JudikaturJustiz2Ob30/11t

2Ob30/11t – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Januar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** B***** und 2. M***** B*****, vertreten durch Blum, Hagen Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler und Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 57.000 EUR sA, in eventu Vertragsaufhebung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2010, GZ 2 R 214/10b 49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 25. August 2010, GZ 6 Cg 269/08h 41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien an Kosten des Verfahrens erster Instanz anteilige Pauschal-, Sachverständigen- und Zeugengebühren von 1.175,80 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens erster Instanz gegeneinander aufgehoben.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, den klagenden Parteien die mit 8.017,32 EUR (darin 883,40 EUR USt und 2.714,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben mit Kaufvertrag vom 27. 12. 2005 von der beklagten Partei eine Liegenschaft, auf der ein Zweifamilienhaus („Zollhaus“) errichtet ist. Die beklagte Partei hatte ihrerseits das Objekt im Jahr 2003 von der Bundesimmobiliengesellschaft mbH erworben, der wiederum von der Republik Österreich das Eigentum übertragen worden war. Im Zusammenhang mit dieser zuletzt genannten Eigentumsübertragung hatten die erwähnte Gesellschaft und die Republik Österreich, vertreten durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen (ua) über das gegenständliche Objekt einen Mietvertrag abgeschlossen, der von den Vertragsparteien am 6. 12. 2000 bzw am 2. 1. 2001 unterzeichnet worden war.

Nach dem Inhalt dieses Mietvertrags begann das Mietverhältnis am 1. 1. 2001; es wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die im Mietobjekt befindlichen zwei Wohnungen werden seit 1975 bzw 1978 von mittlerweile pensionierten Finanzbeamten bewohnt. Ihnen waren die Wohnungen mittels Bescheids der damaligen Finanz- und Landesdirektion für Vorarlberg als Naturalwohnungen zugewiesen worden. Das von ihnen zu entrichtende monatliche Entgelt von 40 EUR (zuzüglich Betriebskosten) entspricht jenem, das im Mietvertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesimmobiliengesellschaft mbH entsprechend den Grundvergütungen nach § 24a GehG als Hauptmietzins vereinbart wurde.

Die in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnhaften Kläger wussten von den Naturalwohnungen; sie kannten auch deren Benützer. In den durch den damaligen Geschäftsführer der beklagten Partei initiierten Vorgesprächen zum Kaufvertrag erwähnten sie, sich das Objekt allenfalls als Wertanlage für die beiden Söhne vorstellen zu können. Bei den Vertragsverhandlungen nannte der Geschäftsführer der beklagten Partei zunächst einen Kaufpreis von 120.000 EUR, die Kläger boten 85.000 EUR. Schließlich einigte man sich auf 105.000 EUR. Der Geschäftsführer der beklagten Partei meinte, es handle sich um ein gutes Angebot, zumal allein der Bodenwert höher als der vereinbarte Kaufpreis sei. Er versicherte den Klägern, dass die Wohnungen nach dem Tod ihrer beiden derzeitigen Benützer (damals 78 bzw 57 Jahre alt) zur freien Verfügung stehen würden. Die Naturalwohnungen würden nach dem Ableben der jetzigen Benützer nicht mehr weiter vermietet werden, es werde „Vermietungsfreiheit“ bestehen.

Nach diesem Gespräch gingen die Kläger davon aus, dass sie das Objekt nach dem Tod der beiden Benützer übernehmen und selbst unbeschränkt nutzen werden können. Der Geschäftsführer der beklagten Partei übermittelte ihnen die finanzbehördlichen Zuweisungsbescheide, nicht aber den besagten Mietvertrag. Den Klägern war bekannt, dass in den Zuweisungsbescheiden die Nutzung der Wohnungen auf unbestimmte Zeit zugesichert war. Sie ersuchten den Geschäftsführer der beklagten Partei um eine schriftliche Bestätigung darüber, dass die Wohnungen nach dem Tod der jetzigen Benützer nicht mehr weiter vergeben werden. Dies lehnte der Geschäftsführer der beklagten Partei ab. Er ließ die Kläger jedoch wissen, dass dies „immer so gehandhabt“ worden sei. Die Kläger fragten ihn auch, ob eine Erhöhung des „Mietzinses“ möglich sei, was der Geschäftsführer der beklagten Partei verneinte. Allerdings stellte er ihnen in Aussicht, dass sie das Gebäudemanagement übernehmen und hierfür ein Entgelt erhalten würden, „was sich mit einer Erhöhung des Mietzinses ausgleiche“.

