JudikaturJustiz3Ob111/07f

3Ob111/07f – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte S*****, vertreten durch Dr. Klaus Gürtler, Rechtsanwalt in Hall, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am 25. Juni 2005 verstorbenen Franz R*****, vertreten durch den erbserklärten Erben Thomas R*****, vertreten durch Dr. Thomas Treichl u.a. Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Feststellung, Einwilligung zur Einverleibung eines Eigentumsrechts und Duldung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. März 2007, GZ 1 R 39/07f-30, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 14. November 2006, GZ 41 Cg 101/05d-26, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und der während des Verfahrens verstorbene Beklagte sind die Kinder der am 29. September 2004 verstorbenen Maria R***** (im Folgenden nur Erblasserin), die Eigentümerin eines 5/8 Anteils einer Liegenschaft war. Die Erblasserin hatte mit ihrem 1. Testament vom 1. März 1978 die Klägerin zur Universalerbin eingesetzt, mit ihrem 2. Testament vom 25. Mai 2000 aber den Beklagten. Mit Schenkungsvertrag vom 26. Mai 2000 hatte sie ihre Liegenschaftsanteile dem Beklagten, der zuvor schon Eigentümer von 3/8 Anteilen der Liegenschaft war, geschenkt. Das Eigentumsrecht des Beklagten wurde verbüchert. Er übergab mit Übergabsvertrag vom 22. Dezember 2004 die Liegenschaft seinem Sohn, dessen Eigentumsrecht im Grundbuch einverleibt wurde. Dieser Sohn vertritt die nunmehr beklagte Verlassenschaft nach Franz R*****.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Maria R***** (AZ 9 A 450/04a des BG Kufstein) gab die Klägerin eine bedingte Erbserklärung ab, die zu Gericht angenommen wurde. In der Abhandlungstagsatzung vom 3. März 2005 wurde ein Inventar mit Aktiva von 9.339,50 EUR und Passiva von 21.217,94 EUR errichtet. Die Klägerin gab zu Protokoll, dass sowohl das Testament vom 25. Mai 2000 als auch der Schenkungsvertrag vom 26. Mai 2000 wegen Testier- und Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin unwirksam seien. Der Beklagte erklärte angesichts der Überschuldung des Nachlasses, keine Erbserklärung abzugeben, fügte aber ausdrücklich hinzu, „sich die Abgabe der Erbserklärung aufgrund des Testaments vom 25. 5. 2000 als Universalerbe vorzubehalten". Die Parteien stellten in der Abhandlungstagsatzung den Antrag auf kridamäßige Verteilung des Nachlasses, die mit Beschluss des Abhandlungsgerichts vom 20. April 2005, GZ 9 A 450/04a-13, antragsgemäß beschlossen wurde. Die Verlaßsache wurde für beendet erklärt.

