JudikaturJustiz2Ob64/23k

2Ob64/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch Gálffy Vecsey Rechtsanwälte Partnerschaft (OG) in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K*, 2. D*, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, 3. l*, 4. D*, beide vertreten durch Dr. Marie-Agnes Arlt, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien K*, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 538.465,28 EUR sA, über die „außerordentliche Revision“ der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2023, GZ 3 R 115/22m 190, womit über Berufung der erstbeklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 22. April 2022, GZ 17 Cg 23/20v 184, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt, soweit die „außerordentliche Revision“ den Anspruch auf Rückzahlung von Vorstandsvergütung (21.312 EUR sA) betrifft.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt von der Erstbeklagten die Zahlung von 483.367,08 EUR sA, wobei diese Forderung unter anderem die im Revisionsverfahren allein gegenständlichen Ansprüche auf Rückforderung von in den Jahren 2007 bis 2013 gezahltem Anwaltshonorar von insgesamt 417.592 EUR (abzüglich einer aus der Zahlung des vormaligen Fünftbeklagten resultierenden Anrechnung von 14.760,92 EUR) und auf Rückforderung von zu Unrecht an die Erstbeklagte gezahlten Vorstandsvergütungen des Zweitbeklagten von insgesamt 21.312 EUR umfasst. Seinen Anspruch auf Rückzahlung von Anwaltshonorar stützt der Kläger zentral auf die Verletzung der Bestimmung des § 17 Abs 5 PSG, jenen auf Rückzahlung von Vorstandsvergütungen auf die Nichteinhaltung der Norm des § 19 PSG.

[2] Das Erstgericht erkannte diese im Revisionsverfahren noch strittigen Ansprüche mit Teilurteil als zu Recht bestehend.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Erstbeklagten die Entscheidung des Erstgerichts in den im Revisionsverfahren noch strittigen Punkten und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

[4] Die als „außerordentlich“ bezeichnete Revision der Erstbeklagten , die das Erstgericht zur Entscheidung vorlegt, wendet sich gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Berufungsgerichts.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Akten sind vorerst dem Erstgericht zurückzustellen .

[6] 1. Trotz des von der Erstbeklagten nur mit 111.151 EUR – also der Höhe der bereits in der Klagebeantwortung konkret eingewendeten Gegenforderung – bewerteten Revisionsinteresses ist aufgrund der Anfechtungserklärung („zur Gänze“) und des auf die gänzliche Abweisung der Klage abzielenden Revisions(haupt)antrags davon auszugehen, dass die Erstbeklagte die Entscheidung des Berufungsgerichts im sie beschwerenden Umfang zur Gänze anficht.

[7] 2. Eine Zusammenrechnung kommt nach § 55 Abs 1 Z 1 JN nur in Frage, wenn die einzelnen Ansprüche – nach den Klagsangaben (RS0042741 [insb T7]) – in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Diese Bestimmung ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen (RS0122950).

[8] Ein tatsächlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagsgrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts – zumindest zum Grund des Anspruchs –erfordert (1 Ob 185/18i). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (vgl RS0037648).

[9] Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (RS0037899).

[10] 3. Im vorliegenden Fall stehen das Begehren auf Rückforderung von Anwaltshonorar einerseits und auf Rückforderung von Vorstandsvergütung andererseits weder in einem rechtlichen noch einem tatsächlichen Zusammenhang und sind daher nicht zusammenzurechnen.

[11] 4. Im Hinblick auf die Rückforderung der Vorstandsvergütung übersteigt der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Da das Berufungsgericht die Revision für nicht zulässig erklärt hat, ist deren Zulässigkeit insoweit nach § 508 ZPO zu beurteilen. Die unterlegene Partei kann daher nur einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist die ordentliche Revision auszuführen. Dieser – mit der ordentlichen Revision verbundene – Antrag ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und nach § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Berufungsgericht zu behandeln.

[12] Diese Vorgangsweise ist auch dann einzuhalten, wenn das Rechtsmittel als „außerordentlich“ bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Denn auch dieser darf darüber nur entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Zulassungsausspruch abgeändert hat.

[13] Das Erstgericht wird das Rechtsmittel daher dem Berufungsgericht vorzulegen haben, um diesem ein Vorgehen nach § 508 ZPO im Hinblick auf die Rückforderung der Vorstandsvergütung zu ermöglichen. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

[14] 5. Im Hinblick auf die Ansprüche auf Rückforderung von Anwaltshonorar übersteigt der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts 30.000 EUR, sodass insoweit eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs besteht. Es erscheint jedoch prozessökonomisch, vorweg das Verfahren nach § 508 ZPO durchzuführen. Danach wird das Erstgericht (oder das Berufungsgericht, sollte es die ordentliche Revision nachträglich zulassen) die Akten erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.

Rechtssätze
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