Seitens der Finanzverwaltung des Bundes wurde bisher auf die Rechte aus dem Mietvertrag nicht verzichtet. Sie widmet sich allerdings mittlerweile nicht mehr der Wohnfürsorge ihrer Beamten, weshalb in den letzten Jahren die Zuweisung von Naturalwohnungen praktisch bedeutungslos geworden ist. Es ist aber nach wie vor jederzeit möglich, dass die frühere Praxis wieder aufgenommen und eine Zuweisung der Wohnungen des Mietobjekts an andere Beamte erfolgen wird.

Der Kaufvertrag vom 27. 12. 2005 enthält in seinem Punkt VI. („Gewährleistung“) folgende Passage:

Darüber hinaus wurde die Käuferseite über den Umstand aufgeklärt, dass das gegenständliche Kaufobjekt aufgrund von Zuweisungsbescheiden als Naturalwohnungen dient. Diesbezüglich ist der Käuferseite bekannt, dass die Verkäuferin einen Mietvertrag mit dem Finanzministerium abgeschlossen hat, welche berechtigt sind die Wohnungen und Abstellplätze gemäß den Bestimmungen des Gehaltsbezügegesetzes und des Beamtendienstgesetzes an von ihnen namhaft gemachte Personen, dies in Bescheidform, zuzuweisen. Ausdrücklich wurde die Käuferseite darüber aufgeklärt, dass keinerlei Anspruch auf Kündigungsmöglichkeit betreffend dieser Nutzungsrechte zu Naturalwohnzwecken gestattet ist.

Der Käuferseite sind die von den Naturalwohnungsberechtigten zu entrichtenden Benützungsentgelte bekannt.

Die Kläger hatten das Objekt vor dem Kauf nicht besichtigt. Das Vorhandensein diverser Sachmängel war ihnen aber aus Schilderungen der Nachbarn bekannt (Wasser im Keller; Undichtheit des Dachs; auszutauschende Fensterläden; zu erneuernde Rohrleitungen im Keller; erforderliche Sockel- und Isolierungsarbeiten). Andererseits hatte der Geschäftsführer der beklagten Partei beteuert, dass in der nächsten Zeit keine großen Investitionen erforderlich sein würden. Tatsächlich sind in nächster Zeit Investitionen im Ausmaß von 100.000 EUR notwendig. Neben den erwähnten Renovierungsarbeiten ist auch die Erneuerung der Elektroleitungen unumgänglich.

Die Kläger begehrten mit der am 18. 12. 2008 beim Erstgericht eingebrachten Klage aus den Rechtsgründen der arglistigen Herbeiführung eines Wertirrtums, der Vertragsanpassung wegen eines veranlassten Geschäftsirrtums, der Preisminderung und der laesio enormis von der beklagten Partei die Zahlung von 57.000 EUR sA, hilfsweise die Aufhebung des Vertrags. Sie stützten sich auf ein Privatgutachten, wonach der objektive Wert der Liegenschaft lediglich 48.000 EUR betrage. Zum Vorliegen eines Geschäftsirrtums brachten sie (ua) vor, die Zusicherung, dass die Wohnungen nach dem Ableben der Benützer frei verfügbar sein würden, habe sich als unrichtig herausgestellt. Die Kläger hätten erst nachträglich erkannt, dass sie in ein unbefristetes und kündigungsgeschütztes Mietverhältnis mit dem Bund eingetreten seien. Da der Bund nicht sterben könne, werde das Mietverhältnis mit diesem nie enden und die Kläger könnten über das Kaufobjekt nie frei verfügen. Dem geringen Mietzins stünden kostenintensive Erhaltungspflichten gegenüber. Ohne den Irrtum hätten die Kläger nur einen dem wahren Wert der Liegenschaft entsprechenden Kaufpreis von 48.000 EUR bezahlt.

