JudikaturLG für ZRS Wien

36R238/23a – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
05. Dezember 2024

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht hat durch den Richter VPräs. Mag. Peter Weiß als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Daniela Digruber und Mag. Ruth Schimik in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , ** B*, **straße **, vertreten durch Dr. Matthias Brand, Rechtsanwalt in 1040 Wien, wider die beklagte Partei C* D* GmbH Co KG , ** B*, **straße **, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, wegen EUR 1.500,- s.A. , infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil und den im Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 03.08.2023, GZ 52 C 171/23t-13, enthaltenen Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung

I. den B e s c h l u s s gefasst:

Spruch

a) Das Verfahren wird fortgesetzt .

Der Fortsetzungsantrag der Klägerin wird, soweit er (darüber hinausgehende) Ausführungen und eine neue Urkunde enthält, zurückgewiesen.

b) Die Berufung gegen die in das Urteil aufgenommene Zurückweisung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit wird als unzulässig zurückgewiesen .

II. zu Recht erkannt:

Der Berufung in der Hauptsache wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es als Teilurteil wie folgt zu lauten hat:

″Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin EUR 1.200,- samt 4 % Zinsen aus EUR 300,- seit 24.02.2020, aus EUR 300,- seit 03.09.2020, aus EUR 300,- seit 28.01.2021 und aus EUR 300,- seit 06.09.2021 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.″

sowie

III. den B e s c h l u s s gefasst:

Im Übrigen wird das angefochtene Urteil (im Umfang von EUR 300,- s.A. einschließlich der Kostenentscheidung ) aufgehoben und die Rechtssache insoweit dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen .

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Die Revision ist in Ansehung des Teilurteils jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Text

Begründung und Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt das Verkehrsunternehmen C* D*. Ihre einzige Komplementärin ist die C* D* GmbH, deren einzige Gesellschafterin die C* E* GmbH ist, die wiederum die einzige Kommanditistin der Beklagten ist. Die C* E* GmbH steht zur Gänze im Eigentum der F* B*. Die Beklagte bietet für Studierende ein Semesterticket an, das nur in der Kernzone für B* gültig ist und jeweils für ein Studiensemester gilt. Der Preis dieses Tickets beträgt (bzw. betrug zu den hier relevanten Zeiträumen) für Studierende mit Hauptwohnsitz in B* EUR 75,-, alle anderen Studierenden müssen für dieses Ticket EUR 150,- bezahlen. Dr. G* H* hat bei der Beklagten Semestertickets für das Sommersemester 2020, für das Wintersemester 2020/2021, für das Sommersemester 2021 und für das Wintersemester 2021/2022 um jeweils EUR 150,- erworben. Sie war während ihres gesamten Studiums bei ihren Eltern in I* wohnhaft sowie hauptgemeldet und hatte keine Möglichkeit, in B* zu übernachten oder in B* einen Hauptwohnsitz zu begründen. Ihr Lebensmittelpunkt war in I*. Dr. H* bekam pro Semester, auch für den klagsgegenständlichen Zeitraum, vom Land Niederösterreich eine Förderung für Fahrtkosten von EUR 100,-. Sie legte die Strecke von I* bis zur Kernzone B* mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Dafür kaufte sie Monatstickets von der J*, die pro Monat EUR 50,- kosteten. Sie empfand es als unfair, dass man mit Hauptwohnsitz in B* ein billigeres Ticket bekommt. Dr. H* (im Folgenden: Zedentin) hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten, die die Abtretung annahm.

Die Klägerinbegehrte die Zahlung von EUR 1.500,- samt Anhang und brachte zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant vor, dass die gegenständlichen Ansprüche wirksam an sie abgetreten worden seien. Das einzige Unterscheidungsmerkmal für den unterschiedlichen Preis des Semestertickets sei, ob der Hauptwohnsitz in B* liege. Dies sei kein gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung und stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, zumal das Kriterium besonders geeignet sei, Personen mit anderer Staatsbürgerschaft bzw. anderer ethnischer Zugehörigkeit zu diskriminieren. Diese Fahrpreisgestaltung verstoße gegen Art. 7 B-VG, Art. 18 AEUV und §§ 31 ff GlBG. Daraus resultiere eine Teilnichtigkeit der Beförderungsverträge, wobei die Beklagte um die Preisdifferenz bereichert sei. Die rechtsgrundlosen Zahlungen würden einen Vermögensschaden darstellen. Weiters werde für jeden Verstoß gegen das GlBG bei jedem Ticketerwerb ein Betrag von EUR 300,- gemäß §§ 31 ff GlBG für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend gemacht. Die mittelbare Diskriminierung aufgrund der Herkunft stelle eine Beeinträchtigung der Würde der Zedentin dar.

Die Beklagteerhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, beantragte die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Klage und wendete zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant ein, dass die der Klage zugrundeliegenden Geschäfte für die Beklagte unternehmensbezogene Geschäfte seien. Es liege daher eine Streitigkeit im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 1 JN vor, die Streitsache falle in die Handelsgerichtsbarkeit. Die Bestimmung des § 43 Abs. 3 JN sei verfassungswidrig. Im Übrigen sei die Klage unberechtigt: Zunächst sei die Beklagte nicht passivlegitimiert. Das Gebiet der F* B* gehöre zum L*, die VOR-Tarifbestimmungen gebe die M* GmbH heraus. Diese würden die verbindlichen Verbundregel-Beförderungspreise enthalten und die Beklagte wende die VOR-Tarifbestimmungen lediglich an.

Zudem sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Selbst wenn eine Zessionsvereinbarung abgeschlossen worden wäre, wären keine Rechte auf die Klägerin übergegangen, weil ihre Tätigkeit auf verbotenem Vertrag ohne Gewerbebefugnis beruhe und die Zession höchstpersönliche unabtretbare Rechte betreffen würde.

