JudikaturJustiz9Ob59/12k

9Ob59/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Fischer, Walla Matt Rechtsanwälte OG in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH Co KG und 2. M***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 8.594,72 EUR sA (Revisionsinteresse: 2.674,37 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 13. September 2012, GZ 4 R 210/12d 48, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 8. Mai 2012, GZ 13 C 159/10d 42, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Hinsichtlich der Revision der erstbeklagten Partei werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

II. Der Revision der zweitbeklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich des Ausspruchs, dass die Klageforderung gegenüber beiden beklagten Parteien in Höhe von 6.654,10 EUR zu Recht besteht sowie im Umfang eines Zuspruchs von 3.979,73 EUR sA und der Abweisung eines Mehrbegehrens von 1.940,62 EUR sA gegenüber beiden beklagten Parteien als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleiben, werden im Umfang der Entscheidung über die geltend gemachten Gegenforderungen dahin abgeändert, dass sie betreffend die zweitbeklagte Partei lauten:

„Die Klageforderung besteht mit 6.654,10 EUR zu Recht.

Die Gegenforderungen bestehen in Höhe von 2.674,37 EUR zu Recht.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 3.979,73 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15. 8. 2009 und aus 2.362,18 EUR vom 20. 7. 2009 bis 14. 8. 2009 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die zweitbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 4.614,99 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 20. 7. 2009 zu bezahlen, wird abgewiesen.“

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 763,99 EUR (darin enthalten 54,62 EUR USt und 436,29 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 461,16 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 40,30 EUR USt und 219,38 EUR Pauschalgebühr) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Hingegen ist die zweitbeklagte Partei schuldig, der klagenden Partei die mit 284,90 EUR bestimmten Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens (anteilige Pauschalgebühr) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 383,62 EUR (darin enthalten 34,24 EUR USt und 178,20 EUR anteilige Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Über das Vermögen der Erstbeklagten wurde mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom ***** Juni 2013, also nach Vorlage des Akts mit einer ordentlichen Revision der Beklagten an den Obersten Gerichtshof, zu ***** das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Damit werden gemäß § 7 Abs 1 IO alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen die Schuldnerin Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten Streitigkeiten, durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen, und zwar auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RIS Justiz RS0036996 uva). Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebrachte Rechtsmittel sind nicht zurückzuweisen, allerdings ist eine Entscheidung darüber insoweit unzulässig (vgl RIS Justiz RS0036996). Wird also nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof über das Vermögen einer Partei das Insolvenzverfahren eröffnet und betrifft dies ein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen, so ist während des gemäß § 7 Abs 1 IO ex lege unterbrochenen Verfahrens über das Rechtsmittel nicht zu entscheiden, sondern sind vielmehr die Akten unerledigt dem Gericht zurückzustellen (RIS Justiz RS0036752 mwN). Dies trifft hier für die Erstbeklagte zu, ohne dass sich dies auf die Zweitbeklagte erstrecken würde (vgl dazu auch RIS Justiz RS0035447), was auch für die im Revisionsverfahren allein noch zu behandelnden, auch von der Zweitbeklagten gegen die Klageforderung eingewendeten Gegenforderungen gilt (§§ 11, 13 ZPO).

II. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten, die ein Metallbauunternehmen betrieb und bei einem Bauprojekt im Jahr 2008 mit der Durchführung der gesamten Metallarbeiten beauftragt wurde. Mit Schluss und Gegenschlussbrief vom 9. 5. 2008 beauftragte die Erstbeklagte ihrerseits den Kläger mit der Durchführung der dabei anfallenden Montagearbeiten der Aluminiumfassaden sowie der Fenster /Türelemente zu einem Pauschalpreis von 175.000 EUR. Die Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistungen durch den Kläger erstreckte sich vom Spätsommer 2008 bis etwa Mai 2009. Der Kläger legte nach 10 Teilrechnungen über jeweils 15.000 EUR am 9. 5. 2009 eine „Endrechnung“ über 25.000 EUR netto mit dem Hinweis „Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs 1 lit a UStG“ (Beil./K). Infolge von Einwänden der Erstbeklagten und einer Zahlung ergab sich schließlich eine offene Restforderung des Klägers auf die Gesamtabrechnung in Höhe von 12.058,49 EUR.