Mit ihrer am 23. Mai 2005 beim Erstgericht eingelangten Klage beantragte die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit des 2. Testaments vom 25. Mai 2000 und des Schenkungsvertrags vom 26. Mai 2000, die „Herausgabe" eines Hälfteanteils an der Liegenschaft und die Verurteilung des Beklagten zur Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin am Miteigentumsanteil sowie zur Einräumung der alleinigen Benützung der im ersten Stock des Hauses gelegenen Wohnung. Mit ihrem Eventualbegehren begehrte die Klägerin die Leistung einen Schenkungspflichtteil von 53.280,39 EUR s.A. Die Klägerin steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass das spätere Testament und der Schenkungsvertrag wegen fortgeschrittener Demenz der Erblasserin ungültig seien. Dies sei dem Beklagten bekannt gewesen. Er habe in unredlicher Weise die Liegenschaft seinem Sohn übergeben. Dieser habe nicht gutgläubig Eigentum erworben. Der Beklagte (in der Folge die Verlassenschaft nach dem Beklagten) berief sich auf die Gültigkeit des 2. Testaments und des Schenkungsvertrags. Ein Pflichtteilsanspruch bestehe wegen der gutgläubigen Weitergabe der Liegenschaft nicht. Das 2. Testament könne nicht angefochten werden, weil der Beklagte keine Erbserklärung abgegeben habe.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren der Klägerin wegen der festgestellten Alzheimererkrankung der Erblasserin statt. Die 5/8 Anteile an der Liegenschaft fielen in die Verlassenschaft. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies die Klagebegehren inklusive des Eventualbegehrens ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, dass in Ansehung der Anfechtung des Schenkungsvertrag das Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen sei. Die Klägerin strebe die Einbeziehung des Vermögens in die Verlassenschaft an. Hiefür genüge es, dem Verlassenschaftsgericht zu bescheinigen, dass ein nicht berücksichtigter Anspruch der Verlassenschaft wahrscheinlich bestehe. Das Verlassenschaftsgericht hätte sodann gemäß § 179 Abs 2 AußStrG 1854 die bisher unterbliebene Verlassenschaftsabhandlung einzuleiten, für die Verlassenschaft einen Kurator zu bestellen oder der (klagenden) Erbin die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, um den Anspruch auf das Nachlassvermögen geltend zu machen. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage sei kein taugliches Mittel, um eine Einbeziehung der von der Erblasserin geschenkten Liegenschaftsanteile zu erzwingen. Ein Feststellungsurteil würde nur Rechtskraftwirkung zwischen den Streitteilen entfalten, nicht aber zwischen der Verlassenschaft und der beklagten Partei (Hinweis auf die E 4 Ob 227/01p). Auf eine allfällige Schadenersatzpflicht der beklagten Partei habe sich die Klägerin nicht berufen. Darauf könne also ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung nicht gestützt werden. In Ansehung der Anfechtung des 2. Testaments vom 25. Mai 2000 handle es sich um eine Erbrechtsklage. Auch hier müsste ein Feststellungsinteresse vorliegen. Dies sei nicht der Fall, weil der Prozessgegner bislang aufgrund des Testaments keine Erbserklärung abgegeben habe. Die Rechtsposition der Klägerin als einziger aufgrund des Testaments aus dem Jahr 1978 erbserklärter Erbin sei nicht gefährdet. Selbst bei Vorliegen widersprechender Erbserklärungen im Verlassverfahren sei eine Partei nicht berechtigt, willkürlich den Rechtsweg zu bestreiten. Eine Klageführung sei nur möglich, wenn das Verlassenschaftsgericht die Beteiligten beschlussmäßig auf den Rechtsweg verwiesen habe. Dies gelte auch für einen erbserklärten Erben.

Das Begehren auf Herausgabe der Anteile an der Liegenschaft und auf Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechts müsse daran scheitern, dass die Klägerin über keinen Rechtstitel verfüge. Die Erbserklärung der Klägerin begründe nur ein Anwartschaftsrecht auf das Eigentum an den Liegenschaftsanteilen, sollten diese in den Nachlass fallen. Erst ab der Einantwortung könnte die Klägerin als Universalsukzessorin die Einverleibung des Eigentumsrechts begehren. Eine Erbschaftsklage sei solange nicht möglich, solange das Abhandlungsverfahren nicht beendet sei. Dies sei bei einer iure crediti-Einantwortung nicht der Fall. Bei der Überlassung des Nachlassvermögens an Zahlungs statt gemäß § 73 AußStrG 1854 dauere der Zustand des ruhenden Nachlasses fort. Mangels Rechtsnachfolge sei die Klägerin nicht zur klageweisen Geltendmachung der der Erblasserin allenfalls zugestandenen Rechte legitimiert. Dies gelte auch für den Anspruch auf Benützung der Wohnung.

