Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 2016, Zl. L520 2123983-1/6E, betreffend ersatzlose Behebung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot (mitbeteiligte Partei: B K, geboren am 27. März 1978, zuletzt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 7. März 2016 wurde dem Mitbeteiligten, einem türkischen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Im Hinblick auf eine rechtskräftige Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wurde außerdem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 21. März 2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte unter anderem vor, dass bei einer Abschiebung in die Türkei eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK erfolgen würde.
3 Dementsprechend hatte er schon mit Antrag vom 17. März 2016, beim BFA eingelangt am 23. März 2016, die Zuerkennung von internationalem Schutz begehrt.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 8. April 2016 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und behob den Bescheid des BFA vom 7. März 2016 "gem. § 28 Abs. 5 VwGVG". Begründend führte es aus, dass im vorliegenden Fall - wie aus § 10 Abs. 1 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 FPG hervorgehe - eine Rückkehrentscheidung nur gemeinsam mit dem den Antrag auf internationalen Schutz erledigenden Bescheid zulässig sei. Der Mitbeteiligte habe am 17. März 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Damit sei das Verfahren über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Nachhinein unzulässig geworden. Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei erst zusammen mit dem über den Antrag auf internationalen Schutz ergehenden Bescheid zu entscheiden. Da die weiteren Spruchpunkte das Vorhandensein einer Rückkehrentscheidung voraussetzten, sei der Bescheid des BFA zur Gänze zu beheben gewesen.
5 Zur Heranziehung des § 28 Abs. 5 VwGVG als verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufhebung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, diese Bestimmung stelle einen eigenen Tatbestand dar, welcher das Gericht ermächtige, angefochtene Bescheide durch Erkenntnis zu beheben. Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handle es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides. Die Regelung entspreche im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
7 1. Entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden - Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG sieht das BFA eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG insbesondere darin, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Auswirkungen eines Antrages auf internationalen Schutz auf ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren fehle.
8 Dies trifft zu, weshalb sich die Revision als zulässig erweist.
9 2. § 10 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Fassung des Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetzes - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) lautet auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,