Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Studiendekans der Universität für Bodenkultur Wien in Wien, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Jänner 2022, Zl. W203 2245667 1/5E, betreffend Aufhebung einer Prüfung gemäß § 79 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (mitbeteiligte Partei: J M in W, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/Top 7), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Universität für Bodenkultur Wien hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Jänner 2022 hob das Bundesverwaltungsgericht aufgrund einer Beschwerde der Mitbeteiligten die „Prüfung vom 25.02.2021“ gemäß § 79 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 UG auf und behob „Spruchpunkt 2“ des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides „ersatzlos“, mit welchem die Beurteilung der genannten Prüfung gemäß § 73 Abs. 1 UG iVm § 99 der Satzung der Universität für Bodenkultur Wien wegen Erschleichung einer Prüfungsleistung (Prüfungsteilnahme unter fremder Identität) für nichtig erklärt und festgestellt worden war, dass die Prüfung auf die Gesamtzahl der Wiederholungen anzurechnen sei; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Verwaltungsgericht zu.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung soweit für den Revisionsfall von Interesse zugrunde, die Revisionswerberin betreibe an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU Wien) das Bachelorstudium „Forstwirtschaft“ und habe dafür die Prüfung „736180 Grundlagen des Rechts“ zu absolvieren. Die Prüfung sei (jeweils mit eigener Lehrveranstaltungsnummer) in mehreren Studienprogrammen vorgesehen und werde auf elektronischem Weg unter Nutzung der Plattform „BOKU learn“ abgehalten.
3 Bei zwei Prüfungsantritten zu „736180 Grundlagen des Rechts“ am 27. Jänner 2015 und am 13. März 2015 sei die Mitbeteiligte jeweils mit „Nicht genügend“ beurteilt worden.
4 Die Mitbeteiligte habe sich daraufhin fristgerecht für die (allerdings zu einem von ihr nicht betriebenen Studium gehörende) Prüfung aus „Grundlagen des Rechts“ zum Termin am 26. Februar 2021 angemeldet und sei in der Folge mit E-Mail der BOKU Wien (vom 22. Februar 2021) darüber informiert worden, dass diese Prüfungsanmeldung nicht ihrem Studienplan entspreche und sie daher von dieser Prüfung abgemeldet und zu der ihrem Studienplan entsprechenden Prüfung am 25. Februar 2021 angemeldet werde. Darauf habe die Mitbeteiligte noch am selben Tag per E-Mail geantwortet, dass sie am 25. Februar 2021 aus beruflichen Gründen an einer Prüfungsteilnahme verhindert sei, und nochmals um Teilnahme am 26. Februar 2021 ersucht.
5 Am 25. Februar 2021 sei (obwohl die Mitbeteiligte etwa 2 ½ Stunden vorher nochmals per Mail mitgeteilt habe, nicht zur Prüfung antreten zu können) unter Verwendung der Zugangsdaten der Mitbeteiligten an der Prüfung „736180 Grundlagen des Rechts“ (in der Dauer von insgesamt knapp 35 Minuten bei einer Gesamtdauer der Prüfung von maximal 65 Minuten) teilgenommen worden; die dabei erzielten Prüfungsleistungen seien mit „Nicht genügend“ beurteilt worden.
6 Eine „geeignete Identitätskontrolle“ betreffend die Mitbeteiligte sei von der belangten Behörde bei dieser Prüfung nicht durchgeführt worden.
7 Es könne nicht festgestellt werden, ob die dabei übermittelten Prüfungsleistungen von der Mitbeteiligten „oder zumindest zum Teil von dritten Personen erbracht“ worden seien.
8 In rechtlicher Hinsicht stützte das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung der Prüfung auf das Vorliegen eines schweren Mangels bei deren Durchführung (vgl. § 79 Abs. 1 UG), weil es die belangte Behörde ungeachtet der festgestellten „Vorgeschichte“ der Prüfung am 25. Februar 2021 unterlassen habe, eine geeignete Überprüfung der Identität der Mitbeteiligten vorzunehmen. Die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Prüfung iSd § 73 UG lägen anders als die belangte Behörde vermeine nicht vor.