Mit der am 17. 8. 2009 zur AZ 20 C 248/09t des Erstgerichts eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Zahlung eines offenen Rechnungsbetrags in Höhe von 9.105,77 EUR an Werklohn. Die Beklagten wurden in diesem Verfahren mit Urteil des Erstgerichts vom 20. 11. 2009 zur Zahlung dieses Betrags sowie der Verfahrenskosten (zur ungeteilten Hand) verpflichtet. Sie haben zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt sowohl den zugesprochenen Betrag als auch die Verfahrenskosten unstrittig an den Kläger bezahlt.

Im Rahmen des Bauprojekts beauftragte die Erstbeklagte den Kläger auch mit der Durchführung von Verfugungsarbeiten an den Erkern. Diesen Auftrag gab der Kläger an einen Subunternehmer weiter, der dafür dem Kläger mit Rechnung vom 7. 7. 2009 den Betrag von 6.944 EUR in Rechnung stellte; vereinbart war der Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs 1a UStG.

Am 17. 8. 2010 wurde über das Vermögen des Klägers das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dieses Verfahren wurde mit Eintritt der Rechtskraft eines Zahlungsplans am 25. 1. 2011 wieder aufgehoben.

Mit Schreiben vom 6. 6. 2011 forderte die Vorarlberger Gebietskrankenkasse (in weiterer Folge: Gebietskrankenkasse) die Erstbeklagte auf, gemäß § 67a ASVG einen Haftungsbetrag von 20 % des geleisteten Werklohns von 9.105,77 EUR, daher in Höhe von 1.821,15 EUR zu bezahlen. Diesen Betrag bezahlte die Erstbeklagte am 20. 6. 2011. Der Kläger, der mittlerweile unselbständig tätig ist, schien zu keinem Zeitpunkt in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU Gesamtliste) auf.

Der Kläger begehrte im vorliegenden Verfahren zuletzt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung des restlichen (im Vorverfahren irrtümlich noch nicht geltend gemachten) Werklohns von 2.952,72 EUR sowie von 5.642 EUR an Werklohn aus der weiteren Vereinbarung mit der Erstbeklagten über die Durchführung von Verfugungsarbeiten an den Erkern im Rahmen des bereits genannten Bauprojekts.

Die Zweitbeklagte wandte dagegen ua soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung zwei Gegenforderungen im Weg der Aufrechnung ein. Der Kläger sei als Unternehmer im Vorverfahren hinsichtlich der Verfahrenskosten vorsteuerabzugsberechtigt gewesen. Er sei daher verpflichtet, den sich aus den Kostenzusprüchen in jenem Verfahren ergebenden Umsatzsteuerbetrag von gesamt 853,22 EUR (718,49 EUR [erste Instanz] und 134,73 EUR [zweite Instanz]) gemäß Art XII Z 3 EGUStG 1972 an die Beklagten zu refundieren. Sollte der Kläger die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs schuldhaft unterlassen haben, sei der Zweitbeklagten in dieser Höhe ein Schadenersatzanspruch entstanden. Darüber hinaus sei der Kläger verpflichtet, den Betrag von 1.821,15 EUR, den die Erstbeklagte gemäß § 67a ASVG an die Gebietskrankenkasse gezahlt habe, zurückzuzahlen. Er sei in diesem Umfang bereichert, überdies sei der Zweitbeklagten ein Schadenersatzanspruch in dieser Höhe entstanden, weil der Kläger sie schuldhaft und rechtswidrig nicht darüber informiert habe, dass er nicht in der HFU Gesamtliste eingetragen sei.

