Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Dr. A G in W, vertreten durch MMag. Markus Koisser, Bakk. MSc (WU), Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 22/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 29. August 2022, Zl. VGW 242/081/12110/2021/A 34, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 29. August 2022 wurde der aus dem Revisionswerber und Frau B. I. bestehenden Bedarfsgemeinschaft in Abänderung eines Bescheides der belangten Behörde vom 8. Juli 2021 für den Zeitraum vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Mai 2022 (lediglich) ein Zuschlag gemäß § 8 Abs. 5 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) im Betrag von € 68,08 monatlich (2021) bzw. € 122,72 monatlich (2022) zugesprochen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 27. Februar 2023, E 268 269/2023-5, (u.a.) deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG zur Entscheidung abtrat.
3 Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 24.4.2023, Ra 2023/10/0045, 0046; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).
8 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis widerspreche „der ständigen Rechtsprechung des VwGH in vergleichbaren Fällen bzw. fehlt eine derartige Rechtsprechung zur Gänze“. Das Verwaltungsgericht habe auch „erhebliche weitergehende Feststellungen im Sachverhalt unterlassen, welche für eine gründliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage notwendig gewesen wären (sekundäre Feststellungsmängel)“. Auch habe das Verwaltungsgericht gegen das Überraschungsverbot (Verweis auf VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, VwSlg. 19.004 A) verstoßen.
9 Zu diesem Vorbingen ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer Revision gestellten Anforderungen nicht entsprochen wird, wenn die revisionswerbende Partei wie hier bloß allgemein behauptet, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2022/10/0043; 2.8.2019, Ra 2019/10/0099; 28.5.2019, Ra 2018/10/0134). Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 22.8.2022, Ra 2022/10/0005, 0006; 24.2.2022, Ra 2022/03/0040; 30.3.2021, Ra 2020/07/0075, 0076).
10 Diesen Begründungserfordernissen wird mit den oben wiedergegebenen Zulässigkeitsausführungen nicht entsprochen. Es wird auch nicht ausgeführt, wodurch das Verwaltungsgericht gegen das Überraschungsverbot verstoßen haben soll.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird zudem mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer (hier allerdings nicht einmal) näher bezeichneten Verwaltungsvorschriftnicht dargelegt, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte (vgl. VwGH 29.6.2021, Ro 2020/10/0014, 21.9.2020, Ra 2020/10/0037; 25.3.2020, Ro 2020/10/0005 0006). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187).
12 Im Übrigen setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 25.1.2021, Ra 2020/10/0177; 5.1.2021, Ra 2020/10/0028; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 0182, 0187). Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.9.2021, Ra 2020/10/0112; 27.4.2021, Ra 2021/10/0002 0003; 25.1.2021, Ra 2020/10/0157). Eine derartige Relevanzdarstellung ist der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht zu entnehmen.
13 In der Zulässigkeitsbegründung wird sodann unter auszugsweiser Wiedergabe von Begründungsteilen der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, das Verwaltungsgericht gehe „offenbar davon aus, dass die anrechenbaren Zahlungen [zu ergänzen: von Dr. S.] ... im fiktiven Ausmaß anzurechnen“ seien. Im Weiteren wird unter Wiedergabe des § 1 Abs. 1 und Abs. 4 WMG ausgeführt, es seien „die tatsächlichen Zahlungen für eine Anrechnung bzw. in dem Fall Abzug aus Leistungen der Mindestsicherung heranzuziehen“.Offenbar in diesem Zusammenhang wird auch ein Abweichen vom Erkenntnis VwGH 23.2.2000, 97/08/0155, bzw. vom Erkenntnis VwGH 30.9.1997, 97/08/0017, VwSlg. 14.752 A, behauptet.
14 Zu diesem Vorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht in Bezug auf Zahlungen von Dr. S. an den Revisionswerber davon ausgegangen ist, dass dem Revisionswerber - entgegen seinen Behauptungen - ein monatlicher Mietzuschuss in der Höhe von € 500,-- „im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von Mai 2021 bis Mai 2022 tatsächlich“ zugeflossen sei. Der Revisionswerber geht damit nicht von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt, sondern von seinen Behauptungen aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt, kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 28.2.2022, Ro 2022/09/0002; 10.12.2021, Ra 2020/07/0077).
15 Auch die weiteren Zulässigkeitsausführungen zu den „Aufwendungen für Haustierverpflegungskosten“ in Bezug auf einen näher genannten Hund (den der Revisionswerber so sein Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung „auf ausdrücklichen Wunsch“ von Dr. S. „quasi ‚in Kost und Quartier‘ übernommen“ habe) sowie zu den in diesem Zusammenhang vom Revisionswerber behaupteten Rechtsfragen gehen nicht von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt, sondern von den Behauptungen des Revisionswerbers aus. Für diese Ausführungen gilt daher das soeben Gesagte.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
17 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. November 2023