Spruch
W112 2224571-2/36E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , GZ XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.03.2024 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und Abs. 4, 9 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION, reiste irregulär in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.01.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung am 23.01.2014 Folgendes aus:
„Etwas weitere Verwandte von mir haben gegen das RUSSISCHE Regime gekämpft. Ich habe ihnen Essen gegeben. Dafür wurde ich am 13. MAI 2019 [gemeint wohl: 2009], von der TSCHETSCHENISCHEN ( XXXX ) Polizei festgenommen und zu einem Jahr gerichtlich zur Haft verurteilt. Ich bin dann bis 15. MAI 2010 in SCHALINSKY RAJON im Gefängnis gesessen. Nach meiner Entlassung wurde ich bis zu meiner Ausreise (10.01.2024) mindestens 10 Mal von der Polizei festgenommen. Ich wurde jedes Mal verhört, ab und zu wurde ich auch bedroht und geschlagen. Ich wurde dabei immer zwischen 1 Stunde und 1 Tag angehalten. Zuletzt bin ich am 10. Jänner 2014 mit mehreren Freunden in der Moschee gewesen. Ich wurde damals abermals von der Polizei in GROSNY festgenommen. Ich wurde ca. 1 Stunde verhört, geschlagen und es wurde mir mein Inlandspass (Personalausweis) abgenommen. Nachdem ich frei gelassen wurde habe ich mich entschlossen meine Heimat zu verlassen und bin zu meiner Tante gereist. Sie hat mir dann geholfen, nach Österreich zu kommen. […]“.
1.2. In seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 12.03.2014 führte der Beschwerdeführer weiters aus, dass er im Jahre 2009 im Zuge eines Gerichtsverfahrens wegen Unterstützung von Widerstandskämpfern verurteilt worden sei. Er habe seinen Cousin dritten Grades ( XXXX ) mit Lebensmitteln geholfen. Im Zuge seiner Festnahme sei er misshandelt und zur Unterzeichnung eines Dokumentes gezwungen worden, aus dem hervorgehe, dass er Widerstandskämpfer mit Waffen beliefert habe. Nach der Verbüßung seiner Haftzeit sei er mehrmals von der Polizei verhaftet, verhört, und bedroht worden. Aufgrund seiner Tätigkeit als Bauarbeiter sei er mehrmals innerhalt von RUSSLAND tätig gewesen und sei dabei auch abermals verhaftet und verhört worden. Zuletzt habe es einem Vorfall im Jahr 2011 gegeben, wobei der Beschwerdeführer verhaften worden sei und anschließend seine Arbeit verloren habe. Der Beschwerdeführer legte folgende Unterlagen vor:
- Identitätskarte
- Haftbestätigung vom 17.05.2009
- Entlassungsschein vom 14.05.2010
- Ankündigung zum Strafverfahren und Verordnung über das Strafverfahren vom 15.05.2009
- Verordnung über die Verlängerung der Haft
- Verordnung über eine Hausdurchsuchung vom 17.05.2009
- Hafturteil vom 17.05.2009
- Gerichtsurteil vom 18.05.2009
Diese Unterlagen wurden zum Akt genommen sowie eine Übersetzung veranlasst.
Das Bundesamt führte am 10.06.2014 erneut eine Einvernahme des Beschwerdeführers durch. Der Beschwerdeführer wurde zu seinen bisherigen Angaben hinsichtlich seiner Fluchtgründe ergänzend befragt, insbesondere zum vom Beschwerdeführer angegebenen Vorfall Ende 2011 in KRASNODAR.
1.3. Mit dem Bescheid vom 10.06.2014 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die entscheidungsrelevanten Passagen als glaubwürdig, allerdings nicht als asylrelevant zu bewerten sei, da der Beschwerdeführer kein einem Konventionsgrund entsprechendes Vorbringen erstattet habe. Die glaubhaft gemachte Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung beruhe vielmehr auf dessen Straffälligkeit im Heimatland. Dass bei Vorfällen jeglicher Art zuerst vorbestrafte Bürger ins Blickfeld der Polizeibehörde geraten, sei in den meisten Ländern der Welt zu beobachten. Somit liege auch bei dessen Wahrheitsunterstellung keine systematische Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung vor. Da im Falle des Beschwerdeführers zumindest die Möglichkeit einer Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG 2005 anzunehmen sei, sei dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
1.4. Mit Schreiben vom 27.06.2014 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass er sehr wohl wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung vorbringe.
1.5. Am 12.06.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.
Mit dem Bescheid vom 11.09.2015 gab das Bundesamt dem Verlängerungsantrag Folge und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.06.2017.
Am 18.05.2017 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.
Mit Bescheid vom 16.06.2017 gab das Bundesamtes dem Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers Folge und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.06.2019.
1.6. Mit Beschluss vom 09.03.2018 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Beschwerdeführers statt, behob den Bescheid vom 10.06.2014 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht u.a. Folgendes aus:
„Die Behörde geht im angefochtenen Bescheid in pauschaler Weise davon aus, dass eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat auf dessen strafgerichtlicher Verurteilung, und sohin nicht auf einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ angeführten Motiv beruhe. Aus dem Bescheid ergibt sich jedoch in keiner Weise, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse die Behörde zu jener Sichtweise gelangt. Da der Beschwerdeführer die in der RUSSISCHEN FÖDERATION gerichtlich verhängte Strafe grundsätzlich bereits im Jahr 2010 verbüßt hatte, lässt sich jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte behördliche Verfolgung seiner Person ihren Grund in einer legitimen Straffverfolgung hätte (zur diesbezüglichen Abgrenzungsfrage vgl. etwa VwGH 27.5.2015, Ra 2014/18/0133; 25.3.1999, 98/20/0431; 18.12.1996, 96/20/0793), sondern erscheint es – sofern man die Angaben des Beschwerdeführers zu den wiederholten Festnahmen seiner Person als glaubwürdig erachtet (siehe dazu sogleich) – zumindest denkmöglich, dass die TSCHETSCHENISCHEN Behörden dem Beschwerdeführer auf Basis seiner damaligen Verurteilung nunmehr eine bestimmte politische Gesinnung unterstellen und der Grund einer etwaigen Verfolgung in Konsequenz in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Motive begründet läge.
Um diese Beurteilung vornehmen zu können, fehlen dem Bescheid jedoch jegliche Ermittlungsergebnisse. So sind dem angefochtenen Bescheid einerseits keine Hinweise dahingehend zu entnehmen, mit welchen allfälligen Konsequenzen eine Person, welche aufgrund der Unterstützung einer Rebellengruppierung in einer untergeordneten Funktion in der RUSSISCHEN FÖDERATION strafrechtlich verurteilt wurde, nach ihrer Entlassung zu rechnen hätte; das Bundesamt hat keinerlei Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Darlegungen des Beschwerdeführers – demzufolge er infolge seiner Entlassung aus der Strafhaft weiterhin im Visier der Behörden geblieben und in den folgenden Jahren mehrmals (grundlos) festgenommen und verhört worden wäre – vor dem Hintergrund der allgemeinen Gegebenheiten in TSCHETSCHENIEN respektive in der RUSSISCHEN FÖDERATION als plausibel erachtet werden können. Desweiteren lassen sich dem angefochtenen Bescheid (bejahendenfalls) auch keinerlei Informationen hinsichtlich Ausmaß und Intensität der die betreffende Person anzunehmenderweise erwarteten Konsequenzen ableiten, wodurch auch die Beurteilung nicht möglich ist, ob derartige behördliche „Schikanen“ in ihrem Ausmaß allenfalls eine asylrelevante Eingriffsintensität erreichen könnten (durch die – fallbezogen nicht näher begründete – Gewährung subsidiären Schutzes an den Beschwerdeführer bejahte die Behörde jedenfalls implizit das Vorliegen einer maßgeblichen Gefährdungssituation).
Neben fehlenden Feststellungen zu den fallspezifisch relevanten objektiven Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist dem behördlichen Ermittlungsverfahren überdies nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Entscheidungsrelevanz der seitens des Beschwerdeführers geschilderten Vorfälle nach seiner Entlassung aus der Strafhaft zu entnehmen. Den niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde lässt sich keine vertiefte Befragung zu den im Zeitraum nach seiner Entlassung aus der Strafhaft behauptetermaßen erfolgten polizeilichen Festnahmen und Verhören seiner Person entnehmen. Der Beschwerdeführer, welcher anlässlich seiner Erstbefragung von etwa zehn Festnahmen im Zeitraum zwischen der Entlassung aus der Strafhaft und seiner Ausreise gesprochen hat, wurde insbesondere nicht näher über den Ablauf und Inhalt jener Verhöre befragt sowie dazu, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmaß, es im Zuge seiner Anhaltungen zu körperlichen Misshandlungen seiner Person gekommen wäre. Auch insofern fehlt eine Ermittlungsgrundlage, um beurteilen zu können, ob die durch den Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle das Ausmaß legitimer behördlicher Ermittlungstätigkeit überschritten haben respektive ob in diesen allenfalls eine gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung zu erblicken sei.
Auch zum Vorbringen, wonach sich der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION auf einer Art „Fahndungsliste“ befinde, wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl keinerlei näheren Ermittlungsschritte gesetzt.
Vollständigkeitshalber anzumerken ist auch, dass dem angefochtenen Bescheid keine Ermittlungen bezüglich des tatsächlichen Ausmaßes und des Zeitraums der Unterstützung der TSCHETSCHENISCHEN Rebellenbewegung durch den Beschwerdeführer zu entnehmen sind, welche sich jedoch im Hinblick auf die Prüfung des möglichen Vorliegens eines allfälligen Asylausschlussgrundes gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als erforderlich erweisen.“
1.7. Am 08.05.2019 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.
1.8. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am 11.06.2019 gab der Beschwerdeführer an, eine Lebensgefährtin sowie eine gemeinsame Tochter zu haben. Er sei beim XXXX als Revierfahrer erwerbstätig, habe einen kleinen Freundeskreis auf und habe den A1-Deutschkurs absolviert. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nach seiner Haftentlassung im Jahr 2010 mehrmals von den Sicherheitsbehörden angehalten und verhört worden sei. Es sei ihm sogar vorgeschlagen worden, für die Sicherheitsbehörden tätig zu sein. Da er damit nicht einverstanden gewesen sei, habe er das Land verlassen müssen. Sein Name sei auf einer Liste (die in Google aufgerufen werden könne) enthalten, sodass er nicht in das Gebiet KRASNODAR fahren könne. Er habe keine Widerstandskämpfer unterstützt, dies sei ihm allerdings vorgeworfen worden, da sein Verwandter dort teilgenommen habe. Hinsichtlich der Frage zu seiner persönlichen Einstellung zu den TSCHETSCHENISCHEN Widerstandskämpfern führte der Beschwerdeführer aus: „Was soll ich anderes sagen, natürlich lehne ich so etwas ab.“
Am 31.07.2019 legte die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers Vollmacht und übermittelte postalisch die Kopie eines RUSSISCHEN Gerichtsurteil vom 02.04.2011 in Kopie samt Übersetzung, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer – aufgrund von grober und ordinär Äußerungen gegenüber Polizisten – zu einer Freiheitsstrafe von neun Tagen verurteilt worden sei.
Am 28.08.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er im Wesentlichen ausführte, dass der Beschwerdeführer aufgrund der ihm von den RUSSISCH-TSCHETSCHENISCHEN Behörden unterstellten Gesinnung, Sympathisant der TSCHETSCHENISCHEN Rebellenbewegung zu sein, in der RUSSISCHEN FÖDERATION verfolgt werde. Tatsächlich habe er den bewaffneten TSCHETSCHENISCHEN Widerstandskampf nicht unterstützt, sondern habe lediglich eine verwandtschaftliche (und freundschaftliche) Beziehung zu XXXX , mit welchem er zusammen aufgewachsen sei. Tatsächlich habe er sich einmal mit XXXX getroffen, als dieser bereits bei den Rebellen gewesen sei, und sei von diesem um Unterstützung gebeten worden. Der Beschwerdeführer habe dies jedoch aus Furcht vor Repression des TSCHETSCHENISCHEN Sicherheitsapparates abgelehnt. Nach seiner Verhaftung sei der Beschwerdeführer im Zuge des Verhörs geschlagen und misshandelt worden, weshalb er schließlich ein Geständnis unterschrieben habe, wonach er die Rebellen mit Essen beliefert habe. Nach seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sei es zu wiederholten grundlosen Aufgriffen, Festnahmen und Verhören seiner Person gekommen, die teilweise unter Anwendung von Folter, überschießender Gewalt und Drohungen erfolgt seien. Der Beschwerdeführer habe auch in Zukunft gravierende Menschenrechtsverletzungen zu befürchten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers finde ebenfalls Deckung in den von der belangten Behörde übermittelten Länderberichten (insbesondere die Gefährdung von Personen, welchen eine Verbindung zu Rebellen zumindest unterstellt werde).
Hinsichtlich der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter führte er im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde zu prüfen habe, ob seit dem letzten Verlängerungsbescheid die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich sei. Derartige grundlegende Veränderungen seien im gegenständlichen Verfahren nicht aufgetreten. Immer noch seien vermeintliche Unterstützer des TSCHETSCHENISCHEN Widerstandes von landesweiter Verfolgung und massiven Menschenrechtsverletzungen bedroht, weshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht abzuerkennen und die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern sei.
Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass der Erlass einer Rückkehrentscheidung unzulässig sei. Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 2014 in Österreich aufhältig und seit dem Jahr 2016 mit der RUSSISCHEN Staatsbürgerin XXXX , die in Österreich den Status einer Asylberechtigten innehabe, religiös verheiratet. Die gemeinsame Tochter sei im Jahr 2017 und der gemeinsame Sohn im Jahr 2019 auf die Welt gekommen. Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 2016 in Österreich erwerbstätig und somit selbsterhaltungsfähig. Er spreche gut Deutsch und verfüge über einen gefestigten Freundeskreis im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer verfüge daher in Österreich über schützenswertes Privat- und Familienleben.
Mit E-Mail vom 03.09.2019 übermittelte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Vorsitzenden der TSCHETSCHENISCHEN Wohltätigkeits- und Menschenrechtsvereinigung VAYFOND, XXXX , Berichte zur RUSSISCHEN FÖDERATION sowie Fotos, die den Beschwerdeführer auf einer Demonstration („gegen Menschenrechtsverletzungen durch RUSSISCHE Besatzer in der TSCHETSCHENISCHEN REPUBLIK“) in WIEN im Jahr 2015 und 2016 zeigen. Nach diesen Demonstrationen sei Ramzan KADYROW in lokalen Fernseher aufgetreten und habe gegen Teilnehmer der Demonstration und deren Angehörige Drohungen ausgesprochen.
1.9. Mit Aktenvermerk vom 04.09.2019 leitete das Bundesamt das Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat und infolge geänderter persönlicher Umstände ein.
Mit Aktenvermerk vom 09.09.2019 prüfte das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Art. 8 EMRK.
1.10. Mit dem als Bescheid bezeichneten Schriftsatz vom 09.09.2019 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.01.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid vom 10.06.2014 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt II.) und entzog ihm die mit Bescheid vom 16.06.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Unter einem erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus (Spruchpunkt V.).
Diesen Bescheid gründete das Bundesamt auf folgende Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
„Sie führen den Namen XXXX und sind am XXXX geboren. Sie sind Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION und TSCHETSCHENISCHER Herkunft. Sie sind traditionell verheiratet und gesund. In der RUSSISCHEN FÖDERATION leben Ihre Eltern und vier Brüder. Sie reisten illegal in das Bundesgebiet ein. Sie halten sich im Bundesgebiet gemeinsam mit Ihrer traditionellen Ehefrau […] XXXX und Ihren gemeinsamen Kindern […] XXXX und […] XXXX im Bundesgebiet auf. Sie arbeiten beim XXXX und sind selbsterhaltungsfähig.“
Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatstaats:
„Sie haben im Jahr 2014 die RUSSISCHE FÖDERATION verlassen, da Sie ein Problem mit den Sicherheitsbehörden gehabt hätten. Sie wären im Jahr 2009 zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Nach Ihrer Entlassung wären Sie weiterhin im Fokus der Sicherheitsbehörden gewesen, wodurch Sie sich schikaniert gefühlt hätten und schlussendlich den Entschluss gefasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen.“
Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Situation im Fall seiner Rückkehr:
„Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr von einer Verletzung gemäß EMRK betroffen wären. Die Behörde sieht es als erwiesen an, dass es keinerlei Gründe gibt, die eine Gewährung subsidiären Schutzes zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtfertigen würde.“
Zu seinem Privat- und Familienleben stellte das Bundesamt fest, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2014 im Bundesgebiet aufhalte und soziale Kontakte, die eine enge Bindung zu Österreich darstellen, festgestellt werden haben können. Seine Lebensgefährtin und die zwei gemeinsamen Kinder halten sich ebenfalls im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer sei erwerbs- und selbsterhaltungsfähig.
Zur Lage in seinem Herkunftsstaat stütze sich das Bundesamt auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 28.02.2019.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen sei, eine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Gründe habe, glaubhaft zu machen oder nachvollziehbar darzulegen. Zudem gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiären Schutz nicht vorliegen, weil unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse (Alter, Gesundheitszustand, Arbeitsfähigkeit, Zumutbarkeit der zumindest vorübergehenden Inanspruchnahme internationaler Hilfe,...) nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die RUSSISCHEN FÖDERATION in eine derart dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werden werde, die ihm eine Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse.
1.11. Gegen diesen „Bescheid“ erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertreterin mit Schriftsatz vom 09.10.2019 fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen ausführte, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, Einsicht in die vom Beschwerdeführer angegebene Homepage der „ROSSIYSKAYA GAZETA“, dem Amtsblatt der RUSSISCHEN Regierung, zu nehmen. Der Beschwerdeführe habe mehrfach im Verfahren vorgebracht, dass sein Name auf der besagten Webseite aufscheine, die eine Liste von Personen mit unterstellter Nähe zum extremistischen Aktivitäten/Terrorismus aufweisen. Zudem habe die belangte Behörde die Rechtslage in einem wesentlichen Punkt verkannt: So vertrete das Bundesamt die Auffassung, dass die wiederholte Festnahme, Anhaltung und Befragung des Beschwerdeführers, wobei zu „keinen Übergriffen“ gekommen sei, nicht derart intensiv gewesen sei, dass dies zu einer Statusgewährung führen hätte können. Dabei verkenne die Behörde, dass die gegen den Beschwerdeführer gesetzten Verfolgungshandlungen sehr wohl hinreichend für eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention seien. So habe der Beschwerdeführer im Verfahren vorgebracht, dass das Geständnis, welches zu seiner Verurteilung geführt habe, durch Folter und Freiheitsentziehung erzwungen worden sei. Er habe weiters geschildert, dass er in den Jahren danach immer wieder verhört, beschimpft, bedroht und auch geschlagen worden sei. Bei den wiederholten grundlosen Aufgriffen, Festnahmen und Verhören seiner Person, handle es sich nicht um legitime behördliche Ermittlungstätigkeit, sondern um gravierende Menschenrechtsverletzungen, welcher er auch in Zukunft zu befürchten habe. Hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte der Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde nicht nachvollziehbar dargelegt habe, worin die wesentliche und nachhaltige Verbesserung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der allgemeinen Lage in TSCHETSCHENIEN/der RUSSISCHEN FÖDERATION im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung liegen.
1.12. Mit Beschluss vom 16.05.2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte es im Wesentlichen Folgendes aus:
„Die Urschrift der Erledigung ist demgemäß nur mit einem kurzen Schriftzug abgezeichnet, dem keine irgendwie geartete Buchstabenfolge zu entnehmen ist. Selbst wenn dem Zeichen auf der Urschrift der Erledigung – in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – die Ansätze des Buchstabens ‚N‘ entnommen werden könnten, liegt jedenfalls kein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name des Genehmigers auch in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form herauslesbar wäre. […]
Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 09.09.2019 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist stattdessen nach wie vor, vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.“
1.13. Das Bundesamt ließ die vom Beschwerdeführer angegebene Homepage übersetzen.
Am 31.05.2022 gab die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers die Auflösung der Vollmacht bekannt. Am 01.06.2022 legte sie wieder Vollmacht.
Am 27.06.2022 vernahm das Bundesamt den Beschwerdeführer ergänzend ein.
Dabei führte er aus, von XXXX seit ungefähr einem Jahr bzw. eineinhalb Jahren getrennt und nun mit XXXX traditionell verheiratet zu sein. Seine drei Kinder ( XXXX ) leben bei ihm, mit der Kindesmutter bestehe allerdings die geteilte Obsorge. Er sei erwerbstätig, habe einen A1 und A2 Deutsch-Kurs, einen Erste-Hilfe-Kurs sowie eine Brandschutzausbildung absolviert.
Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass es ihm nach der Haftentlassung nicht zumutbar gewesen sei, ein normales Leben in der RUSSISCHEN FÖDERATION zu führen. Er sei mehrmals festgenommen worden. Seine Familie (Eltern und vier Brüder) wohnen weiterhin in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Seine Brüder seien gefährdet, als „Freiwillige“ in den Krieg gegen die Ukraine eingezogen zu werden.
1.14. Mit dem Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.01.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid vom 10.06.2014 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt II.) und wies seinen Antrag vom 08.05.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt III.). Unter einem erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Es erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus (Spruchpunkt V.).
Diesen Bescheid gründete das Bundesamt auf folgende Feststellungen:
Zu Person des Beschwerdeführers:
„Sie führen den Namen XXXX und wurde am XXXX geboren. Sie sind RUSSISCHER Staatsangehöriger. Ihre Identität steht fest. Sie sind sunnitischer Moslem und gehören zur Volksgruppe der TSCHETSCHENEN. Sie sind gesund und leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sie sind nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation im Bundesgebiet. Sie waren traditionell verheiratet mit […] XXXX und danach haben Sie traditionell […] XXXX geheiratet. Sie haben insgesamt 4 Kinder […] XXXX , […] XXXX , […] XXXX und […] XXXX . Sie sind seit 30.06.2022 nicht mehr erwerbstätig. Sie beziehen seit 29.07.2022 Arbeitslosengeld. Ihre Eltern und Ihre Brüder halten sich weiterhin in der RUSSISCHEN FÖDERATION auf.“
Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatstaats:
„Sie haben im Jahr 2014 die RUSSISCHE FÖDERATION verlassen, da Sie ein Problem mit den Sicherheitsbehörden gehabt hätten. Sie wären im Jahr 2009 zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Nach Ihrer Entlassung wären Sie weiterhin im Fokus der Sicherheitsbehörden gewesen, wodurch Sie sich schikaniert, gefühlt hätten und schlussendlich den Entschluss gefasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen. Eine Verfolgung im Sinne der GFK konnte im Laufe Ihres Verfahrens nicht festgestellt werden. Die von Ihnen vorgebrachten Fluchtgründe konnten nicht als asylrelevant festgestellt werden. Eine drohende Verfolgung kann nicht erkannt werden und Ihrem Vorbringen mangelt es an Intensität im Sinne der GFK […].“
Hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und seiner Situation im Fall seiner Rückkehr:
„Ihnen wurde mit Bescheid vom 23.01.2014 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da Sie aufgrund Ihrer strafrechtlichen Vergangenheit in Ihrer Heimat im Fokus der Sicherheitsbehörden gestanden sind. Das Bundesamt ging daher von einer möglichen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention aus. Diese Gefahr kann jedoch weder im damaligen Entscheidungszeitpunkt noch zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt nachvollzogen werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle der Rückkehr einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche eine Rückkehrgefährdung beinhalten. Sie verfügen über private und familiäre Anknüpfungspunkte in der Heimat. Sie sind ein Mann, der seinen Lebensunterhalt bei seiner Rückkehr durch Arbeitsaufnahme bestreiten kann, zudem wäre es Ihnen auch zumutbar, wenn auch vorübergehend, mit Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.“
Zu seinem Privat- und Familienleben:
„Sie leben seit ca. 9 Jahren im Bundesgebiet und regelten Ihren Aufenthalt ab 10.06.2014 mittels einer befristeten Aufenthaltsberechtigung. Soziale Kontakte, die eine enge Bindung zu Österreich darstellen, konnten festgestellt werden. Ihre Lebenspartnerin (traditionelle verheiratete Ehefrau) und Ihre vier Kinder halten sich ebenfalls im Bundesgebiet auf. Ihre sozialen Kontakte beschränken sich auf Ihre Kernfamilie.“
Zur Lage in seinem Herkunftsstaat stütze sich das Bundesamt auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 09.11.2022.
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen sei, eine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete, aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Gründe habe, glaubhaft zu machen oder nachvollziehbar darzulegen. Auch in seiner Einvernahme am 27.06.2022 habe der Beschwerdeführer keine neuen Gründe vorgebracht, die eine aktuelle Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention nachvollziehbar darlegen.
Hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte es insbesondere Folgendes aus:
„Im Vergleich der Länderinformationen, die dem Bescheid des BFA vom 09.09.2019 zugrunde gelegt wurden, mit den aktuellen Länderinformationen zur RUSSISCHEN FÖDERATION ergibt eindeutig, dass sich die Lage, insbesondere für dschihadistische Kämpfer und ihre Unterstützer, Kämpfer des ersten und zweiten Tschetschenien-Krieges und Kritiker allgemein, maßgeblich und nachhaltig verbessert hat. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Lage für ehemalige Kämpfer des 1. und 2. Tschetschenienkrieges gebessert hat, lässt unweigerlich darauf schließen, dass sich auch die Lage der Unterstützer eben dieser Kämpfer maßgeblich und nachhaltig verbessert hat.
[…]
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werden oder den Verlust Ihrer Lebensgrundlage zu erleiden hätten. Sie können in der RUSSISCHEN FÖDERATION wieder fußfassen, zumal Sie über ausreichende Schulbildung und Berufserfahrung verfügen. Sie verfügen über ausreichende soziale Kontakte in der Heimat. Es haben sich keinerlei Hinweise dafür ergeben, weshalb Ihnen eine Rückkehr in die Russische Föderation nicht möglich wäre.
Darüber hinaus verfügen Sie über ausreichend soziale Anknüpfungspunkte in Ihrer Heimatregion, da zumindest Ihre Brüder und Eltern weiterhin in dieser Region leben, sodass keinesfalls festgestellt werden konnte, dass Sie im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage geraten würden.
[…]
Ihnen wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da sich das Bundesamt im Erstbescheid auf Tatsachen gestützt hat, die sich in weitere Folge als unzutreffend erwiesen haben. Die von Ihnen vorgebrachten Gründe, dass Sie im Fokus der Sicherheitsbehörden gestanden wären, hätten nie, insbesondere in Ihrem Fall, zu einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen können.“
1.15. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertreterin mit Schriftsatz vom 20.02.2023 fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. dieses Bescheides, in der im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt wurde.
Weiters führte die Beschwerde aus, dass die Ausführungen der belangten Behörde nicht nachvollziehbar und widersprüchlich seien. Die Behörde habe die Einsicht in die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Homepage der „ROSSIYSKAYA GAZETA“ unterlassen. Weiters verweise das Bundesamt auf „den Zeitungsbericht“ zu den Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen der olympischen Winterspiele in SOCHI 2014 hin, ohne jedoch näher darzulegen, auf welchen Artikel es sich hier beziehe. Gänzlich unbeachtet lasse die Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme am 27.06.2022 erstattet habe, wonach er im Falle der Rückkehr fürchte, als „Freiwilliger“ in den Krieg eingezogen zu werden.
Hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte der Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt habe, worin die wesentliche und nachhaltige Verbesserung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der allgemeinen Lage in TSCHETSCHENIEN/der RUSSISCHEN FÖDERATION im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung liegen.
1.16. Das Bundesamt legte Beschwerde und Verwaltungsakt mit Anschreiben vom 27.02.2023 am 02.03.2023 dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde abweisen.
1.17. Mit Schreiben vom 16.01.2024 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Parteigehör ein und forderte ihn auf bekanntzugeben, ob sich seit der Beschwerdeerhebung gravierende Veränderungen an seinem Gesundheitszustand ergeben haben und allfällige damit im Zusammenhang stehende Beweismittel vorzulegen. Zudem wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu den Umständen in seinem Herkunftsstaat und seinem Fluchtvorbringen, die der Beschwerdeführer seinem Verfahren zugrunde legen wolle, vorzulegen.
Mit Schreiben vom 16.01.2024 beauftragte das Bundesverwaltungsgerichtes die Übersetzung der russischsprachigen Aktenteile. Am 28.02.2024 und 01.03.2024 langten diese Übersetzungen ein.
Weil der Beschwerdeführer im E-Mail vom 21.08.2022 an das Bundesamt die Ausfolgung seiner Dokumente beantragte, weil er diese für die Beantragung der Staatsbürgerschaft benötige, forderte das Bundesverwaltungsgericht das Magistrat der Stadt XXXX mit Schreiben vom 17.01.2024 auf, bekannt zu geben, ob der Beschwerdeführer dort einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt habe und ersuchte um Übermittlung des Aktes.
Das Magistrat der Stadt XXXX teilte am 17.01.2024 mit, dass es in der Abteilung für Inlandseinbürgerung keinen Akt zum Beschwerdeführer gebe.
Das Bundesverwaltungsgericht lud den Beschwerdeführer, das Bundesamt und eine Dolmetscherin für die Sprache RUSSISCH zur mündlichen Verhandlung und übermittelte dem Beschwerdeführer unter einem das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Version 13 vom 08.11.2023.
1.18. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.03.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an der der Beschwerdeführer, seine Vertreterin und ein Vertreter des Bundesamtes teilnahmen.
Die Befragung des Beschwerdeführers (=BF) gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:
„R: Geben Sie für das Protokoll Vor- und Familiennamen, Geburtsort, Geburtsdatum und Staatsbürgerschaft an!
BF: Mein Name ist XXXX , geboren am XXXX . Ich bin geboren in TSCHETSCHENIEN, XXXX . Ich bin RUSSISCHER Staatsbürger.
R: Wann waren Sie zuletzt in der RUSSISCHEN FÖDERATION?
BF: 2014.
R: Sie gaben in der Erstbefragung (in Folge: EB) an, dass Sie „legal bis in die UKRAINE“ ausgereist sind, nach EUROPA bzw. Österreich aber illegal eingereist sind. Wie sind Sie legal in die UKRAINE gereist?
BF: In der UKRAINE hat ein Fahrer auf mich gewartet. Er hat mich hierher gebracht.
R: Wie sind Sie legal bis in die UKRAINE gekommen?
BF: Ich bin RUSSISCHER Staatsbürger und konnte überall in RUSSLAND reisen, auch in die UKRAINE.
R: Braucht man dafür gar keine Dokumente?
BF: Damals konnten die RUSSISCHEN Staatsbürger auch in die UKRAINE fahren.
R wiederholt die Frage.
BF: Es gibt Stellen, wo man nach Dokumenten gefragt wird und es gibt Stellen, wo man nicht danach gefragt wird.
R: Wie sind Sie in die UKRAINE eingereist?
BF: Mit einem Bus sind wir gefahren. Von STAVROPOL bis in die UKRAINE.
R: Mit welchen Dokumenten sind sie in die UKRAINE eingereist?
BF: Damals hatte ich keine Dokumente.
R: Sie haben in Österreich Ihren Führerschein vorgelegt, wie kamen Sie zu dem Führerschein?
BF: Den hatte ich zuhause, unter Dokumenten hatte ich einen Pass gemeint, diesen hatte ich nicht. Der Führerschein gilt in RUSSLAND nicht als Dokument.
R: Sie sind mit dem Führerschein nach Österreich gereist?
BF: Ja, ich hatte einen Führerschein und die Geburtsurkunde mit. Die Geburtsurkunde wurde aber in ST. PÖLTEN verloren.
R: Am 21.08.2022 gaben Sie an, Ihre Geburtsurkunde zu benötigen, um die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Ist das Staatsbürgerschaftsverfahren abgeschlossen?
BF: Man hat mir gesagt, dass ich den § 15 habe, den subsidiären Schutz. In Österreich gibt es ein neues Gesetz. Man hat mir mitgeteilt, dass man mit diesem Dokument momentan keine Geburtsurkunde ausstellen lassen kann. Man sagte mir, dass ich bis September 2024 warten muss und es dann noch einmal überprüft wird.
R: Ist aktuell ein Verfahren zum Erlangen der Staatsbürgerschaft anhängig?
BF: Ich bin dabei, die Dokumente bereitzustellen, im SEPTEMBER rufe ich dort an, um es noch einmal zu klären.
R an RV: Wissen Sie, was der Stand des Staatsbürgerschaftsverfahrens ist?
RV: Nein, ich bin damit nicht vertraut.
R: Sie sind also weder österreichischer Staatsangehöriger noch Unionsbürger und verfügen, über abgesehen von dem Aufenthaltsrecht nach dem § 55 AsylG 2005, über keinen Aufenthaltstitel für einen Mitgliedsstaat der EU, ist das korrekt?
BF: Ja.
RV: Nein, der BF hat subsidiären Schutz wegen der Aufschiebung.
R: Mit Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten ab (SP I). Es erkannte Ihnen den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (SP II) und wies Ihren Antrag vom 08.05.2019 auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung ab (SP III). Es erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (SP IV) und stellte fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Es erteilte Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 (SP V). Dieser Bescheid wurde Ihnen am 24.01.2023 zu Handen Ihrer Vertreterin zugestellt. Dagegen erhoben Sie mit Schriftsatz vom 20.02.2023 Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. d.h. Spruchpunkt IV. (kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen) und Spruchpunkt V. (RK auf Dauer unzulässig) sind nicht Verfahrensgegenstand. Halten Sie die Beschwerde und die darin gestellten Anträge aufrecht?
RV: Ja.
R: Sind seit Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den Asylschutz zu berücksichtigen sind?
RV: Meines Wissens nicht. Wir haben schon neue Dinge, was dem Kollegen des BF passiert sind, die mit ihm damals verhaftet waren. Das soll der BF im Zuge der Befragung angeben.
RV legt vor:
Russischsprachige Eingabe und ergänzt: diese ist vom kaukasischen Knoten
Russischsprachige Eingabe
R: Ich ersuche Schriftstücke, die erst übersetzt werden müssen, vor der Verhandlung vorzulegen.
R erteilt D den Auftrag, die vorgelegten Berichte zu übersetzen.
R: Dies bedeutet, dass ich dem BF dazu keine Fragen stellen kann, weil ich den Inhalt der Berichte nicht kenne.
R: Sind seit der Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den subsidiären Schutz zu berücksichtigen sind?
RV: Es ist nichts Neues eingetreten.
R: Warum mussten Sie Ihren Herkunftsstaat im JÄNNER 2014 verlassen?
BF: Weil ich in Gefahr war. Vorher, ich meine im Jahr 2009, war ich ein Jahr im Gefängnis. Danach konnte ich kein normales Leben mehr führen, weil ich ständige Probleme mit den Sicherheitsbehörden hatte.
R: Beschreiben Sie konkret, was zwischen 2010 und 2014 passiert ist.
BF: 2010 wurde ich vom Gefängnis freigelassen, ich habe in RUSSLAND gearbeitet, zum Beispiel in MOSKAU, KRASNODAR. Aber wenn ich nach Hause kam, wenn ich dort war, dann sind Leute der Sicherheitsbehörden gekommen und haben mich verhört, in Bezug auf meine Verwandten.
R: Was ist konkret zwischen 2010 und 2014 passiert?
BF: Ich habe das, woran ich mich erinnere, ich meine in Bezug von 2010 – 2014. Bevor ich RUSSLAND verlassen habe, wurde ich das letzte Mal festgenommen. Das war in GROSNY in der Moschee. Das war im JÄNNER. Dort wurde mein Pass beschlagnahmt. Ich wurde zur Polizeistation gebracht, ich wurde dort verhört und am gleichen Tag freigelassen. Am gleichen Tag bin ich dann nach STAVROPOL ausgereist.
R: Was passierte bei diesem Verhör?
BF: Wir haben uns am Freitag in der Moschee versammelt und nachdem wir das Gebet verrichtet haben, wurden die jungen Leute von dort abgeführt. Es wurden keine konkreten Vorwürfe geäußert, man hat nur gefragt, wer man ist, woher man kommt, womit man sich beschäftigt und was früher war. Danach wurde man den Leuten gefragt, die für die Behörden interessant waren. Man hat gefragt, ob man die Leute kennt, womit sich die Leute beschäftigen, es betraf die Leute unseres Rayons.
R: Was wurden Sie befragt? Zu welchen Personen wurden Sie befragt?
BF: Man hat mich nach Leuten gefragt, die ich überhaupt nicht gekannt habe und man hat den Nach- und Vornamen genannt. Dann hat man mich gefragt, ob ich den kenne und den schon gesehen habe. Wie soll ich das sagen?
R: Waren das alles Leute aus XXXX , zu denen Sie gefragt wurden? Welche Leute waren das?
BF: Nein, natürlich nicht. Aber die Behörden haben Listen von verdächtigen Personen und man hat nach den Personen, die in den Listen eingetragen worden sind, gefragt. Die Leute waren nicht unbedingt alle aus meinem Rayons, manche schon, manche nicht.
R: Abgesehen davon, dass Sie zu Personen gefragt wurden. Was wurden Sie sonst noch gefragt?
BF: Womit ich mich beschäftige hat man mich gefragt. Ob ich irgendwelche Beziehungen bzw. Kontakte habe.
R: Kontakte zu wem?
BF: Ich war ja früher im Gefängnis und die Fragen bezogen sich auf die Leute, mit denen ich dort zusammen war.
R: Was passierte nach der Befragung?
BF: Nach dem Verhör wurde ich freigelassen. Vorher gab es ja solche Prozedere schon, ich wurde ja schon vorher einvernommen. Ich habe verstanden, dass ich dort kein Leben mehr führen kann.
R: Nach der Befragung wurden Sie freigelassen und fuhren zur Tante, ist das richtig?
BF: Ja, in das Gebiet STAVROPOL.
R: Was passierte zwischen der Haftentlassung 2010 und der Festnahme 2014?
BF: Das war glaube ich 2011, da wurde ich wieder festgenommen und für zehn Tage inhaftiert. Man hat mir vorgeworfen, dass ich „schmutzige Wörter“ verwendet habe, als ich von der Polizei aufgesucht wurde. Das war 2011. Es sind auch Leute gekommen, die von mir verlangten, dass ich für sie arbeite, ich meine, dass ich gegen die Anderen aussage. Es ging darum, dass ich berichte, was alles bei uns im Dorf passiert und vor sich geht.
R: Und haben Sie berichtet?
BF: Nein, natürlich nicht. Schauen Sie: Bei uns im Dorf gibt es einen Fluss. Dort, gleich daneben, beginnt der Wald. Viele Leute kommen dorthin, um sich zu erholen. Manche trinken dort Alkohol. Manche rauchen auch Haschisch. In RUSSLAND ist das verboten. Man hat mir gesagt, wenn ich solche Leute sehe, ich dort anrufen soll und sagen soll, dass solche Leute sich dort aufhalten. Das ich eben das machen soll, das ist alles, solche Gespräche hat es auch gegeben. Ich hätte sagen sollen, wer dort raucht, trinkt, wie viele Leute sich dort befinden, welches Auto diese Leute haben, ob dabei auch Frauen sind. Solche Gespräche hat es gegeben.
R: Wurden Sie jemals vertraglich verpflichtet mit den Behörden zusammen zu arbeiten? Haben Sie jemals etwas unterschrieben?
BF: Ich sagte immer „ok, ok“. Hauptsache sie ließen mich in Ruhe. Ich sagte „wenn ich sowas sehe, dann werde ich anrufen“. Das war alles. Aber es kam nicht vor, dass ich etwas erzählt habe.
R: Sie haben auch nichts unterschrieben?
BF: Nein.
R: Geben Sie mir Ihren Lebenslauf von 2010 – 2014 an: Wo haben Sie wann gelebt und was gemacht?
BF: Manchmal war ich zuhause in TSCHETSCHENIEN, ich war auch in KRASNODAR, dort habe ich gearbeitet, ich habe dort Häuser gebaut. Ich war auch in SOCHI und auch in MOSKAU. Ich habe dort Gelegenheitsjob auf Baustellen angenommen.
R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION konkret erwarten?
BF: Schauen Sie: Wenn jemand schon gesessen (gemeint: in Haft) ist, dann wiederholen sich solche Geschichten. Man kann mir ein fabriziertes (gemeint: falsches) Verfahren anhängen. Die Leute, die ihnen nicht passen, ich meine jetzt in der Zeit, solche Leute werden entweder inhaftiert oder werden zur Strafe in die UKRAINE geschickt. Oder im schlimmsten Fall werden sie umgebracht, solche Fälle hat es auch schon gegeben.
R: Wer sollte Sie umbringen?
BF: Dort gibt es die sogenannten „Sicherheitsbehörden“. Das ist das Regime von KADYROW.
R: Was würde passieren, wenn Sie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der RUSSISCHEN FÖDERATION, außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, z.B., nach MOSKAU oder STAVROPOL oder ST. PETERSBURG?
BF: Das ist ein Land RUSSLAND. Dieses Land ist in Bezirke geteilt, wie in XXXX . Dort spielt das keine Rolle, in welchem Bezirk man lebt. Wenn man dort lebt hat man Zugang zu dieser Person. Die Behörden dort arbeiten zusammen.
R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?
BF: Eine direkte Bedrohung hat es nicht gegeben, aber man sieht ja, dass ich bei den Demonstrationen auftrete.
R: Wenn Sie sagen „eine direkte Bedrohung hat es nicht gegeben“, worauf gründet sich dann diese Bedrohung?
BF: In Österreich? Nein. In Österreich gab es keine Bedrohung.
R: Haben Sie Ihr gesamtes Leben, wenn Sie in TSCHETSCHENIEN gelebt haben, an der Adresse XXXX in TSCHETSCHENIEN gelebt?
BF: Ja.
R: Wie weit ist das von GROSNY entfernt?
BF: Ca. 80 km, glaube ich. Ich korrigiere: Ca. 40 km, 80 km ist es nach DAGESTAN.
R: Hat XXXX auch eine Moschee?
BF: Ja.
R: Sie haben gesagt, dass Sie bei einer Moschee in GROSNY 2014 festgenommen wurden. Ist das irgendeine besondere Moschee, dass Sie zu dieser fahren, oder warum waren Sie in dieser Moschee?
BF: Ich war geschäftlich in GROSNY. Das war am Freitag zur Gebetszeit. Deswegen bin ich in diese Moschee gegangen. Zum Beispiel: Ich bin momentan im 4. BEZIRK, im 3. BEZIRK gibt es eine Moschee. Ich kann auch dort beten.
R: Sie haben keine Beziehung zu der Moschee? Sie waren nur zufällig dort?
BF: Ich bin einfach hingegangen, um mein Gebet dort zu verrichten.
R: In der Einvernahme (in Folge: EV) 2014 gaben Sie an, dass Sie in STAVROPOL bei der Tante waren, in MOSKAU, ST PETERSBURG, KRASNODAR, SOCHI und VELIKY NOVGOROD mit anderen TSCHETSCHENISCHEN Bauarbeitern gearbeitet haben. Von wann bis wann Sie dort ungefähr jeweils?
BF: In KRASNODAR… wie heißt denn das? Mit 2 S.
RV: Wann Sie dort waren und nicht wo, können Sie das sagen?
BF: In KRASNODAR habe ich glaube ich 2011 ca. drei Monate gearbeitet. In SOCHI habe ich gearbeitet, 2010.
R: Wie lange ungefähr?
BF: Wissen Sie, das hängt davon ab, wie lange ein Haus gebaut wird. Ein Monat, drei Monate.
R: Und in MOSKAU und ST. PETERSBURG?
BF: 2012 war ich in ST. PETERSBURG, 2013 in MOSKAU und in VELIKY NOVGOROD.
R: Wie lange waren Sie dort jeweils?
BF: In ST. PETERSBURG habe ich glaube ich vier Monate gearbeitet, in VELIKY NOVGOROD glaube ich einen Monat. In MOSKAU habe ich ca. zwei Monate ungefähr gearbeitet.
R: Dazwischen sind Sie immer nach TSCHETSCHENIEN zurückgekehrt?
BF: Ja. Wenn es eine Arbeit gab, sind wir hingefahren, wenn die Arbeit zu Ende war, sind wir zurückgekommen.
R: Meinen Sie mit „SOCHI“ SOTSCHI?
RV: Das kann man so und so schreiben.
BF: Ja.
R: Waren Sie in diesen Städten ST. PETERSBURG usw. temporär angemeldet oder waren Sie dort nicht angemeldet?
BF: Angemeldet war ich dort nicht, aber ich hatte jeweils Dokumente, dass ich dort von der Firma aus arbeite.
R: Sie waren in diesen Firmen angemeldet und nicht „schwarz“ beschäftigt?
BF: Ja, aber angemeldet war ich immer nur zuhause.
R: Haben sie in TSCHETSCHENIEN immer gearbeitet und wurden von der immer versendet oder waren es verschiedene Firmen?
BF: Ich habe selbst die Arbeiten gefunden.
R: Sie haben dann für eine Firma in MOSKAU und ST. PETERSBURG usw. gearbeitet?
BF: Ja, genau.
R: Waren Sie in diesen Städten Problemen ausgesetzt?
BF: Als ich in KRASNODAR gearbeitet hatte, sind leider die Polizisten dorthin gekommen. Sie haben sich unsere Namen, ich meine die Vor- und Nachnamen, angeschaut. Man hat gleich festgestellt, dass ich zuhause im Gefängnis war. Am Abend sind sie wiedergekommen. Sie haben mich zur Behörde mitgenommen, ich wurde befragt, mir wurden verschiedene Fotos gezeigt. Ich kannte diese Leute aber überhaupt nicht, ich kannte überhaupt niemanden in KRASNODAR. Am Abend um ca. 22 Uhr wurde ich wieder freigelassen. Deswegen musste ich diese Arbeit quittieren. Der Besitzer wollte mich dort nicht haben, er hatte kein Interesse mehr an meiner Arbeit, weil er Angst hatte.
R: Waren Sie in den anderen Städten MOSKAU, ST. PETERSBURG… Problemen ausgesetzt?
BF: Konkrete Probleme hat es nicht gegeben.
R: Aber?
BF: Es gab keine Probleme. Ich habe gemeint, dass es nicht solche Probleme, wie in KRASNODAR gegeben hat.
R: Hat es andere Probleme gegeben?
BF: So Kleinigkeiten, das kommt vor. In MOSKAU zum Beispiel, dort mag man überhaupt keine Kaukasier. Da wird man zur Behörde mitgenommen. Wie soll ich das auf Russisch sagen? Es wird dann einem vorgeworfen, dass man illegal nach MOSKAU kam und wir dafür Strafen zahlen soll. Sowas kam vor. Gesetzlich ist es ja anders, ich habe einen russischen Pass, ich kann überall in RUSSLAND reisen, wohin ich will. Die Behörden wollten so Geld verdienen und in die eigene Tasche stecken, deswegen haben sie das gemacht. Sie sagten, dass man ein Visum benötigt, ohne einem Visum hätte ich nicht kommen dürfen. Solche Kleinen Probleme gab es.
R: Mussten Sie jemals „Strafgeld“ zahlen?
BF: In MOSKAU drohte man mir, dass man mich ins Gefängnis bringt, weil ich illegal dorthin kam. Zwei Polizisten sagten mir, dass ich 1.500 Rubel zahlen soll, wenn ich freigelassen werden möchte. Ich habe es aber nicht bezahlt.
R: Was passierte, als Sie nicht zahlten?
BF: Man brachte mich zur Behörde und man hat es so protokolliert, dass ich die Strafe in TSCHETSCHENIEN zu zahlen hatte, weil sie es dorthin schicken.
R: Mussten Sie jemals etwas zahlen?
BF: In TSCHETSCHENIEN verstand man, dass es ungesetzlich war. Ich habe nie so einen Zettel bekommen.
R: Gab es in ST. PETERSBURG auch solche Probleme?
BF: In ST. PETERSBURG nicht.
R: Wo haben Sie während der Aufenthalte in den Städten gelebt? Waren das Firmenwohnungen oder?
BF: Das waren Wohnungen von der Firma oder auch Waggons, ich meine damit Container.
R: Warum sind Sie immer wieder nach TSCHETSCHENIEN zurückgekehrt?
BF: Weil dort mein Vater, meine Mutter, meine Brüder waren, dort ist mein Haus. Meine Anmeldung. Dort lebte ich auch.
R: Wenn Sie sagen „mein Haus“; haben Sie ein eigenes Haus in TSCHETSCHENIEN oder meinen Sie das Haus Ihrer Eltern?
BF: Ich habe natürlich das Elternhaus gemeint. Ein eigenes Haus hatte ich nie.
R: Wo haben Sie mit Ihrer Familie während der Tschetschenienkriege gelebt?
BF: Sie meinen in den 90er Jahren?
R: 1994 – 1996 bzw. 1999 – 2009.
BF: Als ich noch klein war, da kann ich mich erinnern, sind wir von unserem Dorf in die Ortschaft WEDENO gefahren. Dort haben wir gelebt. Ich glaube, dass das während des ersten Tschetschenienkrieges war. Danach... wo waren wir dann noch? Ich weiß es nicht mehr. Wir sind dann zurückgekommen, dann begann wieder der Krieg, ich meine den zweiten Tschetschenienkrieg. Dann sind wir nach GROSNY gefahren, weil mein Vater dort gearbeitet hat. Wir haben dort in der Nähe gelebt, aber nicht lange, zwei oder drei Monate. Dann sind wir zurück nach XXXX gekommen. Wir haben dort bis 2005 gelebt, wenn ich mich nicht irre. Dann sind wir wieder nach XXXX gereist. Wir hatten kein eigenes Haus mehr, das Haus wurde während des Krieges zerstört. Mein Vater hat also das Haus wieder aufgebaut und dann sind wir zurück nach Hause.