Der Kläger bestritt die geltend gemachten Gegenforderungen. Er sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, weil er im Zeitpunkt der Zahlung der Verfahrenskosten durch die Beklagten nicht mehr Unternehmer gewesen sei. Die Erstbeklagte hätte eine Haftung gegenüber der Gebietskrankenkasse vermeiden können, wenn sie den Betrag von 1.821,15 EUR gemäß § 67c ASVG direkt an das Dienstleistungszentrum bezahlt hätte; dass dies unterblieben sei, hätte sie sich selbst zuzurechnen. Eine Vorgangsweise gemäß § 67c ASVG hätte zur Folge gehabt, dass die von der Gebietskrankenkasse im Schuldenregulierungsverfahren angemeldete Forderung geringer gewesen wäre, sodass der Kläger auch nicht bereichert sei.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 5.990,98 EUR und die eingewendete Gegenforderung in Höhe von 1.821,15 EUR zu Recht bestehen. Es sprach dem Kläger 4.169,83 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren in Höhe von 4.424,89 EUR sA ab. Zu den im Revisionsverfahren allein noch zu behandelnden Gegenforderungen der Beklagten führte es aus, dass die aus der Zahlung an die Gebietskrankenkasse resultierende Gegenforderung von 1.821,15 EUR den Beklagten zustehe. Hingegen sei die Problematik des Vorsteuerabzugs nicht von den Gerichten zu prüfen, sodass die aus diesem Titel geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufungen beider Parteien ab. Es erkannte die Klageforderung in Höhe von 6.654,10 EUR als zu Recht bestehend, hingegen die Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend. Es sprach dem Kläger daher 6.654,10 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren von 1.940,62 EUR sA ab.

Grundvoraussetzung für den Rückforderungsan-spruch gemäß Art XII EGUStG 1972 sei die Unternehmereigenschaft des zum Rückersatz Verpflichteten. Bereits aus dem Vorverfahren ergebe sich jedoch, dass der Kläger, der mittlerweile unselbständig tätig sei, als Privatperson gehandelt habe. Dass die Beklagten die Kosten vor dem 19. 8. 2010 bezahlt hätten, sei nicht behauptet worden: Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch bereits das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden, was nur bei Aufgabe des Geschäftsbetriebs und der Unternehmereigenschaft möglich sei.

§ 67a ASVG sei zwar anzuwenden, die von der Gebietskrankenkasse gegenüber den Beklagten geltend gemachte Haftung beziehe sich aber auf eine Forderung gegen den Kläger aus der Zeit seiner unternehmerischen Tätigkeit. Diese Forderung sei daher vor dem Inkrafttreten des § 67a ASVG mit 1. 9. 2009 entstanden und hätte daher vom Krankenversicherungsträger grundsätzlich im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Klägers als bedingte Forderung angemeldet werden müssen. Auch wenn die Gebietskrankenkasse von § 67a ASVG Gebrauch gemacht habe und den Haftungsbeitrag von den Beklagten zu einer Zeit gefordert habe, als das Schuldenregulierungsverfahren bereits wieder aufgehoben gewesen sei, so könne der Haftungsbeitrag kein anderes Schicksal haben, als die zu Grunde liegende Forderung. Analog einer im Schuldenregulierungsverfahren bei der Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldeten Forderung hätten die Beklagten daher Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese den Einkommens und Vermögensverhältnissen des Klägers entspricht, worüber das Konkursgericht gemäß § 197 Abs 2 IO über Antrag zu entscheiden habe. Die Beklagten hätten im Verfahren allerdings nicht einmal behauptet, einen solchen Antrag gestellt zu haben, sodass die aus diesem Titel eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Über Antrag der Beklagten ließ das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 67a ASVG insbesondere darüber fehle, ob eine derartige Ersatzforderung der Beklagten im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Klägers als bedingte Forderung angemeldet hätte werden müssen.

