Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Mag. pharm. I K in G, vertreten durch die Schoeller Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 1/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 22. April 2024, Zl. LVwG 48.30 7461/2022 88, betreffend Konzession zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark; mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. pharm. G K in F, vertreten durch Mag. Dr. Eleonore Berchtold Ostermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 6, 2. V KG, 3. Mag. pharm. B H, 4. V Apotheke Mag. pharm. R W e.U., 5. L Apotheke Mag. pharm. H KG und 6. Mag. pharm. M H, alle (2. 6.) in F und vertreten durch Lichtenberger Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wollzeile 19/16), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der erst und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 22. April 2024 wurde der Antrag der Revisionsweberin auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in F gemäß §§ 9, 10 und 51 Apothekengesetz (ApG) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und diese zur Tragung der Barauslagen für ein Gutachten eines nichtamtlichen Sachverständigen verpflichtet (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei (Spruchpunkt III.).
2 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht soweit hier von Interesse aus, zur Ermittlung des Versorgungspotentials gemäß § 10 Abs. 5 ApG ziehe die Österreichische Apothekerkammer die von ihr in Auftrag gegebene Studie der Technischen Universität Wien heran. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass diese Studie nicht dem Stand der Wissenschaft entspreche und zur Ermittlung der Einwohnergleichwerte aus Nebenwohnsitzen, Beschäftigten, Einzelhandel, Ambulanzen und Verkehrsknoten keine belastbaren Ergebnisse liefern könne. Dieser Schluss ergebe sich nicht zuletzt aus der Gegenüberstellung der von der Österreichischen Apothekerkammer ermittelten Einwohnergleichwerte nach der bisher verwendeten Methode der mittleren Punktschätzung und der vom beigezogenen Sachverständigen als dem Stand der Technik entsprechenden Ermittlung der Einwohnergleichwerte unter Verwendung des unteren Konfidenzintervalls. Daraus folge, dass die unter Zugrundelegung der „TU Studie“ ermittelten Einwohnergleichwerte im Verfahren nicht verwertbar gewesen seien, da die Anwendung der Studie dem Stand der Wissenschaft nicht mehr entspreche. Da jedoch zur Ermittlung der Einwohnergleichwerte derzeit aus Nebenwohnsitzen, Beschäftigten, Einzelhandel, Ambulanzen und Verkehrsknoten keine weiteren Instrumente oder Programme zur Verfügung stünden, sei davon auszugehen, dass den Apotheken der erst , viert und fünftmitbeteiligten Parteien nur jeweils ein Versorgungspotential von unter 5.500 zu versorgende Personen verbleiben würde. Aus dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer „in Zusammenschau mit den ergänzenden Stellungnahmen“ ergebe sich, dass der Bedarf an der beantragten öffentlichen Apotheke iSd § 10 Abs. 1 Z 2 ApG nicht gegeben sei.
3 Den Ausspruch in Spruchpunkt III. begründete das Verwaltungsgericht wie folgt:
„Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht/ eine solche Rechtsprechung fehlt/ die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.“
4 Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
5 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
6 Die erstmitbeteiligte Partei sowie die zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
7 Die Revision ist unzulässig:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11Mit den oben (Rz 3) wiedergegebenen, bloß die verba legalia wiedergebenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtes wird die vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage nicht konkret dargelegt und damit den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge getan (vgl. VwGH 27.11.2023, Ro 2021/10/0010; 6.10.2023, Ro 2022/10/0017; 20.4.2023, Ro 2021/10/0014).
12Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 15.5.2024, Ro 2022/10/0025; 21.3.2022, Ro 2021/10/0015; 3.1.2022, Ro 2020/10/0032).
13 Die vorliegende ordentliche Revision verweist in ihrem Abschnitt „2. Zur Zulässigkeit der Revision“ zunächst auf die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes und führt sodann aus, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es die Einwohnergleichwerte entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 4 und 5 ApG um Wiederholungen zu vermeiden werde „diesbezüglich auf Punkt 3.1. ff der Revision verwiesen“nicht berücksichtige und seiner Entscheidung nicht zugrunde lege, weil keine Instrumente zur Ermittlung zur Verfügung stünden. Nach gefestigter höchstgerichtlicher Rechtsprechung habe die Behörde erforderlichenfalls die Entscheidungsgrundlagen auf andere geeignete Weise zu ermitteln (Verweis auf VwGH 20.3.2018, Ro 2017/03/0033; VfGH 14.12.2022, E 3150/2021). Zudem fehle „eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Untauglichkeit und damit der Anwendbarkeit der TU Studie überhaupt“. Im Weiteren werde „aus advokatorischer Vorsicht“ die Rechtsansicht der Revisionswerberin dargelegt, wonach das Verwaltungsgericht seinen Ermittlungsaufgaben entsprechen müsse, wenn es ihm auf Basis des Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer nicht möglich sei, die zu ermittelnden Einwohnergleichwerte zu berücksichtigen. Sei das vorliegende Gutachten wie hier unschlüssig oder unvollständig, sei die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bereits von Amts wegen erforderlich.