Die beklagte Partei wandte ua die Unrichtigkeit der Berechnungen des Sachverständigen ein. Der tatsächliche Verkehrswert liege deutlich über dem Kaufpreis. Sie habe weder Mängel verschwiegen, noch hätten die Kläger über den Wert der Liegenschaft geirrt. Es treffe zu, dass nach dem Ableben der derzeitigen Benützer der Wohnungen „Vermietungsfreiheit“ bestehe.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab jedoch dem Eventualbegehren statt. Es traf noch folgende Feststellungen:

„Der Verkehrswert der gegenständlichen Liegenschaft beträgt zum 27. 12. 2005 brutto (gerundet) 57.000 EUR, netto 39.000 EUR. Hätten die Kläger die angeführten Umstände gekannt, hätten sie den Kaufpreis von 105.000 EUR nicht bezahlt. Sie hätten lediglich 48.000 EUR bis 50.000 EUR bezahlt. Die Beklagte ihrerseits hätte den Vertrag bei einem Kaufpreis von 57.000 EUR nicht unterfertigt. Jedenfalls hätte die Beklagte bei so einem niedrigen Kaufpreis auf einer Änderung der restlichen Vertragsmodalitäten bestanden. Dass die Kläger die Beklagte vor Klagseinbringung zur Verbesserung der behaupteten Sach- und Rechtsmängel aufgefordert hätten, ist nicht feststellbar.“

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, laesio enormis liege nicht vor, weil der Verkehrswert der Liegenschaft die Hälfte des Kaufpreises übersteige. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Preisminderung (als sekundärem Rechtsbehelf) sei nicht einmal behauptet worden. Es liege jedoch ein beachtlicher Geschäftsirrtum vor, weil die Kläger bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände, insbesondere des Werts der Liegenschaft und des unbefristeten Mietverhältnisses, den Vertrag nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätten. Die beklagte Partei habe diesen Irrtum durch die Zusicherung, dass sie nach dem Ableben der beiden Nutzungsberechtigten uneingeschränkt über das Objekt verfügen könnten, veranlasst. Da ein übereinstimmender (hypothetischer) Wille der Parteien ausscheide, komme eine Vertragsanpassung nicht in Betracht. Der Vertrag sei daher im Sinne des Eventualbegehrens aufzuheben.

Die Abweisung des Hauptbegehrens blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

Das im Übrigen von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung über das Eventualbegehren dahin ab, dass es dieses ebenfalls abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Feststellung über den Verkehrswert der Liegenschaft wurde (auch) von den Klägern in ihrer Berufungsbeantwortung bekämpft. Sie begehrten statt dessen die Feststellung eines negativen Verkehrswerts, der sich bei richtigem Verständnis aus dem Gutachten des vom Erstgericht bestellten Sachverständigen ergebe. Das Berufungsgericht beurteilte die gewünschte Ersatzfeststellung mangels entsprechender Behauptung in erster Instanz als unzulässige Neuerung, auf die nicht weiter einzugehen sei.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, die Kläger hätten aus dem Titel des Irrtums nur die Vertragsanpassung begehrt, die Aufhebung des Vertrags hingegen ausschließlich auf laesio enormis gestützt. Das Begehren auf Vertragsanpassung sei mit der Abweisung des Hauptbegehrens bereits rechtskräftig erledigt, die Voraussetzungen einer laesio enormis habe das Erstgericht zutreffend verneint. Mit der Stattgebung des Aufhebungsbegehrens habe das Erstgericht den Klägern daher etwas zugesprochen, was diese gar nicht begehrt hätten.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger mit dem sinngemäßen Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht von einer Verletzung des Neuerungsverbots ausging und auch das Prozessvorbringen der Kläger unrichtig auslegte. Die Revision ist auch berechtigt.

