JudikaturJustiz12Os88/07v

12Os88/07v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. August 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dimitri T***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Februar 2006, GZ 163 Hv 8/06a-52, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Wachberger, der Verteidiger Dr. Mosing und Dr. Haas, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Februar 2006, GZ 163 Hv 8/06a-52, verletzt das Gesetz in den Schuldsprüchen

1. des Dimitri T***** und des Dalibor B***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und 2 StGB (Schuldspruch A) in diesen Bestimmungen;

2. des Dalibor B***** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (Schuldspruch E) in § 4 Abs 1 JGG.

Zum Teil auch aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde werden dieses Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A, B und im Dalibor B***** betreffenden Schuldspruch E, damit auch in den Aussprüchen über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche des Helmut Tr***** gegenüber Dalibor B***** sowie die gemäß §§ 50, 52 StGB und nach § 494a Abs 1 Z 2 und 6 StPO gefassten Beschlüsse aufgehoben.

Im Umfang der Dalibor B***** betreffenden Aufhebung zum Schuldspruch E wird in der Sache selbst erkannt und dieser Verurteilte vom Vorwurf, er habe in der Zeit vom 6. bis 10. Mai 2002 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Behauptung, die Schwester Dimitri T*****s befinde sich im Sterben und könne sich nicht mehr selbst versorgen, Helmut Tr***** zur Herausgabe von 80 Euro verleitet, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der Privatbeteiligte Helmut Tr***** wird mit seinen gegen Dalibor B***** gerichteten Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 17. Jänner 2007, GZ 29 Hv 62/06a-40, auf Absehen vom Widerruf der Dalibor B***** betreffenden, mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Februar 2006, GZ 163 Hv 8/06a-52, ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO und auf gleichzeitige Verlängerung der Probezeit gemäß § 494a Abs 6 StPO wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit seit 20. Februar 2006 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Februar 2006, GZ 163 Hv 8/06a-52, wurden der am 1. November 1986 geborene Dimitri T***** und der am 21. Jänner 1989 geborene Dalibor B***** des Verbrechens des Raubes nach (auch zu T***** richtig:) § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (A), des (richtig: versuchten [§ 15 StGB]) Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (B) und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (E) sowie anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 5 Z 4 JGG nach § 142 Abs 2 StGB jeweils zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Darüber hinaus wurden sie gemäß § 369 StPO zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Privatbeteiligten Helmut Tr***** 75 Euro zu bezahlen.

Zugleich wurde gemäß §§ 50, 52 StGB hinsichtlich beider Verurteilter Bewährungshilfe angeordnet und nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO in Ansehung des Dalibor B***** vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. April 2004, AZ 142 Hv 39/04b, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Danach haben - soweit hier von Relevanz - in Wien

A Dimitri T***** und Dalibor B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 6. Juni 2003 durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Pius Bi***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 4 Euro und eine Bankomatkarte mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie ihn unter Androhung von Schlägen aufforderten, das Geld herzugeben und den Code der Bankomatkarte zu nennen, wobei sie ihn durchsuchten;

B Dimitri T***** am 26. Oktober 2004 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Mihael D***** gewerbsmäßig Suchtgift an Insp. H***** und Insp. G***** zu überlassen versucht, indem sie ihnen Suchtgift jeglicher Art vermitteln wollten, was jedoch scheiterte;

E Dimitri T***** und Dalibor B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in der Zeit von 6. bis 10. Mai 2002 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Behauptung, die Schwester des (richtig:) Dimitri T***** befinde sich im Sterben und könne sich nicht mehr selbst versorgen, Helmut Tr***** zu Handlungen verleitet, die diesen am Vermögen schädigten, nämlich zur Herausgabe von (insgesamt) 80 Euro.

Zum Schuldspruch A stellte das Erstgericht fest, dass Dimitri T***** und Dalibor B***** Pius Bi***** im Stadtpark anhielten, ihm androhten ihn zu schlagen und ihn durchsuchten, wobei sie 4 Euro und eine Bankomatkarte erbeuteten. Aufgrund neuerlicher Androhung von Schlägen gab Pius Bi***** die „Kartennummer" (gemeint offenbar: den PIN-Code) bekannt. Die Täter konnten allerdings kein Bargeld beheben, weil die Karte mangels Guthabens bereits gesperrt war (US 8). Zum Schuldspruch B hielt das Schöffengericht fest, dass Dimitri T***** und sein Komplize den beiden in Zivil auf Streife befindlichen Polizisten Suchtgift anboten, um ihr Taschengeld aufzubessern. Infolge ihrer Kontakte zu Suchtgifthändlern hätten sie für diese Vermittlungstätigkeit Cannabis für den Eigenkonsum erhalten (US 9). Sie handelten dabei in der Absicht, sich durch die wiederholte Begehung derartiger Suchtgiftvermittlungen eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (US 9 f). Die Suchtgiftergebenheit des Dimitri T***** wurde in den Urteilsannahmen mehrfach angesprochen (US 9, 12, 13; vgl auch S 487/I). Hinweise darauf, dass die beiden anlässlich dieses Vorfalls Festgenommen Suchtmittel bei sich geführt hätten, sind dem Akt nicht zu entnehmen (vgl S 337 ff/I, insbesondere S 340/I).

Mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 17. Jänner 2007, GZ 29 Hv 62/06a-40, wurde ua Dalibor B***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 5 Z 4 JGG nach § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Unter einem beschloss das Schöffengericht den Widerruf der im Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu AZ 142 Hv 39/04b gewährten bedingten Strafnachsicht. Hinsichtlich der Verurteilung dieses Angeklagten durch das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Februar 2006, GZ 163 Hv 8/06a-52, sah das Landesgerichtes Krems an der Donau jedoch gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte gemäß Abs 6 leg cit die dreijährige Probezeit auf fünf Jahre. Der gegen diesen zuletzt genannten Beschluss erhobenen Beschwerde des Dalibor B***** gab das Oberlandesgericht Wien als Rechtsmittelgericht mit Entscheidung vom 12. April 2007, AZ 21 Bs 82/07y, keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Februar 2006 (ON 52) steht - wie der Generalprokurator in der von ihm erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - in mehreren Punkten mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der Tatbestand des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB knüpft an die Tatmittel der Gewalt gegen eine Person bzw an die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben an. Letzteres wird durch den Hinweis auf § 89 StGB präzisiert. Diese Tatmodalität stellt somit auf bloß einen Teil der droherheblichen Rechtsgüter nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB ab. Drohungen mit einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung sind insoweit gleichwertige Handlungsvarianten. Soweit die Generalprokuratur (in Anlehnung an Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 32) die Drohung mit einer Körperverletzung, welche keine Gesundheitsschädigung nach sich zieht, davon ausnimmt, stellt sie offenbar auf die den Verletzungsbegriff einschränkende Bagatellschwelle ab, zumal mit einer Verletzung idR eine Gesundheitsschädigung einhergeht (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 83 Rz 6, 9 und 16 mwN). Bei der expliziten Ankündigung einer minimalen, im Bagatellbereich liegenden Beeinträchtigung der körperlichen Integrität (etwa einer geringfügigen Hautabschürfung oder Hautrötung; vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 83 Rz 9; Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 83 Rz 8) fehlt es an der Ankündigung einer Leib und Leben betreffenden Übelszufügung. In gleicher Weise scheidet die bloße Drohung mit einer Misshandlung (§§ 83 Abs 2, 115 Abs 1 StGB) im Sinne einer üblen, unangemessenen Behandlung, welche das körperliche Wohlbefinden eines anderen nicht unerheblich beeinträchtigt (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 83 Rz 65 und § 115 Rz 12 mwN; Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 83 Rz 23; SSt 53/35), als Tatmittel des Raubes aus, weil auch diese Äußerung keine begründete Besorgnis für Leib oder Leben hervorzurufen vermag.

Die Ankündigung von Schlägen ins Gesicht wäre daher nur dann tatbildlich nach § 142 StGB, wenn sachverhaltsbezogen die angekündigte Einwirkung nach den Umständen des Einzelfalls eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung nach sich ziehen kann, was bei einer Ohrfeige in der Regel nicht der Fall ist (vgl Jerabek in WK² § 74 [2006] Rz 29; Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 32; Schwaighofer in WK2 § 105 [2006] Rz 57; 13 Os 101/81, EvBl 1982/11, 21; 12 Os 41/07g; zu Ausnahmesituationen vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 40; 12 Os 15/87, SSt 58/36).

