JudikaturJustiz2Ob166/12v

2Ob166/12v – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Franz W*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs 1. des Dipl. Ing. Udo H*****, 2. des Jörg H*****, 3. der Antonia Z*****, und 4. des Nachlasses nach Franz W*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dipl. Ing. Udo H*****, alle vertreten durch Mag. Marco Kunczicky, Mag. Amelie Kunczicky, Rechtsanwälte in Mayrhofen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. Juni 2012, GZ 53 R 50/12k 74, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 30. März 2012, GZ 1 P 103/09b 67, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs der 1. bis 3. Rechtsmittelwerber wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs des Nachlasses (4. Rechtsmittelwerber) wird hingegen teilweise, insoweit er sich gegen die Entscheidung des Rekursgerichts über Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses richtet, Folge gegeben. Insoweit wird die Entscheidung des Rekursgerichts aufgehoben und ihm die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Soweit sich der Revisionsrekurs des Nachlasses gegen die Entscheidung des Rekursgerichts über Punkt 2. des erstinstanzlichen Beschlusses richtet, wird er zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 9. 11. 2009 wurde für den mittlerweile Verstorbenen eine Sachwalterin ua für die Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und gegenüber privaten Vertragspartnern sowie die Einkommens , Vermögens und Liegenschaftsverwaltung bestellt.

Am 17. 12. 2011 verstarb der Betroffene, worauf die Sachwalterin am 19. 1. 2012 ihren Schlussbericht legte. Zu diesem äußerten sich die nunmehrigen Rechtsmittelwerber (neben dem Nachlass zwei Neffen und die Schwester des Verstorbenen) mit am 30. 1. 2012 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz.

Das Erstgericht hat den Schlussbericht der Sachwalterin für den Berichtszeitraum 7. 9. 2010 bis 17. 12. 2011 „bestätigt“ (Pkt 1.) und ihr für diesen Zeitraum eine Entschädigung in Höhe von 14.641 EUR bestimmt (Pkt 2.).

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Einschreiter zurück. Sie könnten allenfalls ein wirtschaftliches Interesse am Sachwalterschaftsverfahren für sich in Anspruch nehmen, nicht aber eine rechtlich geschützte Stellung iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG. Die Frage der Genehmigung des Schlussberichts sei vielmehr vom Pflegschaftsgericht unter Bedachtnahme auf die Interessen des Pflegebefohlenen zu prüfen. Aus den zur Akteneinsicht der Erben ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, 4 Ob 2316/96h und 4 Ob 125/97d, sei abzuleiten, dass auch der Verlassenschaft im beendeten Sachwalterschaftsverfahren keine Parteistellung in dem Sinne mehr zukomme, dass sie berechtigt wäre Rekurs zu erheben.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil zur Frage der Rekurslegitimation der (vertretenen) Verlassenschaft im Verfahren über die Genehmigung der Schlussrechnung höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliege und es sich dabei um keine Kostenentscheidung handle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs aller vier Einschreiter mit dem Antrag, sie aufzuheben, in eventu die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht, in eventu an das Rekursgericht, zurückzuverweisen.

Der Revisionsrekurs wurde der Sachwalterin zur allfälligen Beantwortung zugestellt, eine solche wurde aber nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Neffen sowie der Schwester des Verstorbenen ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig , jener des Nachlasses mangels Vorliegens ausreichender höchstgerichtlicher Rechtsprechung teilsweise zulässig und berechtigt .

Vorauszuschicken ist, dass es im AußStrG 2005 keine dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbare Regelung gibt, sodass auch Beschlüsse, die einen Antrag ohne Sachentscheidung aus formalen Gründen zurückweisen, (nur) bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage anfechtbar sind (RIS Justiz RS0120974).

I. Zu den 1. bis 3. Einschreitern:

1. Ganz generell gilt im Sachwalterschaftsverfahren, dass dritten Personen kein Antragsrecht zukommt; sie haben keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichts (RIS-Justiz RS0006610), selbst wenn ihre Interessen tangiert werden. Die rechtlich geschützte Stellung Dritter wird durch die gerichtliche Tätigkeit in einem Sachwalterschaftsverfahren nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beeinflusst (3 Ob 244/11w mwN).

In einem gerichtlichen Genehmigungsverfahren kommt nach der ständigen Rechtsprechung nur der betroffenen pflegebefohlenen Person Parteistellung zu; sie alleine ist auch rechtsmittellegitimiert (3 Ob 244/11w; RIS Justiz RS0123647).