Die vorliegende Tarifgestaltung beruhe auf von einer ethnischen Zugehörigkeit der Studierenden völlig unabhängigen Erwägungen. Sie ziele auch nicht auf eine ungleiche Behandlung von „fremden“ Personen wegen dieses Merkmals ab. Jede in Österreich aufenthaltsberechtigte Person könne und dürfe, unabhängig davon, welcher ethnischen Gruppe sie angehöre, ihren (Haupt-)Wohnsitz in B* begründen. Das Kriterium des Hauptwohnsitzes betreffe Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft ebenso wie Personen, die diese nicht besitzen würden. Eine Abgrenzung nach dem Hauptwohnsitz diskriminiere keine Ethnie. Das Kriterium des Hauptwohnsitzes sei sogar besonders sachlich, da es nicht auf eine Staatsangehörigkeit oder ethnische Merkmale abstelle. Eine Diskriminierung im Sinn des § 31 Abs. 1 GlBG liege daher nicht vor. Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 7 B-VG vor. Es sei ein legitimes Ziel, mit einem vergünstigten Tarif Personen bzw. Personengruppen zu unterstützen, die ihren Lebensmittelpunkt in jenem Gebiet hätten, in dem das Verkehrsunternehmen seine Leistungen erbringe (hier: B*). Die Förderung von Personengruppen (Schüler, Studenten oder Pensionisten), indem diesen der Zugang zu kommunalen Beförderungsleistungen vergünstigt angeboten würden, liege im Interesse der Allgemeinheit und seien derartige Preisstaffelungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs allgemein üblich. Dass Gebietskörperschaften soziale Unterstützungsleistungen auf Personen beschränken könnten, die ihren Hauptwohnsitz auf ihrem Gebiet hätten, sei letztlich auch eine Auswirkung des bundesstaatlichen Verfassungsprinzips (Art. 2 Abs. 1 B-VG) und der Selbstverwaltung der Ortsgemeinden (Art. 116 Abs. 1 und 2 B-VG). Die Gemeinde B* sei aufgrund der Selbstverwaltung der Ortsgemeinden berechtigt, vergünstigte Unterstützungsleistungen in Form von Sondertarifen Personen anzubieten, die ihren Hauptwohnsitz in B* hätten. Weiters würden Personen, die keinen Lebensmittelpunkt in B* hätten, im Vergleich zu Personen, die ihren Lebensmittelpunkt in B* hätten, hier weniger Gebühren und sonstige Gemeindeabgaben bezahlen und im Finanzausgleich zu Gunsten von B* nicht als Einwohner der Stadt gezählt werden. Die Gemeinde B* sei aufgrund der Selbstverwaltung der Ortsgemeinden berechtigt, vergünstigte Unterstützungsleistungen in Form von Sondertarifen Personen anzubieten, die ihren Hauptwohnsitz in B* hätten. Die sachliche Rechtfertigung liege darin, dass derjenige, der seinen Hauptwohnsitz in B* habe, die Förderung insbesondere durch die hier erbrachte vermehrte Steuer sowie Abgabenleistung ausgleiche. Allein dieses berechtigte Interesse sei geeignet, eine allfällige Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Es liege auch keine mittelbare Diskriminierung nach Art. 18 AEUV vor, die ein spezielles Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beinhalte. Die vorliegende Tarifgestaltung beruhe auf von der Staatsangehörigkeit der Studierenden unabhängigen Erwägungen und stehe in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck der tariflichen Regelungen. Die Preisstaffelung betreffe auch österreichische Staatsbürger. Der angeblichen Zedentin sei durch den Erwerb von Semestertickets um EUR 150,- kein Schaden erwachsen, weil einige Gemeinden Förderungen an Studierende leisten würden, wenn sie in der Heimatgemeinde gemeldet seien. Es sei auch kein Spezifikum der C* D*, dass hauptgemeldete Einwohner die öffentlichen Verkehrsmittel in ihrer Stadt zu einem günstigeren Preis nutzen könnten. Auch in anderen Landeshauptstädten würden vergleichbare Modelle existieren. Ein Zuspruch von immateriellem Schaden bei jedem Erwerb einer Semesterkarte scheide aus; wenn die Beklagte eine Verantwortung der Diskriminierung treffen sollte, dann wohl nur für die Tarifgestaltung, die aber nur beim ersten Mal, wenn ein Zedent mit ihr konfrontiert sei, eine Beeinträchtigung verursachen könnte.

Selbst wenn die Beklagte die Differenz zum Normalpreis des Semestertickets zu ersetzen hätte, bestehe kein Anspruch auf Ersatz eines zusätzlichen immateriellen Schadens, weil die Beeinträchtigung bereits durch den Vermögensschaden wirksam ausgeglichen werde. Sollte ein immaterieller Schadenersatz überhaupt zustehen, könne dieser nur einen prozentuell geringen Anteil des tatsächlichen Vermögensschadens ausmachen. Aus den §§ 12, 26 und 51 GlBG lasse sich ableiten, dass die Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung, insbesondere bei bloßen Diskriminierungen, deutlich niedriger sein müsse als der allenfalls zu ersetzende Vermögensschaden. Ein allfälliger Zustand der Kränkung wegen der erlittenen Diskriminierung bei Studierenden mit einer Rückerstattungsmöglichkeit durch Bundesland oder Gemeinde könne sich gar nicht ausgewirkt haben, da diese eine entsprechende Förderung erhalten hätten und zu keinem Zeitpunkt schlechter gestellt oder beeinträchtigt gewesen seien. Die angebliche Zedentin hätte eine Förderung der N* für das Semesterticket beantragen und so einen allfälligen Schadeneintritt verhindern können, weshalb die Beklagte keinen oder höchstens teilweise einen Schadenersatz leisten müsse.

Wenn die angebliche Zedentin erstmals 2019 oder früher inskribiert gewesen sei, sei ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz verjährt, weil ihr dann die Tarifgestaltung für die Semesterkarten bekannt gewesen sei. Außerdem habe sie ein stärkeres Naheverhältnis zu B* gehabt, deshalb hätte sie ihren Hauptwohnsitz in B* melden müssen. Nach dem Kauf der Semesterkarten habe die angebliche Zedentin ihre Adresse auf ihre C* Adresse abgeändert und eine Jahreskarte der C* D* bezogen. Dadurch werde deutlich, dass sie auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bereits stärkere Beziehungen zu B* als zu I* gehabt habe und ihre Adressänderung nun verspätet nachgezogen habe.

