JudikaturVwGH

Ra 2023/10/0020 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Mag. pharm. B G in W, vertreten durch die Joklik Katary Richter Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1070 Wien, Neubaugasse 64-66/1/12, gegen das am 27. September 2022 mündlich verkündete und am 17. November 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zlen. VGW 106/083/1211/2021 32, VGW 106/V/083/1219/2021, VGW 106/V/083/1224/2021, VGW 106/V/083/1231/2021, VGW 106/V/083/1212/2021, VGW 106/V/083/1220/2021, VGW 106/V/083/1227/2021, VGW 106/V/083/1233/2021, VGW 106/V/083/1216/2021, VGW 106/V/083/1222/2021, VGW 106/V/083/1229/2021 und VGW 106/V/083/1235/2021, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. ApothekeJ Mag. pharm. K K e.U. und 2. A Apotheke Mag. pharm. C K e.U., beide in W und vertreten durch die Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 3, sowie 3. B Apotheke Mag. pharm. W KG in W, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorfer Straße 10 12), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der drittmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der drittmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke an einer näher genannten Betriebsstätte in Wien abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (Spruchpunkt II.).

2 Das Verwaltungsgericht legte soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Interesse seiner Entscheidung (gestützt auf ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 6. Juli 2022) zugrunde, die Zahl der auf Grund der örtlichen Verhältnisse von der Betriebsstätte der Apotheke der drittmitbeteiligten Partei aus weiterhin zu versorgenden Bevölkerung betrage im Fall der Errichtung der Apotheke der Konzessionswerberin 5.452 Personen.

3 In rechtlicher Hinsicht stützte das Verwaltungsgericht die Versagung der von der Revisionswerberin beantragten Apothekenkonzession im Kern darauf, dass das negative Bedarfskriterium des § 10 Abs. 2 Z 3 Apothekengesetz (ApG) vorliege. Es lägen so das Verwaltungsgericht weiter auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6a ApG für ein ausnahmsweises Unterschreiten der Zahl der von der Betriebsstätte einer oder mehrerer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 ApG nicht vor, zumal sich im Umkreis von drei Kilometern der neu angesuchten öffentlichen Apotheke über 20 öffentliche Apotheken befänden.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

6 Die belangte Behörde, die Erstmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, wobei lediglich die Drittmitbeteiligte Kosten ansprach.

7 Die Revision erweist sich als unzulässig:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073).

12 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, es gebe „zwar naturgemäß Rechtsprechung zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der jeweils aktuellen Sachlage im apothekenrechtlichen Verfahren“, es fehle jedoch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur hier maßgeblichen Frage, ob von dieser Rechtsprechung in der Sonderkonstellation der Beeinflussung des Konzessionsverfahrens durch Verlegung der Betriebsstätte einer bestehenden Apotheke eine Ausnahme zu machen“ sei.

13 Damit nimmt die Revisionswerberin auf den Umstand Bezug, dass die Erstmitbeteiligte ihre Betriebsstätte (innerhalb ihres festgesetzten Standortes und mit Genehmigung der Österreichischen Apothekerkammer durch deren Bescheid vom 22. Februar 2019) während des Konzessionsverfahrens der Revisionswerberin verlegt hat und diese neue Betriebsstätte im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 6. Juli 2022, auf das das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, bei der prognostischen Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den mitbeteiligten Apotheken berücksichtigt wurde. Die Revisionswerberin behauptet in diesem Zusammenhang was von der drittmitbeteiligten Partei bestritten wird , dass das „nunmehr niedrigere Versorgungspotential [der Apotheke der drittmitbeteiligten Partei] das Resultat der Verkleinerung“ des der Apotheke der drittmitbeteiligten Partei zuzurechnenden Polygons infolge der Verlegung der Betriebsstätte der erstmitbeteiligten Partei [„näher an die Betriebsstätte“ der Apotheke der drittmitbeteiligten Partei] sei. Die Revisionswerberin nimmt dazu den Standpunkt ein, es sei für die Bedarfsprüfung weiterhin von der Lage der „Betriebsstätte im Zeitpunkt der Stellung des Konzessionsansuchens“ auszugehen.

