FS Lent [1957] 43 [49 f]; Bötticher, AcP 158, 262 [267]). Die Annahme einer absoluten Nichtigkeit im Sinne einer Unwirksamkeit der Entscheidung passt nicht in das System des österreichischen Zivilverfahrens, das selbst bei schwersten Verfahrensmängeln die Bekämpfung der Entscheidung im Rechtsmittelweg oder mittels Nichtigkeitsklage vorsieht. Gerade aus den Regelungen über die Nichtigkeitsklage ist abzuleiten, dass das Gesetz das mit einem Nichtigkeitsgrund behaftete Urteil grundsätzlich als wirksam ansieht (Rechberger aaO im Anschluss an Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen [1908] 82). Wirkungslose Urteile sind demgemäß nach der überzeugenden Auffassung Rechbergers, der der erkennende Senat beitritt, nur solche Urteile, die aus tatsächlichen Gründen keine Wirkungen entfalten können, weil sie für oder gegen eine nicht existente Partei ergangen sind, oder völlig unverständlich (perplex) sind (Rechberger aaO 78; ähnlich Fasching, Lehrbuch² Rz 1584).

5.3. Ob es sich beim Verstoß gegen den Dispositionsgrundsatz um einen ungeschriebenen, sich aus historischer und systematischer Interpretation ergebenden Nichtigkeitsgrund (in diesem Sinne Fucik in Fasching/Konecny² § 405 ZPO Rz 59 ff mwN) oder im Sinne der nunmehr herrschenden Rechtsprechung (vgl EvBl 1958/258; SZ 42/138; weitere Nachweise bei Fucik aaO Rz 63; ebenso Zechner in Fasching/Konecny² § 503 ZPO Rz 95 ff) um einen bloßen Verfahrensmangel handelt, ist insoweit ohne Bedeutung, zumal die Parteien die Bestätigung des Scheidungsbeschlusses durch das Rekursgericht unbekämpft ließen. Der Nichtigkeitsgrund des § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 56 Abs 1 AußStrG bezieht sich demgegenüber nur auf die hier nicht vorliegende Antragsrücknahme unter Anspruchsverzicht.

5.4. Der Eintritt der formellen Rechtskraft heilt grundsätzlich die bis dahin allenfalls unterlaufenen Verfahrensverstöße und schneidet damit deren Wahrnehmung ab (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 1493 ff; Pimmer in Fasching/Konecny2 § 477 ZPO Rz 12; ausdrücklich für wirkungslose Urteile Fasching in Fasching/Konecny² IV Einl Rz 29 aE). Dem kann im vorliegenden Fall auch nicht entgegengehalten werden, die Rekursentscheidung über den Scheidungsbeschluss könne keine Wirkungen entfalten, weil sich diese auf einen zufolge Antragsrückziehung ex lege wirkungslosen Beschluss bezogen hat. Vielmehr hat das Rekursgericht in seiner Entscheidung über diesen Rekurs die erfolgte Antragsrückziehung berücksichtigt und rechtlich dahin beurteilt, dass diese - weil außerhalb der Verbesserungsfrist vorgenommen - unbeachtlich ist. Diese Auffassung trifft zwar im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht zu, sie ändert aber - schon aus Gründen der Rechtssicherheit - nichts an den dieser Rekursentscheidung zukommenden Wirkungen (vgl Fasching in Fasching/Konecny² IV Einl Rz 29 aE). Auch zu sich auf ein nicht vorliegendes Rechtsverhältnis beziehenden Gestaltungsurteilen wird vertreten, dass diese zwar wirkungsgemindert sind, weil in Wahrheit kein einer richterlichen Rechtsgestaltung zugängliches Rechtsverhältnis vorliegt, dass aber gleichwohl das Urteil in formelle und materielle Rechtskraft erwächst (so ausdrücklich für die Scheidung einer Nichtehe Rechberger aaO 74 ff). Nichts anderes kann für die Bestätigung eines zufolge Antragsrückziehung wirkungslosen Beschlusses gelten.