Gegen diese Entscheidung, und zwar nur hinsichtlich der geltend gemachten Gegenforderungen, richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Zweitbeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Zum Rückersatzanspruch gemäß Art XII Z 3 EGUStG 1972:

1.1 Das Gericht hat bei der Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die Umsatzsteuer, die aus dem Titel des Schadenersatzes, der Bereicherung, der Verwendung oder des Prozesskostenersatzes begehrt wird, nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Weg des Vorsteuerabzugs vergütet erhalten könnte (RIS Justiz RS0038172). Die in einem Gerichtsverfahren obsiegende Partei hat daher auch dann Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten einschließlich der Umsatzsteuer, wenn sie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Steht ihr das Recht auf Vorsteuerabzug zu, so hat die unterlegene Partei für die vorher ersetzte Umsatzsteuer allerdings einen Rückersatzanspruch gemäß Art XII Z 3 EGUStG 1972 und kann diesen in einem gesonderten Rückersatzprozess geltend machen (RIS Justiz RS0037844; RS0030251), weil es sich beim Ersatz von Prozesskosten umsatzsteuerrechtlich um echten nicht steuerbaren Schadenersatz handelt (vgl Rz 9 UStRL 2000; Wieland in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig , UStG ON 2.03 § 1 UStG Rz 251 mwH; VwGH 94/14/0037): Diese Bestimmung ist daher auch auf den hier im Rahmen einer gerichtlich geltend gemachten Gegenforderung behaupteten Rückersatzanspruch der Zweitbeklagten anzuwenden (vgl 7 Ob 21/09b).

1.2 Bei Art XII Z 3 EGUStG 1972 handelt es sich um eine Bestimmung bürgerlich rechtlicher Natur (2 Ob 148/12x; RIS Justiz RS0075909). Die in einem Rechtsstreit über den Rückersatzanspruch gemäß Art XII Z 3 EGUStG 1972 auftretenden strittigen steuerrechtlichen Vorfragen hat daher das Gericht zu lösen (ähnlich zur Rechnungslegungspflicht gemäß § 11 Abs 1 UStG 2 Ob 115/07m mwH; RIS Justiz RS0045702; vgl auch 4 Ob 139/10k).

Der Oberste Gerichtshof hat in Steuersachen grundsätzlich keine Leitfunktion (RIS Justiz RS0113455). Vorfragen aus diesem Rechtsgebiet hat er demnach nur zu entscheiden, wenn den Vorinstanzen eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RIS Justiz RS0123321), was hier der Fall ist.

1.3 Für das Entstehen des Rückersatzanspruchs kommt es nicht darauf an, ob der Geschädigte von der Vorsteuerabzugsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch macht, sondern nur darauf, ob er dazu abstrakt berechtigt wäre (RIS Justiz RS0037884; 7 Ob 21/09b). Die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung ist nach § 12 UStG 1994 zu beurteilen. Voraussetzung der Berechtigung zum

Vorsteuerabzug ist ua die umsatzsteuerliche

Unternehmereigenschaft iSd § 2 Abs 1 UStG 1994 sowohl des Erbringers als auch des Empfängers der Lieferung oder sonstigen Leistung, wobei die

Unternehmereigenschaft im Zeitpunkt der (Beendigung der) Leistung gegeben sein muss (VwGH 2001/13/0302; Ruppe/Achatz , UStG 4 § 12 Tz 24; Schuchter/Kollmann in Melhardt/Tumpel , UStG § 12 Rz 11).

1.4 Dass der Kläger sowohl im Vorverfahren als auch in diesem Verfahren Werklohnforderungen aus einer unternehmerischen Tätigkeit iSd § 2 UStG 1994 geltend macht, ergibt sich bereits aus seinem Vorbringen. So hat der Kläger beispielsweise sein Zinsenbegehren in beiden Verfahren auf ein „beiderseitiges unternehmensbezogenes Geschäft“ gestützt. Der Kläger bestreitet auch gar nicht, dass diese Unternehmereigenschaft ursprünglich vorlag, hat er doch vorgebracht, dass er seit etwa Mai 2010 seine Gewerbeberechtigung ruhend gestellt habe und seither unselbständig tätig sei. Im Zeitpunkt der Kostenzahlung habe seine Unternehmereigenschaft nicht mehr bestanden.