Mit der angefochtenen Entscheidungwies das Erstgericht zunächst die von der Beklagten nach Streitanhängigkeit erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, mit der diese geltend machte, nicht das Erstgericht, sondern das Bezirksgericht für Handelssachen sei sachlich zuständig, zurück, da gemäß § 43 Abs. 3 JN die Einrede der Unzuständigkeit nicht darauf gestützt werden könne, dass für die Streitigkeit ein anderes Bezirksgericht sachlich zuständig sei.

Gleichzeitig verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 1.500,- samt Anhang, wobei es von den oben zusammengefasst wiedergegebenen Feststellungen ausging. Weiters hielt es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – disloziert – fest, es sei evident, dass Studenten mit Herkunft aus B* in viel größerer Zahl ihren Hauptwohnsitz in B* hätten als Studenten aus anderen Bundesländern oder Studenten mit Herkunft aus anderen Staaten. Rechtlich folgerte es, dass der Einwand der Beklagten, es handle sich bei der Abtretung um ein Bankgeschäft und der Klägerin fehle die öffentlich-rechtliche Berechtigung für die gewerbliche Übernahme und Betreibung von Forderungen, verfehlt sei. Nach ständiger Rechtsprechung wirke sich das Fehlen der zur Erbringung der vertraglichen Leistung notwendigen behördlichen Genehmigung nicht auf die Wirksamkeit des Vertrags aus. Die Zession sei auch nicht unwirksam, weil sie dem Verbot nach § 879 Abs. 2 ABGB widerspreche. Auf einen Verstoß gegen diese Vorschrift könne sich der Zedent, nicht aber der Rechtsfreund oder ein sonstiger Prozessgegner des Klienten berufen. Der abgetretene Anspruch sei überdies kein höchstpersönlicher Anspruch, wofür die Entscheidung 6 Ob 247/08d spreche, in der immaterielle Schadenersatzansprüche nach § 33 Abs. 1 DSG als abtretbar beurteilt worden seien. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin aktivlegitimiert sei. Es sei evident, dass Studenten mit Herkunft aus B* in viel größerer Zahl ihren Hauptwohnsitz in B* haben als Studenten aus anderen Bundesländern oder Studenten mit Herkunft aus anderen Staaten. Es bestehe daher bei der Zedentin, die aus Niederösterreich stamme, ein Unterscheidungsmerkmal zur regionalen Mehrheit. Da somit das scheinbar neutrale Kriterium des Hauptwohnsitzes besonders geeignet sei, Personen mit anderer ethnischer Zugehörigkeit zu diskriminieren, liege eine mittelbare Diskriminierung nach § 32 GlBG vor. Die Möglichkeit einen Hauptwohnsitz in B* begründen zu können, sei für die Beurteilung der gegenständlichen Frage aufgrund des freien Wahlrechts des Wohnsitzes irrelevant. Nach der Rechtsprechung des EuGH werde das Argument der Kohärenz des Steuersystems nicht anerkannt, weil kein Zusammenhang zwischen irgendeiner Besteuerung und der Anwendung von Vorzugstarifen bestehe. Bei der Förderung des Landes Niederösterreichs handle es sich um eine soziale Leistung, die nicht die Aufgabe habe, den Schädiger zu begünstigen, weshalb eine Vorteilsanrechnung nicht zu erfolgen habe. Es fehle somit an einer vertretbaren sachlichen Rechtfertigung der vorliegenden Ungleichbehandlung, weshalb der Schaden im Ausmaß der Preisdifferenz und des geltend gemachten angemessenen immateriellen Schadens zu ersetzen sei. Die Höhe des immateriellen Schadens erscheine mit EUR 300,- pro Ticketerwerb, insgesamt daher EUR 1.200,- angemessen. Aufgrund der rechtsgültig erfolgten Zession der Ansprüche an die Klägerin sei die Beklagte daher verpflichtet, der Klägerin den Klagsbetrag zu bezahlen.

Gegen den in der Entscheidung enthaltenen Beschluss richtet sich der als Rekurs bezeichnete Teil der Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass die Klage wegen Unzuständigkeit des Erstgerichts zurückgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag es dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gleichzeitig mit der Berufung wurde beim Verfassungsgerichtshof ein Parteiantrag auf Normenkontrolle gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B-VG gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihren gesondert ausgeführten Rechtsmittelbeantwortungen, dem „Rekurs“ und der Berufung nicht Folge zu geben.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 04.10.2023, G 412-413/2023-9, lehnte dieser die Behandlung des Parteiantrags auf Normenkontrolle gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG ab.

Das Berufungsgericht legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 26.01.2024 eine Frage zur Auslegung des Art 2 Abs 2 Buchstabe b der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft vor.

Mit Beschluss vom 10.09.2024, C-65/24, erklärte der EuGH das eingereichte Vorabentscheidungsersuchen für offensichtlich unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung gegen die in das Urteil aufgenommene Zurückweisung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ist unzulässig; die Berufung in der Hauptsache ist berechtigt .

Zu I. a) Fortsetzung des Verfahrens und teilweise Zurückweisung des Fortsetzungsantrags der Klägerin:

Mit Beschluss vom 26.01.2024 (ON 5) wurde das Berufungsverfahren bis zum Einlangen der unter einem beantragten Vorabentscheidung des EuGH gemäß § 90 Abs. 1 GOG ausgesetzt. Der EuGH hat darüber mit Beschluss vom 10.09.2024, C-65/24, entschieden. Das Verfahren über die Berufung der Beklagten ist daher fortzusetzen.