14 Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt:

15 Wie die Revisionswerberin mit ihrem Verweis auf die hg. Rechtsprechung „zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der jeweils aktuellen Sachlage im apothekenrechtlichen Verfahren“ ohnehin selbst zugesteht, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung bestehende Betriebsstätte der bestehenden Apotheke (nicht hingegen auf eine noch nicht vollzogene Verlegung der Betriebsstätte) an (vgl. VwGH 30.1.2020, Ra 2020/10/0013, mit Verweis auf VwGH 18.3.2015, Ra 2015/10/0013; 21.10.2010, 2008/10/0199; 29.4.2009, 2009/10/0067; 27.6.2002, 2001/10/0040, VwSlg. 15859 A; 11.6.2001, 2000/10/0165, VwSlg. 15625 A; 13.11.2000, 98/10/0079). Das Verwaltungsgericht ist von dieser Judikatur nicht abgewichen. Für die von der Revisionswerberin vertretene Ansicht, es sei „weiterhin von der Lage der Betriebsstätte im Zeitpunkt der Stellung des Konzessionsansuchens“ auszugehen, fehlt es mit Blick auf § 10 Abs. 2 Z 2 und 3 ApG an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. demgegenüber das Abstellen des Gesetzgebers auf den „Zeitpunkt der Antragstellung“ in § 10 Abs. 2 Z 1, Abs. 3 und Abs. 3a ApG).

16 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird sodann geltend gemacht, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „hinsichtlich der Relevanz fachärztlicher Ordinationen als Einflutungserreger“ ab. Das Verwaltungsgericht hätte jene Personen zu ermitteln gehabt, die die Apotheken der mitbeteiligten Parteien aufgrund der hohen Anzahl der in der Umgebung angesiedelten Facharztordinationen aufsuchten. Die vom Verwaltungsgericht „für die Unvollständigkeit“ gegebene Begründung stehe in eklatantem Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche „die Berücksichtigung der durch diese Einflutungserreger hervorgerufenen Nachfrage“ fordere (Verweis auf VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0049; 25.4.2014, 2013/10/0022).

17 Zu diesen Ausführungen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht der Revisionswerber konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 19.2.2024, Ra 2024/10/0011; 16.11.2023, Ra 2022/10/0146; 22.8.2022, Ra 2022/10/0005, 0006). Diesen Begründungserfordernissen wird mit den oben wiedergegebenen Zulässigkeitsausführungen allerdings nicht entsprochen.

18 Davon abgesehen hat der Verwaltungsgerichtshof in dem von der Revisionswerberin genannten Erkenntnis vom 25. April 2014, 2013/10/0022 unter Verweis auf das Erkenntnis vom 23. Jänner 1995, 94/10/0123 bereits darauf hingewiesen, dass bei der Aufteilung des Kundenpotenzials auf die Lage der Arztordinationen innerhalb eines Stadtgebietes nicht Bedacht zu nehmen ist. In der Frage, ob Arztordinationen als Einflutungserreger in Betracht kommen, hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach die Auffassung vertreten, die räumliche Aufteilung des Kundenpotentials eines Stadtgebietes bzw. Stadtrandgebietes gehe von einer im Grunde gleichmäßigen Versorgungsdichte durch Ärzte aus, sodass auf die Lage der Ordinationen im maßgeblichen Gebiet nicht Bedacht genommen werde (vgl. VwGH 15.2.1999, 98/10/0073, mit Verweis auf VwGH 30.5.1985, 83/08/0181; 17.5.1993, 90/10/0123; 23.1.1995, 94/10/0123). Die Lage der Berufssitze der Ärzte im maßgeblichen Gebiet sei als Indikator für die Prognose des voraussichtlichen Kundenverlustes einer Apotheke grundsätzlich von Ausnahmen abgesehen ungeeignet. Daraus folgt, dass Arztordinationen als Einflutungserreger nicht in Betracht kommen (vgl. nochmals VwGH 23.1.1995, 94/10/0123). Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Soweit in der Zulässigkeitsbegründung diesbezüglich auch Begründungsfehler des Verwaltungsgerichtes geltend gemacht werden, wird nach dem Gesagten deren Relevanz nicht aufgezeigt.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren der drittmitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die geltend gemachte Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach dieser Verordnung bereits enthalten ist (vgl. VwGH 6.2.2023, Ra 2021/10/0053, mwN).

Wien, am 3. Oktober 2024

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