R: Bei Beginn des ersten Tschetschenienkrieges waren Sie SIEBEN Jahre alt, bei Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges ELF Jahre alt. Waren Sie an einem der Tschetschenienkriege als Kämpfer beteiligt?
BF: Nein, natürlich nicht.
R: Wie waren Sie sonst an den Tschetschenienkriegen beteiligt?
BF: Ich persönlich nicht.
R: Von wann bis wann haben Sie Kämpfer mit Lebensmitteln unterstützt?
BF: Es war nicht so, dass ich persönlich geholfen habe, das haben meine Verwandten gemacht. Weitschichtige Verwandte haben teilgenommen. Ich persönlich habe das nicht gemacht.
R: Haben Sie selbst Lebensmittel für die Kämpfer gekauft oder haben Sie das nicht gemacht?
BF: Nein.
R: Sie wurden 2009 zu einer Haftstrafe verurteilt. Warum?
BF: Ich werde es erklären. Meine weitschichtigen Verwandten haben sich am Krieg (gemeint: das, was 2009 passiert ist) beteiligt. Damals gab es unter dem Regime von KADYROW die sogenannte kollektive Verantwortung. Wenn jemand in die Berge oder in den Wald gegangen ist, dann wurden die Verwandten zur Verantwortung gezogen. Deswegen wurde ich auch in diese Listen eingetragen. Man hat sich dann den Vorwurf ausgedacht, dass ich meine Verwandten unterstützt habe. Ich wurde nach einem Paragraphen als Komplize verurteilt. Ich wurde zu einem Jahr verurteilt.
R: Haben Sie die Haftstrafe von einem Jahr, zu der Sie 2009 verurteilt wurden, zur Gänze verbüßt?
BF: Ja, ich bin das ganze Jahr gesessen.
R: Hatten Sie Auflagen bei der Entlassung aus der Haft?
BF: Offiziell hat es keine Auflagen gegeben. Ca. eine Woche vor meiner Freilassung sind zwei RUSSEN gekommen und sie haben mir vorgeschlagen, für sie zu arbeiten. Sie sagten, dass sie den Kontakt zwischen mir und anderen Leuten herstellen können. Ich sollte dann berichten, womit sich die Leute beschäftigen, wie viele Leute das sind. Ich sagte, dass mich das nicht interessiert, ich habe meine Strafe abgesessen und ich möchte wieder nach Hause.
R: Wann trat oder tritt die Tilgung dieser Strafe ein?
BF: In RUSSLAND glaube ich, sind es drei oder fünf Jahre laut Gesetz, dann wird das getilgt.
R: In der EV 2014 gaben Sie an, 2011 wegen groben Unfugs (Beamtenbeleidigung) zu 10 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt worden zu sein. Dazu legten Sie nach der EV 2019 eine Übersetzung vor. Sehe ich es richtig, dass Sie alle Urteile, die Sie vorgelegt haben, immer in Übersetzung und Kopie vorgelegt haben oder haben Sie auch die Originale vorgelegt?
BF: Bei der ersten Einvernahme habe ich alle Originale vorgelegt. Ich habe diese Originale von 2009 und von 2011.
R: Sehe ich es richtig, dass Sie gegen das Urteil 2011 nicht Berufung erhoben haben?
BF: In RUSSLAND meinen Sie?
R: Ja.
BF: So etwas macht man dort nicht.
R: Sie haben aber bei der Verurteilung 2010 Berufung eingelegt.
BF: Sie meinen die zwei RUSSISCHEN Urteile?
R: Genau, das ist eines, ein Berufungsurteil.
BF: Ich kann mich jetzt nicht genau erinnern, aber ich weiß sicher, dass ich zu einem Jahr verurteilt wurde und ich dieses Jahr abgesessen habe. Ich überlege, wie ich es in RUSSISCH am besten ausdrücken kann… Ehrlich gesagt, kann ich mich jetzt nicht erinnern, ob ich mich gegen dieses Urteil berufen habe oder nicht. Aber ich weiß ganz sicher, dass ich das eine Jahr abgesessen habe.
R: Wurden Sie aus der zehntätigen Haft unter Auflagen entlassen? Haben Sie die Strafe zur Gänze verbüßt?
BF: Der Richter hat 15 Tage gesagt. Ich habe darum gebeten, die Dauer der Strafe herabzusetzen. Er sagte „ok, zehn Tage“.
R: Ist Sie betreffend in der RUSSISCHEN FÖDERATION noch ein Strafverfahren offen oder laufend?
BF: Offiziell und konkret nicht, zumindest weiß ich von solch einem Verfahren nichts. Aber wenn ich meinen Namen im Internet eingebe, dann schein[t] mein Name in den Listen auf.
R: In welchen Listen?
RV: Wir haben bei der Beschwerde entsprechende Listen vorgelegt.
R: Wir sprechen von der ROSSIJSKAJA GAZETA?
RV: Ja.
R: Gibt es sonst noch Listen?
BF: Es gibt eine offizielle Liste, das sind Listen der Terroristen.
R: Sprechen wir von mehreren Listen?
BF: Dort bin ich unter der Nummer 811.
RV legt vor:
Liste in RUSSISCHER Sprache. Wird als Kopie zum Akt genommen.
R: Sind Sie sich sicher, dass beide Seiten zusammengehören? Bis 11 ist es auf Englisch und ab 786 ist es auf Russisch.
RV: Ich habe es so bekommen.
R: Sind das zwei separate Listen oder ist das dieselbe?
BF: Das ist dieselbe.
RV: Das eine ist Englisch, das andere ist Russisch.
BF: Diese Leute kommen aus anderen Ländern, beispielsweise aus SOMALIA.
R: Warum ist es dann nicht auf RUSSISCH geschrieben, sondern mit lateinischen Buchstaben? Das kann jemand, der kyrillisch liest, nicht lesen.
BF: Es sind Leute aus anderen Ländern, das ist auf kyrillisch. Die Namen die in lateinischer Schrift geschrieben sind, sind Leute aus anderen Ländern.
R erteilt den Auftrag, den Link binnen 14 Tagen zu übermitteln, von dem Sie das heruntergeladen haben.
BF: Ja, ich habe einen Link.
R: Gibt es sonst noch Listen, wo Sie vorkommen?
BF: Es gab noch eine Liste von der TSCHETSCHENISCHEN REPUBLIK. Das ist die Liste der Personen, die verschleppt worden sind. Ich war auf dieser Liste, aber ich glaube, dass diese Seite bereits gelöscht worden ist. Das war eine offizielle Liste von Personen, die spurlos verschwunden sind. Das war, als man mich verschleppt hat.
R: Wann wurden Sie verschleppt?
BF: Damals, als ich ins Gefängnis gebracht wurde.
R: AS 272: Der Name des BF ist Nummer XXXX .
R: Das ist die Liste, die nicht mehr online ist, richtig?
BF: Ja, momentan nicht.
R: Wir haben jetzt drei Listen.
BF: Ja.
R: Keine weiteren Listen?
BF: Nein. Ich hoffe, dass ich in keinen anderen Listen bin.
R: Sind Sie politisch oder exilpolitisch tätig?
BF: Ich bin kein Politiker, aber ich schaue mir Nachrichten an und beobachte die Lage.
R: Haben Sie in Österreich jemals an Demonstrationen teilgenommen?
BF: Ja.
R: An welchen?
BF: Ich glaube, dass das 2015 oder 2016 war. Als es in TSCHETSCHENIEN einen Vorfall gegeben hat. Eine Frau wurde dorthin gebracht und erniedrigt. Ein junger Mann wurde auch erniedrigt, ihm wurden die Hosen runtergezogen und dann wurde er erniedrigt. Wir sind hier auf die Straße gegangen, um unseren Protest zu zeigen, dass das Menschenrechte verletzt.
R: War das eine oder mehrere Demonstrationen?
BF: Da war zwei Mal.
R: Waren Sie seither auf Demonstrationen, seit 2016?
BF: Ja, wir waren bei der Demonstration vor der RUSSISCHEN Botschaft. Das war, als man CHANGASVILIALS (phonetisch) in BERLIN umgebracht hat, ich glaube, das war 2019.
R: Waren Sie sonst noch auf Demonstration?
BF: Ich war auch beim Europäischen Parlament in STRASSBURG.
R: Wogegen haben Sie da demonstriert und wann war das?
BF: Da ging es um das KADYROW Regime, dass man die Leute dort nicht verschleppt und Menschenrechte einhält. Es ging hauptsächlich darum, deswegen haben wir dort demonstriert.
R: Wann war das ungefähr?
BF: Das war 2018 oder 2017. Wenn Sie ein genaues Datum sehen wollen, dann kann ich nachschauen, wann das war.
R: Nein, 2017 bzw. 2018 reicht mir.
R: Es sind vier Demonstrationen. Waren Sie sonst noch auf Demonstrationen?
BF: Ich kann mich sonst an keine Demonstration erinnern. Ich kann es nicht genau sagen. An diese vier Demonstrationen kann ich mich erinnern.
R: Wenn Sie von „wir“ sprechen, we[n] meinen Sie?
BF: Die TSCHETSCHENISCHEN Leute, die hier leben.
R: Was ist Ihre Rolle in der TSCHETSCHENISCHEN Diaspora?
BF: Ich arbeite dort nicht, aber wenn die Leute aufgerufen werden zu Demonstrationen zu kommen, dann gehe ich hin, wenn ich die Möglichkeit dazu habe.
R: Sind Sie dort Redner oder gehen Sie einfach hin?
BF: Nein, nein, ich gehe einfach hin.
R: Sie legten mit „Attachment 4“ 2 Fotos vor: Bei welcher Gelegenheit wurden die aufgenommen?
BF: Das war, als die Leute zuhause erniedrigt wurden, das war 2015 oder 2016.
R: Sind Sie auf diesen Fotos zu sehen?
BF: Auf diesen Fotos nicht, aber auf einer Videoaufnahme, die im ORF gesendet wurde.
R: Haben Sie die zur Vorlage?
RV: Ich denke, dass der BF die auf seinem Handy hat.
BF: Dort bin ich auch zu sehen.
Ich erteile Ihnen den Auftrag dieses Video binnen 14 Tagen auf einem USB-Stick dem Gericht vorzulegen.
BF: Ok.
R: Sind Sie als Blogger oder journalistisch tätig?
BF: Nein.
R: Sind Sie als Menschenrechtsverteidiger tätig?
BF: Nein.
R: Haben Sie jemals für das Regime von Ramzan KADYROW gearbeitet?
BF: Niemals. Ich hoffe, dass ich niemals mit dem Regime zusammenarbeiten muss.
R: Haben Sie jemals für den FSB gearbeitet?
BF: Niemals.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zu VAYFOND?
BF: Das ist eine TSCHETSCHENISCHE Rechtsschutzorganisation, der Stützpunkt ist in SCHWEDEN. Sie sind im Bereich des Schutzes der Rechte der TSCHETSCHENISCHEN Flüchtlinge tätig. Diese Organisation hat sich zum Ziel gesetzt von der INTERPOL Liste die Löschung der Leute zu erwirken, die dort unrechtsmäßig eingetragen worden sind.
R: Sind Sie auf einer INTERPOL Liste eingetragen?
BF: Nein, ich nicht.
[…]
R: In welcher Beziehung stehen Sie zu XXXX ?
BF: XXXX war der Vertreter des Rechtsschutzzentrum VAYFOND. Ich und er saßen gemeinsam im Gefängnis in TSCHETSCHENIEN. Wir haben uns in TSCHETSCHENIEN kennengelernt und haben uns dann hier getroffen.
R: Weswegen saß XXXX im Gefängnis?
BF: Ich weiß nicht genau, was ihm vorgeworfen wurde. Es hieß er hat teilgenommen, möglicherweise hat er geholfen.
R: In welchem Gefängnis saßen Sie gemeinsam mit ihm?
BF: Wir waren in GROSNY, das war die Untersuchungshaft, das war in SIZO, das ist eine Isolationsuntersuchungshaft.
R: Wie lange saßen Sie dort gemeinsam?
BF: Ich war dort vier Monate, solange die Untersuchung gedauert hat. Ich war mit XXXX gemeinsam dort ca. einen Monat.
R: Haben Sie seither noch Kontakt?
BF: Ja, hier in Österreich.
R: Ist XXXX in Österreich oder in SCHWEDEN?
BF: Er ist in ÖSTERREICH, er wohnt in XXXX .
R: Beschreiben Sie mir Ihre Beziehung zu XXXX .
BF: Wir haben uns in TSCHETSCHENIEN kennengelernt, dann haben wir uns hier in Österreich getroffen. Er hat zwischen 2015 und 2016 die Demonstration organisiert und ich, als sein Bekannter, bin auch zu dieser Demonstration gegangen. Er ist ein guter Mann, er ist ein Familienmensch.
R: Abgesehen davon, dass Sie ihn getroffen haben und auf die von ihm organisierten Demonstrationen gegangen sind, haben Sie sonst noch mit XXXX zu tun?
BF: Manchmal gehe ich mit ihm als Dolmetscher.
R: Wer dolmetscht für wen?
BF: Ich bin der Dolmetscher.
R: Wo dolmetschen Sie für ihn?
BF: Manchmal gibt es Termine bezüglich der Arbeit zum Beispiel. Wenn man irgendwelche Dokumente einreichen muss. Oder wenn er irgendwas kaufen will.
R: Sie helfen ihm bei Verwaltungs- und Behördenwegen?
BF: Ja.
R: Haben Sie sonst noch etwas mit ihm zu tun?
BF: Wir sind einfach bekannt aus TSCHETSCHENIEN. Wir sind praktisch Freunde.
R: Was machen Sie in Ihrer Freizeit miteinander?
BF: So treffen wir uns nicht. Er hat lange in SCHWEDEN gelebt, glaube ich.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zu XXXX ?
BF: Wo steht der Name geschrieben? Ich glaube… meinen Sie… ist das einer der Personen, die von hier abgeschoben wurden oder einer, der in TSCHETSCHENIEN verschleppt wurden?
R: Sie stehen in keiner Beziehung zu XXXX ?
BF: Ich kenne diese Person nicht.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zu XXXX ?
BF: Diese zwei Personen, die waren mit mir in GROSNY im Gefängnis. Sie wurden dann in GROSNY umgebracht. Ich habe mich daran erst erinnert, als Sie den Namen XXXX genannt haben.
R: Sie waren im selben Untersuchungsgefängnis?
BF: Ja.
R: Hatten Sie davor oder danach mit diesen zwei Personen zu tun?
BF: Nein.
R: Wie engagierte sich XXXX für den TSCHETSCHENISCHEN Widerstand?
BF: Wir waren zusammen im Gefängnis, das heißt in der Isolationsuntersuchungshaft in GROSNY, er wurde etappenweise nach RUSSLAND geschickt. Ich weiß nicht, was danach mit ihm passiert ist. Ich habe nur in den offiziellen Nachrichten gehört, dass XXXX in GROSNY umgebracht wurden. Darüber habe ich gelesen, als ich in SOCHI war.
R: Wie engagierte sich XXXX für den TSCHETSCHENISCHEN Widerstand, wissen Sie das?
BF: Nein, das weiß ich nicht. Sie wurden als Komplizen verurteilt, eben nach diesem Paragraph, so wie ich.
R: Also der § 208?
BF: Ja, genau.
R: Welche Moschee besuchen Sie in Österreich?
BF: Am XXXX gibt es eine TÜRKISCHE Moschee, im XXXX . BEZIRK. Es ist nicht weit von mir entfernt.
R: Würden Sie sich selbst als Salafist oder Wahabit bezeichnen?
BF: Ich bin Staatsbürger der TSCHETSCHENISCHEN Republik, mich interessiert die wahabitische und salafistische Ideologie nicht. Ich versuche nur, meine Verpflichtungen als Moslem einzuhalten.
R: Was sind Ihre Verpflichtungen als Moslem?
BF: Fünf Mal täglich beten, es kommt ja in kürze der Monat Ramadan, nächste Woche glaube ich, am 11.03. Wenn es mir gelingt, dann möchte ich auch MEKKA besuchen.
R: Haben Sie Berührungspunkte zum dschihadistischen Islam?
BF: Nein, natürlich nicht.
R: Waren Sie jemals in SYRIEN?
BF: Niemals.
R: Waren Sie jemals im IRAK?
BF: Niemals.
R: Haben Sie in Österreich Kontakt zu Personen, die den dschihadistischen Islam nahestehen?
BF: Nein und ich hatte solche Kontakte niemals.
R: Sehe ich es richtig, dass Ihnen während des zweiten Tschetschenienkrieges 2008, in TSCHETSCHENIEN ein Führerschein ausgestellt wurde?
BF: Ja, ich glaube 2007 habe ich den bekommen.
R: 2007, zwei Jahre vor Ende des zweiten Tschetschenienkrieges, waren Sie 20 Jahre alt und mussten einen neuen Inlandsreisepass beantragen. Sehe ich es richtig, dass Ihnen dieser ausgestellt wurde?
BF: Ja, ich hatte einen RUSSISCHEN Inlandsreisepass.
R: Haben Sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION den Militärdienst abgeleistet?
BF: Nein.
R: Sind Sie zur Stellung einberufen worden oder haben damals in TSCHETSCHENIEN kriegsbedingt keine Stellungen stattgefunden?
BF: In TSCHETSCHENIEN gab es damals keine Einberufungskommission, aber es wurden Listen erstellt, aber die Leute wurden nicht einberufen, vor allem keine TSCHETSCHENEN. Damals nicht.
R: Haben Sie ein Wehrdienstbuch?
BF: Ich habe ein Dokument, wo steht, dass ich wehrpflichtig bin. Ich glaube schon.
R: War der Stempel im Inlandsreisepass?
BF: Das ist ein Zettel, dass ich dort zwei Mal war und dass ich wehrpflichtig bin und dass ich hinkommen soll wegen der Überprüfung der Sehkraft usw.
R: Sie wurden zur Musterung, wo die Burschen mit 18 Jahren hingehen, geladen?
BF: Vollkommen richtig.
R: Zum Pflichtmilitärdienst wurden Sie dann nicht einberufen, habe ich das richtig verstanden?
BF: Ja, ich wurde nicht einberufen. Man hat einfach den Stempel auf diesem Zettel bekommen, nicht in den Inlandsreisepass oder in ein Wehrdienstbuch. Ein Wehrdienstbuch habe ich nicht.
R: Laut Ihren Angaben in der EB haben Sie von 1994 bis 2005 mit 2 Jahren Unterbrechung die Grundschule besucht, aber keine Ausbildung gemacht. Haben Sie in Österreich eine Ausbildung gemacht?
BF: Hier nicht, nein.
R: Haben Sie in Österreich Berufserfahrung erworben?
BF: Ja, ich arbeite hier seit 2016.
R: Als was?
BF: Als Security, ich bin im mobilen Dienst. Von 2018 – 2023 bei der Firma XXXX im XXXX Bezirk. Von 2023 bis jetzt bei der Firma XXXX in der XXXX .
R: Ist Ihr Bruder XXXX am XXXX oder am XXXX geboren?
BF: Ich glaube, dass er XXXX geboren wurde.
R: Ist Ihr Bruder XXXX am XXXX oder am XXXX geboren?
BF: XXXX geboren, glaube ich.
R: Ihr Vater ist XXXX Jahre alt, Ihre Mutter (fast) XXXX , Ihr Bruder XXXX ist XXXX , Ihr Bruder XXXX (fast) XXXX , Ihr Bruder XXXX XXXX und Ihr Bruder XXXX fast XXXX Jahre alt (EB). Wo und wovon leben diese Angehörigen aktuell?
BF: Dort, wo ich angemeldet bin, also XXXX . Als ich RUSSLAND verlassen habe, haben wir alle zusammengelebt. Jetzt lebt XXXX mit seiner Familie woanders im gleichen Dorf. In seinem Pass steht nicht XXXX , sondern XXXX . XXXX lebt mit meinen Eltern zusammen. Der ältere Bruder XXXX lebt getrennt von den Eltern in der Nähe von unserem Haus, im gleichen Dorf. XXXX lebt auch bei den Eltern, weil er Invalide des ersten Grades ist.
R: Blieben Ihre Brüder durchgehend in TSCHETSCHIEN oder haben Sie zeitweilig wo anders gelebt?
BF: Sie haben vorwiegend in TSCHTESCHENIEN gelebt und leben dort nach wie vor. Der ältere Bruder fuhr manchmal mit dem LKW nach RUSSLAND, ich meine damit als beruflich LKW-Fahrer.
R: Wenn Sie sagen, Sie haben vorwiegend in TSCHTESCHENIEN gelebt, wo haben Sie noch gelebt?
BF: Nur in TSCHTESCHENIEN.
R: Wo und wovon lebt Ihre Tante XXXX , aktuell (EB)?
BF: Sie hat früher dort gelebt, jetzt sind sie nach TSCHTESCHENIEN übersiedelt. Sie ist schon eine ältere Frau und bekommt eine Pension, auch ihr Sohn hilft ihr.
R: Wo und wovon lebt Ihr Cousin XXXX , der so alt ist wie Sie?
BF: XXXX ist der, der beim Widerstand teilgenommen hat. 2009 wurde er umgebracht, er ist nicht mehr am Leben.
R: Wo lebt seine Familie jetzt?
BF: Sein Vater lebt bei uns im Dorf, seine Mutter ist nach FRANKREICH gegangen, sie lebt jetzt dort.
R: Wie halten Sie von Österreich aus Kontakt mit Ihren Angehörigen?
BF: Ich stehe in Kontakt mit meinen Eltern und meinen Brüdern.
R: Über das Handy oder wie?
BF: Über das Handy.
R: Wie geht es ihnen aktuell?
BF: Gut.
R: Ein Bruder war LKW-Fahrer, wovon leben die übrigen Geschwister?
BF: XXXX macht Dächer, der jüngste Bruder XXXX arbeitet auch mit einem LKW, aber im Dorf, meine Eltern bekommen eine Pension.
R: In der EV 2019 gaben Sie an, dass die Behördenvertreter nicht mehr zu Ihren Eltern und Brüdern kommen. Seit wann nicht mehr?
BF: In der letzten Zeit habe ich nichts Diesbezügliches gehört. Davor hat man meinen älteren Bruder nach meiner Telefonnummer gefragt. Aber ich weiß nicht, ob er ihnen die Telefonnummer gegeben hat oder nicht. Wenn in dem Rayon irgendwas passiert, dann machen die Behörden Überprüfungen. Aber es ist nicht so, dass jeden Tag wer zu mir nach Hause kommt und fragt.
R: Warum ist Ihr Bruder XXXX Invalide?
BF: Während des ersten Tschetschenienkrieges wurde er verwundet. Das waren Bomben, die von Flugzeugen geworfen wurden und er wurde in Folge dessen verwundet.
R: Bekommt er eine Invaliditätspension?
BF: Ja, das bekommt er.
R: Wer von Ihren Angehörigen wurde bisher zum Militärdienst in die UKRAINE eingezogen?
BF: Bis jetzt niemand. So etwas ist nicht vorgekommen, meine Verwandten wurde nicht mitgenommen.
R: Hat sich einer Ihrer Angehörigen als Freiwilliger für die UKRAINE gemeldet?
BF: Damit jemand als Freiwilliger dort teilnehmen kann? Nein.
R: Wurde jemand aus Ihrer Familie für den Ukrainekrieg zwangsrekrutiert?
BF: Von meinen Verwandten niemand. Aber es gibt Vorfälle in TSCHTESCHENIEN, dass die Leute mitgenommen werden, die werden bedroht und mitgenommen.
R: Ist einer Ihrer Angehörigen aktiver Rebell in TSCHETSCHENIEN?
BF: Nein. Derzeit gibt es keine aktiven Kämpfer bzw. Rebellen dort.
R: Hat sich einer Ihrer Angehörigen dem dschihadistischen Islam/Wahabiten angeschlossen?
BF: Nein, ich habe vier Brüder, die leben alle zuhause und arbeiten. Auch meine Onkel leben zuhause.
R: Wie viele Onkel vs. und ms. haben Sie?
BF: Ich habe zwei Onkel vs. und zwei Onkel ms.
R: Die leben auch alle in TSCHTESCHENIEN?
BF: Seitens der Mutter lebt einer in FRANKREICH.
R: Die Übrigen in TSCHTESCHENIEN?
BF: Ja.
R: Waren Sie vor Ihrer Ausreise aus RUSSLAND 2014 aktiver Rebell oder Angehöriger des dschihadistischen Islam?
BF: Nein, natürlich nicht. So etwas war nicht der Fall. Sie sehen selbst, dass ich ja von hier nicht ausgereist bin nach meiner Ankunft. Ich befinde mich hier.