Soweit im Fortsetzungsantrag der Klägerin darüber hinausgehende Ausführungen (Begriff der Ethnie, Bericht der Statistik Austria über Nebenwohnsitzmeldungen) und eine weitere Urkunde (Beilage ./H) enthalten sind, verstößt dies gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht und auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (vgl. RS0041666). Im Übrigen ist sie mit diesen Ausführungen und der Urkunde auch auf das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot zu verweisen.

Zu I. b) Als „Rekurs“ bezeichneter Teil der Berufung:

Wird der Ausspruch über die Einrede der – wie hier – sachlichen Unzuständigkeit in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufgenommen, so kann er nach § 261 Abs. 3 ZPO nur mittels des gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen stehenden Rechtsmittels angefochten werden. Die Beklagte hätte daher die vom Erstgericht in seine Hauptsachenentscheidung aufgenommene Entscheidung über die Verwerfung der von ihr erhobenen Prozesseinrede im Rahmen der (auch in der Hauptsache erhobenen) Berufung bekämpfen müssen (RS0036404; Kodek in Fasching/Konecny 3III/1 § 261 ZPO Rz 78). Der mit der Berufung gleichzeitig eingebrachte Rekurs gegen die Verwerfung der Einrede ist daher als Teil der Berufung zu behandeln (RS0036404).

Die Berufungswerberin wendet sich gegen die auf § 43 Abs. 3 Satz 2 JN gestützte erstgerichtliche Zurückweisung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. Die Bestimmung des § 43 Abs. 3 zweiter Satz JN sei verfassungswidrig, weil sie das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) und das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichbehandlungsgebot (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 B-VG, Art. 2 StGG) verletze. Gegenständlich liege – unzweifelhaft – eine Streitigkeit iSd § 51 Abs. 1 Z 1 JN vor, die in die Handelsgerichtsbarkeit falle. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Zivilprozessrechts hätte das angerufene Erstgericht daher die Klage wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen (§§ 261 Abs. 6, 230a ZPO).

Gemäß § 43 Abs. 3 zweiter Satz JN kann in Streitsachen, die vor ein Bezirksgericht gehören, die Einrede der Unzuständigkeit nicht darauf gestützt werden, dass für die Streitsache ein anderes Bezirksgericht sachlich zuständig ist. § 43 Abs. 3 JN gilt jedenfalls für alle Fälle der Abgrenzung zwischen allgemeiner Gerichtsbarkeit und Kausalgerichtsbarkeit (vgl. dazu auch Scheuer in Fasching/Konecny 3§ 43 JN Rz 42).

Nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, sind nach § 45 JN nicht anfechtbar. Streitanhängigkeit tritt mit Zustellung des verfahrensleitenden Schriftsatzes an den Beklagten ein (§ 232 Abs. 1 ZPO).

Der vom Erstgericht nach Eintritt der Streitanhängigkeit gefasste Beschluss, mit dem die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde, ist daher einer Überprüfung im Rechtsmittelweg entzogen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung des von der Beklagten erhobenen Parteiantrags auf Normenkontrolle gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B-VG mit Beschluss vom 04.10.2023, G 412-413/2023-9, abgelehnt hat. Denn das Vorbringen des Antrags habe die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen lassen, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers, aus verfahrensökonomischen Gründen in solchen Konstellationen die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit auszuschließen. Es sei in diesem Zusammenhang nicht erkennbar, dass die angefochtene Regelung gegen Art. 83 Abs. 2 B-VG oder den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 43 Abs. 3 zweiter Satz JN bestehen daher nicht. Das Erstgericht hat demnach zutreffend die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit gestützt auf § 43 Abs. 3 zweiter Satz JN zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts darüber hat in Beschlussform zu ergehen. Dieser Beschluss unterliegt den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs. 1 ZPO und ist somit unanfechtbar (RS0123463; G. Kodek in Fasching/Konecny 3III § 261 ZPO Rz 79 und 87).

Zu II. und III. Berufung in der Hauptsache:

In der Verfahrensrügemacht die Berufungswerberin geltend, das Erstgericht habe disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung eine Feststellung getroffen, die es in der Beweiswürdigung nicht begründet habe. Gemäß § 501 ZPO kann ein Urteil, wenn der Streitgegenstand EUR 2.700,- nicht übersteigt nur wegen Nichtigkeit und einer dem Urteil zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten werden. Wenn in einer Berufung neben zulässigen auch unzulässige Berufungsgründe geltend gemacht werden, sind letztere vom Berufungsgericht wegen der Beschränkung des § 501 ZPO nicht zu behandeln. Auf die Verfahrensrüge ist daher nicht einzugehen, wobei es keinen Unterschied macht, ob damit allenfalls auch die Feststellung im Sinn einer Beweisrüge hätte angefochten werden sollen, weil aufgrund der genannten Rechtsmittelbeschränkung der Beklagten auch eine Anfechtung der Feststellungen verwehrt ist.

In ihrer Rechtsrügezur Hauptsache moniert die Berufungswerberin zunächst, das Erstgericht habe folgende überschießende Feststellung getroffen: „Es ist evident, dass Studenten mit Herkunft aus B* in viel größerer Zahl ihren Hauptwohnsitz in B* haben als Studenten aus anderen Bundesländern oder Studenten mit Herkunft aus anderen Staaten.“ (US 10). Dazu habe die Klägerin kein Vorbringen erstattet. Diese Feststellung dürfe der Entscheidung daher nicht zugrunde gelegt werden. Hierzu ist auszuführen: Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Rechtssache unrichtig beurteilt, wenn der Entscheidung unzulässige überschießende Feststellungen zugrunde gelegt werden (RS0040318 [T2]; RS0036933 [T10, T11, T12]; RS0037972 [T11]; RS0112213 [T1, T4]). Bei der Beurteilung, ob es sich um eine unzulässige überschießende Feststellung handelt, ist nicht darauf abzustellen, ob sich der vom Erstgericht getroffene Sachverhalt wörtlich mit den Parteienbehauptungen deckt, sondern nur zu prüfen, ob sich die Feststellungen im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (6 Ob 64/22p; vgl auch RS0040318 [T1, T6]; RS0037972 [T1, T9]). Die Klägerin brachte in der Klage vor, das einzige Unterscheidungsmerkmal für den unterschiedlichen Preis des Semestertickets sei, ob der Hauptwohnsitz des Studierenden in B* liege. Dies sei kein gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung und stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, zumal das Kriterium besonders geeignet sei, Personen mit anderer Staatsbürgerschaft bzw anderer ethnischer Zugehörigkeit zu diskriminieren (ON 1 S. 4 f). Somit bewegen sich die monierten Feststellungen des Erstgerichts im Rahmen des Parteienvorbringens. Sie erweisen sich nicht als überschießend und sind daher der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

