JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0057 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der E W KG in R, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn Partner Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Messestraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 4. März 2022, Zl. LVwG 2020/21/2622 9, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz; mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. L Z in I, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorfer Straße 10 12), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 4. März 2022 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 23. Oktober 2020, mit dem der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in M erteilt und der Einspruch der Revisionswerberin abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig ist.

2 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/10/0017; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081; 24.2.2022, Ra 2021/10/0029). Verweise in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) auf andere Teile der Revision sind zur Begründung der Zulässigkeit einer Revision unbeachtlich (vgl. VwGH 4.3.2022, Ra 2020/02/0230; 28.2.2019, Ra 2018/16/0130; 31.1.2019, Ra 2018/07/0367 bis 0371).

6 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht weiche von den Vorgaben der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 31.7.2009, 2007/10/0287) ab, „indem es offenbar ausschließlich Personen aus der Gemeinde M[...] in seine Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung aufgenommen hat; siehe auch oben Punkt I.5.“ Dies habe zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt.

7 Zu diesem Vorbringen genügt es auf die oben wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben muss und Verweise in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auf andere Teile der Revision zur Begründung der Zulässigkeit einer Revision unbeachtlich sind. Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen wird eine derartige grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aber nicht dargelegt.

8 In der Zulässigkeitsbegründung wird im Weiteren geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe tragende Verfahrensgrundsätze verletzt, sei zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis gekommen und sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Versorgungspotential einer bestehenden öffentlichen Apotheke nur dann nicht zu prüfen sei, wenn eine Beeinträchtigung ausgeschlossen werden könne, abgewichen. Dazu wird von der Revisionswerberin mit näheren Darlegungen der Standpunkt eingenommen, für „rund 3.984 Einwohnergleichwerte“ aus F sowie für sämtliche sonstige Einwohner aus dem „hinter M[...] gelegenen“ Tal sei die Apotheke der Revisionswerberin „im Winter (bis Ostern) in der Zeit von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr offenkundig und objektiv leichter erreichbar“ als die S Apotheke in M. In dieser Zeit könne die S Apotheke in M nämlich „nicht direkt angefahren werden“ und sei in dieser Zeit aufgrund der im Zentrum befindlichen Seilbahnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit „mit äußerst starkem Verkehrsaufkommen“ zu rechnen. Aus diesem Grund sei auch ein temporäres Fahrverbot erlassen worden. Bei Einhaltung der Denkgesetze und lebensnaher Betrachtung würde niemand außerhalb von M „die Mühen und Zeitverzögerungen auf sich nehmen, den Weg ins Zentrum von M[...] und zurück anzutreten“, sondern würde „einfach bequem und komplikationslos“ auf einer näher genannten Straße wenige Minuten zur [wie zu ergänzen ist: rund fünf Kilometer entfernten] Apotheke der Revisionswerberin fahren.

9 Mit diesem Vorbringen wird allerdings schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt, weil die Revisionswerberin die ständige hg. Rechtsprechung zum Begriff der „Erreichbarkeit“ übergeht: Die „Erreichbarkeit“ von welchem Begriff ausgehend zu ermitteln ist, welche Apotheke die für die Einwohner bestimmter Gebiete „nächstgelegene“ ist setzt nicht etwa die Möglichkeit des Zufahrens mit einem Kraftfahrzeug „bis vor den Eingang“ zur Betriebsstätte und eine unmittelbar dort gegebene Parkmöglichkeit voraus. Maßgebend ist vielmehr sofern es im Einzelfall überhaupt auf die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen ankommt die Erreichbarkeit jenes Umgebungsbereiches der Apotheke, von dem nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann, dass die Konsumenten den (zumal im verbauten Gebiet im Allgemeinen unvermeidlichen) Fußweg vom geparkten Kraftfahrzeug zur Apotheke in Kauf nehmen werden (vgl. VwGH 16.3.2021, Ra 2021/10/0028; 29.11.2011, 2005/10/0218; 16.6.2009, 2005/10/0107 und 0190, VwSlg. 17709 A).

10 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes befindet sich hinter der S Apotheke in M eine „große Tiefgarage“, die für jedermann ganzjährig auch in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr mit dem Kraftfahrzeug erreich- und benützbar ist; sie kann von jedermann eine Stunde gebührenfrei benützt werden. Von dieser Tiefgarage ist die S Apotheke ca. 60 Meter entfernt.

11 Ausgehend von diesen Feststellungen begegnet aber die Annahme des Verwaltungsgerichtes, aufgrund der räumlichen Situierung der Betriebsstätte der neu beantragten Apotheke sei die Österreichische Apothekerkammer in ihren Bedarfsgutachten zu Recht davon ausgegangen, dass deren zu erwartendes Kundenpotential „bisher zur Gänze von der bereits bestehenden“ S Apotheke in M versorgt worden sei [wie zu ergänzen ist: „weil sich die Betriebsstätte der beantragten neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in Richtung Talschluss befindet und das zukünftige Versorgungspotential dieser Apotheke gegenüber anderen Apotheken“ von der S Apotheke in M „abgeschirmt wird“], keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes. Soweit in der Zulässigkeitsbegründung insoweit Verfahrensfehler behauptet werden ohne allerdings konkret auszuführen, welche der wiedergegebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nach Ansicht der Revisionswerberin unrichtig sind und welche Feststellungen zu treffen gewesen wären , wird deren Relevanz nicht konkret aufgezeigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel aber voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 25.1.2021, Ra 2020/10/0177; 5.1.2021, Ra 2020/10/0028; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 0182, 0187). Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.9.2021, Ra 2020/10/0112; 27.4.2021, Ra 2021/10/0002 0003; 25.1.2021, Ra 2020/10/0157).

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nur eine solche Verringerung der Anzahl der durch eine bestehende Apotheke zu versorgenden Personen zu berücksichtigen, die auf die Neuerrichtung der beantragten Apotheke ursächlich zurückzuführen ist. Derartiges ist aber im vorliegenden Fall auf Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, wonach das von der Apotheke der Revisionswerberin nach Maßgabe der Erreichbarkeit infolge der örtlichen Verhältnisse zu versorgende Gebiet vom Versorgungspolygon der neu zu errichtenden Apotheke durch das Versorgungsgebiet der dazwischen liegenden S Apotheke „abgeschirmt“ ist, in Bezug auf die Apotheke der Revisionswerberin auszuschließen und somit eine Verringerung der Zahl der von dieser Apotheke aus zu versorgenden Personen als Folge der Neuerrichtung anders als von der Revisionswerberin behauptet nicht zu besorgen. Es ist somit auf das Versorgungspotential dieser Apotheke nicht weiter einzugehen (vgl. jüngst VwGH 14.4.2022, Ra 2022/10/0029, mit Verweis auf VwGH 25.11.2015, 2013/10/0102; 21.5.2008, 2006/10/0017; 13.11.2000, 98/10/0079; 3.6.1996, 92/10/0036).

13 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

14 Die Revision war somit zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2022

Rückverweise