R: Sie sind seit 2014 in Österreich. Waren Sie seither jemals außerhalb von Österreich? Sie gaben zuvor an, dass Sie in STRASSBURG demonstrieren waren.
BF: Sie haben gefragt, ob ich mich an irgendwelchen Kämpfen beteiligt habe. Ich sagte „natürlich nicht“. Aber ich war zum Beispiel in DEUTSCHLAND, in FRANKREICH, in TSCHECHIEN und UNGARN.
R: Was haben Sie zum Beispiel in FRANKREICH gemacht?
BF: In FRANKREICH habe ich mich zum Beispiel an der Demonstration beteiligt und fuhr zu einem Freund.
R: Sehe ich es richtig, dass Sie mit XXXX nicht mehr zusammen sind und jetzt mit XXXX zusammen sind?
BF: Ja, das ist richtig.
R: Wie kamen Sie mit XXXX zusammen?
BF: Wir haben uns hier kennengelernt und geheiratet, wir haben auch eine Zeit lang zusammengelebt.
R: Wie haben Sie geheiratet?
BF: Wie Moslems.
R: Wo? In einer Moschee?
BF: Ja, genau.
R: In welcher Moschee?
BF: In XXXX gibt es eine große Moschee, dort im ISLAMISCHEN ZENTRUM.
R: Wie haben sie sich scheiden lassen?
BF: Ein offizielles Dokument haben wir nicht, wir leben nicht zusammen.
R: Welchen Aufenthaltsstatus hat XXXX ?
BF: Sie hat den Konventionspass, ich weiß aber nicht, wann sie den Status bekommen hat.
R: Welcher Verfolgung war sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION ausgesetzt?
BF: Das kann ich nicht sagen, sie war nämlich noch ein Kind, als sie hierherkam. Sie hat hier die Schule besucht.
R: Sehe ich es richtig, dass XXXX seit 2010 asylberechtigt ist, ihr der Status aber im Familienverfahren zuerkannt wurde?
BF: Ja, genau.
R: Sehe ich es richtig, dass die Mutter von XXXX und XXXX XXXX ist und die Kinder abgeleitet von ihrer Mutter im Familienverfahren ebenfalls asylberechtigt sind?
BF: Genau.
R: Sehe ich es richtig, dass XXXX und XXXX seit 2022 nicht mehr bei ihrer Mutter XXXX leben, sondern bei Ihnen?
BF: Ja.
R: Damals war XXXX erst drei Jahre alt. Wie werden die Obsorge und die Pflege ausgeübt? Von wem und wie?
BF: Bei uns ist es so, dass XXXX zu 50% die Obsorge hat und ich zu 50 % die Obsorge habe.
R: Wie übt XXXX die Obsorge aus?
BF: Wir haben das so vereinbart: Die Kinder leben bei mir, den Kindergarten und die Schule können sie bei mir besuchen, aber am Wochenende sind die Kinder bei der Mutter.
R: Wie kamen Sie mit XXXX zusammen?
BF: Nach der Scheidung mit XXXX habe ich sie kennengelernt.
R: In der RUSSISCHEN FÖDERATION kannten Sie sich noch nicht?
BF: Nein, wir haben uns hier kennengelernt.
R: Wie haben Sie sich kennengelernt?
BF: Sie hat in GRAZ mit ihrer Mutter gelebt. Sie sind zu einer Hochzeit hierhergekommen, dort haben wir uns kennengelernt.
R: Wie haben Sie geheiratet?
BF: Genau so, wie Moslems.
R: Wo?
BF: Diesmal nicht mehr in der Moschee, es gibt bei uns einen Imam, der dort arbeitet. Er hat die Ehe geschlossen.
R: Der Imam arbeitet wo?
BF: Er ist bei der Moschee, er arbeitet dort.
R: Bei welcher Moschee?
BF: Ich glaube, er arbeitet in der tschetschenischen Moschee im 10. BEZIRK.
R: Wie heißt die Moschee?
BF: Die ist in der XXXX .
R: Der Imam arbeitet im 10. Bezirk in der XXXX ?
BF: Ja, genau.
R: Welchen Aufenthaltsstatus hat XXXX ?
BF: Sie hat einen Daueraufenthaltstitel.
R: Welcher Verfolgung war sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION ausgesetzt?
BF: Sie hat den Aufenthaltsstatut zusammen mit ihrer Familie bekommen.
R: Sehe ich es richtig, dass der Asylantrag von XXXX 2007 wegen der Zuständigkeit eines anderen EU-Staates zurückgewiesen wurde und sie danach keinen weiteren Asylantrag stellte?
BF: Ich habe gehört, dass sie dagegen Berufung eingelegt haben, aber ich habe sie nicht genau gefragt, wie sie es bekommen hat. Wie genau es war, weiß ich nicht.
R: Aber Sie hat nicht Asyl, korrekt?
BF: Ja, Asyl hat sie nicht.
R: Warum wurde ihr 2011 ein Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt?
BF: Das weiß ich nicht.
R: Wo wurde ihr 2017 ein Auslandsreisepass der Russischen Föderation ausgestellt?
BF: 2017 haben wir uns nicht gekannt, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie sie den Pass erhalten hat.
R: Gab es Probleme bei der Passausstellung? Hat sie etwas erzählt?
BF: Ich weiß es nicht.
R: Wie ist sie in die Pflege und Erziehung von Ihren Kindern XXXX involviert?
BF: Wie eine Mutter, sie kümmert sich wie die Mutter.
R: Sehe ich es richtig, dass XXXX die Mutter von XXXX ist und XXXX , wie ihre Mutter, in Österreich über einen Aufenthaltstitel verfügt?
BF: Ja.
R: Haben Sie weitere Kinder?
BF: Von XXXX habe ich noch zwei Kinder.
R: Geben Sie mir bitte die Namen und die Geburtsdaten an.
BF: XXXX wurde am XXXX geboren und XXXX wurde am XXXX geboren.
R erteilt den Auftrag die Geburtsurkunden der beiden Kinder binnen 14 Tagen dem Gericht vorzulegen.
R: Hat eine Ihrer Gattinnen Bindungen zum salafistischen, wahabitischen oder sonst radikalen Islam?
BF: Nein, natürlich nicht. Wenn sie eine solche Bindung hätten, hätte ich sie nicht geheiartet.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zu XXXX ?
BF: XXXX hat hier in Österreich um Asyl angesucht. Wir haben uns in Niederösterreich in XXXX kennengelernt. Von dort sind wir nach XXXX übersiedelt. Von dort haben ihn die Sicherheitsbehörden abgeholt. Wir haben dann gehört, dass er sich am Syrienkonflikt beteiligt hat. Als man mich 2014 in der Moschee festgenommen hat, hat man mich nach XXXX gefragt. Ich kann mich gut an den Familiennamen erinnern. Bei uns gibt es Geschäftsleute mit dem Familiennamen XXXX , deswegen habe ich mir den Namen gemerkt. Das sind Leute, die in TSCHETSCHENIEN bekannt sind.
R: Außer, dass Sie sein Zimmerkollege waren, hatten Sie sonst noch etwas mit XXXX zu tun?
BF: Wir waren acht oder neun dort. Wir haben zusammengelebt. Manche haben Deutsch gelernt, manche konnten mit ihren Dokumenten arbeiten, wir haben zusammen das Essen gekauft. Das war alles.
R: Wie hat sich XXXX im Grundversorgungsquartier verhalten?
BF: Wie ein normaler Mann.
R: XXXX wurde wegen terroristischer Vereinigung als SYRIEN-Kämpfer und wegen pornographischer Darstellung Minderjähriger verurteilt. Auf seinem Mobiltelefon, das er während dem Aufenthalt in der Grundversorgung verwendet hat, waren nicht nur die […] Kinderpornographie, sondern auch Anleitungen […] für das Basteln von Bomben mit Fernzündung und XXXX fiel dadurch auf, dass der im Grundversorgungsquartier die anderen Bewohner gemaßregelt hat, wenn sie nicht seinen Vorstellungen nach korrekt gehandelt haben. Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Das ist mein Handy (BF zeigt sein Handy). Was in seinem Telefon war, weiß ich nicht, ich habe ja nicht geschaut, was in seinem Telefon war. Ich bin selbst kein Kind und weiß, wie ich mich zu verhalten habe. Mir hat XXXX nichts erklärt oder Diesbezügliches gesagt. Aber, als er mitgenommen wurde, kamen zwei oder drei Tage Journalisten mit einer Kamera und danach haben wir erfahren, dass er teilgenommen hat. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen, ich glaube nur bei der Gerichtsverhandlung.
RV: Aus welchem Akt halten Sie vor?
R: XXXX Der BF hat damals als Zeuge im Verfahren vor dem BVwG ausgesagt (Verhandlung 09.02.2018).
R: Sie legten eine Seite der ROSSIJSKAJA GAZETA vom 13.03.2013 vor. Dabei handelt es sich um einen Betrag zur Gewährleistung der Sicherheit während der 22. Olympischen Winterspielen und der 11. Paralympischen Winterspielen in SOTSCHI im Jahr 2014. Auf Nr. 32 von 88 Namen kommen Sie unter „Organisationen und Einzelpersonen, die in der Liste der Organisationen und Einzelpersonen aufgeführt sind, in Bezug auf die Informationen über Ihre Beteiligung an extremistischen Aktivitäten oder Terrorismus vorliegen, auf der Grundlage des Gesetzes über die Bekämpfung der Legalisierung von Erträgen aus Straftaten (Geldwäsche) und der Finanzierung des Terrorismus.
Möchten Sie dazu etwas angeben? Wie kamen Sie auf diese Liste?
BF: Diese Listen; ich habe keine Ahnung, warum meine Person auf diesen Listen erscheint. Ich habe keinen Zugang zu Informationen, warum ich auf dieser Liste bin. Ich habe keine Ahnung, warum ich in diesen Listen bin.
R: Sie haben gesagt, Sie befolgen alle muslimischen Gebote. Kann es sein, dass Sie Almosen an einen Verein oder eine Organisation gespendet haben, die in Hinblick auf den Terrorismus verdächtig sind?
BF: Ja. Es gibt keine Beweise, weder in RUSSLAND noch in Österreich, dass ich irgendwem Geld gegeben habe. Ich glaube, dass ich wegen meiner Haftstrafe auf diese Listen gekommen bin, weil ich dort als Komplize geführt wurde. Aufgrund dessen hat man das wahrscheinlich verfasst.
R: An welche Organisationen oder Personen haben Sie gespendet, während Sie noch in Russland waren, ab 2010?
BF: Keinen Leuten und keinen Organisationen. Die RUSSISCHEN Geheimdienste haben auch diesbezüglich keine Beweise.
R: Der Rechercheauftrag Sie betreffend auf der Homepage der ROSSIJSKAJA GAZETA ergab, dass Sie am 14.11.2013 nochmals vorkommen. Unter der Überschrift „Ergänzte Liste von Organisationen und Personen, zu denen Informationen über ihre Beteiligung an extremistischen Aktivitäten oder Terrorismus vorliegen“ kommen Sie als 15. von 15 Personen in der Liste der Organisationen und Einzelpersonen [vor], die auf Grundlage des Gesetzes über die Bekämpfung der Legalisierung von Erträgen aus Straftaten (Geldwäsche) und der Finanzierung des Terrorismus von der Liste gestrichen wurden. Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Sie haben gesagt, dass ich von dieser Liste gelöscht wurde?
R: Im November 2013.
BF: Offiziell habe ich keine Bestätigungen bekommen, weder in TSCHETSCHENIEN noch hier. Wenn das erwünscht wird, wird man meinen Namen wieder einfach eintragen.
R: Sie sind fast 37 Jahre alt und daher nicht mehr im wehrpflichtigen Alter. Sie haben den Militärdienst nicht geleistet und gehören daher nicht der aktiven Reserve an. Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: In TSCHETSCHENIEN ist es nicht so, dass jemand tauglich ist oder nicht. Wenn jemand sich etwas ausdenkt oder wenn das erwünscht ist, kann jeder eingezogen werden und dorthin geschickt werden.
R: Welche Neuerungen Ihr Fluchtbringen betreffend haben sich aus den heute vorgelegten Artikeln ergeben?
BF: Die zwei Personen waren mit mir in GROSNY in SIZO. XXXX war mit mir in SIZO und hat RUSSLAND verlas[s]en, ist nach Großbritannien, hat dort einen AUFENTHALTSTITEL bekommen. XXXX lebt in TSCHETSCHENIEN. Ich wollte damit sagen, dass 14 Jahre danach, diesen Leuten wieder Probleme gemacht werden, ich meine die ehemaligen Häftlinge.
R: Warum war XXXX in XXXX ? Was war der Vorwurf?
BF: Auch nach dem §, wie ich als Komplize. Auch XXXX , er wurde auch nach diesem § beschuldigt.
R: Zu welchen Strafen wurden die beide verurteilt?
BF: Genau weiß ich es nicht. XXXX glaube ich zwei Jahre und XXXX ein Jahr oder 1 ½ Jahre ich weiß es nicht genau.
R: Wie haben Sie die beiden für den TSCHETSCHENISCHEN Widerstand eingesetzt?
BF: Diese Leute lebten in einer anderen Stadt. Da ging es um andere Angelegenheiten. Ich habe sie kennengelernt, als sie schon beim SIZO waren. Ich weiß nicht, was sie gemacht haben, als sie in der Freiheit waren. Ich habe sie in der Isolationsuntersuchungshaft kennengelernt.
R: Das heißt, auf freiem Fuß hatten Sie mir den beiden nichts zu tun, habe ich das richtig verstanden?
BF: Nein, hatte ich nicht. Ich habe dann die Nachrichten gelesen und habe das erfahren, dass sie eben wieder Probleme bekommen haben.
R: Sie hatten vorher und nach der Untersuchungshaft nichts mit beiden zu tun?
BF: Ja, genau, hatte ich nicht.
R: Was ist jetzt mit den beiden passiert?
BF: Es wird geschrieben, dass sie ungesetzlich festgehalten wurden. Man hat keine Anklage gegen sie erhoben. Ich habe dann gehört, dass XXXX 500.000 Rubel als Schmiergeld bezahlt hat und er dann freigelassen wurde. XXXX wurden alle Dokumente beschlagnahmt, auch die von GROSSBRITANNIEN. Man lässt ihn nirgends ausreisen. Also er ist in Hausarrest.
R: Im zweiten Artikel geht es um die Drohungen KADYROWS gegen Leute, die gegen ihn demonstriert haben.
R an RV: Möchten Sie Fragen an den Beschwerdeführer stellen?
RV: Wieso haben Sie den KAUKASISCHEN KNOTEN vorgelegt?
BF: Als wir uns bei den Demonstrationen beteiligt haben, war das KADYROW Regime in TSCHETSCHENIEN deswegen so unzufrieden. KADYROW hat befohlen, die Leute, die dort teilgenommen haben, zu fotografieren und ihn persönlich zu übermitteln. Er sagte, dass wenn diese Leute zuhause Vater, Mutter, Bruder oder Schwester haben, diese zu Verantwortung gezogen werden. Das ist eine Drohung. Er drohte den Leuten, die an Demonstrationen teilgenommen haben. Das Regime hat es gar nicht gern, wenn man an Demonstrationen teilnimmt. Danach habe ich mein Gesicht verdeckt, als ich mich an einer Demo teilgenommen habe, damit man mich nicht erkennt.
R: Von welcher Demo reden wir jetzt?
BF: Zum Beispiel in STRASSBURG, im Dezember 2015/2016 in XXXX .
RV: Sie wurden vorher zum Thema befragt, ob Sie in den RUSSISCHEN Städten registriert wurden. Warum waren Sie zu den Zeiten, wo Sie dort gearbeitet haben, nicht gemeldet?
BF: Dort wird man nicht angemeldet.
RV: Sie müssen sich ja selbst anmelden, oder?
BF: Man beruft sich darauf, dass die TSCHETSCHENISCHE Republik ein Teil der RUSSISCHEN FÖDERATION ist. Deswegen reicht die TSCHETSCHENISCHE Anmeldung.
R: Sie haben Ihre ständige Anmeldung in TSCHTESCHENIEN. Hatten Sie in den Städten, wo Sie gearbeitet haben, auch keine temporäre Anmeldung?
BF: Ich hatte keine Anmeldung.
R: Sie waren aber offiziell beim Dienstgeber beschäftigt und angemeldet?
BF: Ja.
RV: Warum haben Sie, keine zumindest temporäre Anmeldung gehabt?
R: Wenn ich Ihnen zuhöre, meinen Sie, weil Sie RUSSISCHER Staatsbürger sind und TSCHETSCHENIEN zu RUSSLAND gehört, brauchen Sie kein Visum, habe ich Sie da richtig verstanden?
BF: In KRASNODAR habe ich zum Beispiel die Arbeit verloren. Ich meine wegen meiner Vergangenheit. Und dann beginnt man sich für mich zu interessieren. Um mich anzumelden muss ich ja auch meinen Familien- und Vornamen angeben, dann kommt es zu solchen Listen. Deswegen wollte ich mich nicht anmelden, ich habe das so vereinbart, dass das ohne Anmeldung passiert. Ich habe nur meinen Pass gezeigt, ich habe gezeigt, dass ich dort eine Anmeldung habe und ich Staatsbürger der Russischen Föderation bin.
R: Wem haben Sie den Pass gezeigt?
BF: Dem Arbeitgeber.
RV: Sie haben in einer der EV angegeben, in KRASNODAR ein Aufenthaltsverbot bekommen zu haben. Was meinen Sie damit?
BF: Das war die Liste, wo mein Name eingetragen wurde.
R: Welche von den drei Listen?
BF: Wir reden von der Liste der ROSSIJSKAJA GAZETA. Die Leute, die in diesen Listen sind, haben ein Aufenthaltsverbot in KRASNODAR bekommen.
RV: In welchem Verhältnis standen Sie zu XXXX ?
BF: Er ist ein Cousin des dritten Grades.
RV: Ist das der, wegen dessen Unterstützung Sie verurteilt wurden?
BF: Ja.
R[V]: Haben Sie ihn tatsächlich unterstützt?
BF: Nein, natürlich nicht. Damals gab es die sogenannte kollektive Verantwortung.
RV: Wurden Sie bei der letzten Festnahme am 10.01.2014 misshandelt?
BF: Damals nicht, nein. Geschlagen wurde ich nicht. Man hat mich nach Leuten gefragt und hat Familiennamen genannt.
RV ersucht um Akteneinsicht in der Niederschrift der Erstbefragung 2014.
R [verliest]: Zum Fluchtgrund: Etwas weiter Verwandte von mir haben gegen das russische Regime gekämpft. Ich habe ihnen Essen gegeben. Dafür wurde ich am 13. Mai 2019 [sic] von der TSCHETSCHENISCHEN (SCHALINSKY) Polizei festgenommen und zu einem Jahr gerichtlich zur Haft verurteilt. Ich bin dann bis 15. MAI 2010 in SCHALINSKY Rajon im Gefängnis gesessen. Nach meiner Entlassung wurde ich bis zu meiner Ausreise (10.01.2014) mindestens 10 Mal von der Polizei festgenommen. Ich wurde jedes Mal verhört, ab und zu wurde ich auch bedroht und geschlagen. Ich wurde dabei immer zwischen 1 Stunde und 1 Tag angehalten. Zuletzt bin ich am 10. JÄNNER 2014 mit mehreren Freunden in der Moschee gewesen. Ich wurde damals abermals von der Polizei in GROSNY festgenommen. Ich wurde ca. 1 Stunde verhört, geschlagen und es wurde mir mein Inlandspass (Personalausweis) abgenommen. Nachdem ich frei gelassen wurde, habe ich mich entschlossen meine Heimat zu verlassen und bin zu meiner Tante gereist. Sie hat mir dann geholfen, nach Österreich zu kommen. Das sind alle meine Fluchtgründe, andere oder weitere habe ich nicht – ich habe die Wahrheit gesagt.
RV: Das haben Sie ja heute verneint, dass Sie bei der letzten Festnahme geschlagen wurden. Was sagen Sie dazu? Kann es sein, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern?
BF: Als wir festgenommen wurden, wurden wir nicht gefoltert. Aber wenn jemand vorbeigegangen ist, dann wurde man entweder mit dem Fuß gestoßen oder mit der Hand wurde ein Schlag ins Gesicht, oder je nachdem, wo man halt erwischt wurde, versetzt. Oder es wurde einem ein Tritt in Hintern versetzt. Um jemanden zu erniedrigen, da ging es um Erniedrigung.
RV: Das verstehen Sie nicht als Schlagen?
BF: Ja.
RV: Keine weiteren Fragen.
[…]
R an BehV: Möchten Sie Fragen an den BF?
BehV: Keine Fragen.
R: Sie haben vorher den Unterschied zwischen „geschlagen“ und „Erniedrigung durch Klapps und Tritt“ geschildert, während der ca. zehn Male, die Sie zwischen 2010 und 2014 mitgenommen wurden: Was war bei diesen Verhören oder Festnahmen der Fall?
BF: Als Sie nach dem Datum 10.01.2014 gefragt haben, habe ich erklärt, was damals passiert ist. Aber im MAI 2009, als ich verschleppt wurde, da wurde ich wirklich geschlagen.
R: Was war bei den zehn Mitnahmen zwischen 2010 der Haftentlassung und 2014 der Fall?
BF: Manchmal sind sie nach Hause gekommen, sie sagten, dass sie einige Fragen haben und ich wurde dann zur Polizeistation mitgenommen. Dort hat man mich gefragt, womit ich mich beschäftigte, was ich mache und welche Freunde ich habe, so war es. So wie ich es früher gesagt habe, man hat mich aufgefordert, die Informationen über die Leute, die sich in unserem Rayon befunden haben, sollte ich weiterleiten.
R: Wurden Sie bei diesen Anlässen geschlagen?
BF: Nein, ich wurde gefragt. Aber im MAI wurde ich richtig geschlagen. Am 10.01 wurde ich erniedrigt, als ich in GROSNY mitgenommen wurde. Als ich zu 10 Tagen offiziell verurteilt wurde, wurde ich auch erniedrigt.
BF: Mit „erniedrigt“ meine ich, dass man mit der Stirn zur Wand bei der Polizeistation steht, die Hände am Rücken. Die Mitarbeiter gehen hinter einem vorbei, sehen, dass man an der Wand steht und versetzen einem einen Tritt von hinten oder versetzen einem einen Klapps. Auch auf die Nieren wurde man geschlagen. So machen sie es dort gewöhnlich, für die Leute, die dort arbeiten, gilt das als normal.
RV: Ist Ihren Familienangehörigen nach den Demonstrationen 2015/2016 in Österreich etwas passiert?
BF: So wie ich es früher gesagt habe, hat man meinen Bruder XXXX nach meiner Telefonnummer gefragt.
R: Ist sonst noch etwas geschehen?
BF: Die Leute sind auch zu meinen Eltern gekommen und die Eltern wurden gefragt, wo ich mich befinde und wann ich RUSSLAND verlassen habe, solche Fragen wurden gestellt.
R: Ist daraufhin etwas passiert?
BF: Bis jetzt nicht.
RV: Wann wurde Ihr Bruder XXXX nach der Telefonnummer gefragt?
BF: Nach der Demonstrationen.
R: In welchem Jahr?
BF: Als KADYROW die Drohung ausgesprochen hat, danach, das war 2016.
R: Wann wurden Ihre Eltern gefragt, wann Sie ausgereist sind?
BF: 2017 war das, glaube ich.
R: Möchten Sie eine abschließende Stellungnahme abgeben?
RV: Zunächst beziehe ich mich auf die ins Verfahren eingeführten Länderberichte und möchte dazu ausführen, dass die Situation in TSCHETSCHENIEN insbesondere in Hinblick auf die Kriegshandlungen der RUSSISCHEN Föderation gegen die UKRAINE nicht ausreichend beleuchtet werden. So geht aus diesen Länderberichten nicht hervor, dass KADYROW beispielsweise gesagt hat, dass ihm jedwede Altersgrenze in Hinblick auf den Militärdienst egal sein, weiters ist nicht berücksichtigt, dass TSCHETSCHENEN auch ohne jegliche militärische Erfahrung eingezogen werden und diese landläufig als „Wegwerfarmee“ bezeichnet werden und KADYROW insbesondere ihm missliebige Personen im Visier hat. Ich verweise dazu auf zwei Stellungnahmen der SFH Wehrdienstverweigerung im Krieg gegen die Ukraine vom 29.09.2022, sowie RUSSLAND/TSCHETSCHENIEN Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung vom 31.08.2023.