1.5 Dem hält die Zweitbeklagte jedoch zutreffend entgegen, dass die Unternehmereigenschaft iSd § 2 UStG 1994 nicht mit der Beendigung der Leistungserstellung und auch nicht mit der Auflösung einer Gesellschaft oder deren Löschung im Firmenbuch endet, sondern erst dann, wenn die Tätigkeiten, die das wirtschaftliche Erscheinungsbild des Unternehmens ausgemacht haben, vollständig abgewickelt sind. Zur Unternehmenssphäre gehören daher etwa auch nachträgliche Einnahmen und Ausgaben, die sich auf die unternehmerische Tätigkeit beziehen. Auch nach Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit kann daher ein Leistungsbezug noch das Unternehmen betreffen und zum Vorsteuerabzug berechtigen (VwGH 2006/15/0020; EuGH Rs C 32/03, I/S Fini H ; Ruppe/Achatz UStG 4 § 2 Tz 142; Windsteig in Melhardt/Tumpel , UStG § 2 Rz 136 ff; Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth Kristen/Wakounig , UStG ON² § 2 Rz 130 ff). Wenn ein Unternehmer wie hier der Kläger seine Unternehmenstätigkeit beendet hat, steht ihm das Recht des Abzugs von Vorsteuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen für sein Unternehmen bzw dessen Abwicklung auch noch in einem Veranlagungs (Voranmeldungs-)zeitraum zu, in dem er keine Umsätze mehr bewirkt ( Ruppe/Achatz UStG 4 § 12 Tz 24 aE; Pernegger , Umsatzsteuer RL Kommentar 2013 § 12 Rz 1806).

1.6 Auf den vom Kläger geltend gemachten Umstand, er sei zum Zeitpunkt der Zahlung der Verfahrenskosten im Vorverfahren durch die Beklagten nicht mehr Unternehmer gewesen, kommt es daher vor dem Hintergrund der dargestellten Lehre und Rechtsprechung für die Beurteilung der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs gemäß § 12 UStG 1994 nicht an. Andere Einwendungen gegen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug insbesondere bezogen auf die weiteren Voraussetzungen des § 12 UStG 1994 hat der Kläger nicht geltend gemacht. Dass die im Vorverfahren entstandenen Verfahrenskosten der Durchsetzung einer Werklohnforderung des Klägers aus seiner (früheren) unternehmerischen Tätigkeit dienten, hat der Kläger nicht bestritten. Ausgehend davon bezog sich aber die Zahlung der Kosten des Vorverfahrens durch die Beklagten unzweifelhaft auf die unternehmerische Tätigkeit des Klägers, sodass die Möglichkeit zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nach den dargelegten Grundsätzen bestand. Die aus diesem Titel geltend gemachte Gegenforderung erweist sich daher als berechtigt.

2. Zum Regressanspruch gemäß § 67a ASVG:

2.1 Wird die Erbringung von Bauleistungen nach § 19 Abs 1a UStG 1994 von einem Unternehmen (Auftrag gebendes Unternehmen) an ein anderes Unternehmen (beauftragtes Unternehmen) ganz oder teilweise weitergegeben, so haftet das Auftrag gebende Unternehmen gemäß § 67a Abs 1 ASVG für alle Beiträge und Umlagen (§ 58 Abs 6 ASVG), die das beauftragte Unternehmen an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat oder für die es nach dieser Bestimmung haftet. Die Haftung besteht bis zum Höchstausmaß von 20 % des geleisteten Werklohns, wenn nicht einer der in § 67a Abs 3 ASVG geregelten Befreiungsgründe verwirklicht ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Bestimmung des § 67a ASVG mit 1. 9. 2009 in Kraft trat (AuftraggeberInnen Haftungsgesetz BGBl I 2008/91; vgl § 635 Abs 1 ASVG, VO des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, BGBl II 2009/216). Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Beklagten den im Vorverfahren dem Kläger zuerkannten Werklohn von 9.105,77 EUR erst nach diesem Zeitpunkt bezahlt haben. Auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Vorschreibung des Haftungsbetrags am 6. 6. 2011 gemäß § 67a Abs 1 ASVG erfolgte, sodass davon auszugehen ist, dass der Kläger als von den Beklagten beauftragtes Unternehmen nicht alle geschuldeten Beiträge und Umlagen gemäß § 58 Abs 6 ASVG an die österreichische Krankenversicherung abgeführt hat, wird im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt.