Soweit die Berufungswerberin auf die mangelnde Passivlegitimation hinweist, da sie aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen des ÖPNRV-G 1999 die VOR-Tarifbestimmungen, welche die „Tarifverbund“ (wohl gemeint: L* (M*) Gesellschaft m.b.H. herausgebe, lediglich anwende, und zur abschließenden Beurteilung des Falls dazu Feststellungen vermisst, ist festzuhalten, dass die Beklagte unstrittig die Vertragspartnerin der Zedentin war. Das erstattete Vorbringen bezieht sich lediglich auf das Innenverhältnis zwischen ihr und der „VOR“, sodass die Beklagte sich dadurch nicht einer Haftung gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Zedentin, entziehen kann.

Hinsichtlich des Einwands der mangelnden Aktivlegitimation kann auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts (US 8 und 9) verwiesen werden (§ 500a ZPO), der die Berufung keine stichhaltigen Argumente entgegen zu bringen vermag. Ergänzend ist anzumerken, dass die Ausführungen der Berufungswerberin nicht erkennen lassen, inwieweit es sich bei der gegenständlichen Zession überhaupt um ein Bankgeschäft iSd BWG handeln soll, wozu eine öffentlich-rechtliche Berechtigung erforderlich wäre. Auch die mangelnde Aktivlegitimation aufgrund einer allfälligen Unwirksamkeit der Zession gemäß § 879 Abs. 2 Z 2 ABGB wurde schon vom Erstgericht zutreffend mit Verweis auf den Schutzzweck der Norm verneint. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann ein allfälliger Verstoß gegen § 879 Abs. 2 Z 2 ABGB nur vom Mandanten des „Rechtsfreunds“, nicht aber von der Gegenpartei geltend gemacht werden (6 Ob 224/12b; 6 Ob 35/19v; Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der zitierten Entscheidung 4 Ob 14/18i). Schließlich kann das Argument der Berufungswerberin, dass, da der Klägerin nach rechtlich zutreffender Beurteilung kein Honorar gebühre, nicht zu erwarten sei, dass sie die ihr zedierten Forderungen betreiben würde, nicht nachvollzogen werden, ist dies doch zwanglos durch die Einbringung der vorliegenden Klage widerlegt.

Die Klägerin brachte vor, die Fahrpreisgestaltung der Beklagten verstoße insbesondere gegen §§ 31 ff GlBG. Daraus resultiere eine Teilnichtigkeit der Beförderungsverträge, wobei die Beklagte um die Preisdifferenz bereichert sei. Die rechtsgrundlosen Zahlungen würden einen Vermögensschaden darstellen. Weiters werde für jeden Verstoß gegen das GlBG bei jedem Ticketerwerb ein Betrag von EUR 300,- gemäß §§ 31 ff GlBG für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend gemacht.

Das GlBG diente der Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (im Folgenden: Richtlinie 2000/43/EG) in österreichisches Recht.

Das Berufungsgericht legte dem EuGH mit Beschluss vom 26.01.2024 (ON 5) gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43/EG dahin auszulegen, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinn dieser Vorschrift auch dann vorliegt, wenn ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Verkehrsunternehmen Studentenkarten für den öffentlichen Personennahverkehr zu unterschiedlichen Preisen anbietet, wobei das einzige Unterscheidungsmerkmal für den Preis ist, ob der Student seinen Hauptwohnsitz in einem bestimmten Bundesland (B*) hat, wenn Studenten mit Herkunft aus diesem Bundesland (B*) in viel größerer Zahl ihren Hauptwohnsitz dort haben, als Studenten aus anderen Bundesländern oder Studenten mit Herkunft aus anderen Staaten?

Mit Beschluss vom 10.09.2024, C-65/24, erklärte der EuGH das eingereichte Vorabentscheidungsersuchen für offensichtlich unzulässig (ON 14). In seiner Begründung führte der EuGH aus, dass das vorlegende Gericht nicht erläutere, aus welchen Gründen es der Ansicht sei, dass Personen aus einem anderen Bundesland als B* oder einem anderen Staat – insbesondere Personen aus dem Bundesland Niederösterreich wie die Studentin, um die es im Ausgangsverfahren gehe – eine Ethnie im Sinn der in der Rechtsprechung darstellen könnten. Es gebe nicht an, aus welchen Indizien zusammen genommen geschlossen werden könnte, dass diese in B* geborene Studentin österreichischer Staatsbürgerschaft einer Ethnie angehöre. Das vorlegende Gericht lege nicht dar, aus welchen Gründen das in Rede stehende Erfordernis des Hauptwohnsitzes – angesichts dessen, dass die Studentin, um die es im Ausgangsverfahren gehe, keiner Ethnie angehöre – dazu führen soll, dass Personen mit einer bestimmten ethnischen Herkunft, zu denen diese Studentin gezählt werden könnte, in besonderer Weise benachteiligt würden. Der Vorlageentscheidung lasse sich nicht entnehmen, aus welchem Grund das vorlegende Gericht Zweifel in Bezug darauf habe, ob eine mittelbare Diskriminierung dieser Studentin aus Gründen der ethnischen Herkunft vorliegen könnte, und insbesondere in Bezug darauf, inwiefern das Kriterium des Hauptwohnsitzes im vorliegenden Fall geeignet sein soll, zu einer solchen Diskriminierung zu führen. Die Vorlageentscheidung erfülle daher nicht die in Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung aufgestellte Voraussetzung, da sie keine Darstellung der Gründe enthalte, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 habe, weshalb das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen offensichtlich unzulässig sei.