Ich möchte mich zur Aberkennung des subsidiären Schutzes äußern: Im gegenständlichen Bescheid wird unter „Feststellungen“ auf Seite 20 ausgeführt, dass weder zum damaligen Entscheidungszeitpunkt, 2014, noch zum jetzigen Zeitpunkt, Bescheiderlassung, eine Gefahr im Sinne von Artikel 2 und 3 EMRK nachvollzogen werden könne. Das BFA ignoriert damit die Rechtskraft der Entscheidung vom 10.06.2014, mit welcher genau diese Gefahr festgestellt wurde. Überdies sind im Bescheid keine nachvollziehbaren tragfähigen Feststellungen zum Unterschied der Situation 2014 zu 2023 und die Auswirkungen solcher Veränderungen auf den BF zu entnehmen.
Ich verweise auf die Beschwerde.
BehV: Aus Sicht der Behörde konnten auch die Angaben des BF in der heutigen Verhandlung insgesamt betrachtet, nicht dazu führen, dass eine asylrechtlich relevante Verfolgungsgefahr mit der nötigen Intensität vorliegt oder zu befürchten ist.
Zum Vorwurf der nichtvorliegenden Lageänderung wird darauf verwiesen, dass sich die Länderberichte von 2014 bis zum Entscheidungszeitpunkt sehr wohl maßgeblich verändert haben, insbesondere in Hinblick auf die Verfolgung von Unterstützern oder Beteiligten am Widerstand in den Tschetschenienkriegen.
Ansonsten verweise ich auf den Bescheid.
BF: [Der BFV] hat mir ein Visum vorgeschlagen. Wenn ich keine Probleme in RUSSLAND hätte, wenn ich dorthin fahren könnte und meine Verwandten dort besuchen könnte, dann würde ich gerne das Visum entgegennehmen, aber mir droht dort Gefahr. Deswegen habe ich zwei Mal diese Entscheidung angefochten. Ich möchte, dass Sie meine Sache überprüfen und eine richtige Entscheidung erlassen. Wenn es möglich ist, bitte ich um die Asylgewährung. Ich würde sehr dankbar sein.
R: Wenn Sie von Visum sprechen, reden Sie von einem Aufenthaltstitel, wie ihn Ihre Lebensgefährtin hat?
BF: Ja.
R: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?
BF: Sehr gut.
R: Möchten Sie Ihre Niederschrift selbst durchsehen oder möchten Sie sie rückübersetzt haben?
BF: Ich werde es selber lesen.
R: Wurde alles richtig protokolliert?
RV: Betreffend den „Tiergartenmord“ möchte ich angeben, dass der Ermordete Selimchan CHANGOSCHWILI heißt.
BF: Zu Seite 12 möchte ich angeben, dass ich in KRASNODAR in XXXX gelebt habe.
BehV: Es muss einen Fehler betreffend das Geburtsdatum der Tochter XXXX geben
R: Wann wurde Ihre Tochter XXXX geboren?
BF: XXXX . Ich korrigiere: Sie ist am XXXX geboren worden. Laut Foto auf dem IZR Auszug ist das meine Tochter.“
Mit Schreiben vom 19.03.2024 übermittelte der Beschwerdeführer einen Link zu einer Liste des FSB aus dem Jahr 2012, auf der der Beschwerdeführer aufscheine, sowie einen Link zu einer Nachrichtensendung von PULS 4 NEWS betreffend seine Teilnahme an einer Demonstration gegen die RUSSISCHE Vorherrschaft in TSCHETSCHENIEN, für Menschenrechte und Meinungsfreiheit, die am XXXX stattgefunden habe. Weiters werde ein Artikel aus der KRONEN ZEITUNG übermittelt, wonach Ramzan KADYROW in Österreich lebenden TSCHETSCHENEN drohe, und ein russischsprachiger Artikel.
Am 25.03.2024 gab das Bundesverwaltungsgericht die Übersetzung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen in Auftrag. Die Übersetzungen langten am 05.04.2024 sowie am 10.04.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 18.06.2024 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Parteiengehör zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur RUSSISCHE FÖDERATION, Version 14, vom 12.06.2024, ein. Mit Schreiben vom 03.07.2024 räumte es ihm Parteiengehör zu den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation „Infos zu TSCHETSCHENISCHE Demos in WIEN vom 24.12.2015 und 23.01.2016“ vom 16.12.2016, „Sippenhaftung durch die Behörden“ vom 08.06.2017 und „TSCHETSCHENISCHE Demos in WIEN DEZEMBER 2015; Follow-up“ vom 02.01.2018 ein.
Der Beschwerdeführer erstattete durch seine Vertreterin am 17.07.2024 eine Stellungnahme, in der er Folgendes ausführte:
„Der BF ist bereits aufgrund seiner regimekritischen Haltung und seiner Familienzugehörigkeit in das Visier der TSCHETSCHENISCHEN Behörden geraten. Insbesondere wurde er im Jahr 2009 zunächst entführt und gefoltert und im Anschluss zu einer einjährigen Haftstrafe aufgrund seiner (vermeintlichen) Komplizenschaft zu seinen Verwandten, die mit Sachleistungen TSCHETSCHENISCHE Kämpfer unterstützt haben, verurteilt (NS S. 16). 2011 wurde er erneut, dieses Mal wegen (vermeintlicher) Beamtenbeleidigung, zu einer 10-tägigen Freiheitsstrafe verurteilt. Bereits vor seiner Inhaftierung im Jahr 2009 wurde er mehrfach entführt und verhört und war er auch nach seiner Entlassung, in den Jahren zwischen den Jahren 2010 und 2014, immer wieder schikanösen Anhaltungen und Befragungen ausgesetzt. Zuletzt wurde er im Januar 2014 kurzfristig festgenommen und verhört sowie wurde sein Reisepass beschlagnahmt (NS S. 9). Der Name des BF erschien zudem auf mehreren Listen (NS S. 18ff).
Auch in Österreich und anderen europäischen Ländern zeigte der BF seine oppositionelle Haltung offen, indem er bspw. an Demonstrationen teilnahm und in diesem Zusammenhang auch medial sichtbar war (Schriftsatz vom 19.03.2024; NS S. 11, 20).
Aus der Anfragebeantwortung RUSSISCHE FÖDERATION – Infos zu TSCHETSCHENISCHEN Demos in Wien vom 24.12.2015 und 23.01.2016 vom 16.12.2016 geht hervor, dass der Präsident der russischen Teilrepublik TSCHETSCHENIEN, Ramzan KADYROW, den Teilnehmerinnen der genannten Demonstrationen – wozu auch der BF zählt – drohte, ihre Verwandten in TSCHETSCHENIEN ausfindig zu machen.
[…]
In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: RUSSISCHE FÖDERATION, TSCHETSCHENISCHE Demos in WIEN DEZEMBER 2015; Follow-up vom 02.01.2028 wird von zwei Fällen berichtet, in denen Familienmitglieder von Teilnehmerinnen von regimekritischen Demonstrationen aufgesucht bzw. bedroht wurden. Ob diese Drohungen umgesetzt wurden, konnte seitens der Staatendokumentation nicht festgestellt werden. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die tschetschenischen Behörden auch den BF bei der Teilnahme an diesen Demonstrationen identifiziert haben, insbesondere da er im Videobeitrag von Puls4 über die Demonstration am 23.01.2016 leicht erkennbar ist und ohnehin bereits auf mehreren Listen geführt wurde.
Der Länderinformation der Staatendokumentation – RUSSISCHE FÖDERATION vom 12.06.2024 (Version 14) ist zu entnehmen, dass tschetschenische Behörden schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an Kritikerinnen des TSCHETSCHENISCHEN Regimes verüben. Kritikerinnen steht zudem keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, wie die Berichte über gewaltsamen Zwangsrückführungen von TSCHETSCHEN:INNEN aus anderen Teilen der russischen Föderation nach TSCHETSCHENIEN belegen (vgl. auch VwGH 15.11.2023, Ra 2023/18/0031 zu den gebotenen Ermittlungen bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative für homosexuelle Personen aus TSCHETSCHENIEN).
[…]
Der Bericht des Verbindungsbeamten in MOSKAU vom 20.09.2023, wonach es lediglich Einzelfälle gab, bei denen die RUSSISCHEN Behörden Personen nach ihrer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION (behördlich) verfolgten und es sich hierbei um medial kolportierte Fälle von Personen mit einer gewissen Breitwirksamkeit handelte, ist gegenständlich nicht von Relevanz, da sich dieser ausschließlich auf RUSSISCHE Behörden bezieht. Die TSCHETSCHENISCHEN Behörden operieren weitgehend außerhalb der RUSSISCHEN Kontrolle, wie sich auch dem Länderinformationsblatt ergibt.
[…]
In Bezug auf TSCHETSCHENIEN ist dem Bericht der SCHWEIZERISCHEN FLÜCHTLINGSHILFE (SFH): RUSSLAND/TSCHETSCHENIEN: Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung vom 31.08.2023 zu entnehmen, dass ein TSCHETSCHENE, dessen Asylantrag in Europa abgelehnt wurde, einem hohen Risiko ausgesetzt ist, bei seiner Rückkehr nach TSCHETSCHENIEN verfolgt zu werden:
„Nach RUSSLAND zurückgeschickte Tschetschenen und ihre Angehörigen sind einem hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt. Laut Kontaktperson A gibt es Berichte über schwere Bestrafungen von nach RUSSLAND zurückgeschickten TSCHETSCHENISCHEN Personen und ihren Angehörigen. Die TSCHETSCHENISCHE Polizei entführt diese Personen häufig bei ihrer Ankunft am MOSKAUER Flughafen. Laut Kontaktperson A besteht für TSCHETSCHEN*INNEN, deren Asylantrag in Europa abgelehnt wurde, ein hohes Risiko, bei ihrer Rückkehr nach TSCHETSCHENIEN verfolgt zu werden (E-Mail-Auskunft vom 18. August 2023 von Kontaktperson A).
Kein Ort in RUSSLAND ist sicher für eine Person, die von den TSCHETSCHENISCHEN Behörden gesucht wird. Laut Gregory SHVEDOV, Chefredakteur des CAUCASIAN KNOT, der vom DIS interviewt wurde, ist kein Ort in RUSSLAND sicher, wenn die TSCHETSCHENISCHEN Behörden nach einer Person suchen, da die lokale TSCHETSCHENISCHE Regierung eine Person ausserhalb der Republik leicht ins Visier nehmen kann (DIS, Dezember 2022). Die EUAA zitiert diese Information ebenfalls und fügt hinzu, dass im Februar 2023 ein TSCHETSCHENISCHER Mann, dem in den NIEDERLANDEN der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war, am MOSKAUER Flughafen festgenommen wurde. Der Betroffene reiste nach MOSKAU, um an der Beerdigung seines Vaters teilzunehmen. Die Polizei habe ihn in die Hände TSCHETSCHENISCHER Sicherheitskräfte übergeben (EUAA, 17. Februar 2023).“
Das wird auch durch einen in der aktuellen Länderinformation der Staatendokumentation wiedergegebenen Bericht der Österreichischen Botschaft bestätigt, wonach sich eine erhöhte Gefährdung nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach TSCHETSCHENIEN für diejenigen Personen ergeben kann, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (vgl. LIB S. 70).
Der BF ist zudem besonders in Gefahr, im Rückkehrfall für den RUSSISCHEN Angriffskrieg auf die UKRAINE zwangsrekrutiert zu werden, da er bereits, wie aufgezeigt, mehrfach ins Visier der TSCHETSCHENISCHEN Behörden geraten ist. Dies deckt sich auch mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.
[…]
Auch im bereits zitierten Bericht der SFH vom 31.08.2023 wird festgehalten, dass sich die Zwangsrekturierung insbesondere gegen Regimekritiker richtet:
„RUSSLAND Regierungs- oder kriegskritische Personen und ehemalige tschetschenische Aufständische besonders im Visier der Zwangsrekrutierung.
Laut DIS richtete sich die Zwangsrekrutierung der TSCHETSCHENISCHEN Behörden nach der Ausrufung der Mobilmachung im September 2022 insbesondere gegen Personen, die der Regierung oder dem Krieg in der UKRAINE kritisch gegenüberstanden, oder gegen andere Personen, die im Visier der TSCHETSCHENISCHEN Behörden standen (DIS, Dezember 2022). Laut Khizir SULEIMANOV, einem TSCHETSCHENEN, der die tschetschenische Separatistenbewegung im deutschen Exil vertritt und von RFE/RL interviewt wurde, war die Mobilisierung in TSCHETSCHENIEN selektiv, wobei ehemalige TSCHETSCHENISCHE Aufständische aus den Kriegen gegen RUSSLAND sowie deren Angehörige besonders ins Visier genommen wurden. Dasselbe gilt für die Söhne, Ehemänner und andere Familienmitglieder von Protestierenden (RFE/RL, 10. November 2022). Die EUAA weist darauf hin, dass Menschenrechts-NGOs berichtet haben, dass die Behörden insbesondere junge Männer ins Visier genommen haben, die bereits im Fokus der Behörden standen (EUAA, 17. Februar 2023).“
Die bereits dargelegte Gefahr für aus Europa zurückgeführte TSCHETSCHENEN wird auch durch den Artikel des Nachrichtenmagazins „Profil“ vom 10.10.2022 1 bestätigt, wonach TSCHETSCHENEN, die aus Österreich abgeschoben wurden, unter Androhung von Folter für die RUSSISCHE Armee gegen die UKRAINE kämpfen müssen. „Viele, die an die Front abkommandiert werden, entstammten widerständischen Familien. (...) Nun versuche KADYROW, PUTINS Vasall, sich aller zu entledigen, die ihm gefährlich werden könnten, indem er sie in den Krieg schicke.“
Auch einem Bericht des DIS-Danish Immigration Service vom Dezember 2022 2 zufolge hatten es die Behörden in erster Linie auf Personen abgesehen, die entweder mit der TSCHETSCHENISCHEN Regierung selbst oder mit dem KRIEG in der Ukraine unzufrieden waren, oder auf Personen, die den Behörden in sonstiger Weise missfielen.
Im Themenbericht der Staatendokumentation RUSSISCHE FÖDERATION – Militärdienst vor dem Hintergrund des UKRAINE-Kriegs vom 04.02.2024 wird zudem festgehalten:
„Rekrutiert werden hauptsächlich Menschen, welche ihre Unzufriedenheit mit der tschetschenischen Führung oder dem Ukraine-Krieg ausdrückten, und auch Personen, die auf irgendeine Art und Weise in Ungnade gefallen sind (DIS 9.12.2022). In der Praxis kommt es zur Kriegsentsendung von Familienangehörigen illoyaler TSCHETSCHENEN (KR 9.8.2023a). Beispielsweise wurden vier Angehörige der Familie JANGULBAEW, welche zu den Kritikern des KADYROW-Regimes zählt, zwangsweise in die UKRAINE entsandt. Dasselbe Schicksal ereilte den Bruder eines oppositionellen Bloggers sowie den Neffen des Oberhaupts der ’Exilregierung ITSCHKERIJA’ (KR 9.8.2023b). Die tschetschenische ‚Republik ITSCHKERIJA’ stellte zwischen 1991 und 2000 ein nicht anerkanntes separatistisches Staatsgebilde dar (KK 12.7.2022). In Tschetschenien ist die Praxis der kollektiven Verantwortung weitverbreitet (KR 2.3.2023). Verwandte väterlicherseits, mütterlicherseits und auch die Familie der Ehefrau können zur Verantwortung gezogen werden (VQ RUSS2 23.1.2024).“
Der BF wurde zur Stellung geladen und für tauglich befunden (NS S. 26). Nunmehr ist der BF 37 Jahre alt und befindet sich nicht mehr im offiziellen wehrfähigen Alter (LIB S. 30). Aus dem bereits zitierten Länderbericht der SFH geht jedoch hervor, dass die offizielle Altersgrenze für die Zwangsrekrutierung in TSCHETSCHENIEN keine Rolle spielt:
„KADYROV will die Rekrutierung von Soldaten für den Krieg in der UKRAINE noch weiter intensivieren und verspricht, trotz des Endes der Mobilisierung Einberufungen zum Militärdienst zu verschicken.
Laut Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) erklärte Ramsan KADYROV im NOVEMBER 2022, dass er die Zahl der in die UKRAINE entsandten TSCHETSCHENEN weiter erhöhen werde und dass potenziell vielleicht zwischen 300’000 und 400’000 Männer in TSCHETSCHENIEN rekrutiert werden könnten. Er ermutigte seine Bürger auch, ein militärisches Rekrutierungsbüro aufzusuchen, und behauptete erneut, dass das offizielle Alter für die Rekrutierung keine Rolle spiele. Ende OKTOBER 2022, als die Teilmobilmachung offiziell beendet wurde, kündigte KADYROW an, dass die Einberufungen trotz allem weiter verschickt würden, und fügte hinzu, dass er zusätzliche Reserveeinheiten schaffen wolle (RFE/RL, 10. November 2022).“
Irrelevant ist zudem, dass der BF während seines Aufenthalts in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht zur Ableistung des Militärdienstes einberufen wurde, da bis zum Angriffskrieg auf die UKRAINE kaum RUSSISCHE Staatsbürger TSCHETSCHENISCHER Herkunft zur RUSSISCHEN Armee zur Ableistung des Militärdienstes einberufen wurden (NS S. 25). Darüber hinaus beschränkt sich die Zwangsrekrutierung seitens des KADYROW-Regimes nicht auf Reservisten. Im Gegenteil: Laut SFH-Bericht werden die TSCHETSCHENISCHEN Bataillone in der UKRAINE als „private Wegwerfarmee“ betrachtet, deren hohe Verluste für die RUSSISCHEN Machthaber akzeptabel sind. Sie sind oft mit der „Drecksarbeit“ betraut, wie zum Beispiel Disziplin durchzusetzen und Desertionen zu verhindern/bestrafen (SFH-Bericht, S.9). Die Mobilmachung richtet sich insbesondere auch gegen Personen, die der Regierung oder dem Krieg in der UKRAINE kritisch gegenüberstanden, oder gegen andere Personen, die im Visier der TSCHETSCHENISCHEN Behörden standen (auch DIS, Dezember 2022).
Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in TSCHETSCHENIEN ist der BF aufgrund seiner Gegnerschaft zum KADYROW-Regime und aufgrund des Umstands, bereits im Visier TSCHETSCHENISCHER Behörden gestanden zu sein, maßgeblicher Gefahr ausgesetzt, für den RUSSISCHEN Angriffskrieg gegen die UKRAINE zwangsrekrutiert zu werden oder anderwärtig unmenschlicher Behandlung aufgrund seiner politischen Gesinnung ausgesetzt zu werden. Daher wird ihm der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sein.“
Das Bundesamt replizierte darauf am 06.08.2024 v.a. Folgendes:
„Zur Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigen:
In der besagten Stellungnahme der Rechtsvertretung wurde erneut vorgerbacht, dass der Beschwerdeführer (in weiterer Folge BF) zunächst 2009 entführt wurde und zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, da er tschetschenische Widerstandskämpfer unterstützt hat.
Das Bundesamt geht im gegenständlichen Verfahren davon aus, dass sich die Lage in Bezug auf dieses Vorbringen, maßgeblich geändert hat. Diese Ansicht wird auch von der rezenten Judikatur des Bundesverwaltungsgericht untermauert.
Hierbei ist auch auf die zwischenzeitig eingetretene Lageänderung hinzuweisen (siehe dazu insbesondere die Entscheidung des BVwG vom 18.12.2018, W112 1258438-2 sowie jene vom 6.9.2018W236 2202290-1 (nachfolgende Beschwerdeablehnung, VfGH vom 25.2.2019, E 420/2019) und vom 7.3.2019, W125 1240799-3), wonach insbesondere seit 2011 keine Verfolgungen im Kontext der ersten beiden Tschetschenienkriege festzustellen waren. (BVwG vom 07.11.2023, W247 2275231-1/14E)
Weiters ist auch die Judikatur des VwGH in den Fällen von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG eindeutig.
Mit Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 23.5.2019, Bilali, C-720/17, hat dieser zu Recht erkannt, dass Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen muss, wenn er diesen Status zuerkannt hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen sind, indem er sich auf Tatsachen gestützt hat, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden kann, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt. (VwGH vom 14.08.2019. Ra 2016/20/0038)
Das Bundesamt hat daher die Aberkennung zu Recht auf § 9 Abs. 1 Z 1 1. Fall AsylG. Darüber hinaus ist auch die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG möglich, da sich die Sachlage seit der letzten Verlängerung der befristen Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG ebenfalls geändert hat.
Es wäre unzutreffend, bei der Prüfung des Wegfalls jener Umstände im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005, die zur Schutzgewährung geführt hatten, von einem Vergleich zwischen dem Zeitpunkt der Zuerkennung und jenem der Aberkennung auszugehen und dabei unbeachtet zu lassen, dass dem Revisionswerber mittlerweile die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gewährt worden war. Nach dieser Gesetzesstelle kommt eine Verlängerung nämlich nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag weiter vorliegen. (VwGH vom 22.10.2021, Ra 2021/14/0029).
Es liegen zum Entscheidungszeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Genannte im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Daher scheide eine erneute Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus und war der Status gern. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuerkennen.
Soweit in der Stellungnahme vorgebracht wird, dass der BF im Jahr 2016 an Demonstrationen teilgenommen hat und daher in der RUSSISCHEN FÖDERATION einer Verfolgung ausgesetzt wäre, ist in Anbetracht der bereits verstrichenen Zeit nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die russischen bzw. tschetschenischen Behörden nach über 8 Jahren noch ein erhebliches Interesse am BF haben. Weitere exilpolitischen Tätigkeiten mit entsprechender Außenwirkung wurden im Zuge der Stellungnahme nicht dargelegt.
Zur Nicht-Zuerkennung von Asyl:
Gemäß dem föderalen Gesetz ‚Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst‘ unterliegen männliche russische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 30 Jahren der Einberufung zum Grundwehrdienst, weshalb der BF1 mit 37 Jahren auch nicht mehr im wehrpflichtfähigen Alter ist und damit auch nicht zum Wehrdienst einberufen werden könnte.
Auf Grundwehrdiener wird allerdings Druck ausgeübt, einen Vertrag mit dem Militär zu unterzeichnen. Da der BF das grundwehrdienstpflichtige Alter jedoch mit seinen 37 Jahren deutlich überschritten hat, kann von Seiten des erkennenden Gerichts nicht erkannt werden, dass der BF überhaupt Gefahr laufen würde im Falle der Rückkehr zum Grundwehr- oder gar Reservedienst eingezogen zu werden.
Nicht verkannt wird – laut aktuellem LIB-, dass TSCHETSCHENIEN – nach wie vor – Gruppen Freiwilliger als Kämpfer in den Ukrainekrieg schickt. Weiters wird nicht verkannt, dass Behörden in TSCHETSCHENIEN eine aggressive Anwerbekampagne betreiben, um Einheimische als „freiwillige" Kämpfer für die UKRAINE zu gewinnen. Es ist dem BF jedoch möglich und auch zumutbar, sich in einem anderen Teil der RUSSISCHEN FÖDERATION niederzulassen, wo er vor den o.a. Freiwilligenrekrutierungen in TSCHETSCHENIEN unbehelligt ist. Aus den Länderberichten geht hervor, dass das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes auch Tschetschenen – wie allen russischen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen – zusteht. Nach den aktuellen Länderberichten ergibt sich zwar, dass Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe immer noch auf eine anti-kaukasische Stimmung treffen und Diskriminierungen ausgesetzt sein können, eine asylrelevante Gefährdung auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit, kann aber nicht mehr festgestellt werden. Auch diesbezüglich ist daher eine Änderung der Situation im Herkunftsstaat eingetreten, die nicht nur vorübergehend ist. Dass eine Wohnsitznahme außerhalb TSCHETSCHENIENS grundsätzlich möglich ist, geht bereits aus dem Faktum hervor, dass etwas 14.000 Tschetschenen alleine in MOSKAU, 11.000 allein in der ROSTOW Region und 12.000 in STAWROPOL leben.
Die tschetschenische Diaspora ist nach den Länderberichten in allen russischen Großstädten stark angewachsen, so sollen 200.000 Tschetschenen allein in MOSKAU leben. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass die Bewegungsfreiheit innerhalb der RUSSISCHEN FÖDERATION gewährleistet ist. Tschetschenen steht genauso – wie allen russischen Staatsbürgern – das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes, sowie des Aufenthalts in der RUSSISCHEN FÖDERATION zu und kann der BF grundsätzlich problemlos in andere Teile der RUSSISCHEN FÖDERATION flüchten und leben, zumal dieser über fundierte Schulausbildung und Berufserfahrung im Herkunftsstaat verfügt.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass entsprechend der o. zu Pkt. 1.5.1. zum Kapitel „Wehrdienst und Rekrutierungen" zitierten Quelle der Webseite „Kaukasischer Knoten" (Anm.: es handelt sich hierbei um eine Nachrichten-Webseite die unabhängige Nachrichten unter verschiedenen Blickwinkeln aus der Großregion KAUKASIEN publiziert) […] und dem darin wiedergegebenen Auszug aus einem mit dem entsprechenden Link versehenen Artikel mit dem Thema „Die wichtigsten Dinge über die Spezialeinheit Achmat-GROSNY" spielen Einheiten tschetschenischer Kämpfer in der UKRAINE zudem nur eine Hilfsrolle und erfüllen nicht die Funktionen von Kampfeinheiten, Angriffsabteilungen oder Militärpolizei. Während die tschetschenischen Behörden offensichtlich versuchen ein anderes Bild, sohin deren Rolle bei der „Befreiung von Siedlungen", zu berichten.