2.2 Die Haftung kann gemäß § 67a Abs 2 Satz 3 ASVG gegenüber dem Auftrag gebenden Unternehmen erst geltend gemacht werden, wenn zur Hereinbringung der Beiträge und Umlagen erfolglos Exekution geführt wurde oder bezüglich des beauftragten Unternehmens ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt. Sie ist vom Gesetzgeber als Ausfallhaftung konzipiert. Wer aus der Haftung nach § 67a ASVG zahlt, hat grundsätzlich einen Regressanspruch gegen den Beitragsschuldner ( Krejci , Zur Beitragsmithaftung des Bauauftraggebers [§§ 67a ff ASVG], in Windisch Graetz , Haftungsrechtliche Probleme im Sozialrecht, 101 [122]; Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil , SV Komm § 67a Rz 42). Dieser Regressanspruch entsteht nach der Rechtsprechung erst mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung (6 Ob 237/04b; RIS Justiz RS0032266; RS0028394; RS0017390; vgl Gamerith in Rummel³ § 896 Rz 2). Daher ist der hier von der Zweitbeklagten geltend gemachte Regressanspruch im konkreten Fall erst mit der Zahlung an die Gebietskrankenkasse am 20. 6. 2011 entstanden. Da zu diesem Zeitpunkt das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Klägers bereits beendet war, kommt den Überlegungen des Berufungsgerichts zur Anmeldung dieser Forderung im Konkursverfahren und zu § 197 IO [KO] keine Bedeutung zu. Auf die Ausführungen der Zweitbeklagten in der Revision über Zeitpunkt und Wirksamkeit einer außergerichtlichen Aufrechnung ist schon deshalb nicht einzugehen, weil eine solche gar nicht behauptet wurde.

2.3 Der Kläger hält dieser Gegenforderung auch im Revisionsverfahren im Wesentlichen entgegen, dass die Beklagten in seinem auch das Schuldenregulierungs-verfahren betreffenden Interesse verpflichtet gewesen wären, von der Möglichkeit der Haftungsbefreiung gemäß § 67a Abs 3 Z 2 ASVG Gebrauch zu machen. Dieser Einwand ist nicht stichhältig. Richtig ist, dass gemäß § 67a Abs 3 Z 2 ASVG die Haftung nach § 67a Abs 1 ASVG entfällt, wenn das Auftrag gebende Unternehmen 20 % des zu leistenden Werklohns (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohns an das Dienstleistungszentrum (§ 67c ASVG) überweist. Damit räumt das Gesetz dem Auftrag gebenden Unternehmen aber nur die Möglichkeit der Haftungsbefreiung ein. Es normiert hingegen keine Pflicht zur Leistung des Haftungsbetrags an das Dienstleistungszentrum, sondern lediglich eine Obliegenheit ( Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil , SV Komm § 67a Rz 57). Daher kommt auch dem weiteren Argument des Klägers, die Beklagten hätten ihm eine „potentielle Überzahlung“ geleistet, die sie als bedingte Forderung im Schuldenregulierungsverfahren anmelden hätten müssen, keine Berechtigung zu.

Ausgehend davon erweist sich somit auch die aus dem Titel der Regressforderung nach § 67a ASVG von der Zweitbeklagten geltend gemachte Gegenforderung in Höhe von 1.821,15 EUR als berechtigt, sodass der Revision Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz beruht auf den §§ 41, 43 Abs 1 und 46 Abs 2 ZPO. Der Streitwert im ersten Verfahrensabschnitt betrug 6.944 EUR. Dieser Abschnitt dauerte bis zur Ausdehnung des Klagebegehrens auf 8.595,58 EUR sA, die erst mit dem Vortrag in der Verhandlung am 15. 12. 2012 wirksam wurde (RIS Justiz RS0034965). Daher gebühren dem Kläger auch Kosten für den Schriftsatz vom 11. 10. 2011 nur auf Basis des Streitwerts von 6.944 EUR.