Die Urteilsannahme einer Drohung, das Tatopfer zu schlagen reicht demnach für eine Subsumtion des Verhaltens des Dimitri T***** und des Dalibor B***** unter den Tatbestand des § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht aus. Schon wegen dieses Mangels an Feststellungen war daher der Schuldspruch A aufzuheben.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass die zwecks Erlangung werthältiger Objekte (fallbezogen also jedenfalls die inkriminierte Beute von vier Euro) vorgenommene Ankündigung einer Misshandlung durch Ohrfeigen, soweit sie im Sinn der obigen Darlegungen keine begründete Besorgnis für Leib oder Leben hervorzurufen vermag, nur dann als eine Ehrverletzung ankündigende gefährliche Drohung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB und damit allenfalls als Tatbestandsvoraussetzung für eine Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (iS einer gerade durch das Verhalten des Genötigten bewirkten Vermögensschädigung; vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 144 Rz 50; Hintersteininger in SbgK § 142 Rz 70; 11 Os 91/04, SSt 2004/70; 12 Os 56/77, EvBl 1978/49, 134) anzusehen wäre, wenn diese Übelsankündigung das dem § 115 Abs 1 StGB entsprechende Publizitätserfordernis mitumfassen würde, also wenn der Täter mit einer Misshandlung vor mehreren Personen droht, denn nur dann wäre eine Herabsetzung der Ehre in Aussicht gestellt. Die Androhung selbst - zB einer Ohrfeige - bedarf aber keiner Publizität (vgl 14 Os 116/98, RZ 1999/48, 200; idS wohl Seiler in SbgK § 105 [2005] Rz 50; Schwaighofer in WK2 § 105 [2006] Rz 57; Eder-Rieder in WK² § 144 Rz 10). Die Wegnahme etwa der vier Euro ohne einer diesen Kriterien entsprechenden Übelsankündigung wäre hingegen nur als Diebstahl nach § 127 StGB zu beurteilen. Weiters wird abzuklären sein, ob nicht bei der in den Konstatierungen zu Schuldspruch A genannten Durchsuchung des Opfers (US 8) Gewalt angewendet wurde; diesfalls könnte beim Erbeuten werthältiger Gegenstände der Tatbestand des Raubes ungeachtet allfällig verwirklichter gefährlicher Drohungen erfüllt sein. Zudem blieb ungeprüft, ob es sich bei der abgenötigten Karte des Pius Bi***** überhaupt um eine Bankomatkarte handelte, bei der die Subsumtion unter § 74 Abs 1 Z 10 StGB unproblematisch wäre (vgl 14 Os 2/06k, EvBl 2006/79, 421; 13 Os 53/06b, EvBl 2006/149, 777). Das Tatopfer war nämlich zum Tatzeitpunkt erst 14 Jahre alt und verfügte über ein sogenanntes Jugendkonto bei der BA-CA (S 95 f, 507/II). Nur wenn die dem Kontoinhaber abgenommene Karte als im allgemeinen Zahlungsverkehr ubiquitär einsetzbares, die breit gestreute allgemeine Zahlungsfunktion von Geld ersetzendes Zahlungsmittel fungiert und die Kriterien der Ausstellererkennbarkeit und der Ausstattung mit Sicherheitsfunktionen erfüllt, liegt ein unbares Zahlungsmittel im Sinn des § 74 Abs 1 Z 10 StGB vor. Bei einer von einer Bank ausgegebenen Kundenkarte oder einer das Sparbuch ersetzenden Sparkarte jeweils mit Zahlungsfunktion, die nur gegenüber dem ausstellenden Bankinstitut einsetzbar ist, trifft dies aber nicht zu (vgl RIS-Justiz RS0120525). Hingegen kommt solchen Karten auf Grund ihrer besonderen Ausgestaltung (Ausstellererkennbarkeit, Beweisbedeutung) in der Regel Urkundenqualität zu, weshalb ihre Vernichtung, Beschädigung oder sonstige Unterdrückung bei Vorliegen einer entsprechenden subjektiven Tatseite allenfalls als Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB beurteilt werden könnte (vgl 14 Os 2/06k, EvBl 2006/79, 421; 13 Os 53/06b, EvBl 2006/149, 777). Zur konkreten Ausgestaltung dieses Tatobjekts fehlen im angefochtenen Urteil jedoch entsprechende Konstatierungen. Ungeachtet des als Tatobjekt eines Raubes jedenfalls in Frage kommenden Geldes (hier vier Euro) könnte entgegen der Auffassung der Generalprokuratur auch das (iSd obigen Ausführungen qualifizierte) Abnötigen einer Bankomatkarte dem Tatbestand des § 142 StGB (oder im Fall einer Drohung mit einer ehrverletzenden Misshandlung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB allenfalls dem der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB) unterfallen, sofern ein solches unbares Zahlungsmittel auch über eine aktivierte Quick-Chip-Funktion verfügt und ihr damit eine Wertträgereigenschaft zukommt (vgl Schroll in WK² § 74 [2006] Rz 60j, Vorbem zu §§ 241a bis 241g Rz 10 und § 241e Rz 24;

Kienapfel/Schmoller StudB BT III § 241e Rz 40; Bertel/Schwaighofer BT II7 § 241e Rz 2; idS wohl auch Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 16). In diesem Zusammenhang mangelt es abermals an Feststellungen, inwieweit die abgenötigte „Bankkarte" auch eine Quick-Chip-Funktion mit einem gespeicherten Guthaben aufwies und daher als ein iSd § 142 StGB tatbildmäßiger Wertträger anzusehen ist.

