JudikaturVwGH

Ro 2024/10/0021 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
23. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Eisner und die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2024, Zl. W203 2296534 1/3E, betreffend Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes nach dem Privatschulgesetz (mitbeteiligte Partei: Verein „K“, vertreten durch die KOMWID Kompein Widmann Partner Rechtsanwälte OG in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Schreiben vom 15. Juni 2023 beantragte die mitbeteiligte Partei als Schulerhalterin einer näher bezeichneten Privatschule (Realgymnasium) „die Verleihung des Daueröffentlichkeitsrechts der genannten Schule“.

2 Mit Bescheid des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung (der nunmehr revisionswerbenden Partei) vom 13. Juni 2024 wurde dieser Privatschule gemäß § 14 Abs. 1 und § 15 Privatschulgesetz das Öffentlichkeitsrecht für die Schuljahre 2023/24, 2024/25 und 2025/26 verliehen. Der Antrag auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes ab dem Schuljahr 2023/24 auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen wurde abgewiesen.

3 Die revisionswerbende Partei legte ihrem Bescheid die Auffassung zu Grunde, das beantragte Öffentlichkeitsrecht auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen könne erst nach einer mehrjährigen Beobachtungsphase ab dem lehrplanmäßig vollen Ausbau einer Privatschule verliehen werden, weil im Allgemeinen nur dann die gemäß § 15 Privatschulgesetz erforderliche Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen bestehe. Der hier vorliegende Beobachtungszeitraum von nicht einmal zwei Jahren seit dem Vollausbau der Privatschule sei dafür nicht ausreichend.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und sprach aus, dass der näher bezeichneten Privatschule das Öffentlichkeitsrecht ab dem Schuljahr 2024/25 auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen verliehen werde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für zulässig erklärt.

5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte in der Begründung insbesondere fest, dass es sich bei dieser Privatschule um eine Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung handle. Sie habe im Schuljahr 2015/16 als einklassig geführte Schule den Betrieb aufgenommen und diesen in den Folgejahren sukzessive bis zum Vollausbau mit acht Schulstufen im Schuljahr 2022/23 erweitert. Das Öffentlichkeitsrecht sei der Schule ab dem Schuljahr 2015/16 bis einschließlich des Schuljahres „2922/23“ (gemeint: 2022/23) jeweils für ein Schuljahr verliehen worden.

6 In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst davon aus, hinsichtlich der Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen sei eine Einzelfallprüfung durchzuführen. § 15 dritter Satz Privatschulgesetz verlange für die Verleihung dieses Öffentlichkeitsrechtes den lehrplanmäßig vollen Ausbau der Schule sowie die Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. April 2007, 2005/10/0197, festgehalten habe, es könne davon, dass die erforderliche Gewähr bestehe, im Allgemeinen erst nach Zurücklegung einer Beobachtungsphase von mehreren Schuljahren gesprochen werden, so sei dem entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei nicht zu entnehmen, dass eine Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen „vor Ablauf eines Zeitraumes von mindestens zwei Jahren seit Erreichung des lehrplanmäßigen Vollausbaus der Schule“ keinesfalls in Frage komme.

7 Im Rahmen der in der Folge durchgeführten Einzelfallprüfung kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, der gegenständlichen Schule sei seit ihrem Bestehen aufgrund der durchwegs positiven Inspektionsberichte bzw. Überprüfungsgutachten ohne Unterbrechung jeweils für ein Schuljahr bzw. zuletzt für drei Schuljahre somit in Summe für einen Zeitraum von insgesamt elf Jahren das Öffentlichkeitsrecht verliehen und zu keinem Zeitpunkt eine Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben festgestellt worden. Daher sei davon auszugehen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen bestehe.

8 Da eine rückwirkende Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzlich nicht vorgesehen sei, sei der gegenständlichen Privatschule das Öffentlichkeitsrecht auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen nicht wie beantragt ab dem Schuljahr 2023/24, sondern erst ab dem Schuljahr 2024/25 zu verleihen.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision.

10 Nach Durchführung des Vorverfahrens legte das Bundesverwaltungsgericht die Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vor; die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung samt Antrag auf Aufwandersatz.

11 Die Revision ist unzulässig:

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. etwa VwGH 22.5.2025, Ro 2024/10/0013, mwN).

16 Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zulassung der Revision damit, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob die Beobachtungsphase zur Beurteilung, ob im Sinne des § 15 dritter Satz Privatschulgesetz Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen bestehe, nur die Schuljahre nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues der Schule umfasse oder dafür auch Schuljahre ab Schulerrichtung bis zur Erreichung des Vollausbaues herangezogen werden können.

17 Die revisionswerbende Partei schloss sich der Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts an und brachte zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision weiters vor, es stelle eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar, ob „der Antrag auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechts“ zurück- oder abzuweisen wäre, wenn dieses nicht rückwirkend verliehen werden dürfe.

18 Das Bundesgesetz vom 25. Juli 1962 über das Privatschulwesen (Privatschulgesetz), BGBl. Nr. 244/1962 idF BGBl. I Nr. 138/2017, lautet auszugsweise wie folgt:

„[...]

§ 14. Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes.