Aus einer weiteren, ebenfalls zum do. Kapitel ausgewiesenen, Quelle […] ergibt sich, dass die in Tschetschenien neu aufgestellten, ausschließlich aus einheimischen Freiwilligen bestehenden, Bataillone, mit einem für die dortigen Verhältnisse hohen Gehalt von 50.000 Rubel werben. Auch der Hinweis eines im Artikel zitierten Lesers dieser Nachrichten-Webseite, wonach „nur sehr dumme oder sehr naive Menschen glauben (könnten), dass es möglich sein (werde), nicht in die UKRAINE geschickt zu werden, wenn man einen Job in den neuen Bataillonen bekomme" untermauert die Annahme, dass zur Anwerbung von Kämpfern nunmehr vermehrt alternative Anwerbungsmethoden zum Tragen kommen. So auch die oa. Länderinformationen in der zusammenfassenden Aussage, wonach die Rekrutierung von Soldaten sich auf die Ebene einer verdeckten Mobilisierung, sohin der Schaffung von finanziellen Anreizen als auch die Setzung von Zwangsmaßnahmen bzw. die Anwerbung von Freiwilligen aus dem Ausland verlagert hat. Auch sind zum derzeitigen Zeitpunkt keine Hinweise auf eine künftige neue Mobilmachung – nicht zuletzt aufgrund der Unpopularität einer derartigen Maßnahme – erkennbar.
Es kann daher insgesamt betrachtet nicht nachvollzogen werden, inwiefern der BF im Fall einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION von einer Verfolgung gern. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention bedroht sein sollte. Hierzu konnte im Zuge des Verfahrens keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit festgestellt werden bzw. liegt keine existente Verfolgungsgefahr vor.
Wie bereits ausgeführt liegen auch keine Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vor, sodass die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.“
Das Bundesverwaltungsgericht stellte die Replik des Bundesamtes der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers am 08.08.2024 zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger, Angehöriger der TSCHETSCHENISCHEN Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Er beherrscht russisch und tschetschenisch in Wort und Schrift.
Der Beschwerdeführer ist im Dorf XXXX geboren und wuchs mit seinen Eltern, seinem älteren Bruder XXXX und seinen jüngeren Brüdern XXXX der Teilrepublik TSCHETSCHENIEN auf. Dort besuchte er mit zweijähriger Unterbrechung von 1994 bis 2005 die neunjährige Grundschule, die er auch abschloss. Eine weiterführende Ausbildung macht er nicht. Er bestritt seinen Lebensunterhalt als Bauhilfsarbeiter.
Während des ersten Tschetschenienkrieges, der begann, als der Beschwerdeführer SIEBEN Jahre alt war, lebte der Beschwerdeführer mit seiner Familie in WEDENO, während des zweiten Tschetschenienkrieges, der begann, als der Beschwerdeführer ELF Jahre alt war, lebte der Beschwerdeführer mit seiner Familie vorübergehend nahe GROSNY und XXXX .
2007 wurde ihm altersbedingt ein neuer Inlandreisepass ausgestellt. Am 28.04.2008 wurde ihm im Rayon SCHALENSKY in TSCHETSCHENIEN ein Führerschein ausgestellt.
Während des zweiten Tschetschenienkrieges, der im APRIL 2009 endete, kämpfte XXXX , ein weitschichtiger Verwandter des Beschwerdeführers (sein Cousin dritten Grades), gegen das russische Regime; XXXX wurde 2009 getötet. Der Beschwerdeführerführer unterstützte ihn und seine Gruppierung mit Lebensmitteln. Der Beschwerdeführer unterstützte sie nicht mit Waffen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zur Unterzeichnung eines Dokuments gezwungen wurde, aus dem hervorgeht, dass er die Widerstandskämpfer mit Waffen belieferte. Er wurde deswegen auch nicht verurteilt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus die TSCHETSCHENISCHE Rebellenbewegung unterstützte. Insbesondere waren weder er, noch nahe Angehörige Kämpfer im ersten oder zweiten Tschetschenienkrieg. Er selbst lehnt den Widerstandskampf ab.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer abgesehen von der Festnahme am 13.05.2009 jemals mitgenommen oder verschleppt wurde.
Gleichzeitig mit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Untersuchungshaft in GROSNY auch XXXX dort angehalten. Darüber hinaus hatte er in der RUSSISCHEN FÖDERATION nichts mit XXXX zu tun. Gleiches gilt für XXXX und XXXX , die zur selben Zeit in GROSNY angehalten wurden. Gleiches gilt auch für XXXX und XXXX , die ebenfalls zeitgleich mit dem Beschwerdeführer inhaftiert waren. Diese fünf wurden ebenfalls gemäß Art. 208 russ. StGB verurteilt. Es kann nicht festgestellt werden, welche Taten den Verurteilungen XXXX zugrunde lagen. XXXX wurden wegen eines Bombenanschlages auf einen Kontrollpunkt verurteilt. Was diese fünf Personen vor und nach ihrer Verurteilung machten, kann nicht festgestellt werden und ist auch dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Der Beschwerdeführer hatte abgesehen von der Anhaltung im selben Gefängnis auf freiem Fuß mit XXXX nichts zu tun, weder in der RUSSISCHEN FÖDERATION, noch außerhalb.
Der Beschwerdeführer wurde am 13.05.2009 festgenommen, am 15.05.2009 wurde die Haft über ihn verhängt und gemäß Art. 208 russ. StGB ein Strafverfahren wegen Gehilfenschaft für illegale bewaffnete Gruppen eingeleitet, weil er mehrmals Beihilfe bei der Lebensmittelversorgung und dem Aufrechterhalten der Lebensgrundlagen für die Bande „MUCHANNED“ geleistet hatte. Er wurde deswegen mit Urteil vom 18.08.2009 verurteilt und nach Anhaltung in Strafhaft von 15.05.2009 bis 14.05.2010 enthaftet. Der Beschwerdeführer verbüßte die Freiheitsstrafe in TSCHERNOKOSOVO im Rayon NAUR in TSCHETSCHENIEN.
Diese Strafe, die der Beschwerdeführer bis 2010 zur Gänze verbüßte, ist nach drei Jahren getilgt. Die Tilgungsfrist wird durch eine Verwaltungsstrafe nicht gehemmt oder verlängert.
Es gibt kein offenes Straf- oder Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer. Ihm droht nach seiner Rückkehr daher kein Strafverfahren und keine Haftstrafe, zumal er seine Strafe zur Gänze verbüßt hat:
Der Beschwerdeführer hat sich am 01. APRIL 2011 in XXXX Polizisten gegenüber grob und ordinär geäußert und auf mehrmalige Verwarnungen nicht reagiert. Dadurch hat er die Ordnungswidrigkeit des groben Unfugs begangen und wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung durch den Friedensrichter der Stadt SHALI mit Urteil vom 02.04.2011 zu einer Verwaltungshaftstrafe von neun Tagen verurteilt. Diese verbüßte der Beschwerdeführer ebenfalls.
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise verpflichtete, den tschetschenischen Behörden Informationen zu liefern. Ebensowenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für den FSB arbeitete oder arbeitet.
Die Familie des Beschwerdeführers lebt weiterhin in der RUSSISCHEN FÖDERATION und führt ein normales Leben. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie einer Verfolgung auf Grund ihrer Familienzugehörigkeit zum Beschwerdeführer oder zu XXXX ausgesetzt sind oder waren oder dass Druck auf sie ausgeübt wird oder wurde, damit der Beschwerdeführer in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückkehrt.
Nach Verbüßen der Haftstrafe lebte der Beschwerdeführer teilweise in SOTSCHI (2010), KRASNODAR (2011), St PETERSBURG (2012), MOSKAU und VELIKY NOVGOROD (2013), wo er für dortige Unternehmen als Bauhilfsarbeiter arbeitete. Dort war er keiner Verfolgung ausgesetzt. Weiters lebte er bei seiner Tante XXXX in STAWROPOL und war auch dort keiner Verfolgung ausgesetzt. Dazwischen kehrte er immer wieder nach TSCHETSCHENIEN zurück. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßen seiner Haftstrafe Verfolgungshandlungen durch TSCHETSCHENISCHE Behörden ausgesetzt war.
Vor Ablauf der Tilgungsfrist, fand sich der Name des Beschwerdeführers wegen seiner Verurteilung auf der Liste der Organisationen und natürlichen Personen, die gemäß Art. 6 Abs. 2.1. Z 6 und 7 des Föderalen Gesetzes über die Bekämpfung der Legalisierung von Erträgen aus Kriminalität (Geldwäsche) und Terrorismusfinanzierung der Föderalen Finanzaufsicht vom 01.02.2012. Dies ist keine Liste des FSB. Sie ist nicht mehr abrufbar. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf einer Terror-Liste des FSB stand.
Kurz vor Ablauf der Tilgungsfrist, am 12.03.2013, wurde der Name des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Gewährlistung der Sicherheit während der 22. Olympischen Winterspiele in SOTSCHI im Jahr 2014 auf Grund des Beschlusses des operativen Headquarters zur Gewährleistung der Sicherheit während der 22. Olympischen Winterspiele und 11. Paraolympischen Winterspiele 2014 in SOTSCHI vom 05.02.2013 in dem einem Amtsblatt entsprechenden Teil der ROSSIJSKAJA GAZETTA als 32. von 88 in die Liste der Personen und Organisationen aufgenommen, in Bezug auf die Informationen über ihre Beteiligung an extremistischen Aktivitäten oder Terrorismus vorliegen.
Nach Ende der Tilgungsfrist, in der Ausgabe der ROSSIJSKAJA GAZETTA vom 14.11.2013, wurde der Beschwerdeführer in der Ergänzten Liste von Organisationen und Personen, zu denen Informationen über ihre Beteiligung an extremistischen Aktivitäten oder Terrorismus vorliegen, als 15. von 50 Personen von dieser Liste gestrichen.
Er wurde seither nicht wieder in diese Liste der ROSSIJSKAYA GAZETTA aufgenommen. Er wurde nach Ende der Tilgungsfrist auch in keine andere Liste mehr aufgenommen. Er nahm im Rahmen der muslimischen Almosenverpflichtung auch keine Spenden vor, auf Grund derer ihm Terrorismusfinanzierung vorgeworfen werden hätte können.
Weder bei der Liste der ROSSIJSKAYA GAZETTA aus 2013, noch bei der Liste der Föderalen Finanzaufsicht handelte es sich um eine Fahndungsliste. Es kann daher – entgegen zB der Aussage des Beschwerdeführers in der Einvernahme am 12.03.2014 – nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach der Haftentlassung 2010 auf eine Fahndungsliste aufgenommen wurde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION nach XXXX gefragt wurde. Es kann ebensowenig festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung verfolgt wurde, dass er im JÄNNER 2014 in einer Moschee in GROSNY festgenommen und ihm der Inlandsreisepass abgenommen wurde.
Der Beschwerdeführer hat sich im Herkunftsstaat nicht politisch betätigt, war weder Journalist noch Blogger oder Menschenrechtsverteidiger.
Er reiste – ohne dabei Problemen ausgesetzt gewesen zu sein – im JÄNNER 2014 legal, also unter Verwendung seines Inlandsreisepasses, bis in die URKAINE aus und von dort aus unrechtmäßig in die Europäische Union ein. Seinen Inlandsreispass brachte er nie in Vorlage. Er stellte in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Es kann nicht festgestellt werden, dass er die Europäische Union seither wieder verlassen hat.
Der Beschwerdeführer bezog von 23.01.2014 bis 15.07.2016 Grundversorgung und war in der Betreuungsstelle OST, sowie den Grundversorgungsquartieren XXXX und Kompetenzzentrum XXXX untergebracht. Ab 07.04.2015 wohnte er in einer Privatwohnung in WIEN XXXX . Abgesehen von der Unterbringung im selben Quartier der Grundversorgung in XXXX und XXXX und seiner Aussage als Zeuge in der hg. mündlichen Verhandlung in dessen Verfahren kann auch in Österreich keine Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX festgestellt werden.
Am 04.04.2015 arbeitete der Beschwerdeführer für die Security-Firma XXXX , von 16.07.2016 bis 31.01.2017 sowie von 01.02.2017 bis 01.03.2017 und von 03.05.2017 bis 28.08.2017 geringfügig für die XXXX , die ein Restaurant betrieb. Von 25.10.2017 bis 21.02.2018 wurde der Beschwerdeführer von der XXXX gem.GmbH beschäftigt.
2015 und 2016 nahm der Beschwerdeführer an jeweils einer Demonstration gegen die RUSSISCHE Vorherrschaft in TSCHETSCHENIEN, für Menschenrechte und Meinungsfreiheit in WIEN am XXXX teil. 2017/2018 nahm er an Demonstrationen in STRASSBURG teil, 2019 in WIEN nach dem Mord an Selimchan CHANGOGSCHWILI („Tiergartenmord“) in BERLIN. Seit 2016 nahm der Beschwerdeführer an Demonstrationen nur noch vermummt teil. Seit 2019 nahm er an keinen Demonstrationen mehr teil. Er war bei keiner Demonstration Redner, sondern nahm einfach an Demonstrationen teil, zur Teilnahme an welchen im Kreise der tschetschenischen Diaspora aufgerufen wurde. Er hat auch keine Rolle oder Position innerhalb der tschetschenischen Diaspora inne. Der Beschwerdeführer erhielt nach der Teilnahme an den Demonstrationen keine Drohanrufe und wurde danach auch nicht unter Personenschutz gestellt. Er war und ist in Österreich keinen Bedrohungen ausgesetzt.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über die Teilnahme an den Demonstrationen 2015 und 2016 hinaus für den Verein VAYFOND tätig ist oder über eine Bekanntschaft in der tschetschenischen Diaspora hinaus mit XXXX befreundet ist und für ihn dolmetscht. Er ist wegen Demonstrationsteilnahmen in Österreich oder FRANKREICH auch keiner Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt.
Abgesehen von den insgesamt fünf Demonstrationsteilnahmen bis 2019 ist der Beschwerdeführer seit seiner Einreise weder politisch noch exilpolitisch tätig, weder als Blogger noch als Journalist oder Menschenrechtsverteidiger.
Zwei Jahre nach seiner Einreise heiratete der Beschwerdeführer die in Österreich asylberechtigte russische Staatsbürgerin und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe aus GROSNY, XXXX , traditionell. Diese hält sich seit 2009 in Österreich auf und ist seit 2010 im Familienverfahren asylberechtigt; sie selbst reiste als Kind aus der RUSSISCHEN FÖDERATION aus und war selbst keiner Verfolgung ausgesetzt. Standesamtlich waren er und seine Lebensgefährtin nie verheiratet. Sie hatten nie eine gemeinsame Meldeadresse. Während der Beziehung zum Beschwerdeführer hatte sie eine Obdachlosenmeldeadresse in XXXX , danach ein Quartier bei einem Unterstützungsverein für Familien in Not, danach eine Wohnung der ST. ELISABETH STIFTUNG DER ERZDIÖZESE WIEN. 2017 kam die gemeinsame Tochter XXXX , 2019 der gemeinsame Sohn XXXX zur Welt. Diese sind auf Grund der Bescheide vom 24.8.2017 bzw. 31.10.2019 im Familienverfahren nach ihrer Mutter asylberechtigt.
Mit Bescheid vom 10.06.2014 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten ab und erkannte ihm den Status des Asylberechtigten zu, weil er auf Grund seiner Straffälligkeit und nicht aus GFK-Gründen Verfolgung ausgesetzt sei. Das Bundesamt verlängerte mit Bescheid vom 11.09.2015 und 16.06.2017 die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, zuletzt bis 10.06.2019. Mit Beschluss vom 09.03.2018 behob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 10.06.2014 und verwies das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück. Mit „Bescheid“ vom 09.09.2019 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.01.2014 im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den ihm mit Bescheid vom 10.06.2014 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, entzog ihm die ihm mit Bescheid vom 16.06.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Es stellte fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Grund des Familienlebens auf Dauer unzulässig ist und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus. Am 08.05.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Beschluss vom 16.05.2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den „Bescheid“ vom 09.09.2019 mangels Bescheidqualität des Anfechtungsgegenstandes zurück. Mit Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.01.2014 im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den ihm mit Bescheid vom 10.06.2014 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, wies seinen Antrag vom 08.05.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Es stellte fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Grund des Familienlebens auf Dauer unzulässig ist und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus.
Der Beschwerdeführer erstattete im Verfahren des wegen seiner Mitgliedschaft bei der ANSAR AL-SHAM in SYRIEN und einer Geldüberweisung an den ISLAMISCHEN STAAT von Österreich aus wegen Terrorismusdelikten und Kinderpornographie verurteilten XXXX , mit dem er in XXXX bzw. XXXX im selben Grundversorgungsquartier lebte, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.02.2018 eine nicht glaubhafte Gefälligkeitsaussage. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION nach XXXX gefragt wurde. Die beiden lernten einander erst in Österreich kennen und hatten abgesehen von der Unterbringung im gleichen Grundversorgungsquartier keine Beziehung zueinander.
Der Beschwerdeführer trägt den Bart nach salafistischer Mode. Die salafistische oder wahabitische Ideologie interessiert ihn jedoch nicht, er ist einfacher sunnitischer Moslem. Weder hat er abgesehen von der Unterbringung im selben Grundversorgungsquartier mit XXXX Berührungspunkte zum dschihadistischen Islam, noch war er jemals in SYRIEN oder im IRAK.
Von 01.03.2017 bis 09.03.2018 bezog der Beschwerdeführer bedarfsorientierte Mindestsicherung. Im APRIL 2018 zog der Beschwerdeführer nach WIEN XXXX . Von APRIL 2018 bis JUNI 2022 arbeitete der Beschwerdeführer für den XXXX , u.a. für das Bundesamt in XXXX , weiters von 23.06.2023 bis 20.07.2023 und von 01.09.2024 bis 06.09.2024, allerdings nicht mehr für das Bundesamt in XXXX . Von 16.08.2023 bis 31.08.2024 arbeitete er für einen anderen Bewachungsdienst. Seit 06.09.2024 arbeitete er für die XXXX GmbH in XXXX . Im Übrigen bezog der Beschwerdeführer Notstandshilfe, Überbrückungshilfe und Arbeitslosengeld.
Der Beschwerdeführer machte in Österreich Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 sowie einen Erste-Hilfe-Kurs und eine Brandschutzausbildung. Darüber hinaus machte er keine Aus- oder Fortbildung in Österreich.
Im JULI 2020 zog der Beschwerdeführer nach WIEN XXXX , XXXX in eine Gemeindewohnung in WIEN XXXX . Sie bezieht bedarfsorientierte Mindestsicherung. Der Beschwerdeführer trennte sich von seiner Lebensgefährtin XXXX und heiratete die in KASACHSTAN geborene XXXX , ebenfalls russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, drei Jahre jünger als der Beschwerdeführer, traditionell. Standesamtlich sind sie nicht verheiratet. XXXX hält sich seit 2006 in Österreich auf und verfügt seit 2011 über die Aufenthaltsberechtigung Rot-weiß-rot Karte plus. Ihr Asylantrag wurde mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen. Danach stellte sie keinen Antrag auf internationalen Schutz mehr. 2017 wurde ihr ein RUSSISCHER Reisepass ausgestellt. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie dabei Problemen ausgesetzt war. Sie war bis Sie im JULI 2021 zum Beschwerdeführer zog, in GRAZ wohnhaft und arbeitete für eine Drogerie, einen Arzt, XXXX – eine Selbsthilfeorganisation für Migrantinnen und Musliminnen, den Verein XXXX – Transkulturelles Zentrum für psychische und physische Gesundheit und Integration und die CARITAS der DIÖZESE XXXX . Seit SEPTEMBER 2020 ist sie nicht mehr erwerbstätig.
Mit seiner Lebensgefährtin XXXX hat er drei weitere Kinder, XXXX . Diese leben mit dem Beschwerdeführer und ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt.
Mit Bescheid vom 14.02.2022 wies das Bundesamt den Antrag von XXXX auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status der Asylberechtigten, als auch den Status der subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf ihren Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION als unbegründet ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, stellte fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und erteilte ihr eine Aufenthaltsberechtigung gemäß Art. 8 EMRK.
Mit Bescheid vom 05.04.2023 wies das Bundesamt den Antrag von XXXX auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status der Asylberechtigten, als auch den Status der subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf ihren Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION als unbegründet ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, stellte fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und erteilte ihr eine Aufenthaltsberechtigung gemäß Art. 8 EMRK.
Für XXXX wurde kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dem Erstantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus vom 22.03.2024 gab das Magistrat der Stadt XXXX Folge.
Die Kinder aus der vorhergehenden Beziehung, XXXX und XXXX , die bisher immer bei ihrer Mutter XXXX gelebt haben, sind seit FEBRUAR 2022, sohin dem Alter von vier bzw. zwei Jahren beim Beschwerdeführer gemeldet und leben seither bei ihm und seiner neuen Lebensgefährtin, die die Mutterrolle einnimmt. Die Kinder dürfen ihre leibliche Mutter wochenends sehen, dem Beschwerdeführer und ihr kommt die Obsorge gemeinsam zu.
Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer im Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft befindet. Er ist weiterhin russischer Staatsangehöriger.
Der Beschwerdeführer ist XXXX Jahre alt. Er ist nicht mehr im wehrpflichtigen Alter. Ihm droht keine Einziehung zum Grundwehrdienst. Der Beschwerdeführer entzog sich dem Wehrdienst nicht, weil er nicht einberufen war, als er ausreiste. Der Beschwerdeführer hat den Grundwehrdienst in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht absolviert und ist daher nicht Mitglied der aktiven Reserve. Ihm droht daher keine Einziehung im Rahmen einer Mobilisierung. Dem Beschwerdeführer droht jedenfalls außerhalb TSCHETSCHENIENS keine Zwangsrekrutierung zu einem Freiwilligenbataillon.
Keiner seiner Familienangehörigen wurde zum Militärdienst in die UKRAINE eingezogen, keiner nimmt freiwillig am Angriffskrieg auf die UKRAINE teil, niemand aus seiner Familie wurde für den Angriffskrieg auf die UKRAINE zwangsrekrutiert.
Die Eltern des Beschwerdeführers, die eine Alterspension beziehen, sowie sein Bruder XXXX , der nach einer Verletzung bei einem Bombenangriff während des zweiten TSCHETSCHENIENKRIEGES eine Invaliditätspension bezieht, und der Bruder XXXX leben weiterhin an der Adresse, an der auch der Beschwerdeführer in TSCHETSCHENIEN lebte. XXXX lebt in einem eigenen Haus im selben Dorf und arbeitet mit Dächern. XXXX , der ältere Bruder, lebt ebenfalls im selben Dorf in einem eigenen Haus und bestreitet den Lebensunterhalt als LKW-Fahrer; als solches ist er auch außerhalb der Teilrepublik TSCHETSCHENIEN tätig. Auch der Bruder XXXX arbeitet als LKW-Fahrer. Keiner seiner Familienangehörigen ist wegen der Familienangehörigeneigenschaft zum Beschwerdeführer oder seinem Cousin dritten Grades, XXXX , Verfolgungshandlungen ausgesetzt.
Die Tante XXXX ist als Pensionistin von STAWROPOL nach TSCHETSCHENIEN rückübersiedelt. Zwei Onkel väterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits leben weiterhin in TSCHETSCHENIEN, ein Onkel mütterlicherseits lebt in FRANKREICH. Der Vater von XXXX lebt weiterhin in TSCHETSCHENIEN, seine Mutter lebt mittlerweile in FRANKREICH.
Keiner seiner Familienangehöriger ist aktiver Rebell oder steht dem dschihadistsichen/wahabitischen Islam nahe.