Konkret hat der Oberste Gerichtshof ein Rekursrecht der Erben im Sachwalterschaftsverfahren bei Entscheidung über die Pflegschaftsrechnung in 3 Ob 88/12f ausdrücklich abgelehnt, weil die wesentliche Rolle des Pflegschaftsgerichts nach § 133 AußStrG ohnehin darin bestehe, gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenswerte zu setzen und den Sachwalter bei der Verwaltung des Vermögens zu überwachen, sodass es durch die Verneinung des Rekursrechts zu keinem Rechtsschutzdefizit komme. Der Bestätigung der Pflegschaftsrechnung komme auch nur eine eingeschränkte rechtliche Wirkung zu, insbesondere fehle ihr gemäß § 137 Abs 3 AußStrG die Bindungswirkung für etwaige nachfolgende Zivilverfahren.

2. Das Rechtsmittel zeigt in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Ein Wertungswiderspruch zur Entscheidung 3 Ob 17/10m besteht schon deshalb nicht, weil bis zur Einantwortung der ruhende Nachlass den Verstorbenen „fortsetzt“ und daher zusätzliche Rechte der präsumtiven Erben, so wie in 3 Ob 17/10m für den eingeantworteten Erben in Zusammenhang mit der Akteneinsicht ausgesprochen, weder notwendig sind noch ihrer Rechtsstellung entsprechen.

3. Soweit die Rechtsmittelwerber die Parteistellung der präsumtiven Erben aus § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ableiten wollen, wonach Personen, deren rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst wird, Parteistellung zukommt, ist ihnen wie bereits das Rekursgericht dargelegt hat entgegenzuhalten, dass schon nach den Gesetzesmaterialien (vgl zB die Wiedergabe der Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 2 AußStrG in Fucik/Kloiber , AußStrG 43) nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse ausreicht, sondern auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen ist.

Zweck des Sachwalterschaftsverfahrens ist aber der Schutz der betroffenen Person und nicht die Wahrung von Vermögensinteressen der gesetzlichen Erben des Betroffenen.

In diesem Zusammenhang liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage vor.

II. Zum Rekursrecht des ruhenden Nachlasses:

1. Gemäß § 531 ABGB bilden die vererblichen vermögenswerten Rechte und Pflichten des Erblassers im Todeszeitpunkt den Nachlass ( Koch/Apathy in KBB³ § 531 Rz 1). Der ruhende Nachlass ist als juristische Person Rechtsträger und Besitzer, er ist parteifähig und nur er und nicht der Erbe bis zur Einantwortung aktiv und passiv klagslegitimiert. Erst danach existiert er nicht mehr ( Apathy in KBB³ § 547 Rz 1; Welser in Rummel ³ § 547 Rz 2 ff; Eccher in Schwimann , ABGB³ III § 547 Rz 1).

2. Das für einen Betroffenen geführte Sachwalterschaftsverfahren endet mit dessen Ableben. Die Rechte des Betroffenen gehen auf dessen Erben bzw bis zu dessen Einantwortung auf den ruhenden Nachlass über (RIS Justiz RS0106077) allerdings nur insoweit, als es sich dabei um vererbliche Rechte handelt, weil Persönlichkeitsrechte des Erblassers grundsätzlich nicht auf den Erben übergehen (3 Ob 298/05b; 4 Ob 125/97d).

Insoweit 4 Ob 125/97d mit Bezug auf 4 Ob 2316/96h darlegt, dass der Erbe auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten des Erblassers einschreiten kann, ist darauf zu verweisen, dass abgesehen davon, dass dort anders als hier jeweils ein Fall bereits erfolgter Einantwortung zu beurteilen war (vgl dazu auch 9 Ob 4/06p) der Oberste Gerichtshof auch in 4 Ob 125/97d dem eingeantworteten Alleinerben Akteneinsicht in die persönlichen Daten des Sachwalterschaftsakts nur im Umfang des für Dritte nötigen berechtigten Interesses gemäß § 219 Abs 2 ZPO zugestand.

3. Soweit aber die Beschlussfassung der Vorinstanzen die Genehmigung des Schlussberichts der Sachwalterin in Bezug auf vererbliche Rechte des Betroffenen insbesondere seine Vermögens-situation betrifft, ist davon auszugehen, dass der ruhende Nachlass die Person des Betroffenen fortsetzt, sodass er in diesem Ausmaß Parteistellung und auch Rechtsmittellegitimation besitzt.

Es war daher dem Revisionsrekurs des ruhenden Nachlasses, insoweit er sich gegen die Entscheidung des Rekursgerichts über Punkt 1. des Beschlusses des Erstgerichts richtet, Folge zu geben und dem Rekursgericht hier die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

4. Punkt 2. des erstgerichtlichen Beschlusses dagegen enthält die Bestimmung der Entschädigung der Sachwalterin. Dabei handelt es sich um eine Kostenentscheidung, weil unter den Begriff der Kosten nach der ständigen Rechtsprechung auch die Kosten des Sachwalters und dessen Belohnung bzw Entschädigung fallen (vgl zuletzt 3 Ob 88/12f mwN).

Insoweit ist gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG auch eine Verfahrenspartei nicht berechtigt, Revisionsrekurs zu erheben.

Rechtssätze
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