(1) Privatschulen, die gemäß § 11 eine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen, ist das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn

a) der Schulerhalter (bei juristischen Personen dessen vertretungsbefugte Organe), der Leiter und die Lehrer Gewähr für einen ordnungsgemäßen und den Aufgaben des österreichischen Schulwesens gerecht werdenden Unterricht bieten und

b) der Unterrichtserfolg jenem an einer gleichartigen öffentlichen Schule entspricht.

[...]

§ 15. Dauer der Verleihung.

Das Öffentlichkeitsrecht darf an Privatschulen vor ihrem lehrplanmäßig vollen Ausbau jeweils nur für die bestehenden Klassen (Jahresstufen) und jeweils nur für ein Schuljahr verliehen werden. Nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues kann das Öffentlichkeitsrecht nach Maßgabe der Unterrichtserfolge auch auf mehrere Schuljahre verliehen werden. Wenn Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen besteht, ist das Öffentlichkeitsrecht nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues der Schule auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen zu verleihen.

[...]“

19 § 15 Privatschulgesetz macht die Dauer der Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes davon abhängig, in welchem Entwicklungsstadium sich die Privatschule befindet (vor dem Vollausbau hat eine Einschränkung auch auf die bestehenden Klassen zu erfolgen) und welche Beobachtungen hinsichtlich dieser Schule vorliegen (vgl. VwGH 27.3.2025, Ro 2024/10/0009, Rz. 23).

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 23. April 2007, 2005/10/0197, auf das sich sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch die revisionswerbende Partei beziehen, mit einem Fall beschäftigt, bei dem einer Privatschule das Organisationsstatut ab dem Schuljahr 2003/2004 bewilligt und in der Folge für diese die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen beantragt worden war. Die damals belangte Behörde verlieh das Öffentlichkeitsrecht lediglich für das (laufende) Schuljahr 2004/2005. Der Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, einer Schule sei gemäß § 15 Privatschulgesetz nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues das Öffentlichkeitsrecht erst, wenn Gewähr für die fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen bestehe, auf Dauer zu verleihen. Davon, dass Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen bestehe, könne somit „im Allgemeinen“ erst nach Zurücklegung einer Beobachtungsphase von mehreren Schuljahren gesprochen werden. Dass in diesem Fall besondere Gründe vorgelegen wären, die eine entsprechende Beobachtungsphase entbehrlich gemacht hätten, war für den Verwaltungsgerichtshof weder ersichtlich noch hatte dies die damalige beschwerdeführende Partei konkret aufgezeigt.

21 Im vorliegenden Fall wurden nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts in der Privatschule, für die die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen beantragt worden war, mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 (erstmals) acht Klassen geführt, und sie befand sich damit ab diesem Zeitpunkt im Vollausbau. Mit der angefochtenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2024 wurde der Privatschule das Öffentlichkeitsrecht ab dem Schuljahr 2024/25 auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen verliehen.

22 Vor diesem Hintergrund kommt es auf die vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Zulassungsbegründung geltend gemachte Rechtsfrage, der sich die revisionswerbende Partei zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision anschloss, ob nämlich für die Beobachtungsphase zur Beurteilung des Vorliegens der Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen nur die Schuljahre nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues der Schule oder auch davorliegende Schuljahre herangezogen werden können, nicht an, weil im vorliegenden Fall vor der Verleihung des Öffentlichkeitsrechts auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen ohnehin (zwei) Schuljahre seit dem Vollausbau der Privatschule als Beobachtungsphase vorlagen. Inwieweit diese fallbezogen (auch mit Blick auf das in den Jahren davor verliehene Öffentlichkeitsrecht während des Teilausbaus des Lehrplanes) nicht ausreichend zur Beurteilung des Vorliegens der Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen wären, ist weder ersichtlich noch zeigt die revisionswerbende Partei dies auf.

23 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt jedoch nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 4.8.2025, Ra 2025/10/0065, mwN). Dies wurde im vorliegenden Fall, wie dargelegt, nicht aufgezeigt.

24 Auch mit der weiteren in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfenen Frage, ob „der Antrag auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechts“ zurück- oder abzuweisen wäre, wenn dieses nicht rückwirkend verliehen werden dürfe, wird keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt:

25 Im vorliegenden Fall verlieh das Bundesverwaltungsgericht der Privatschule das Öffentlichkeitsrecht auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen nicht wie beantragt ab dem Schuljahr 2023/24, sondern erst ab dem Schuljahr 2024/25 (somit Teilstattgebung).

26 Wie schon das Bundesverwaltungsgericht ausführte, enthält das Gesetz nämlich keine Grundlage dafür, die mit dem Öffentlichkeitsrecht verbundene Rechtsgestaltung rückwirkend vorzunehmen (vgl. VwGH 15.10.2024, Ra 2024/10/0116, mwN). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes ein einheitlicher Abspruch ist gleichgültig, ob das Öffentlichkeitsrecht für ein Schuljahr, für mehrere Schuljahre oder für die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen verliehen wird , sodass die Abweisung eines „Mehrbegehrens“ entbehrlich ist (vgl. VwGH 17.2.1977, 2645/76).

27 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. September 2025

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