Im ersten Verfahrensabschnitt obsiegte der Kläger mit rund 57 % seiner Forderung, sodass ihm 14 % der Kosten und 57 % der Barauslagen zuzuerkennen sind, für die die Zweitbeklagte ebenso wie in der Hauptsache solidarisch mit der Erstbeklagten haftet ( Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 333). Zu diesen Barauslagen gehört hier die gesamte Pauschalgebühr, da diese bereits mit der Überreichung des Schriftsatzes vom 11. 10. 2011, mit dem das Klagebegehren vorübergehend auf 8.005,04 EUR ausgedehnt wurde, gemäß § 2 lit b GGG fällig wurde.

Den nur Leistungen im ersten Verfahrensabschnitt betreffenden Einwendungen der Beklagten gegen das Kostenverzeichnis des Klägers kommt nur teilweise Berechtigung zu. Die Anzeige des Vollmachtswechsels vom 26. 5. 2010 diene entgegen der in den Einwendungen der Beklagten vertretenen Rechtsansicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 36 Abs 1 ZPO, Obermaier aaO Rz 239) und war daher wie verzeichnet gemäß TP 1 RATG zu honorieren. Der Schriftsatz vom 9. 3. 2011 enthielt nicht bloß eine Mitteilung sondern diente auch der Erklärung der Rückziehung eines Verfahrenshilfeantrags, sodass er wie verzeichnet gemäß TP 2 RATG zu honorieren ist. Die „Richtigstellung“ des Klagebegehrens mit eigenem Schriftsatz vom 17. 10. 2011 diente hingegen nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil die Ausdehnung des Klagebegehrens ohnehin in der darauf folgenden Verhandlung am 15. 12. 2011 erfolgen konnte, was auch (nach neuerlicher Korrektur) geschah.

Im zweiten Verfahrensabschnitt (ab der Verhandlung vom 15. 12. 2011) drang der Kläger im Wesentlichen mit der Hälfte seines (in der Verhandlung vom 28. 3. 2012 geringfügig auf 8.594,72 EUR eingeschränkten) Begehrens durch, sodass mit Kostenaufhebung vorzugehen war. Die Zweitbeklagte hat dem Kläger die Hälfte der ihm am 15. 12. 2011 entstandenen Zeugengebühren von 30 EUR zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 41, 43 Abs 1, 46 Abs 2 und 50 ZPO. Ausgehend von seinem Berufungsinteresse drang der Kläger im Berufungsverfahren mit rund der Hälfte seiner Forderung durch, sodass Kostenaufhebung die Folge ist und die Zweitbeklagte die Hälfte der vom Kläger verzeichneten Pauschalgebühren zu ersetzen hat. Die Beklagten drangen mit ihrer Berufung hingegen mit rund 77 % ihres Interesses durch, sodass der Kläger 54 % der Kosten des Berufungsverfahrens und 77 % der Barauslagen zu ersetzen hat. Da beide Beklagte durch einen Anwalt im Verfahren vertreten waren, wird gegenüber dem Kläger angenommen, dass jede von ihnen ihrem Vertreter die Hälfte der Kosten zu bezahlen hat, sodass der Kläger gegenüber der Zweitbeklagten nur zur Bezahlung der Hälfte der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet ist (RIS Justiz RS0036216). Im Hinblick darauf, dass die Berufung der Beklagten zumindest teilweise erfolgreich war, weshalb die erstgerichtliche Kostenentscheidung zwingend aufzuheben war, sind Kosten des mit der Berufung der Beklagten verbundenen Kostenrekurses nicht zu ersetzen (vgl RIS Justiz RS0087844). Für eine Rechtsmittelschrift gebührt ein

ERV Zuschlag lediglich in Höhe von 1,80 EUR (RIS Justiz RS0126594).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens, in dem die Zweitbeklagte mit ihrem Rechtsstandpunkt zur Gänze durchdrang, beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei der Zweitbeklagten ausgehend von denselben, vorstehend erörterten Grundsätzen wiederum die Hälfte dieser Kosten zuzuerkennen war. Auch für die Revision gebührt nur ein ERV Zuschlag von 1,80 EUR.

Rechtssätze
16