9 Die Zulassung der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu näher dargestellten Fragen betreffend die Identitätskontrolle bei der Durchführung von auf elektronischem Weg durchgeführten Prüfungen.
10 1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der belangten Behörde.
11 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung samt Aufwandersatzbegehren erstattet.
12 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
15 2.2. Nach Art 133 Abs. 4 B VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung begrenzt. In diesem Sinn hat der Revisionswerber nach der gefestigten Rechtsprechung auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art 133 Abs. 4 B VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, mwN).
16 3. Im vorliegenden Fall schließt sich der Revisionswerber im ersten Teil seines Zulässigkeitsvorbringens (näher begründet) der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes an.
17 Diese zur Identitätskontrolle bei (elektronisch durchgeführten) Prüfungen getätigten Ausführungen sind jedoch aus den folgenden Gründen nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen:
18 3.1. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 21.6.2022, Ro 2021/10/0020, mwN).
19 Gemäß § 81 Abs. 1 der Satzung der BOKU Wien (im Folgenden kurz: Satzung) sind Studierende berechtigt, sich zu den Lehrveranstaltungsprüfungen innerhalb der festgesetzten Anmeldefrist bei der Leiterin oder beim Leiter der Lehrveranstaltung anzumelden. Der Anmeldung ist zu entsprechen, wenn die oder der Studierende die im Curriculum festgesetzten Anmeldungsvoraussetzungen und die Meldung der Fortsetzung des Studiums für das betreffende Semester nachgewiesen hat. Laut § 81 Abs. 4 der Satzung sind die Studierenden berechtigt, sich bis spätestens fünf Tage vor dem Prüfungszeitpunkt bei der Prüferin oder dem Prüfer ohne Angabe von Gründen von der Prüfung in geeigneter Weise abzumelden.
20 3.2. Das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision hängt allerdings von den aufgeworfenen Rechtsfragen zur Identitätskontrolle bei der auf elektronischem Weg durchgeführten Prüfung aus den folgenden Erwägungen gar nicht ab:
Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses (vgl. deren Wiedergabe oben unter Rz 4), welchen die Revision nicht entgegentritt, meldete sich die Mitbeteiligte lediglich zu einer Prüfung am 26 . Februar 2021, nicht jedoch zu der gegenständlichen Prüfung am 25. Februar 2021 an (und stellte dies u.a. durch ihr Mail vom 22. Februar 2021 noch einmal klar). Eine „Ummeldung“ durch Organe der Universität sieht die Satzung wiederum nicht vor.
Bereits aus diesem Grund kann die am 25. Februar 2021 (von wem auch immer) erbrachte Prüfungsleistung der Mitbeteiligten nicht zugerechnet werden, sodass es auf die dabei vorgenommene Identitätskontrolle gar nicht ankommt.
21 4. Zu der in den (zusätzlichen) Zulässigkeitsausführungen des Revisionswerbers erhobenen Rüge von Ermittlungs- und Begründungsmängeln ist Folgendes auszuführen:
22 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 18.5.2022, Ro 2021/10/0008, mwN).
23 Der Revisionswerber führt aus, das Verwaltungsgericht hätte den „wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise ermitteln müssen. Dies insbesondere deshalb, weil das BVwG annimmt, dass die Prüfung dadurch mit Nichtigkeit belastet ist, weil die Revisionsgegnerin sie nicht selbst absolviert habe.“ Gerade diese Frage sei jedoch strittig und ungeklärt.
24 Abgesehen davon, dass diese Verfahrensrüge gänzlich unbestimmt bleibt, mangelt ihr die nach der angeführten Rechtsprechung erforderliche konkrete Relevanzdarstellung.
25 Das Gleiche gilt für die in den Zulässigkeitsausführungen unterbreitete Kritik, das Verwaltungsgericht habe in seiner Beweiswürdigung nicht offengelegt, weshalb es die (in Rz 7 wiedergegebene) Negativfeststellung getroffen habe.
26 6. Im Revisionsfall werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
27 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
28 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. August 2023