Daraus kann nach Ansicht des erkennenden Senats nur der Schluss gezogen werden, dass im konkreten Fall die Berufung auf einen anderen Hauptwohnsitz nicht ausreicht, um „alle anderen“ als Ethnie im Sinn dieser Bestimmungen anzusehen bzw. eine solche Vorgangsweise zumindest einer ethnischen Diskriminierung gleichzuhalten. Dazu gibt es im Übrigen weder weiter gehendes Vorbringen der Klägerin, noch (in Ermangelung dessen) Feststellungen und ist es dem Berufungsgericht iSd § 501 Abs. 1 ZPO verwehrt, das Ersturteil wegen allfälliger diesbezüglicher Verfahrensmängel aufzuheben.

Damit kommen gegenständlich auf §§ 31 ff GlBG gestützte Ansprüche der Klägerin nicht in Betracht und erweist sich die Rechtssache im Hinblick auf die geltend gemachte immaterielle Entschädigung nach dem GlBG als entscheidungsreif, näheres dazu folgt unten. In diesem Punkt kann nach Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht von einer Überraschungsentscheidung gesprochen werden, zumal Ansprüche nach §§ 31 ff leg.cit. bzw. der Vorwurf einer ethnischen Diskriminierung (und nur dieser – siehe unten) Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren.

Die Klägerin stützte den geltend gemachten Kostenrückersatz für die Semesterticketsallerdings auch auf Art. 7 B-VG und Art. 18 AEUV, was – angesichts der insoweit nicht mehr aufrechtzuerhaltenden Judikatur des Berufungsgerichts – im bisherigen Verfahren völlig unbeachtet blieb.

Im Rahmen der „Fiskalgeltung der Grundrechte“ ist der Staat (und die anderen Gebietskörperschaften) auch dann an die Grundrechte und daher auch an das aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 2 StGG; Art. 7 Abs. 1 B-VG) abzuleitende Sachlichkeitsgebot (RS0058455) gebunden, wenn er nicht hoheitlich, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig wird (RS0038110). Der Grundrechtsbindung via Fiskalgeltung unterliegen auch privatrechtlich agierende Körperschaften und Unternehmen öffentlichen Rechts sowie selbstständige, mit der Besorgung öffentlicher Aufgaben betraute Rechtsträger, selbst wenn sie diese Aufgaben in privatrechtsförmiger Weise besorgen. Der Staat soll sich nämlich nicht der Grundrechtsbindung entziehen können, indem er Handlungs- und Rechtsformen des Privatrechts wählt (5 Ob 184/22b [Rz 25]; 2 Ob 50/24b [Rz 27]).

Die Bindung an den Gleichheitssatz verpflichtet die öffentliche Hand zur strikten Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer bzw. der Teilnehmer am Rechts- und Geschäftsverkehr, weshalb sie diese nicht unsachlich bevorzugen oder benachteiligen darf. Liegt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots vor und wird ein Wirtschaftsteilnehmer durch eine Leistungsverweigerung unsachlich benachteiligt, so kann dies zu einem Kontrahierungszwang führen.

Dies gilt nicht nur für die Vergabe von Subventionen, sondern auch für die Erbringung eigener Leistungen und beim Bezug nachgefragter Leistungen (vgl 4 Ob 71/02y; 4 Ob 158/17i). Dabei ist der Gleichbehandlungsgrundsatz in allen Bereichen staatlichen Wirtschaftens zu beachten (RS0038110) und daher auch, aber nicht nur in jenen Bereichen, in denen die öffentliche Hand überwiegend öffentliche Zielsetzungen (zB im Rahmen der Daseinsvorsorge) verfolgt (4 Ob 59/19h; 4 Ob 207/19y).

Inhaltlich kann die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes auf nicht hoheitliche Rechtsverhältnisse je nach Fallkonstellation insbesondere einen Kontrahierungszwang, (Teil-)Nichtigkeit von mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Verträgen, Schadenersatzansprüche, zivilrechtliche Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung bis hin zu direkten Leistungsansprüchen zur Folge haben. Durchgesetzt werden können diese Ansprüche grundsätzlich (sofern nicht wie etwa im Vergaberecht oder im Gleichbehandlungsrecht einfachgesetzlich ein spezieller Rechtsschutz vorgesehen ist) im Weg der ordentlichen Gerichte, in deren Rechtsprechung die gleichheitsrechtliche Fiskalgeltung und Drittwirkung insbesondere über privatrechtliche Generalklauseln sowie die §§ 879 und 1295 ABGB oder § 1 UWG, vermittelt und realisiert werden, weil sich diese vom Gesetzgeber entwicklungsoffen konzipierten Verweisungsnormen „für grundrechtliche Wertungen weit öffnen“ (siehe Holoubek in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg, Österreichisches Bundesverfassungs-recht [14. Lfg 2018] Art 7 Abs 1 Sätze 1 und 2 B-VG [und Artikel 20 GRC] Rz 433).

Als Betreiberin des C* Personennahverkehrs ist die Beklagte ein Versorgungsunternehmen, das öffentliche (Verkehrs-)Aufgaben wahrnimmt. Sie ist daher im Rahmen dieser Tätigkeit der Fiskalgeltung der Grundrechte unterworfen und hat demnach den Gleichheitssatz zu beachten. Daher darf sie beim Verkauf ihrer Tickets Wirtschaftsteilnehmer nicht unsachlich bevorzugen oder benachteiligen.

