Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Bezirkshauptmannschaft Braunau der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 18. März 2025, LVwG 753512/3/KU/NIF, betreffend eine Angelegenheit nach dem PassG (mitbeteiligte Partei: Dr. W B in H, vertreten durch Metzler Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau (Amtsrevisionswerberin) vom 13. Jänner 2025 wurde dem Mitbeteiligten der von der Amtsrevisionswerberin am 12. August 2020 ausgestellte Reisepass mit näher genannter Nummer entzogen. Begründend führte die Amtsrevisionswerberin im Wesentlichen aus, dass dem Mitbeteiligten der genannte Reisepass mit einer Gültigkeit bis 11. August 2030 unter Anführung der Adelsbezeichnung „von“ ausgestellt worden sei. Dieses Reisedokument sei aufgrund der bekanntgegebenen Reise in die Schweiz und in die USA ausgestellt worden. Um dem Passwerber eine problemlose Einreise in die USA zu ermöglichen, sei der Reisepass weder in der Gültigkeit beschränkt noch länderbeschränkt erteilt worden, dies besonders im Hinblick auf die Einreisemodalitäten der Vereinigten Staaten von Amerika. Der ausgestellte Reisepass sei aufgrund der Eintragung „von“ unrichtig und somit zu entziehen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde statt und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos (Spruchpunkt I.). Eine Revision gegen diese Entscheidung erklärte es für unzulässig (Spruchpunkt II.).
3Die Amtsrevisionswerberin verband ihre Amtsrevision mit dem Antrag, ihr gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und sie begründete diesen Antrag zusammengefasst damit, dass sie verpflichtet wäre, „den Umlauf eines Reisepasses mit Adelstitel - entgegen dem AdelsaufhebungsG und der Vollzugsanweisung - zu dulden und [...] ggfs. verpflichtet [wäre], weitere Reisedokumente wie einen Personalsausweis mit Adelstitel auszustellen.“ Für die Amtsrevisionswerberin wäre mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses bzw. der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung durch den Mitbeteiligten eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtsrevisionswerberin zu vertretenden öffentlichen Interessen verbunden. Hinzu komme, dass sowohl die Amtsrevisionswerberin „als auch zahlreiche andere österreichische Passbehörden mit Sachverhalten[,] denen die gleiche Rechtsfrage zugrunde liegt[,] konfrontiert sind.“
4 Vorliegend entschied das Verwaltungsgericht über den Antrag der Amtsrevisionswerberin auf aufschiebende Wirkung nicht, sondern legte die Revision ohne Entscheidung über diesen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof vor.
5 Der Mitbeteiligte beantragte in seiner durch den Verwaltungsgerichtshof freigestellten Äußerung vom 17. Juni 2025, dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge zu geben.
6Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
7Im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geht es nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, sondern einzig und allein um die Auswirkungen eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Erkenntnisses (VwGH 20.7.2023, Ro 2023/01/0003, mwN).
8Bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Interessenabwägung ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element ist. Die Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofes soll durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses während der Dauer des Revisionsverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden (s. etwa VwGH 22.10.2024, Ra 2024/11/0169, mwN).
9Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Formulierung des § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch bei einer Amtsrevision zulässig. Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen. In diesem Zusammenhang obliegt es der eine Amtsrevision erhebenden Partei, bereits im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Umstände im Einzelnen darzutun, aus denen sich ein solcher „unverhältnismäßiger Nachteil“ ergibt (vgl. VwGH 2.3.2021, Ra 2020/08/0128; 10.5.2022, Ra 2022/17/0071, jeweils mwN).
10Diese Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. etwa VwGH 3.10.2023, Ro 2023/10/0020, mwN). Eine allgemein gehaltene, durch keine konkreten Umstände untermauerte Antragsbegründung reicht zur Darlegung einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen nicht aus (vgl. VwGH 9.10.2024, Ra 2024/17/0031 mwN [dort in Bezug auf die finanziellen Verhältnisse der mitbeteiligten Parteien]).
11 Die Begründung des vorliegenden Antrags genügt dieser Konkretisierungspflicht nicht. Das von der Amtsrevisionswerberin geltend gemachte öffentliche Interesse an der mit der Amtsrevision angestrebten Korrektur des angefochtenen Erkenntnisses, die im Übrigen im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in keiner Weise auf in Betracht kommende Entziehungstatbestände des § 15 Abs. 2 Passgesetz 1992 insbesondere jenen von Z 2 erster FallBezug nimmt, sondern bloß pauschal und/oder hypothetisch gehalten und nicht konkret auf den Revisionsfall bezogen bleibt, wiegt weniger schwer als das persönliche Interesse des Mitbeteiligten an der Nichtentziehung des am 12. August 2020 ausgestellten Reisepasses, zumal die Amtsrevisionswerberin selbst diesen der Begründung des angefochtenen Bescheids nach in Kenntnis von „AdelsaufhebungsG und der Vollzugsanweisung“ (vgl. oben Rn. 3) ausgestellt hatte (s. dazu auch das Vorverfahren VwGH 11.4.2024, Ra 2022/01/0013). Darauf weist auch der Mitbeteiligte in seiner Äußerung vom 17. Juni 2025 zutreffend hin.
Wien, am 20. Juni 2025