5.5. In diesem Sinne wäre es daher Sache des Beklagten gewesen, sich gegen die meritorische Entscheidung des Rekursgerichtes durch Erhebung eines Revisionsrekurses zur Wehr zu setzen. Hat demgegenüber - wie im vorliegenden Fall - der Beklagte die Erhebung eines Rechtsmittels unterlassen und ist demzufolge der Scheidungsbeschluss in formelle Rechtskraft erwachsen, so ist ein Ausspruch der Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses nicht mehr möglich (vgl 2 Ob 598/82; 2 Ob 505/86; 3 Ob 19/00f; 3 Ob 116/00f; 10 ObS 424/02d; 2 Ob 284/03h; 10 Ob 79/04x; RIS-Justiz RS0005785; RS0113635). Damit wurde durch die Beschlüsse der Vorinstanzen in die auch von Art 6 MRK geschützte Bestandskraft (vgl EGMR 28. 10. 1999 Brumarecu gegen Rumänien; EGMR 24. 7. 2003 Ryabykh gegen Russland, dazu G. Kodek, ÖJZ 2004, 534 [540]) des rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses eingegriffen und die Klägerin nachträglich um ihren erzielten - und im Rekursverfahren gegen den Beklagten erfolgreich verteidigten - Verfahrenserfolg gebracht.

5.6. Auch der Grundsatz des favor matrimonii (vgl Fasching, Lehrbuch² Rz 2337) erfordert keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, dass dieser Grundsatz keine Durchbrechung der Rechtskraft zu rechtfertigen vermag, strebt der Beklagte im vorliegenden Fall nicht etwa die Fortsetzung der Ehe, sondern lediglich die Scheidung zu anderen finanziellen Bedingungen an.

Insoweit war dem Revisionsrekurs daher in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen spruchgemäß Folge zu geben.

6.1. Hingegen kam eine Abänderung des Ausspruches des Erstgerichtes über die Anordnung der Fortsetzung des streitigen Scheidungsverfahrens trotz des Sachzusammenhangs mit dem Ausspruch über die Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses nicht in Betracht, weil auf diesen dem Streitverfahren zuzurechnenden Beschluss die ZPO anzuwenden ist. Zwar ist die Fortsetzung des Verfahrens nach einer Unterbrechung trotz § 192 Abs 2 ZPO anfechtbar, wenn die Unterbrechung - wie im vorliegenden Fall in § 460 Z 10 ZPO - zwingend angeordnet ist (vgl Schragel in Fasching/Konecny² § 192 Rz 3). Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht jedoch die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigt. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist aber ein Revisionsrekurs gegen bestätigende Entscheidungen unzulässig. Die in dieser Gesetzesstelle angeordnete Ausnahme für Klagszurückweisungen kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, hat doch das Erstgericht gerade die Fortsetzung des Verfahrens ausgesprochen. Damit war der Revisionsrekurs insoweit zurückzuweisen.

6.2. Zufolge der eingetretenen formellen und materiellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses besteht freilich für die vom Erstgericht ausgesprochene Fortsetzung des streitigen Scheidungsverfahrens kein Raum; die Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens für den Fall der Rückziehung des Scheidungsantrages in § 460 Z 10 Satz 3 ZPO bezieht sich nur auf die zulässige Zurückziehung des Scheidungsantrags, nicht auf den Fall, dass diese wegen mittlerweile eingetretener Rechtskraft der Sachentscheidung keine Wirkungen mehr zu entfalten vermag. Im vorliegenden Fall ist aber aufgrund der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses vielmehr die Klage nach § 460 Z 10 Satz 1 ZPO als zurückgenommen anzusehen. Diesem Umstand wird das Erstgericht im weiteren Verfahren Rechnung zu tragen haben.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG. Das bloß formale Unterliegen der Klägerin mit ihrem Revisionsrekurs, soweit sich dieser auch gegen den Fortsetzungsbeschluss richtet, war als geringfügig zu vernachlässigen. Auf die sich aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ergebende teilweise Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hat der Beklagte zudem nicht hingewiesen.

Rechtssätze
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