Ungleich behandelte die Beklagte ganz offenkundig Studenten mit Hauptwohnsitz in B* und Studenten ohne Hauptwohnsitz in B*, indem sie Studenten mit Hauptwohnsitz in B* die Semesterkarte um EUR 75,- anbot, während alle anderen Studenten ohne Hauptwohnsitz in B* EUR 150,- bezahlen mussten. Daran ändert auch das Argument der Beklagten in erster Instanz nichts, dass angesichts der Möglichkeit von Studierenden, die neben dem Heimatort als Lebensmittelpunkt einen weiteren Lebensmittelpunkt in B* hätten, hier melderechtlich ihren Hauptwohnsitz zu begründen, die in der Klage vermeintlich aufgezeigte Ungleichbehandlung tatsächlich nicht bestehe.

Weitergehendes Vorbringen zunächst der Klägerin gibt es dazu nicht, dieses beschränkte sich bisher darauf zu behaupten, diese Vorgangsweise verstoße „auch“ gegen Art. 7 B-VG. Eine Erörterung dieses Themas in erster Instanz unterblieb bisher auch völlig, was nicht verwundert, weil in diesem Verfahrensstadium noch von einer anderen, „vorgelagerten“ Haftungsgrundlage ausgegangen wurde.

Als sachliche Rechtfertigung in diesem Zusammenhang stützte sich die Beklagte bisher zusammengefasst darauf, dass es ein legitimes Ziel sei, mit einem vergünstigten Tarif Personen bzw. Personengruppen zu unterstützen, die ihren Lebensmittelpunkt in jenem Gebiet hätten, in dem das Verkehrsunternehmen seine Leistungen erbringe (hier: B*). Die Förderung von Personengruppen (Schüler, Studenten oder Pensionisten), indem diesen der Zugang zu kommunalen Beförderungsleistungen vergünstigt angeboten würden, liege im Interesse der Allgemeinheit und seien derartige Preisstaffelungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs allgemein üblich. Dass Gebietskörperschaften soziale Unterstützungsleistungen auf Personen beschränken könnten, die ihren Hauptwohnsitz auf ihrem Gebiet hätten, sei letztlich auch eine Auswirkung des bundesstaatlichen Verfassungsprinzips (Art. 2 Abs. 1 B-VG) und der Selbstverwaltung der Ortsgemeinden (Art. 116 Abs. 1 und 2 B-VG). Die Gemeinde B* sei aufgrund der Selbstverwaltung der Ortsgemeinden berechtigt, vergünstigte Unterstützungsleistungen in Form von Sondertarifen Personen anzubieten, die ihren Hauptwohnsitz in B* hätten.

Zum weiteren Argument, die sachliche Rechtfertigung liege auch darin, dass derjenige, der seinen Hauptwohnsitz in B* habe, die Förderung insbesondere durch die hier erbrachte – in Summe – vermehrte Steuer- sowie Abgabenleistung ausgleiche, ist schon jetzt auszuführen, dass ein Zusammenhang zwischen einer auferlegten finanziellen Belastung und einer gewährten tariflichen Entlastung bestehen muss (vgl 3 Ob 104/10f; LGZ Wien 35 R 325/07i). Einen solchen Zusammenhang hat die Beklagte allerdings bislang nicht dargelegt, wobei nochmals zu betonen ist, dass es bisher für das Erstgericht keinen Grund gab, das weiter oder überhaupt zu erörtern.

Demnach hatten die Streitteile ebenso wie das Erstgericht im erstinstanzlichen Verfahren keine Veranlassung, dazu ausreichendes oder überhaupt weitergehendes Vorbringen zu erstatten, erstgerichtliche Feststellungen liegen dazu schon deswegen nicht vor. Das Berufungsgericht würde nun bei einer sofortigen Entscheidung gegen das Verbot verstoßen, Überraschungsentscheidungen zu fällen.

Damit erweist sich im Sinn des Eventualantrags der Berufungswerberin eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung insoweit unumgänglich, als der Rückzahlungsanspruch des angeblich zu viel bezahlten Kaufpreises der Semestertickets gegenständlich ist.

In diesem Sinn wird im fortgesetzten Verfahren Bedacht auf die soeben zum Teil dargestellte Anspruchsgrundlage zu nehmen sein. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren diese Frage mit den Parteien zu erörtern, ihnen die Möglichkeit zu weiterem Vorbringen in diese Richtung zu geben und sein Beweisverfahren und seine Feststellungen in diesem Sinn allenfalls zu ergänzen haben.

Bei den anderen in der vorliegenden Entscheidung behandelten Themen (Aktivlegitimation der Klägerin; Passivlegitimation der Beklagten; Bindung auch der Beklagten an den Gleichheitssatz sowie eine tatsächliche Ungleichbehandlung durch unterschiedliche Preisgestaltung) handelt es sich um abschließend erledigte Streitpunkte, die dem fortgesetzten Verfahren iSd § 499 Abs. 2 ZPO zugrunde zu legen sind und somit nicht mehr aufgerollt werden können (vgl. RS0042031).

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Ungleichbehandlung nicht sachlich gerechtfertigt werden kann, ist hinsichtlich der behaupteten Vorteilsanrechnung weiters Folgendes zu berücksichtigen:

Die Berufungswerberin verweist darauf, dass die Zedentin keinen (ersatzfähigen) Vermögensschaden erlitten habe, weil sie sich die erhaltene Förderung des Landes Niederösterreich gemäß § 8a NÖ Jugendgesetz (mittlerweile aufgehoben durch LGBl Nr 4/2022) anrechnen lassen müsse. Das Ziel des niederösterreichischen Gesetzgebers sei die Nutzung des öffentlichen Verkehrs und – hier vor allem relevant – die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in Niederösterreich zu fördern. Dem niederösterreichischen Landesgesetzgeber dürfe dabei unterstellt werden, dass er die Tarife des „VOR“ und insbesondere den Semesterkartentarif bei der Gestaltung seiner Förderung vor Augen gehabt habe. Dies ergebe sich aus der hohen Zahl an Hochschulen und Universitäten in B*, der räumlichen Nähe, aus dem ursprünglichen Förderhöchstbetrag von EUR 75,-, der der Differenz zum Preis der Semesterkarte bei einem Hauptwohnsitz in B* entsprochen habe, und daraus, dass nicht nur Fahrtkosten vom und zum Studienort gefördert würden, sondern auch die Fahrtkosten am Studienort selbst, was bei lebensnaher Betrachtung direkt auf die Semesterkarte ziele. Eine auf die persönlichen Verhältnisse abstellende soziale Komponente enthalte diese Förderung gerade nicht, was sich auch daran zeige, dass die Förderung unabhängig davon zustand, ob eine soziale Bedürftigkeit bestanden habe. Vielmehr hätten die Stadt Wien und das Land Niederösterreich dieselbe Förderung gewährt und dieselben Förderkriterien – mit dem einzigen Unterschied, dass das Land Niederösterreich eine Auszahlung der Förderung über Antrag des einzelnen Studierenden gewährt habe, die F* B* jedoch direkt über die Tarifgestaltung der Beklagten. Die Zedentin hätte es sich aussuchen können, wo sie gefördert werden wolle. Folge man der Ansicht des Erstgerichts würde dem Studierenden der „Nachteil“ des Hauptwohnsitzes in Niederösterreich mehr als doppelt abgegolten werden, einmal durch die (höhere) Förderung des Landes Niederösterreich und ein weiteres Mal durch einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte; ein Ergebnis, das mit dem Gesetzeszweck des § 8a Abs 1 NÖ Jugendgesetz unvereinbar und selbst aus dem Blickwinkel eines Studierenden nicht sachgerecht sei.

Wie schon vom Erstgericht zutreffend festgehalten, handelt es sich jedoch bei der Förderung des Landes Niederösterreich um eine soziale Leistung, die nicht die Aufgabe hat, den Schädiger zu begünstigen (siehe auch SZ 67/135). Weiters lässt sich dem Gesetzeswortlaut des § 8a Abs 1 NÖ Jugendgesetz idF LGBl Nr 83/2017 gerade nicht entnehmen, dass die Förderung ausschließlich auf das Semesterticket abzielte. Gemäß § 8a Abs 1 NÖ Jugendgesetz idF LGBl Nr 83/2017 förderten das Land und die Gemeinde Studierende mit Hauptwohnsitz in NÖ, die an einer öffentlichen Universität, Privatuniversität, Fachhochschule (Studiengang) oder Hochschule studieren, wenn für die Fahrten zum, vom oder am Studienort ein öffentliches Verkehrsmittel benützt wird. Somit findet sich keinerlei Einschränkung auf C* Hochschulen und Universitäten und betrifft die Förderung auch Fahrkosten außerhalb der C* Kernzone, wodurch etwa auch die Kosten der J*-Monatstickets der Zedentin (US 7) von dieser Förderung umfasst waren. Eine Vorteilsanrechnung hat daher bei den Schadenersatzansprüchen der Zedentin gegenüber der Beklagten nicht zu erfolgen.

Abschließend ist zur Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit, wonach die Zedentin in B* einen Hauptwohnsitz anmelden und Semestertickets um EUR 75,- erwerben hätte können, festzuhalten, dass dieser Argumentation einerseits die erstgerichtlichen Feststellungen, wonach sie keine Möglichkeit gehabt hätte, in B* zu übernachten oder in B* einen Hauptwohnsitz zu begründen (US 7), und andererseits die freie Wahl zur Hauptwohnsitzbestimmung entgegenstehen. Die Ausführungen der Berufungswerberin gehen somit ins Leere. Auch aus der von der Berufungswerberin zitierten Entscheidung des VwGH 25.04.2002, 2002/05/0251, ist nichts zu gewinnen, lagen dieser Entscheidung zwei Orte zugrunde, an welchen ein Hauptwohnsitz und ein Nebenwohnsitz bereits gemeldet waren; während nach den Feststellungen eine Meldung der Zedentin in B* schon an der mangelnden Unterkunft iSd § 1 Abs. 1 MeldeG in B* scheitert.

Ob die Fahrpreisgestaltung der Beklagten zudem auch gegen das unionsrechtliche allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV verstößt (vgl zur mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit durch Abstellen auf den Wohnsitz etwa Kucsko-Stadlmayer in Mayer/Stöger, EUV/AEUV Art. 18 AEUV [Stand 01.03.2013, rdb.at] Rz 43 mwN), was aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts bei Sachverhalten mit Unionsbezug zu einer allenfalls sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung rein innerstaatlicher Sachverhalte führen würde (siehe etwa VfGH G 110/03 ua, VfSlg 17.150, zum Grundverkehr mit Baugrundstücken; 6 Ob 162/20x [Punkt 3.3.]), kann im derzeitigen Verfahrensstadium ebenfalls nicht beantwortet werden. Entsprechendes Vorbringen dazu wurde von Seiten des Klägers bislang überhaupt nicht erstattet.

Hinsichtlich der weiters geltend gemachten immateriellen Schäden erweist sich die Sache allerdings zur Entscheidung reif:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Ersatz für eine erlittene persönliche Beeinträchtigung ausschließlich auf §§ 31 ff GlBG stützte. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht nicht nur an die klägerischen Sachanträge gebunden, sondern auch an den geltend gemachten Anspruch. Soweit ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden und darf der Klage nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (RS0037610). Nachdem – wie bereits oben ausgeführt – im gegenständlichen Fall ein Anspruch nach dem GlBG überhaupt ausscheidet, kann die Klägerin auch keinen immateriellen Schaden auf dessen Basis geltend machen.

Im Übrigen wird ein ideeller, in Geld nicht messbarer Schaden im Allgemeinen nur in den vom Gesetz angeführten Fällen zugesprochen (RS0022544), weshalb die geltend gemachten immateriellen Schäden mangels (anderer) gesetzlicher Grundlage nicht zu ersetzen sind.

Der Berufung in der Hauptsache war daher Folge zu geben, das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des Zahlungsbegehrens im Umfang von EUR 1.200,- in eine Klagsabweisung abzuändern und im Umfang von EUR 300,- aufzuheben an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.