Die Kläger verweisen darauf, dass sie in erster Instanz einen unter der Hälfte des Kaufpreises liegenden Verkehrswert der Liegenschaft behauptet hätten. Gerade im Hinblick auf die geltend gemachte laesio enormis könne es ihnen nicht verwehrt sein, die Tatsachenrüge auf ein Beweisergebnis zu stützen, wonach der Verkehrswert noch geringer als von ihnen angenommen sei. In Verkennung des Neuerungsverbots habe das Berufungsgericht die Erledigung der Beweisrüge zu diesem Thema unterlassen, weshalb das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben sei. Im Übrigen seien Umsätze von Grundstücken steuerfrei, weshalb ohnedies nur vom „Nettoverkehrswert“ auszugehen sei. Die Kläger hätten sich ferner bei ihrem Eventualbegehren keineswegs ausdrücklich auf einen bestimmten Rechtsgrund festgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

1. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. § 498 ZPO legt die Grundlagen der Berufungsentscheidung fest. Ihre Grenzen werden durch die Berufungsanträge und durch das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO gezogen. Diese Gesetzesstelle verfügt ein Verbot des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweismittel zum Anspruch, also ein Neuerungsverbot in Ansehung des Stoffes für die Entscheidung der in erster Instanz gestellten Sachanträge (RIS-Justiz RS0041965). Das Berufungsgericht darf keine neue Sachgrundlage für seine Entscheidung schaffen, sondern es kann lediglich den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt im Rahmen einer ordnungsgemäß ausgeführten Beweisrüge anders feststellen. Die Feststellung von in erster Instanz gar nicht behaupteten Tatsachen, die in eine Richtung zielen, in die der Prozess gar nicht geführt wurde, ist ihm hingegen verwehrt (vgl 7 Ob 724/88).

Die Kläger haben sich in erster Instanz auf das von ihnen eingeholte Privatgutachten gestützt und vorgebracht, der wahre Verkehrswert betrage nur 48.000 EUR.

Besonders für die Anfechtung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis) hätte es für die Schlüssigkeit der Klage genügt, dass (irgend )ein unter der Hälfte des Kaufpreises liegender Verkehrswert behauptet wird. Die betragliche Festlegung auf 48.000 EUR war für die Kläger insoweit nicht bindend (vgl außerdem AS 25: „...weit unter 50.000 EUR...“).

Das Erstgericht hat - gestützt auf das Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen - einen über der Hälfte des Kaufpreises liegenden Verkehrswert von 57.000 EUR festgestellt. Diese Feststellung wurde von den Klägern in ihrer Berufungsbeantwortung mit Beweisrüge und der Begründung bekämpft, dass sich aus diversen Äußerungen des Sachverständigen ein noch geringerer (sogar „negativer“) Verkehrswert als der von ihnen behauptete ergeben soll. Indem sie eine entsprechende Ersatzfeststellung begehrten, haben sie keine neuen anspruchsbegründenden Tatsachen vorgebracht (17 Ob 1/11p mwN; RIS-Justiz RS0041965 [T3]). Die begehrte Feststellung wäre auch nicht „überschießend“, weil sie im erstinstanzlichen Vorbringen der Kläger Deckung fände (RIS-Justiz RS0040318).

Unter diesen Umständen verstießen die Kläger nicht gegen das Neuerungsverbot. Da das Berufungsgericht infolge seiner unrichtigen Beurteilung dieser Frage die Behandlung der Beweisrüge unterließ, blieb das Berufungsverfahren mangelhaft, was die Kläger in ihrer Revision nun zutreffend rügen (RIS-Justiz RS0041806). Die an sich gebotene Verfahrensergänzung zum Rechtsgrund der laesio enormis kann jedoch unterbleiben, weil wie im Folgenden noch näher darzustellen sein wird das Eventualbegehren der Kläger schon aus dem Rechtsgrund der Irrtumsanfechtung berechtigt ist. Aus diesem Grund erweist es sich auch als entbehrlich, auf die steuerrechtlichen Überlegungen der Kläger und die von den Vorinstanzen nicht geprüfte, in der Lehre kontrovers diskutierte Rechtsfrage einzugehen, inwieweit bei Vertragsabschluss vorhandene Mängel der Kaufsache bei der Feststellung des Wertmissverhältnisses nach § 934 ABGB zu berücksichtigen sind (vgl dazu etwa P. Bydlinski in KBB³ § 934 Rz 3 und 6 sowie Pletzer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 871 Rz 81 je mwN).