Das Eventualbegehren auf Zahlung eines Schenkungspflichtteils sei nicht berechtigt. Das Begehren auf Schenkungsanrechnung richte sich gemäß § 785 ABGB primär gegen den Nachlass und erst nach der Einantwortung gegen den Erben. Nur wenn sich bei einem Schenkungspflichtteil ergebe, dass dieser nicht aus dem Nachlass gedeckt werden könne, sei der Beschenkte passiv legitimiert. Für den Umstand der mangelnden Deckung treffe den Kläger die Behauptungs- und Beweislast. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht. Erst wenn feststünde, dass die Verlassenschaft nach Maria R***** den Schenkungsvertrag nicht erfolgreich anfechten könne und der Dritterwerber (der Sohn des verstorbenen Beklagten) nicht zur Herausgabe verpflichtet sei, könnte die Klägerin den Beweis erbringen, dass ihr Pflichtteilsanspruch aus dem Nachlass nicht abgedeckt werden könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand jeweils 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werde; hilfsweise wird beantragt, dem Eventualbegehren Folge zu geben. Hilfsweise wird ferner ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.

Die außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet des im Revisionsverfahren nicht strittigen Sachverhalts, dass die Erblasserin im Mai 2000 weder geschäftsfähig noch testierfähig war, fehlt der Klägerin nach der von ihr bekämpften, vom Berufungsgericht aber zutreffend herangezogenen oberstgerichtlichen Judikatur die Legitimation, ihre auf das 1. Testament vom 1. März 1978 gestützten Ansprüche außerhalb des Verlassenschaftsverfahrens geltend zu machen:

Vorauszuschicken ist, dass auf den Rechtsstreit noch die Bestimmungen des AußStrG 1854, somit idF vor der Außerstreitreform (BGBl I/2003/111) anzuwenden sind (§ 205 AußStrG idgF).

I. Der Eigentumserwerb des Erben erfolgt im Abhandlungsverfahren. Vor der Einantwortung können auch erbserklärte Erben nicht willkürlich von sich aus einen Erbsrechtsstreit einleiten. Die Beschreitung des Rechtswegs steht den Beteiligten im Verlassenschaftsverfahren nur zu, wenn sie vom Verlassenschaftsgericht beschlussmäßig auf den Rechtsweg verwiesen wurden (RIS-Justiz RS0006522; 5 Ob 221/98f mwN). Zur Anfechtung eines von einem geschäftsunfähigen Erblasser geschlossenen Vertrags ist nur die Verlassenschaft legitimiert, die durch einen Kurator oder aber auch durch den Erben vertreten werden kann, dem die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde (RIS-Justiz RS0008114; 3 Ob 15/06m). Auch der pflichtteilsberechtigte Noterbe kann ein Rechtsgeschäft des Erblassers wegen Geschäftsunfähigkeit (§ 865 ABGB) nicht selbst anfechten (RIS-Justiz RS0012219). Die Erbrechtsklage, also die negative Feststellungsklage gegen den schwächeren Erbrechtstitel (RIS-Justiz RS0110928) kann demnach nur nach einer Verteilung der Parteirollen durch das Verlassenschaftsgericht und nach beschlussmäßigem Auftrag zur Klageführung eingebracht werden.

II. Ein rechtliches Interesse an den von der Klägerin begehrten Feststellungen wurde vom Berufungsgericht im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rsp verneint:

1. Vor Einleitung einer Nachtragsabhandlung besteht noch kein rechtliches Interesse des Erben zur Anfechtung des Rechtsgeschäfts des Erblassers (so schon 4 Ob 136/63 = EvBl 1964/251), weil er in dem vom Gesetz vorgesehenen Verfahren seine Ansprüche durchsetzen kann. Von der gegenteiligen Entscheidung 4 Ob 561/94, in welcher ein Feststellungsinteresse bejaht wurde, ist der 4. Senat in seiner E 4 Ob 227/01p selbst mit der vom Berufungsgericht zitierten und zutreffenden Begründung abgegangen. Dagegen vermag die Revisionswerberin keine triftigen Gründe ins Treffen zu führen:

Die Legitimation zur Einbringung einer Feststellungsklage kann nicht schon allein mit dem Interesse an einer Klageführung begründet werden, wenn der Gegner sich eines Rechts berühmt (hier die Behauptung der beklagten Partei, das 2. Testament und der Schenkungsvertrag aus dem Jahr 2000 seien wirksam), weil zur Begründung des rechtlichen Interesses neben der Berühmung auch eine dadurch hervorgerufene Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers erforderlich ist und weiters die begehrte Feststellung das zur Beseitigung der Gefährdung geeignete Mittel sein muss (RIS-Justiz RS0039096). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, weil die Klägerin im fortzusetzenden Abhandlungsverfahren Gelegenheit hat, ihren auf die Ungültigkeit des 2. Testaments und des Schenkungsvertrags gestützten Anspruch auf Eigentumserwerb durchzusetzen.

2. Dies kann im Wege einer Nachtragsabhandlung geschehen. Entgegen dem Revisionsvorbringen handelt es sich bei der erfolgten kridamäßigen Verteilung der Aktiva der überschuldeten Verlassenschaft an die Gläubiger um eine Erledigung iSd § 73 Abs 1 AußStrG 1854, bei der nach Überlassung der Aktiva der ruhende Nachlass als Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten des Verstorbenen weiter bestehen bleibt (RIS-Justiz RS0007687, RS0103726), sodass nur dieser - wie ausgeführt - zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen legitimiert und die Bestellung eines Nachlasskurators noch möglich ist.

3. Schließlich kann die Revisionswerberin nicht ins Treffen führen, dass bei materiellrechtlichen Feststellungsklagen kein rechtliches Interesse nachgewiesen werden müsse. Dies gilt zwar grundsätzlich und ebenso wie für Rechtsgestaltungsklagen, setzt aber eine Anfechtung inter partes (zwischen den Vertragsparteien) voraus. Bei der Anfechtung eines fremden Vertrags durch Dritte haben diese ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Geschäftsunfähigkeit) nachzuweisen (RIS-Justiz RS0014654). Dass ein solches Interesse dem Erben fehlt, weil er im Abhandlungsverfahren seinen Anspruch durchsetzen kann und muss, wurde schon erläutert.

III. Auch die Abweisung des auf das Pflichtteilsrecht (§§ 762 ff und § 951 ABGB) gestützte Eventualbegehren erfolgte im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur:

Der Pflichtteil ist gegenüber dem Nachlass bzw. dem eingeantworteten Erben geltend zu machen (7 Ob 135/00d mwN u.a.; RIS-Justiz RS0012848). Ein Direktanspruch gegen den Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils (§ 951 Abs 1 ABGB) setzt voraus, dass der Pflichtteil im Nachlass keine Deckung findet (RIS-Justiz RS0012941, RS0012963). Dann kann der Übernehmer (Beschenkte) vom übergangenen Pflichtteilsberechtigten unmittelbar geklagt werden (RIS-Justiz RS0012893). Nach den Klagebehauptungen und den getroffenen Feststellungen fallen die vermögenswerten Liegenschaftsanteile in die Verlassenschaft, sodass die Voraussetzung für die Haftung des Beschenkten, nämlich die fehlende Deckung des Pflichtteils im Nachlass, hier einer Sachverhaltsgrundlage entbehrt. Unschlüssig ist schließlich der Hinweis der Revisionswerberin auf den Zeitpunkt des Todes des Geschenkgebers als Beginn der Verjährungsfrist für den Anspruch nach § 951 ABGB. Dieser Fristbeginn entspricht zwar der oberstgerichtlichen Rsp (RIS-Justiz RS0034357), ändert aber nichts daran, dass die verkürzte Klägerin die fehlende Nachlassdeckung nachzuweisen hätte. Bei dem von ihr behaupteten Wert der Liegenschaft (360.000 EUR) fielen 5/8 Anteile der Erblasserin in den Nachlass. Bei einer derartigen Erhöhung der Nachlassaktiva wäre der begehrte Pflichtteil im Nachlass gedeckt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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