Der Beschwerdeführer kann sich nach seiner Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION wieder in SOTSCHI, KRASNODAR, St PETERSBURG, MOSKAU, VELIKY NOVGOROD oder in STAWROPOL niederlassen, wo er vor seiner Ausreise gelebt bzw. gearbeitet hat; dass er dort nicht „schwarz“ sondern offiziell als Arbeiter registriert gearbeitet hat, steht auf Grund seiner Angaben in der Einvernahme am 12.03.2014 fest. Er kann sich auch als tschetschenischer Volksgruppenangehöriger überall in der RUSSISCHEN FÖDERATION ansiedeln und anmelden. Er spricht die Landessprachen russisch und tschetschenisch, hat in der RUSISSCHEN FÖDERATION die Grundschule absolviert, den Führerschein gemacht und abgesehen von zehn Jahren sein gesamtes Leben dort verbracht. Auch in Österreich lebt er mit russischen Staatsangehörigen und Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe zusammen. Er ist daher mit Kultur und Tradition seines Herkunftsstaates vertraut und wird sich nach seiner Rückkehr dort wieder integrieren können.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er verfügt über Arbeitserfahrung in der RUSSISCHEN FÖDERATION als Bauhilfsarbeiter und Arbeitserfahrung in Österreich im Bewachungsdienst, in einem Restaurant und als Taxifahrer. Zudem hat er Deutschkenntnisse auf Anfängerniveau erworben. Er kann seinen Lebensunterhalt daher durch Erwerbsarbeit bestreiten und zudem als russischer Staatsangehöriger auf staatliche Sozialleistungen zugreifen. Er hat auch Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass ihn seine Familienangehörigen in der RUSSISCHEN FÖDERATION unterstützen können. Er läuft daher bei einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION nicht in Gefahr, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.
Dem Beschwerdeführer droht nach seiner Rückkehr keine Verfolgung wegen des Aufenthalts in Österreich oder der Asylantragstellung in Österreich. Ihm droht nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verfolgung wegen seiner getilgten Verurteilung und der Verwaltungsstrafe 2011. Ihm droht keine Verfolgung, weil er Kämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg mit Lebensmitteln unterstützte. Ihm droht auch keine Verfolgung als Angehöriger seiner Familie, weder wegen seiner in der RUSSISCHEN FÖDERATION lebenden Angehörigen, noch seiner in Österreich lebenden ehemaligen und aktuellen Lebensgefährtin oder seiner Kinder.
Dem Beschwerdeführer droht auch bei einer Niederlassung in anderen Teilen der RUSSISCHEN FÖDERATION keine Verfolgung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seinem Religionsbekenntnis, ebensowenig auf Grund seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung: Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer homosexuell ist. Ihm droht jedenfalls bei einer Niederlassung in anderen Teilen der RUSSISCHEN FÖDERATION keine Zwangsrektrutierung zu einem Freiwilligenbataillon.
Die Lage in der RUSSISCHEN FÖDERATION gestaltet sich im Allgemeinen wie folgt:
COVID-19-Situation
Mit Anfang Juli 2022 wurden die zuvor bereits nach und nach gelockerten landesweiten Corona- Einschränkungen großteils aufgehoben. Regional blieben einzelne Maßnahmen weiter in Kraft (ÖB 30.6.2023). Personen, deren COVID-Testergebnis positiv ist, müssen sich für sieben Tage in Selbstisolation begeben (Gov.uk o.D.b).
Zu den Impfstoffen, welche in der Russischen Föderation entwickelt wurden und dort zum Einsatz kommen, zählen: Gam-COVID-Vac (Sputnik V), EpiVacCorona, Sputnik Light, EpiVacCorona- N, Covivac, Salnavac, Konwasel und Ad5-nCoV (CWRR o.D.b). COVID-Impfungen sind ab einem Alter von 12 Jahren möglich (RFE/RL 9.2.2022; vgl. CWRR o.D.a) und für russische Staatsbürger kostenlos (Iswestija 1.7.2022; vgl. ÖB 30.6.2023).
Nach Russland Einreisende unterliegen keinen Test- oder Impferfordernissen (Gov.uk o.D.a).
Moskau
Bei COVID-Lageverschlechterungen hat die Stadt Moskau in der Vergangenheit in diversen Bereichen des öffentlichen Lebens (Restaurantbesuch etc.) einen 3G-Nachweis mittels QR-Code verlangt. Hierbei werden nur in der Russischen Föderation zugelassene Impfungen akzeptiert (BMEIA 28.9.2023).
Tschetschenien
In Tschetschenien wurden alle COVID-Beschränkungen aufgehoben (RN 11.3.2022).
Quellen:
BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (28.9.2023): Reiseinformation: Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 27.10.2023
CWRR – COVID-19-Webseite der Regierung [Russland] (o.D.a): Часто задаваемые вопросы [FAQ], https://стопкоронавирус.рф/faq/, Zugriff 27.10.2023
CWRR – COVID-19-Webseite der Regierung [Russland] (o.D.b): Все о вакцинации против COVID- 19 [Alles über die COVID-19-Impfung], https://вакцина.стопкоронавирус.рф/, Zugriff 30.10.2023
Gov.uk – Webseite der Regierung [Vereinigtes Königreich] (o.D.a): Foreign travel advice Russia: Entry requirements, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/russia/entry-requirements, Zugriff 27.10.2023
Gov.uk – Webseite der Regierung [Vereinigtes Königreich] (o.D.b): Foreign travel advice Russia: Health, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/russia/health, Zugriff 27.10.2023
Iswestija (1.7.2022): Минздрав продолжит оформлять сертификаты о вакцинации против CO- VID-19 [Gesundheitsministerium stellt weiterhin COVID-19-Impfzertifikate aus], https://iz.ru/1358 412/2022-07-01/minzdrav-prodolzhit-oformliat-sertifikaty-o-vaktcinatcii-protiv-covid-19, Zugriff 30.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023 (Stand 30.6.2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.10.2023
RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (9.2.2022): Russia‘s Daily COVID-19 Infection Rate Hits Record Again, https://www.rferl.org/a/russia-covid-new-record/31694474.html, Zugriff 30.6.2023
RN – RIA Nowosti [Russland] (11.3.2022): В Чечне сняли все ограничения по коронавирусу [In Tschetschenien alle COVID-Beschränkungen aufgehoben], https://ria.ru/20220311/chechnya-177 7599119.html, Zugriff 30.6.2023
Politische Lage
Tschetschenien
Die Bevölkerungszahl Tschetscheniens beträgt gemäß offiziellen Zahlen ca. 1,5 Millionen (Föderationsrat o.D.a). Laut Aussage des Republikoberhaupts Ramsan Kadyrow leben rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region – eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland (ÖB Moskau 30.6.2021). Kadyrow ist seit dem Jahr 2007 in Tschetschenien an der Macht. Er kämpfte im ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) aufseiten der Unabhängigkeitsbefürworter. Im zweiten Tschetschenienkrieg (1999-2009) wechselte Kadyrow die Seiten (ORF 30.3.2022). In Tschetschenien gilt Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität (ÖB Moskau 30.6.2023). Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. RFE/RL 3.2.2022), das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. NGE 24.4.2024, KK 29.4.2024a) und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. HRW 9.2.2022). Fraglich bleibt die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt (ÖB Moskau 30.6.2023). Kadyrow bekundet jedoch immer wieder seine absolute Treue gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. SZ 3.3.2022). Beobachter stufen Tschetschenien zunehmend als Staat im Staat ein, in welchem das Moskauer Gewaltmonopol vielfach unwirksam ist (Dekoder 10.2.2022; vgl. KR 23.3.2024, NGE 24.4.2024). Kadyrow besetzt hohe Posten in Tschetschenien mit Familienmitgliedern (KK 9.2.2024; vgl. KK 26.3.2024, KR 5.10.2022). Das tschetschenische Regierungssystem gründet auf verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen. Im Laufe der Jahre hat Kadyrow einen Familienkult aufgebaut (KK 29.4.2024a). Das Republiksoberhaupt ist für die Regierungsbildung zuständig. Die Regierung ist dem Republikoberhaupt gegenüber rechenschaftspflichtig (Föderationsrat o.D.b). Regierungsvorsitzender Tschetscheniens ist Muslim Chutschiew (RIA Nowosti 1.3.2024). Tschetschenien ist von Moskau finanziell abhängig (ORF 30.3.2022) und zählt zu denjenigen russischen Republiken, welche die höchsten Subventionen erhalten (KR 8.12.2023).
Die Republik Tschetschenien verfügt über eine eigene Verfassung, welche im Jahr 2003 verabschiedet wurde (Föderationsrat o.D.a). Die Gesetzgebung wird vom Parlament Tschetscheniens ausgeübt. Das Parlament besteht aus 41 Abgeordneten, welche mittels Verhältniswahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt werden (Föderationsrat o.D.b). Bei der Dumawahl im September 2021 gewann die Partei Einiges Russland in Tschetschenien 96,13 % der Stimmen (Russland-Analysen 1.10.2021; vgl. RIA Nowosti 6.10.2021). Die Partei „Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit“ errang 0,93 %, die Kommunistische Partei (KPRF) 0,75 %, Neue Leute 0,24 %, und die Liberal-Demokratische Partei (LDPR) gewann 0,11 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 94,42 % (RIA Nowosti 6.10.2021). Zeitgleich fand in Tschetschenien die Direktwahl des Republikoberhaupts statt (RIA Nowosti 21.9.2021). Dessen reguläre Amtszeit beträgt fünf Jahre (Föderationsrat o.D.b). Kadyrow, welcher die Partei Einiges Russland repräsentierte, gewann gemäß offiziellen Zahlen 99,7 % der Stimmen. Der Kandidat der Kommunistischen Partei errang 0,12 % und der Kandidat der Partei „Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit“ 0,15 % (RIA Nowosti 21.9.2021).
Um die Kontrolle über die Republik zu behalten (FH 2024), wendet Kadyrows Regime unterschiedliche Gewaltformen an, darunter Entführung, Folter und außergerichtliche Tötung (FH 2024; vgl. CoE-PACE 3.6.2022). Regimekritiker müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten sowie physischen Übergriffen bis hin zu Mord rechnen (AA 28.9.2022). Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von Gegnern innerhalb und außerhalb Russlands angeordnet zu haben (FH 2024). Das Republiksoberhaupt Tschetscheniens wurde von der Schweiz, Kanada (KK 9.2.2024; vgl. KK 3.11.2023), der EU (KK 9.2.2024; vgl. KK 3.11.2023, EUCIR-RMU 25.7.2014) und den USA mit Sanktionen belegt (KK 9.2.2024; vgl. KK 3.11.2023, OFAC 5.3.2024).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28/9/2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10. September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 8.3.2024 [Login erforderlich];
CoE-PACE – Council of Europe – Parliamentary Assembly (3/6/2022): Report – The continuing need to restore human rights and the rule of law in the North Caucasus region, https://pace.coe.int/en/files/30064/html?cf_chl_tk=N0MvfyHujStO1y2i5De4AjF5sOdH0kwzw1IPrh2B99Q-1660131174-0-gaNycGzNCpE, Zugriff 12.4.2024;
Dekoder – Dekoder (10/2/2022): Warum Ramsan Kadyrow (fast) alles darf, https://www.dekoder.org/de/article/ramsan-kadyrow-kritiker, Zugriff 9.4.2024;
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FH – Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Russia, https://freedomhouse.org/cou ntry/russia/freedom-world/2024, Zugriff 3.4.2024;
Föderationsrat – Föderationsrat [Russland] (n.da): ЭНЦИКЛОПЕДИЧЕСКИЙ СПРАВОЧНИК – ЧЕЧЕНСКАЯ РЕСПУБЛИКА [Realenzyklopädie – Republik Tschetschenien], http://council.gov.ru/services/reference/10305, Zugriff 3.5.2024;
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HRW – Human Rights Watch (9/2/2022): Moscow Plays a Weak Hand on Lawlessness in Chechnya, https://www.hrw.org/news/2022/02/09/moscow-plays-weak-hand-lawlessness-chechnya, Zugriff 9.4.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (29/4/2024a): Адам Кадыров назначен куратором Российского университета спецназа [Adam Kadyrow zum Kurator der Russischen Universität für Spezialkräfte ernannt], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/399481, Zugriff 17.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (26/3/2024): Главное о кадровой политике Кадырова [Das Wichtigste über Kadyrows Personalpolitik], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/373354, Zugriff 10.4.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (9/2/2024): Кадыров Рамзан Ахматович [Kadyrow Ramsan Achmatowitsch], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/85366#cont_6, Zugriff 9.4.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (3/11/2023): Кадыров: девять лет под санкциями [Kadyrow: neun Jahre unter Sanktionen], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/352459, Zugriff 17.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (23/3/2024): Кадыров заявил, что Чечня „состоялась как государство“. Без упоминания „в составе России“ [Kadyrow erklärte, dass Tschetschenien „als Staat gegründet wurde“. Ohne Erwähnung „als Teil Russlands“], https://www.kavkazr.com/a/kadyrov-zayavil-chto-chechnya-sostoyalasj-kak-gosudarstvo/32874576.html, Zugriff 9.4.2024;
KR – Kawkas.Realii (8/12/2023): Пугалка для Кадырова: заставят ли глав республик Кавказа отвечать за дотации [Abschreckung für Kadyrow: Werden Oberhäupter der Kaukasus-Republiken gezwungen, über Subventionen Rechenschaft abzulegen?], https://www.kavkazr.com/a/pugalka-dlya-kadyrova-zastavyat-li-glav-respublik-kavkaza-otvechatj-za-dotatsii/32719494.html, Zugriff 17.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (5/10/2022): Клан Кадыровых: полный список родственников главы Чечни во власти [Kadyrow-Clan: vollständige Liste der Verwandten des Oberhaupts Tschetscheniens an der Macht], https://www.kavkazr.com/a/klan-kadyrovyh-polnyy-spisok-rodstvennikov-glavy-chechni-vo-vlasti/32066496.html, Zugriff 10.4.2024;
NGE – Nowaja gaseta Ewropa (24/4/2024): Преемник падишаха. Часть 2 [Nachfolger des Padischahs. Teil 2], https://novayagazeta.eu/articles/2024/04/24/preemnik-padishakha-chast-2, Zugriff 17.5.2024;
OFAC – Office of Foreign Assets Control [USA] (5/3/2024): Sanctions List Search – Kadyrov, https://sanctionssearch.ofac.treas.gov/Details.aspx?id=23343, Zugriff 3.5.2024;
ORF – Österreichischer Rundfunk (30/3/2022): Ramsan Kadyrow: Putins Mann fürs Grobe mit tragender Rolle, https://orf.at/stories/3256468, Zugriff 9.4.2024;
RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (3/2/2022): Putin Meets Chechen Leader Amid Outcry Over Threats Against Activist‘s Family, https://www.ecoi.net/de/dokument/2067631.html, Zugriff 9.4.2024;
RIA Nowosti – RIA Nowosti [Russland] (1/3/2024): Омбудсмен Чечни прокомментировал включение в санкционный список Японии [Ombudsmann Tschetscheniens kommentierte Eintrag in Sanktionsliste Japans], https://ria.ru/20240301/soltaev-1930479961.html, Zugriff 10.4.2024;
RIA Nowosti – RIA Nowosti [Russland] (6/10/2021): Итоги выборов в Госдуму — 2021 [Staatsduma- Wahlergebnisse 2021], https://ria.ru/20210919/vybory_gosduma-1749875690.html, Zugriff 5.4.2024;
RIA Nowosti – RIA Nowosti [Russland] (21/9/2021): Итоги выборов глав регионов России [Wahlergebnisse der regionalen Oberhäupter Russlands], https://ria.ru/20210919/vybory_gubernatorov-1749880926.html, Zugriff 11.4.2024;
Russland-Analysen – Russland-Analysen (1/10/2021): Dokumentation – Sonntagsfrage und Ergebnis der Wahl zur Staatsduma 2021 (Russland-Analysen Nr. 407), https://laender-analysen.de/russland-analysen/407/russlandanalysen407.pdf, Zugriff 10.4.2024;
SZ – Süddeutsche Zeitung (3/3/2022): Anklage in München: Mordpläne gegen Tschetschenen, https://www.sueddeutsche.de/politik/tschetschenien-auftragsmord-muenchen-1.5540824, Zugriff 9.4.2024;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.12.2023 [Login erforderlich];
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2021): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2059888/RUSS_%C3%96B_Bericht_2021_06.docx, Zugriff 9.4.2024 [Login erforderlich];
Sicherheitslage
Aufgrund der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine ist die Lage in Russland zunehmend unberechenbar (EDA 26.3.2024). Die allgemeine Sicherheitslage ist regional unterschiedlich (EAMFR 5.4.2024). In Russland gelten erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, welche von lokalen Behörden getroffen werden und zu Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Ausgangssperren und Beschlagnahmung von Privateigentum führen können (GOV.UK o.D.). Die Anzahl ukrainischer Drohnenangriffe auf russischem Territorium in verschiedenen russischen Regionen nimmt zu. Ziel dieser Drohnenangriffe ist die russische Öl- und Militärinfrastruktur (ACLED 9.5.2024). Von Drohnenangriffen ist auch Moskau betroffen (EDA 26.3.2024). Kurz vor der russischen Präsidentenwahl (März 2024) drangen russische freiwillige Kämpfer, welche aufseiten der Ukraine stehen, in die russischen Grenzregionen Belgorod und Kursk ein (ACLED 5.4.2024). In den russischen Grenzregionen steigt die Gewaltintensität. Innerrussische Widerstandsbewegungen (Partisanen) sind für mehrere Vorfälle wie Zugentgleisungen verantwortlich (ACLED 9.11.2023). Bislang wurde in Russland nicht das Kriegsrecht ausgerufen. Jedoch hat Russland das Kriegsrecht über die von ihm annektierten ostukrainischen Regionen verhängt (Lenta 25.10.2023; vgl. EPEK RUSS 19.10.2022, AA 26.3.2024). In Bezug auf den Ukraine-Krieg vermeidet Russland den Begriff Krieg und spricht stattdessen von einer „militärischen Spezialoperation“ (VMR RUSS 2.2.2024).
In der Russischen Föderation sind wiederholt Terrorakte verübt worden. Betroffen waren vor allem der Großraum des nördlichen Kaukasus und die Großstädte (EDA 26.3.2024). Am 22.3.2024 ereignete sich ein Terroranschlag in einer Konzerthalle in der Moskauer Region, welcher in etwa 150 Personen tötete und zahlreiche Personen verletzte. Zu diesem Terroranschlag bekannte sich der „Islamische Staat der Provinz Khorasan“ (ISKP), ein zentralasiatischer Ableger des „Islamischen Staats“. Dennoch versuchten die russischen Behörden, der Ukraine eine Beteiligung an dem Anschlag zu unterstellen. Dutzende Verhaftungen in Russland und Tadschikistan folgten auf den Terroranschlag (ACLED 5.4.2024). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko weiterer Terrorakte nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 26.3.2024). Einige Flughäfen in Südrussland sind geschlossen (AA 26.3.2024).
Gemäß dem aktuellen Globalen Terrorismus-Index (2024), welcher die Einwirkung von Terrorismus je nach Land misst, belegt Russland den 35. von insgesamt 89 Rängen. Dies bedeutet, Russland befindet sich auf niedrigem Niveau, was den Einfluss von Terrorismus betrifft (IEP 2.2024).
Die folgende Karte stellt sicherheitsrelevante Ereignisse innerhalb Russlands im Zeitraum 17.5.2023-17.5.2024 dar, wobei hier zwei Kategorien angezeigt werden: Kampfhandlungen (gelb) und Explosionen/“remote violence“ (rot). Die dunkelgrauen Punkte beinhalten sowohl Kämpfe als auch Explosionen/“remote violence“. Wie auf der Karte zu sehen ist, konzentrieren sich die sicherheitsrelevanten Ereignisse auf westliche Teile Russlands (ACLED o.D.):
Sicherheitsrelevante Ereignisse innerhalb Russlands im Zeitraum 17.5.2023-17.5.2024
Quelle: ACLED o.D. [Quellenbeschreibung siehe Kapitel Länderspezifische Anmerkungen]
Quellen
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26/3/2024): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/russischefoederationnode/russischefoederationsicherheit/201536, Zugriff 24.5.2024;
ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (n.d): Dashboard – Russia – Point view – Time period: 17/05/2023-17/05/2024, https://acleddata.com/dashboard/#/dashboard, Zugriff 24.5.2024;
ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (9/5/2024): Regional Overview – Europe Central Asia – April 2024, https://acleddata.com/2024/05/09/regional-overview-europe-central-asia-april-2 024, Zugriff 22.5.2024;
ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (5/4/2024): Regional Overview – Europe Central Asia – March 2024, https://acleddata.com/2024/04/05/regional-overview-europe-central-asia-march-2024, Zugriff 22.5.2024;
ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (9/11/2023): Importing Instability – How the War Against Ukraine Makes Russia Less Secure, https://acleddata.com/2023/11/09/importing-instability-how-the-war-against-ukraine-makes-russia-less-secure, Zugriff 22.5.2024;
EAMFR – Europa- und Außenministerium Frankreichs [Frankreich] (5/4/2024): Conseils aux Voyageurs – Conseils par pays/destination – Russie – Sécurité [Reiseratgeber – Ratgeber nach Land/Destination – Russland – Sicherheit], https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/russie/#securite, Zugriff 23.5.2024;
EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (26/3/2024): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html#edaf0fab5, Zugriff 22.5.2024;
EPEK RUSS – Erlass des Präsidenten: Einführung des Kriegsrechts in Ostukraine [Russland] (19/10/2022): Указ Президента Российской Федерации (№ 756): О введении военного положения на территориях Донецкой Народной Республики, Луганской Народной Республики, Запорожской и Херсонской областей [Erlass (Ukas) des Präsidenten der Russischen Föderation: Über die Einführung des Kriegsrechts in den Territorien der Volksrepubliken Donezk und Luhansk sowie in den Regionen Cherson und Saporischschja], http://static.kremlin.ru/media/events/files/ru/GpOBhI8BCp0AY2mM2rySdADMy466EWzg.pdf, Zugriff 5.2.2024;
GOV.UK – Government Digital Service [United Kingdom] (n.d): Foreign travel advice – Russia – Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/russia/safety-and-security, Zugriff 23.5.2024;
IEP – Institute for Economics and Peace (2.2024): Global Terrorism Index 2024: Measuring the Impact of Terrorism, https://www.economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2024/02/GTI-2024-web-290224.pdf, Zugriff 24.5.2024;
Lenta – Lenta (25/10/2023): Совфед одобрил отмену информирования генсека Совета Европы о военном положении [Föderationsrat billigte Aufhebung der Benachrichtigung des Generalsekretärs des Europarats über Kriegsrecht], https://lenta.ru/news/2023/10/25/sovfed-odobril-otmenu-informirovaniya-genseka-soveta-evropy-o-voennom-polozhenii, Zugriff 5.2.2024;
VMR RUSS – Verteidigungsministerium [Russland] (2/2/2024): Сводка Министерства обороны Российской Федерации о ходе проведения специальной военной операции (по состоянию на 02 февраля 2024 г.) [Bericht des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation über den Verlauf der speziellen Militäroperation (Stand 02. Februar 2024)], https://z.mil.ru/spec_mil_oper/news/more.htm?id=12498705@egNews, Zugriff 2.2.2024;
Nordkaukasus
Die Sicherheitslage im Nordkaukasus hat sich verbessert. Die Zahl der Opfer gewalttätiger Zusammenstöße hat in den letzten Jahren abgenommen. Es ist nicht mehr von einer breiten islamistischen Bewegung im Nordkaukasus auszugehen, wenngleich es vereinzelt zu Anschlägen kommt, die von den Behörden auch mit dem „Islamischen Staat“ (IS) in Verbindung gebracht werden (ÖB Moskau 30.6.2023). Im Nordkaukasus nehmen Angriffe auf Polizisten zu (KR 4.5.2024). Niederschwellige militante terroristische Aktivitäten sowie vermehrte Anti-Terror-Aktivitäten und Bemühungen um eine politische Konsolidierung sind feststellbar (OSAC 8.2.2021). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte sowie die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 30.6.2021). Gemäß dem Online-Medienportal „Kaukasischer Knoten“ fielen zwischen Jänner 2023 und April 2024 insgesamt 34 Personen dem bewaffneten Konflikt im Nordkaukasus zum Opfer. Fünf dieser Personen wurden in Tschetschenien und zwei in Dagestan getötet (KK 6.5.2024; vgl. KK 29.4.2024b, KK 5.1.2024, KK 4.10.2023, KK 5.7.2023, KK 5.4.2023). Terroranschläge ziehen staatlicherseits unter anderem kollektive Bestrafungsformen nach sich. Dies bedeutet, Familienangehörige werden für die Taten ihrer Verwandten zur Verantwortung gezogen (RUSI/Zhirukhina 30.7.2021) und müssen gemäß gesetzlichen Vorgaben Schadenersatz leisten (USDOS 22.4.2024).