3. Das Gericht ist an einen geltend gemachten Rechtsgrund nur dann gebunden, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf diesen beschränkt ist; in diesem Fall ist es ihm verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben. Im Zweifel ist die Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Frage kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (vgl 1 Ob 379/98m; 2 Ob 203/08d; 2 Ob 243/09p; RIS-Justiz RS0037610 [T36 und T43]). Ob dem Prozessvorbringen eine Beschränkung auf einen bestimmten Rechtsgrund entnommen werden kann, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (2 Ob 203/08d mwN).

Im vorliegenden Fall haben die Kläger das Eventualbegehren entgegen der Meinung des Berufungsgerichts keineswegs „ausdrücklich und ausschließlich“ auf die Anspruchsgrundlage der laesio enormis gestützt. Aus dem Umstand, dass sie in ihrer Klagserzählung das Begehren nach Vertragsaufhebung (nur) im Zusammenhang mit diesem Rechtsgrund erwähnten, kann nicht geschlossen werden, dass sich die Kläger, sollte die primär angestrebte Vertragsanpassung nicht gelingen, nur aus einem der von ihnen geltend gemachten Rechtsgründe vom Vertrag lösen wollten, aus den anderen aber nicht (vgl 2 Ob 217/08p). Ein vernünftiger Grund, der eine solche Auslegung ihres Vorbringens stützen könnte, ist nicht erkennbar. Im Gegenteil:

Nach dem festgestellten hypothetischen Parteiwillen wäre zwischen den Streitteilen kein Vertrag zustande gekommen, weshalb das Erstgericht das primär auf Vertragsanpassung (ua) nach § 872 ABGB gerichtete Hauptbegehren der Kläger folgerichtig (rechtskräftig) abgewiesen hat. In diesem Fall blieb den Klägern aber nur die Anfechtung des Vertrags (vgl Pletzer aaO § 872 Rz 7; Apathy/Riedler in Schwimann , ABGB³ IV § 872 Rz 1; ebenso bereits Iro , Versuch eines harmonischen Verständnisses der Bestimmungen über Willensmängel bei Verkehrsgeschäften, JBl 1974, 225 [231]). Genau diese haben sie mit ihrem Eventualbegehren geltend gemacht.

4. Nach den Feststellungen handelte es sich bei dem Kaufgegenstand um ein Haus mit zwei selbständigen Wohnungen, das noch vor dem 1. 1. 2002 an die Republik Österreich vermietet wurde.

Trotz der Nutzung der beiden Wohnungen als „Naturalwohnungen“ durch mittlerweile pensionierte Bundesbedienstete unterliegt das Mietverhältnis schon deshalb nicht der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG, weil der Mietvertrag nicht mit den Nutzern der Wohnungen, sondern dem Bund als seinerzeitigen „Dienstgeber“ abgeschlossen worden ist (vgl 3 Ob 95/98m; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht²² I § 1 MRG Rz 47; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 1 MRG Rz 72).

Auf das Mietverhältnis ist noch die Rechtslage vor der Mietrechtsnovelle 2001 anzuwenden (§ 49d Abs 2 MRG), wonach für Wohnungen in sogenannten Zweifamilienhäusern (nur) eine Teilausnahme vom Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gilt (§ 1 Abs 4 Z 2 MRG aF). Es gelangen daher insbesondere die Vorschriften der §§ 29 ff MRG über die Beendigung des Mietverhältnisses zur Anwendung.

Das Mietverhältnis mit der Republik Österreich ist zunächst auf die beklagte Partei, dann auf die Kläger als Einzelrechtsnachfolger im Eigentum am Bestandobjekt übergegangen, ohne dass eine Kündigungsmöglichkeit der Erwerber bestand. Dies ergibt sich aus § 2 Abs 1 MRG, der nach herrschender Auffassung auch im Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gilt. Danach sind nun die Kläger an alle Bestimmungen des Mietvertrags gebunden, sofern es sich nicht um Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts handelt, die sie weder kannten noch kennen mussten (vgl 4 Ob 556/90; 5 Ob 182/00a; 7 Ob 215/01w; RIS-Justiz RS0108981, RS0069594; Würth/Zingher/Kovanyi , aaO § 2 MRG Rz 1; Fenyves in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 2 MRG Rz 2; Riss in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 1120 Rz 9).