Wenn ein Täter durch gefährliche Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) die Bekanntgabe des PIN-Codes einer Bankomatkarte (oder einer sonstigen von einem Bankinstitut ausgestellten Karte mit Geldbehebungsfunktion) erwirkt und im unmittelbaren Anschluss daran (iS einer gerade durch das Verhalten des Genötigten bewerkstelligten Vermögensschädigung; vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 144 Rz 50) Geld behebt, kommt - im Falle der Erfolglosigkeit dieses Unterfangens allenfalls versuchte - Erpressung in Betracht (vgl 15 Os 2/07v mwN).

Setzt der Täter aber ein Nötigungsmittel zur Bekanntgabe des PIN-Codes einer Bankomatkarte ein, um später mit dieser Karte, die er sich unter einem verschafft, Geld zu beheben, wäre hinsichtlich der mit Bereicherungstendenz erfolgten Wegnahme einer keine eigenständige Wertträgereigenschaft aufweisenden Bankomatkarte § 241e Abs 1 StGB (bei einer Urkundenqualität aufweisenden bloßen Kundenkarte unter Umständen § 229 Abs 1 StGB) hinsichtlich der erzwungenen Bekanntgabe des PIN-Codes § 105 Abs 1 StGB und hinsichtlich eines Geldbehebungsversuches §§ 15, 127 StGB tatbestandsmäßig erfüllt (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 144 Rz 32; 15 Os 2/07v). Für den Fall, dass auf der Basis im zweiten Rechtsgang getroffener Feststellungen in Bezug auf die Pius Bi***** abgenommenen vier Euro ein tateinheitlich begangener Raub - allenfalls unter Drohung mit einer bloßen Misshandlung zumindest eine idealkonkurrierende Erpressung (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 144 Rz 3 und 74) - vorliegen würde, könnte die ansonsten in Anbetracht des Tatzeitpunkts 6. Juni 2003, der ersten Verfolgungshandlung diesbezüglich am 25. August 2004 (vgl S 1h verso) infolge gebotener Anwendung des § 5 Z 4 JGG bei den zur Last liegenden Jugendstraftaten virulent werdende Verjährungsproblematik (vgl Schroll in WK2 § 5 JGG Rz 29) auf sich beruhen.

Aus der Urteilsfeststellung, die Täter hätten kein Geld beheben können, weil diese Karte mangels Guthaben gesperrt war, geht auch nicht hervor, ob Dimitri T***** und Dalibor B***** mit dieser Karte überhaupt - allenfalls unmittelbar nach der Erlangung von Karte und PIN-Code - einen Bargeldbehebungsversuch unternommen haben (wie dies von den Genannten jeweils in Bezug auf den anderen angegeben wird; vgl S 129, 153/I), weshalb auch unter diesem Aspekt eine abschließende Beurteilung des Falles noch nicht möglich ist. Nach § 1 Z 1 JGG ist ein Unmündiger, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Nach § 4 Abs 1 JGG sind Unmündige, die eine mit Strafe bedrohte Handlung begehen, nicht strafbar.

