Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der Internationalen Gesellschaft M in G, vertreten durch Michael Haberl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 8962 Gröbming, Hauptstraße 65, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. Mai 2023, Zl. RV/2100883/2022, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Das Finanzamt erließ gegenüber der revisionswerbenden Partei nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) Bescheide vom 7. Oktober 2019 betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer 2012 bis 2016 sowie über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 bis 2016. Die revisionswerbende Partei beantragte daraufhin mehrmals eine Verlängerung der Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs. 3 BAO. Am 10. Dezember 2019 kam es zu einem Telefonat des steuerlichen Vertreters der revisionswerbenden Partei mit einer Mitarbeiterin des Finanzamtes, in dem er die (erneute) Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis 10. Jänner 2020 beantragte. Diese bestätigte ihm mit E Mail vom selben Tag die Verlängerung der Rechtsmittelfrist. Am 10. Jänner 2020 wurde ein weiterer Antrag auf Rechtsmittelfristverlängerung bis 24. Jänner 2020 gestellt, woraufhin die revisionswerbende Partei schließlich die Beschwerde gegen die obigen Bescheide am 24. Jänner 2020 einbrachte.
2 Mit Beschluss vom 9. November 2021, RV/3100508/2021, wies das BFG nach vorheriger Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts und Vorlageantrag der revisionswerbenden Partei die Beschwerde als verspätet zurück. Begründend verwies es darauf, dass ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist nach § 245 Abs. 3 BAO ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO sei und telefonische Mitteilungen keine „mündlichen“ Anbringen im Sinne dieser Bestimmung seien. Zudem seien „Erledigungen“ per E Mail auf dem Boden der BAO absolut nichtige Verwaltungsakte.
3 Am 15. Februar 2022 brachte die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Wiedereinsetzung ein und führte zur Begründung aus, dem steuerlichen Vertreter sei ein Rechtsirrtum unterlaufen, weil er geglaubt habe, eine Fristverlängerung durch telefonisches Anbringen sei möglich.
4 Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab, wogegen die revisionswerbende Partei Beschwerde erhob.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, wies das BFG die Beschwerde nach negativer Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts und Vorlageantrag der revisionswerbenden Partei ab. Begründend führte es aus, ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten wozu auch ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist nach § 245 Abs. 3 BAO zähle sei gemäß § 85 Abs. 1 BAO grundsätzlich schriftlich zu stellen. Diese Bestimmung sehe telefonische Anbringen nicht vor, sodass telefonische Mitteilungen auch keine „mündlichen“ Anbringen im Sinne des § 85 BAO seien. Eine telefonische Mitteilung stelle weiters keinen für eine Bescheiderlassung hinreichenden Formalakt dar. Die rechtliche Beurteilung des steuerlichen Vertreters sei somit ein Irrtum gewesen. Ein Irrtum könne zwar ein „Ereignis“ im Sinne des § 308 BAO darstellen; ob aber auf Grund eines solchen „Ereignisses“ die Wiedereinsetzung zu bewilligen sei, sei von der Verschuldensfrage abhängig. Der Wiedereinsetzung entgegen stehe der Irrtum dann, wenn der mindere Grad des Versehens überschritten sei. Dies sei zu bejahen, zumal an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter nach der Rechtsprechung ein strengerer Maßstab anzulegen sei, als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Im Beschwerdeverfahren habe der steuerliche Vertreter vor dem mündlichen Fristverlängerungsersuchen mehrere schriftliche Fristverlängerungsersuchen gestellt, womit ihm das richtige Vorgehen offenbar bekannt gewesen sei. Auch ein Blick in das Gesetz (§ 85 Abs. 1 BAO) hätte nichts Gegenteiliges ergeben. Damit gehe das Verschulden des Vertreters über den minderen Grad des Versehens hinaus. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Rechtsirrtümern über den Beginn des Fristenlaufes: Diese könnten beim Einschreiten eines rechtskundigen Vertreters nur in besonderen Ausnahmefällen zur Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages führen (Hinweis auf VwGH 17.6.1999, 99/20/0253). Ein besonderer Ausnahmefall liege im Beschwerdefall aber nicht vor.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der revisionswerbenden Partei, die sich „in ihrem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verletzt“ sieht und zur Zulässigkeit der Revision ausführt, der Rechtsirrtum des steuerlichen Vertreters habe darin bestanden, „dass er ebenso wie die Rechtsmittelbearbeiterin des Finanzamtes eine rechtswirksame Verlängerung eines noch nicht ergangenen Bescheides per Telefon und E Mail für möglich hielt. Zu dieser Rechtsfrage liegt meines Wissens nach keine Rechtsprechung des VwGH vor.“
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision erweist sich als unzulässig.
11 Die revisionswerbende Partei führt zunächst unter der Überschrift „Revisionspunkt“ aus, sie erachte sich in ihrem „Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren“ verletzt.
12 Bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses kommt dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. in ständiger Rechtsprechung VwGH 29.5.2024, Ra 2024/15/0032 bis 0033; 5.10.2021, Ro 2021/15/0016; 12.11.2020, Ra 2020/16/0080, jeweils mwN).
13 Soweit die revisionswerbende Partei sich im „Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren“ verletzt erachtet, wird damit jedoch bereits kein tauglicher Revisionspunkt geltend gemacht (vgl. VwGH 17.12.2024, Ra 2024/01/0406; 10.2.2022, Ra 2022/15/0013, jeweils mwN).
14 Die Revision erweist sich daher bereits deshalb als unzulässig.
15 Mit dem bloßen Hinweis in der Zulassungsbegründung auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick darauf, dass der steuerliche Rechtsvertreter einem Rechtsirrtum unterlegen sei, weil er wie auch die Rechtsmittelberaterin des Finanzamtes geglaubt habe, eine rechtswirksame Verlängerung eines noch nicht ergangenen Bescheides sei per Telefon oder E Mail möglich, wird zudem noch keine konkrete Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG formuliert. Dass und aus welchem Grund der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte, von welcher das Schicksal der Revision abhängt, wird mit dieser kurzen Zulassungsbegründung nicht hinreichend dargelegt (vgl. dazu auch VwGH 19.6.2019, Ro 2019/01/0004, sowie 20.12.2017, Ro 2016/10/0021, jeweils mwN).
16 Es gibt nämlich bereits hg. Rechtsprechung zur eingeschränkten Relevanz von Rechtsirrtümern über den Fristenlauf beim Einschreiten eines rechtskundigen Vertreters (vgl. VwGH 24.6.2010, 2010/15/0001, unter Hinweis auf VwGH 17.6.1999, 99/20/0253) und zu rechtsunwirksamen telefonischen Mitteilungen vor dem Hintergrund des § 85 BAO (vgl. VwGH 28.9.2011, 2008/13/0070), die vom BFG teilweise auch zitiert wurden und mit denen sich die revisionswerbende Partei im Zulassungsvorbringen nicht näher auseinander gesetzt hat.
17 Im Übrigen ist die Frage, ob das BFG fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, nach der hg. Rechtsprechung grundsätzlich keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 15.11.2024, Ra 2024/15/0058). Davon ist im Revisionsfall nicht auszugehen.
18 In der Revision werden sohin zudem keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
19 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. April 2025