Angesichts dieser Rechtslage schadet es für die hier vorzunehmende irrtumsrechtliche Beurteilung nicht, dass die Vorinstanzen den weiteren maßgeblichen Inhalt des aktenkundigen Mietvertrags (Beilage ./C) nicht festgestellt haben. Aus diesem hätte sich ergeben, dass die Vertragsparteien mit Ausnahme der Hauptmietzinsbildung und einigen Sonderregelungen die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes vereinbart hatten, wogegen jedenfalls in Ansehung der materiellrechtlichen Vorschriften laut einschlägiger Lehrmeinungen keine Bedenken bestehen (vgl T. Hausmann aaO § 1 MRG Rz 8; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 1 MRG Rz 4).

5. Auf den Vorwurf listiger Irreführung kommen die Kläger in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück, weshalb auf diesen Rechtsgrund nicht weiter einzugehen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung muss sich bei einem zur Anfechtung berechtigenden Geschäftsirrtum die unrichtige Vorstellung des Irrenden auf innerhalb des Geschäfts liegende Punkte beziehen; ansonsten läge bloß ein nur ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum vor (RIS-Justiz RS0014902 [T1]; auch RS0014910; Bollenberger in KBB³ § 871 Rz 7). Ob ein Irrtum über eine bestimmte Eigenschaft des Vertragsgegenstands Geschäfts- oder Motivirrtum ist, hängt somit davon ab, ob die betreffende Eigenschaft Vertragsinhalt war ( Bollenberger aaO § 871 Rz 7). Dies kann erst durch Vertragsauslegung ermittelt werden (2 Ob 176/10m mwN). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Irrtum über den gemeinen Wert des Vertragsgegenstands als Motivirrtum anzusehen (RIS-Justiz RS0014920). Ein Irrtum über eine wertbildende Eigenschaft gehört hingegen zum Inhalt des Geschäfts und ist deshalb Geschäftsirrtum (RIS-Justiz RS0014922). Ein solcher Geschäftsirrtum ist aber nur dann verwirklicht, wenn er für die Bestimmung der Gegenleistung maßgebend war und deshalb zum Inhalt des Geschäfts gehört (2 Ob 176/10m mwN; Bollenberger aaO § 871 Rz 7).

6. Nach den dargelegten Grundsätzen ist zu prüfen, ob die gesicherte „Vermietungsfreiheit“ des Kaufgegenstands nach dem Ableben der derzeitigen Wohnungsbenützer zwischen den Streitteilen Vertragsinhalt wurde:

Den Feststellungen zufolge war dem Geschäftsführer der beklagten Partei aus den Vorgesprächen bekannt, dass die Kläger die Liegenschaft „allenfalls als Wertanlage“ für ihre Söhne erwerben würden. Bei den Vertragsverhandlungen waren daher die bestehenden und künftigen Nutzungsrechte an den beiden Wohnungen und die Geringfügigkeit der aktuellen Zinserträge die beherrschenden Themen. Den Klägern kam es sichtlich darauf an, in absehbarer Zeit über die beiden Wohnungen verfügen zu können. Dies indiziert bei lebensnaher Würdigung der beiderseitigen Interessenlagen, dass die Beteuerung, die Wohnungen würden den Klägern nach dem Ableben der derzeitigen Benützer zur freien Verfügung stehen, für den Kaufentschluss der Kläger und ihr Preisangebot für die beklagte Partei erkennbar von durchaus entscheidender Bedeutung war. Es liegt somit die ausdrückliche Zusage einer wertbildenden Eigenschaft des Kaufgegenstands vor, die zwischen den Streitteilen zum Vertragsinhalt wurde. Eine besondere Erwähnung in der Vertragsurkunde war dazu nicht erforderlich (2 Ob 176/10m).

Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht Punkt VI. des Kaufvertrags. Angesichts der Zusicherung der beklagten Partei konnte dieser Vertragspunkt redlicherweise nur in dem Sinne verstanden werden, dass das darin erwähnte Mietverhältnis mit dem Tod der derzeitigen Wohnungsbenützer erlischt.