14 Zu diesem Vorbringen ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach Verweise wie der oben (in Rz 13) wiedergegeben Verweisin der gesonderten Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) auf andere Teile der Revision zur Begründung der Zulässigkeit einer Revision unbeachtlich sind (vgl. VwGH 22.12.2022, Ra 2021/10/0118; 22.8.2022, Ra 2022/10/0005, 0006; 27.7.2022, Ra 2022/10/0057). Zudem setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 4.6.2024, Ra 2024/10/0072; 30.8.2023, Ro 2022/10/0010; 18.5.2022, Ro 2021/10/0008).
15Eine derartige konkrete Relevanzdarstellung enthält die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision aber nicht. Es wird nicht ausgeführt, unter Heranziehung welcher, vom eingeholten Gutachten abweichender Ermittlungsmethoden ein derartiges weiteres Gutachten einzuholen gewesen wäre bzw. welche Sachverhaltsfeststellungen bei Einholung eines solchen Gutachtens in Ansehung der in § 10 Abs. 5 ApG genannten „Einflutungserreger“ zu treffen gewesen wären. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Berücksichtigung eines zusätzlichen Bedarfs aufgrund der in § 10 Abs. 5 ApG genannten „Einflutungserreger“ konkrete, auf die im Gesetz angeführten Tatbestände („Beschäftigung“, „Einrichtungen“, „Verkehr“) bezogene Ermittlungen erforderlich, wobei es zulässig ist, auf allgemeine, für den jeweiligen Fall repräsentative Untersuchungsergebnisse zurückzugreifen, wenn die an sich erforderlichen einzelfallbezogenen Feststellungen nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getroffen werden können. Lässt sich das zusätzliche Potenzial jedoch weder mit vertretbarem Aufwand durch einzelfallbezogene Feststellungen, noch durch repräsentative Studien ermitteln, so kann ein solches Potenzial nicht berücksichtigt werden (vgl. VwGH 25.11.2015, Ra 2015/10/0037, mit Verweis auf VwGH 20.11.2013, 2012/10/0125; 9.12.2013, 2012/10/0196; 25.4.2014, 2013/10/0022).
16 Soweit in der oben (in Rz 13) wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung das Fehlen einer „gesicherte[n] höchstgerichtliche[n] Judikatur zur Frage der Untauglichkeit und damit der Anwendbarkeit der TU-Studie überhaupt“ geltend gemacht wird, wird von der Revisionswerberin nicht konkret dargelegt, unter welchen (rechtlichen) Gesichtspunkten es insoweit einer höchstgerichtlichen Klärung bedarf. Davon abgesehen wird aber auch nicht dargelegt, warum dieser Studie im Revisionsfall überhaupt Relevanz für den Verfahrensausgang zukommen sollte, ergibt sich aus dem eingeholten Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer bei Zugrundelegung der in dieser „TU-Studie“ angewandten Berechnungsmethode doch, dass der Apotheke der viertmitbeteiligten Partei nur ein Versorgungspotential von 5.414 zu versorgende Personen und damit ein solches unter der in § 10 Abs. 3 Z 3 ApG genannten Zahl von 5.500 Personen verbliebe. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass bei Zugrundelegung der über Auftrag des Verwaltungsgerichts von der Österreichischen Apothekerkammer aufgrund einer alternativen Berechnungsmethode („untere Konfidenzgrenze“) ermittelten Versorgungspotentiale den Apotheken der erst , zweit und viertmitbeteiligten Parteien ein Versorgungspotential unter der genannten Zahl von 5.500 zu versorgende Personen verbliebe.
17 In der Zulässigkeitsbegründung wird schließlich geltend gemacht, es widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn „die Behörde im Zusammenhang mit der Entfernungsmessung und dem Verlustpolygon, entgegen der mehrfach fachlich unterlegten Gutachten, davon ausgeht, dass die ÖAK die Entfernungsmessung gemäß der Rechtsprechung“ vornehme. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde diesbezüglich auf Punkt 3.2 ff der Revision verwiesen.
18Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 13.12.2024, Ra 2024/10/0165, 0166; 3.10.2024, Ra 2023/10/0020; 16.11.2023, Ra 2022/10/0146).
19 Eine derartige Darlegung enthält das wiedergegebene Zulässigkeitsvorbringen das jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abgewichen worden sein soll, nicht erwähnt aber nicht. Wie bereits ausgeführt, ist der Verweis in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auf andere Teile der Revision zur Begründung der Zulässigkeit der Revision unbeachtlich.
20 Der Vollständigkeit halber ist mit Blick auf eine mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2024 erstattete Äußerung der Revisionswerberindarauf hinzuweisen, dass ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz erstattetes (ergänzendes) Vorbringen bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0182; 30.10.2018, Ra 2017/05/0111; 5.9.2018, Ra 2018/03/0091).
21 Die Revision war daher zurückzuweisen.
22Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2014 (vgl. zum Zuspruch an die zweitmitbeteiligte Partei VwGH 6.10.2023, Ro 2022/10/0018, mit Verweis auf VwGH 4.7.2018, Ra 2017/10/0199). Gemäß § 49 Abs. 6 VwGG gelten für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes mehrere Mitbeteiligte als eine Partei (vgl. nochmals VwGH 6.10.2023, Ro 2022/10/0018, mit Verweis auf VwGH 21.11.2022, Ra 2021/04/0008).
Wien, am 22. Mai 2025