Da der am 21. Jänner 1989 geborene Dalibor B***** im zum Schuldspruch E festgestellten Tatzeitraum 6. bis 10. Mai 2002 das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, war er strafunmündig. Der diesen Verurteilten betreffende Schuldspruch wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB erfolgte daher rechtsirrig. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde waren gemäß §§ 290 Abs 1, 292 StPO überdies die dem Urteil zu Schuldspruch B anhaftenden, von der Generalprokuratur allerdings ungerügt gebliebenen Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO von Amts wegen wahrzunehmen. Ein strafbarer Versuch liegt - in Abgrenzung zur straflosen Vorbereitungshandlung - nur vor, wenn bereits mit einer tatbildmäßigen Ausführungshandlung begonnen oder zumindest ein Verhalten gesetzt wurde, welches der Ausführung der Tat zeitlich und örtlich unmittelbar vorangeht (§ 15 Abs 2 StGB; vgl Kienapfel/Höpfel AT12 Z 21 Rz 17 ff; Fuchs AT I6 29/19 ff mwN). Das Überlassen iSd Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG wird dadurch ausgeführt, dass der Täter einem anderen zumindest Mitgewahrsam an Suchtgift überträgt, über welches er aktuell verfügt (vgl Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 120; Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 27 Rz 35 f; 12 Os 53/01, EvBl 2002/79, 313; 9 Os 46/79, SSt 50/43; 11 Os 147/88). Vermittelt er hingegen bloß den Bezug des Suchtgifts von einem anderen Gewahrsamsträger, liegt ein mit dem Überlassen des Suchtmittels durch den Dritten vollendetes Verschaffen iSd § 27 Abs 1 siebenter Fall SMG vor (vgl Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 27 Rz 37; 15 Os 116/02, SSt 64/63). Der Versuch des Überlassens hat somit nicht bloß die (zeitlich und örtlich sofort realisierbare) Verfügungsmacht über Suchtgift, sondern zumindest auch ein der Gewahrsamseinräumung an einen Dritten unmittelbar vorangehendes Verhalten zur Voraussetzung (vgl 15 Os 9/06x). Eine versuchte Vermittlung hingegen setzt voraus, dass dem potentiellen Suchtgiftübernehmer bereits eine konkrete Hilfestellung zum Bezug von Suchtmitteln über einen Dritten (etwa durch Überlassen eines Suchtgiftsubstanzen verschreibenden Rezepts oder Bekanntgabe eines zum Verkauf bereiten Dealers) gewährt wird. Weder das vom Erstgericht konstatierte Anbot von nicht näher spezifiziertem Suchtgift an die beiden in Zivil auftretenden Polizisten noch die nicht weiter substantiierte Feststellung einer „Vermittlungstätigkeit" (US 9) reichen für die Annahme einer ausführungsnahen Tätigkeit iSd § 27 Abs 1 sechster oder siebenter Fall SMG aus (vgl 15 Os 9/06x). Schon dieser Mangel an Feststellungen zwingt zur Aufhebung des Schuldspruchs B.

Darüber hinaus ging das Schöffengericht davon aus, dass Dimitri T****** im inkriminierten Tatzeitpunkt selbst süchtig war und als Belohnung für den ihm angelasteten gewerbsmäßigen Suchtgiftdeal Cannabis für den Eigenkonsum erhalten sollte (US 9). Bereits auf der Basis dieser Feststellungen wären daher - für den Fall der Annahme einer tatsächlich ins Versuchsstadium gelangten Handlung - Konstatierungen zur Privilegierung nach § 27 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz SMG zu treffen gewesen, zumal dann allenfalls lediglich der Grundtatbestand erfüllt wäre (vgl RIS-Justiz RS0119462 und RS0116768).

Der lediglich den Verurteilten Dimitri T***** betreffende Schuldspruch B nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 sechster und siebenter Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG ist daher mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO behaftet.

Da sich die vom Generalprokurator aufgezeigten Gesetzesverletzungen und die von Amts wegen wahrgenommene Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO zum Nachteil der beiden Verurteilten auswirkten, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, gemäß §§ 290 Abs 1, 292 StPO mit einer Aufhebung der Schuldsprüche A, B und einer Aufhebung des Dalibor B***** betreffenden Schuldspruchs E sowie im letztgenannten Fall mit einem Freispruch vorzugehen. Dies bedingt auch die Aufhebung der Strafaussprüche sowie des gemeinsam mit dem angefochtenen Urteil gefassten und lediglich Dalibor B***** betreffenden Beschlusses nach § 494a Abs 2 und Abs 6 StPO sowie der mit dem Strafausspruch verbundenen Beschlüsse auf Anordnung der Bewährungshilfe hinsichtlich der beiden Verurteilten nach §§ 50, 52 StGB.

Damit zusammenhängend war der Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 17. Jänner 2007, GZ 29 Hv 62/06a-40, mit dem vom Widerruf der Dalibor B***** betreffenden, mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Februar 2006, GZ 163 Hv 8/06a-52, ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen und gleichzeitig die Probezeit gemäß § 494a Abs 6 StPO verlängert wurde, wegen des Wegfalls der zugrunde liegenden Verurteilung ersatzlos aufzuheben. Im Übrigen war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung betreffend die den Schuldsprüchen A und B zugrunde liegenden Vorwürfe sowie zur Strafneubemessung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtssätze
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