7. Die Zusage der beklagten Partei stimmte mit der tatsächlichen Sach- und Rechtslage nicht überein. Wie in Punkt 4. erörtert, unterliegt das von den Klägern übernommene Mietverhältnis dem Kündigungsschutz des Mietrechtsgesetzes. Die Mieterin ist nach dem Tod der Wohnungsbenützer weder verpflichtet, noch derzeit gewillt, das Mietverhältnis von sich aus zu beenden. Es ist daher keineswegs gesichert, dass die den Klägern zugesagte „freie Vermietbarkeit“ überhaupt jemals, geschweige denn in absehbarer Zeit eintreten wird.

Die Fehlvorstellung der Kläger bewirkte unter den hier maßgeblichen Umständen einen beachtlichen Geschäftsirrtum. Dieser wurde durch die beklagte Partei veranlasst, wozu es nur eines adäquat ursächlichen Verhaltens bedurfte (RIS-Justiz RS0016195), während eine absichtliche oder auch nur fahrlässige Irreführung nicht erforderlich war (RIS-Justiz RS0014921, RS0016188). Es liegen somit sämtliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung nach § 871 Abs 1 ABGB vor.

Aus diesem Grund ist die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils in der Hauptsache abzuändern.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Hat das Berufungsgericht einer Berufung stattgegeben und das erstgerichtliche Urteil abgeändert, wodurch ein gegen dieses Urteil erhobener Kostenrekurs oder eine Berufung im Kostenpunkt gegenstandslos wurde, und stellt der Oberste Gerichtshof das erstinstanzliche Urteil wieder her, so hat dieser über die Verfahrenskosten zu entscheiden (2 Ob 162/10b; 3 Ob 43/11m; RIS-Justiz RS0036069 [T1 und T4]).

Die beklagte Partei hatte mit Berufung im Kostenpunkt den uneingeschränkten Kostenzuspruch an die lediglich mit ihrem Eventualbegehren obsiegenden Kläger gerügt. Richtigerweise wäre mit Kostenaufhebung vorzugehen gewesen. Dem ist zuzustimmen:

Unterliegt der Kläger mit seinem Hauptbegehren, obsiegt er aber mit dem Eventualbegehren, sind ihm nur dann nach § 43 Abs 2 ZPO die gesamten Kosten zuzusprechen, wenn der Verfahrensaufwand, der zur Prüfung der Berechtigung des Hauptbegehrens erforderlich war, auch für die Beurteilung des Eventualbegehrens verwertet werden konnte, die materiellrechtliche Grundlage ident war und mit dem Eventualbegehren annähernd der gleiche wirtschaftliche Erfolg wie bei Stattgebung des Hauptbegehrens erreicht wurde (2 Ob 230/10b; RIS-Justiz RS0110839, RS0109703 [T1, T2 und T3]; vgl auch Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 117).

Das erste dieser Kriterien trifft hier nicht zu. Für die Beurteilung des Eventualbegehrens hätte es nur eines deutlich geringeren Verfahrensaufwands bedurft, weshalb von gleichteiligem Obsiegen auszugehen ist und die Verfahrenskosten erster Instanz die Pauschal-, Zeugen- und Sachverständigengebühren ausgenommen gegeneinander aufzuheben sind. In die Kostenentscheidung waren auch die (nur) von der klagenden Partei mit Ergänzungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ZPO verzeichneten Sachverständigengebühren einzubeziehen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ² II/1 § 54 Rz 17). Entgegen der in ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag geäußerten Ansicht der beklagten Partei wurde die vierwöchige Notfrist des § 54 Abs 2 ZPO durch die verhandlungsfreie Zeit verlängert (§ 225 Abs 1 ZPO aF), sodass der gegen die Rechtzeitigkeit des Ergänzungsantrags erhobene Einwand jedenfalls unberechtigt ist. Die Kosten dieses und des weiteren Ergänzungsantrags sowie der hierzu erstatteten Äußerungen werden im Übrigen von der Kostenaufhebung erfasst. Einen Kostenrekurs hat die klagende Partei abermals entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht erhoben.

Im Rechtsmittelverfahren, in dem nur noch das Eventualbegehren Entscheidungsgegenstand war, haben die Kläger zur Gänze obsiegt, weshalb ihnen insoweit voller Kostenersatz gebührt. Der Erhöhungsbeitrag für die Revision beträgt lediglich 1,80 EUR (§ 23a RATG).

Rechtssätze
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