Tschetschenien
Die tschetschenischen Sicherheitskräfte handeln außerhalb der russischen Verfassung und Gesetzgebung (Dekoder 10.2.2022). Tschetschenische Strafverfolgungsorgane werfen vermeintlichen Salafisten und Wahhabiten unbegründet terroristische Machenschaften vor und erzwingen Geständnisse durch Folter (USCIRF 26.10.2021). Regelmäßig wird aus Tschetschenien über Sabotage- und Terrorakte gegen Militär und Ordnungskräfte, über Feuergefechte mit Mitgliedern bewaffneter Gruppen, Entführungen sowie Druck auf Familienangehörige von Mitgliedern illegaler bewaffneter Formationen berichtet. In verschiedenen Teilen der Republik Tschetschenien werden in regelmäßigen Abständen Antiterroroperationen durchgeführt (KK 29.3.2023a). Tschetschenische Behörden wenden regelmäßig kollektive Bestrafungsformen bei Familienangehörigen vermeintlicher Terroristen an, beispielsweise indem Familienangehörige dazu gezwungen werden, die Republik zu verlassen (USDOS 22.4.2024). In Tschetschenien gibt es eine Antiterrorismus-Kommission, deren Vorsitzender das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ist (NAK o.D.a). Im September 2018 wurde ein Grenzziehungsabkommen zwischen Tschetschenien und der Nachbarrepublik Inguschetien unterzeichnet, was in Inguschetien zu Massenprotesten der Bevölkerung führte und in der Gegenwart noch für gewisse Spannungen zwischen den beiden Republiken sorgt (KK 15.11.2021).
[…]
Quellen:
Dekoder – Dekoder (10/2/2022): Warum Ramsan Kadyrow (fast) alles darf, https://www.dekoder. org/de/article/ramsan-kadyrow-kritiker, Zugriff 9.4.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (6/5/2024): В апреле 2024 года в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе 11 человек убиты [Im April 2024 wurden im Laufe des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus 11 Personen getötet], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/400278, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (29/4/2024b): В ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе в I квартале 2024 года 9 человек убито и один ранен [Im Laufe des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus wurden im 1. Quartal 2024 9 Personen getötet und eine Person verletzt], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/400279, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (31/3/2024): Дагестан: хроника террора (1996-2024 годы) [Dagestan: Chronik des Terrors (1996-2024)], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/73122, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (5/1/2024): В ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе в IV квартале 2023 года погиб один и ранено трое человек [Im Laufe des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus wurden im 4. Quartal 2023 eine Person getötet und drei verletzt], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/395957, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (4/10/2023): В III квартале 2023 года в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе жертв зафиксировано не было [Im 3. Quartal 2023 gab es im Laufe des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus keine Opfer zu beklagen], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/393113, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (5/7/2023): В ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе во II квартале 2023 года убито 6 человек [Im Laufe des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus wurden im 2. Quartal 2023 6 Personen getötet], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/390298, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (5/4/2023): В I квартале 2023 года в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе погибли 7 человек [Im 1. Quartal 2023 wurden im Laufe des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus 7 Personen getötet], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/387466, Zugriff 27.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (29/3/2023a): Чечня после КТО: диверсии, теракты, похищения [Tschetschenien nach der Anti-Terror-Operation: Sabotagen, Terroranschläge, Entführungen], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/155726, Zugriff 24.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (15/11/2021): Угрозы Кадырова отнять землю возмутили ингушских пользователей сети [Drohungen Kadyrows, sich Land anzueignen, riefen bei Inguscheten online Empörung hervor], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/370165, Zugriff 24.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (4/5/2024): Военное подразделение для главы МЧС по Чечне. Итоги недели [Bann über Leiter Katastrophenschutzministeriums in Tschetschenien. Wochenbilanz], https://www. kavkazr.com/a/voennoe-podrazdelenie-dlya-glavy-mchs-po-chechne-itogi-nedeli/32931800.html, Zugriff 17.5.2024;
NAK – Nationales Antiterrorismus-Komitee [Russland] (n.da): Чеченская Республика [Republik Tschetschenien], http://nac.gov.ru/subekty-federacii/chechenskaya-respublika.html, Zugriff 24.5.2024;
NAK – Nationales Antiterrorismus-Komitee [Russland] (n.db): Республика Дагестан [Republik Dagestan], http://nac.gov.ru/subekty-federacii/respublika-dagestan.html, Zugriff 24.5.2024;
OSAC – Overseas Security Advisory Council [USA] (8/2/2021): Russia Country Security Report, https://www.osac.gov/Content/Report/f312a926-0723-427a-947f-1c391b3776e8, Zugriff 24.5.2024;
RUSI/Zhirukhina – Zhirukhina, Elena (Autor), Royal United Services Institute (Herausgeber) (30/7/2021): Identifying an Integration Model for the North Caucasus (RUSI Newsbrief, volume 41, issue 6), https://rusi.org/explore-our-research/publications/rusi-newsbrief/identifying-integration-model-north-caucasus, Zugriff 24.5.2024;
USCIRF – United States Commission on International Religious Freedom [USA] (26/10/2021): Issue Update Russia – Religious Freedom Violations in the Republic of Chechnya, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2021-10/2021%20Chechnya%20Issue%20Update.pdf, Zugriff 1.3.2024;
USDOS – United States Department of State [USA] (22/4/2024): 2023 Country Reports on Human Rights Practices: Russia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2024/03/528267_RUSSIA-2023-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 8.5.2024;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.12.2023 [Login erforderlich];
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2021): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2059888/RUSS_%C3%96B_Bericht_2021_06.docx, Zugriff 9.4.2024 [Login erforderlich];
Wehrdienst und Rekrutierungen
Überblick über die Armee
Ab einem Alter von 16 Jahren ist der freiwillige Besuch einer Militärschule möglich (EBCO 12.5.2023). Gemäß dem föderalen Gesetz „Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst“ unterliegen männliche russische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 30 Jahren der Einberufung zum Grundwehrdienst. Die Entscheidung, ob eine Person einberufen wird oder nicht, darf erst dann getroffen werden, wenn die betreffende Person mindestens 18 Jahre alt ist (FGWW RUSS 25.12.2023). Die Pflichtdienstzeit beträgt ein Jahr (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. FGWW RUSS 25.12.2023). Für gewöhnlich findet zweimal jährlich eine Stellung/Einberufung statt (FGWW RUSS 25.12.2023). Der Staatspräsident legt jährlich fest, wie viele der Stellungspflichtigen tatsächlich zum Wehrdienst eingezogen werden sollen. In der Regel liegt die Quote bei etwa einem Drittel der jährlich ins wehrdienstpflichtige Alter kommenden jungen Männer (ÖB Moskau 30.6.2023). Für Herbst 2022 wurden 120.000 Wehrpflichtige zum Militärdienst eingezogen (EPEMD11-12/22 RUSS 30.9.2022), für das Frühjahr 2023 147.000 (EPEMD4-7/23 RUSS 30.3.2023) und für Herbst 2023 130.000 Personen (EPEMD10-12/23 RUSS 29.9.2023). Die Anzahl der aus Tschetschenien Einberufenen ist relativ gering, im Durchschnitt 500 Einberufene pro Einberufungsperiode (ÖB Moskau 21.2.2024). Die Tschetschenen werden über das ganze Land verteilt und verschiedenen Militäreinheiten zugewiesen (VQ RUSS1 4.12.2023).
Es existieren folgende Tauglichkeitskategorien (FGWW RUSS 25.12.2023):
A [A]: tauglich
Б [B]: tauglich mit geringfügigen Einschränkungen В [W]: eingeschränkt tauglich
Г [G]: vorübergehend untauglich Д [D]: untauglich
Gemäß dem föderalen Gesetz zur Aus- und Einreise dürfen zum Wehrdienst einberufene Staatsbürger das Land bis zur Beendigung des Wehrdiensts nicht verlassen (FGAE RUSS 4.8.2023). Darüber wird der Grenzschutz des Inlandsgeheimdienstes FSB (Föderaler Sicherheitsdienst) direkt informiert (BAMF 31.7.2023). Nach Ableistung des Grundwehrdiensts werden die Wehrpflichtigen als Reservisten registriert (EUAA 16.12.2022a; vgl. BBC 21.9.2022) und dürfen somit mobilisiert werden (MBZ 31.3.2023; vgl. FGMB RUSS 25.12.2023). Die Ableistung des Grundwehrdienstes ist Voraussetzung für bestimmte (vor allem staatliche) berufliche Laufbahnen (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. VMR RUSS o.D.a).
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben sind unter anderem Personen vom Wehrdienst befreit, welche wegen ihres Gesundheitszustands untauglich oder eingeschränkt tauglich sind; Söhne oder Brüder von Personen, welche infolge der Ausübung ihrer militärischen Dienstpflichten verstarben; sowie Personen, die einer Straftat verdächtigt werden. Folgende Staatsbürger dürfen den Wehrdienst aufschieben: wer aus gesundheitlichen Gründen als vorübergehend untauglich ein- gestuft wurde (Aufschub bis zu einem Jahr); pflegende Angehörige; Alleinerziehende; Familien mit mehreren Kindern; Parlamentsabgeordnete; Studierende usw. (FGWW RUSS 25.12.2023). Viele junge Männer, insbesondere wohlhabenderen Gesellschaftsschichten entstammend, sowie Bewohner von Großstädten versuchen, dem Wehrdienst zu entgehen (EUAA 16.12.2022a).
Die russische Armee bietet die Möglichkeit eines Freiwilligendiensts auf Vertragsbasis (ÖB Moskau 30.6.2023). Seit mehreren Jahren sind Bemühungen im Gang, die Armee in Richtung eines Berufsheeres umzugestalten (ISW 5.3.2022; vgl. SWP/Klein/Schreiber 7.12.2022, GS o.D.).
Mehr als 39.000 Frauen gehören den russischen Streitkräften an (Wedomosti 7.3.2023). Frauen sind nicht militärdienstpflichtig (Connection 8.10.2023), doch weiblichen Staatsbürgern steht ein freiwilliger Armeedienst auf Vertragsbasis offen (ÖB Moskau 30.6.2023). Frauen mit bestimmten beruflichen Spezialisierungen gehören [automatisch; Anm. der Staatendokumentation] der Reserve an (FGWW RUSS 25.12.2023). Arbeiten sie in kriegswichtigen Berufen, wie beispielsweise im medizinischen Bereich, können sie für einen Kriegseinsatz herangezogen werden (Connection 8.10.2023).
Gemäß dem föderalen Gesetz „Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst“ werden Einberufungsbefehle in schriftlicher Form und zusätzlich elektronisch übermittelt (FGWW RUSS 25.12.2023). Die elektronische Zustellung erfolgt über das Online-Portal Gosuslugi (VB Moskau 15.9.2023), was eine Registrierung auf https://www.gosuslugi.ru/ erfordert (Gosuslugi o.D.). Die Registrierung geschieht auf freiwilliger Basis (objasnjaem 3.9.2023). Die Einberufungsbefehle werden vom Militärkommissariat per eingeschriebenem Brief verschickt. Möglich ist auch die persönliche Aushändigung des Einberufungsbefehls durch Mitarbeiter des Militärkommissariats oder durch andere für Militärregistertätigkeiten verantwortliche Personen. So die Zustellung eines Einberufungsbefehls auf die hier dargestellte Art und Weise nicht möglich ist, gilt der Einberufungsbefehl spätestens sieben Tage nach dessen Eintragung ins Einberufungsbefehlsregister als zugestellt. Verweigert ein Bürger den Erhalt des per Post zugestellten oder persönlich ausgehändigten Einberufungsbefehls des Militärkommissariats, gilt der Einberufungsbefehl am Tag der Verweigerung als zugestellt (FGWW RUSS 25.12.2023). Das einheitliche Militärregister sollte ab dem Jahr 2025 voll funktionsfähig sein (RBK 19.9.2023).
Prinzipiell erhalten alle Personen, welche den Wehrdienst abgeleistet haben, ein Militärbuch. Es häufen sich Aussagen, dass immer mehr Männer, die nie gedient haben, mit Vollendung des 25. Lebensjahres ein Militärbuch erhalten. Dieses besagt dann jedoch, dass sie nie dienten und daher auch nicht zur Reserve zählen (ÖB Moskau 21.2.2024). Die Ausstellung eines Militärbuchs (woennyj bilet) erfolgt per Antrag. Das Militärbuch erhält man beim örtlichen Militärkommissariat (Armyhelp 24.3.2023). Es wird nicht zugestellt, sondern muss abgeholt werden. Meist werden Militärbücher zur Vorlage an einen Arbeitgeber benötigt (VB Moskau 15.9.2023).
Im Militärbereich ist Korruption weitverbreitet (USDOS 20.3.2023; vgl. SWP/Klein/Schreiber 7.12.2022, MoD@DefenceHQ 2.2.2024). Die Teilmobilmachung in Russland hat zu Kleinkorruption in Form von Manipulationen des Wehrpflichtigenregisters sowie in Form von Bestechung an Grenzübergängen geführt (FH 24.5.2023). Es wird über mehrere Fälle russischer Soldaten berichtet, welche ihre Kommandanten bestochen haben, um nicht in den Ukraine-Krieg ziehen zu müssen (WG 30.10.2023). In den russischen Militäreinheiten, welche in der Ukraine kämpfen, ist Bestechung weitverbreitet. Für Soldaten besteht die Möglichkeit, Verwundungen, Urlaub, Rotationen und die Nichtteilnahme an Angriffen zu „kaufen“ (NGE 28.11.2023). 2015 wurden die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweitert. Seitdem zählt hierzu ausdrücklich die Bekämpfung der Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte. In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Dedowschtschina („Herrschaft der Großväter“) zu nennen. Hierbei handelt es sich um ein System der Erniedrigung bis hin zur Vergewaltigung von sich ausgeliefert fühlenden Rekruten durch dienstältere Mannschaften in Verbindung mit abgelegenen Standorten und keinem Ausgang bzw. kaum Urlaub. Es ist zu vermuten, dass es nach wie vor zu Delikten kommt, jedoch nicht mehr in dem Ausmaß wie in der Vergangenheit (AA 28.9.2022). NGOs gehen von Hunderten Gewaltverbrechen pro Jahr im Heer aus. Laut Menschenrechtsvertretern existiert Gewalt in den Kasernen zumindest in bestimmten Militäreinheiten als System und wird von den Befehlshaben- den unterstützt bzw. geduldet (ÖB Moskau 30.6.2023). Die Diskreditierung der Armee kann gemäß dem Strafgesetzbuch unter anderem zu Geldstrafen, Zwangsarbeit oder Freiheitsentzug von bis zu sieben Jahren führen (StGB RUSS 14.2.2024). Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, welche in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind. Freiheitsstrafen wegen Militärvergehen sind ebenso wie gewöhnliche Freiheitsstrafen in Haftanstalten oder Arbeitskolonien zu verbüßen. Militärangehörige können jedoch bis zu zwei Jahre in Strafbataillone, die in der Regel zu Schwerstarbeit eingesetzt werden, abkommandiert werden (AA 28.9.2022).
Laut der Verfassung ist der Präsident der Russischen Föderation Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Verfassung RUSS 6.10.2022). Gemäß einem präsidentiellen Erlass vom 1.12.2023 wurde die russische Armee auf einen Personalstand von 2.209.130 Bediensteten aufgestockt, davon 1.320.000 bewaffnete Kräfte (EPPS RUSS 1.12.2023). Bis 2026 ist eine Erhöhung der Anzahl der bewaffneten Kräfte auf 1,5 Millionen geplant (Iswestija 17.1.2023). Die genauen Zahlen über die Stärke und Neuaufstellungen der russischen Armee sind schwer zugänglich (BAMF 7.8.2023). Im Jahr 2022 betrugen die Militärausgaben 4,1 % des Bruttoinlandsprodukts (SIPRI o.D.). Für das Jahr 2024 sind 38,6 % des Gesamtbudgets für die Bereiche Sicherheit und Verteidigung vorgesehen (Iswestija 13.11.2023). Die Militarisierung der Gesellschaft schreitet schnell voran (ÖMZ/Goiser/Riemer 1.2024).
Quellen:
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BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31/7/2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw31-2023.pdf? blob=publicationFile v=6, Zugriff 25.1.2024;
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EPEMD11-12/22 RUSS – Erlass des Präsidenten: Einberufung von Bürgern zum Militärdienst im November-Dezember 2022 [Russland] (30/9/2022): Указ Президента Российской Федерации от 30.09.2022 № 691 „О призыве в ноябре – декабре 2022 г. граждан Российской Федерации на военную службу и об увольнении с военной службы граждан, проходящих военную службу по призыву“ [Erlass (Ukas) des Präsidenten der Russischen Föderation vom 30.09.2022 № 691 „Über die Einberufung im November-Dezember 2022 von Bürgern der Russischen Föderation zum Militärdienst und über die Entlassung aus dem Militärdienst derjenigen Bürger, die nach der Einberufung den Militärdienst absolvieren“], http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202209300077, Zugriff 29.1.2024;
EPEMD4-7/23 RUSS – Erlass des Präsidenten: Einberufung von Bürgern zum Militärdienst im April-Juli 2023 [Russland] (30/3/2023): Указ Президента Российской Федерации от 30.03.2023
№ 220 „О призыве в апреле – июле 2023 г. граждан Российской Федерации на военную службу и об увольнении с военной службы граждан, проходящих военную службу по призыву“ [Erlass (Ukas) des Präsidenten der Russischen Föderation vom 30.03.2023 № 220 „Über die Einberufung im April-Juli 2023 von Bürgern der Russischen Föderation zum Militärdienst und über die Entlassung aus dem Militärdienst derjenigen Bürger, die nach der Einberufung den Militärdienst absolvieren“], http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202303300022, Zugriff 29.1.2024;
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WG – Wichtige Geschichten (30/10/2023): Мобилизованные и контрактники дают взятки от 10 до 400 тысяч рублей за возможность не ехать на войну в Украине, выяснили „Важные истории“ [Mobilisierte und Vertragssoldaten bestechen mit Summen von RUB 10-400.000, um nicht in Ukraine-Krieg zu ziehen, fanden „Wichtige Geschichten“ heraus], https://istories.media/news/2023/10/30/mobilizovannie-i-kontraktniki-dayut-vzyatki-ot-10-do-400-tisyach-rublei-za-voz mozhnost-ne-yekhat-na-voinu-v-ukraine-viyasnili-vazhnie-istorii, Zugriff 5.1.2024;
Wedomosti – Wedomosti (7/3/2023): Шойгу назвал число участвующих в СВО женщин-военнослужащих [Schojgu nannte Anzahl weiblicher Teilnehmer an spezieller Militäroperation], https://www.vedomosti.ru/politics/news/2023/03/07/965566-shoigu-nazval-chislo-uchastvuyuschih-v-svo-zhenschin-voennosluzhaschih, Zugriff 23.1.2024;
objasnjaem – objasnjaem.rf [Russland] (3/9/2023): Есть ли закон, обязывающий регистрироваться на „Госуслугах“? [Gibt es ein Gesetz, das zur Registrierung auf „Gosuslugi“ verpflichtet?], https://объясняем.рф/articles/questions/internet-mobile/internet/est-li-zakon-obyazyvayushchiy-registrirovatsya-na-gosuslugakh-/, Zugriff 2.2.2024;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (21/2/2024): Auskunft der Botschaft, per E-Mail; ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.12.2023 [Login erforderlich];
ÖMZ/Goiser/Riemer – Österreichische Militärische Zeitschrift [Österreich] (Herausgeber), Goiser, F. (Autor), Riemer, P. (Autor) (1.2024): Internationale Rundschau: Russische Föderation und postsowjetischer Raum: Eine erneute Pattsituation an der Front in der Ukraine und die Fortsetzung des Abnutzungskrieges, (1), S. 94-97;
Mobilisierung
Teilmobilisierung
Am 21.9.2022 verkündete ein Erlass des Präsidenten Putin eine Teilmobilmachung in der Russischen Föderation. Mobilisierte genießen denselben Status wie Vertragssoldaten der Streitkräfte und sind auch hinsichtlich der Entlohnung gleichgestellt. Verträge der Vertragssoldaten behalten bis zum Abschluss der Teilmobilmachung ihre Gültigkeit. Während des Zeitraums der Teilmobilmachung dürfen gemäß dem präsidentiellen Erlass vom 21.9.2022 die Dienstverhältnisse des militärischen Vertragspersonals sowie mobilisierter Personen nur aus folgenden Gründen aufgelöst werden (EPVT RUSS 21.9.2022):
aus Altersgründen – nach Erreichen der Altersgrenze
aus gesundheitlichen Gründen
im Falle des Vorliegens eines rechtskräftigen Gerichtsurteils über Verhängung einer Freiheitsstrafe (EPVT RUSS 21.9.2022)
Punkt 7 des präsidentiellen Erlasses vom 21.9.2022 enthält ausschließlich den Hinweis „für den Dienstgebrauch“ (EPVT RUSS 21.9.2022). [Der Inhalt des Punkts 7 ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Der für die Öffentlichkeit zugängliche Teil des Erlasses enthält keinerlei Informationen über die Anzahl der zu mobilisierenden Personen, keine Altersgrenzen und auch keine präzise Definition der zu Mobilisierenden; Anm. der Staatendokumentation] Im Rahmen eines Fernsehinterviews konkretisierte am 21.9.2022 der [damalige; Anm. der Staatendokumentation] Verteidigungsminister Sergej Schojgu, dass die Teilmobilmachung auf eine Einberufung von300.000 Reservisten abzielt (RG 21.9.2022). Die zu Mobilisierenden sollten nach Angaben von Präsident Putin in den russischen Streitkräften gedient und bestimmte militärische Spezialisierungen erworben haben (RBK 28.9.2022; vgl. EUAA 16.12.2022a).
Personen, welche der Reserve angehören, werden im Allgemeinen in drei Kategorien unterteilt, für welche jeweils unterschiedliche Altersgrenzen gelten (FGWW RUSS 25.12.2023). [Eine genaue Darstellung der Reservisten-Kategorien findet sich im Anhang; Anm. der Staatendokumentation]. Im Falle einer Mobilisierung werden zuerst die Reservisten der Kategorie 1 einberufen (RIA Nowosti 19.10.2022). Die ab September 2022 in Russland durchgeführte Teilmobilisierung betraf in erster Linie Reservisten der Kategorie 1 (TASS 21.9.2022). Gemäß der unabhängigen russischen Zeitung Nowaja gaseta, welche sich auf eine Quelle innerhalb der Präsidialverwaltung beruft, erlaubt der geheim gehaltene Punkt 7 des Erlasses vom 21.9.2022 dem Verteidigungsministerium eine Mobilisierung von bis zu einer Million Personen (NGE 22.9.2022). Den Subjekten (Regionen) der Russischen Föderation wird vom Erlass die Einberufung der zu Mobilisierenden auferlegt (EPVT RUSS 21.9.2022).
Punkt 9 des präsidentiellen Erlasses vom 21.9.2022 gewährt Staatsbürgern, die im Rüstungsindustriesektor beruflich tätig sind, das Recht auf einen Mobilisierungsaufschub (EPVT RUSS 21.9.2022). Das föderale Mobilisierungsgesetz gewährt unter anderem folgenden Bürgern ein Recht auf einen Mobilisierungsaufschub: Bürgern, deren Gesundheitszustand vorübergehend eine Mobilisierung nicht gestattet (Aufschub für eine Dauer von bis zu sechs Monaten); pflegenden Angehörigen; kinderreichen Familien und Alleinerziehenden; Kindern alleinerziehender, kinderreicher Mütter; Senatoren der Russischen Föderation und Duma-Abgeordneten; sowie Mitgliedern von Freiwilligenformationen. Weiteren Personen oder Personengruppen kann durch präsidentielle Erlässe ein Mobilisierungsaufschub gewährt werden (FGMB RUSS 25.12.2023). Der Herausgabe des präsidentiellen Erlasses zur Einleitung der Teilmobilisierung folgten diverse Erlässe und offizielle Verlautbarungen, welche die von der Mobilisierung ausgenommenen Personengruppen definierten (MBZ 31.3.2023). Ein Mobilisierungsaufschub wurde durch präsidentiellen Erlass Studierenden gewährt (EPGM RUSS 5.10.2022). Ausgeschlossen von der Mobilmachung wurden außerdem Mitarbeiter im Finanz- und Telekommunikationssektor, IT- Bereich sowie Mitarbeiter von Massenmedien (Garant 23.9.2022). Die von der Mobilisierung ausgenommenen Personengruppen waren örtlichen Rekrutierungsstellen nicht immer bekannt, oder aber sie standen in einem Widerspruch zur Gesetzgebung (MBZ 31.3.2023). Mehrmals wurden die Bedingungen für Mobilisierungsfreistellungen und -aufschübe geändert. Dies führte dazu, dass Rekrutierungsstellen landesweit uneinheitliche Mobilisierungskriterien anwandten (EUAA 16.12.2022a). Gemäß weitverbreiteten Berichten wurden Einberufungsbefehle durch die Behörden willkürlich zugestellt (Landinfo 10.8.2023). Es erfolgten Einberufungen von Personen, welche eigentlich von der Mobilmachung ausgenommen waren, darunter Schwerkranke (Kommersant 26.9.2022; vgl. UN News 27.9.2022b). Söhne der russischen Elite zahlten Berichten zufolge hohe Bestechungssummen, um nicht an die Front geschickt zu werden (Standard 28.9.2022). Der Kreml räumte Fehler bei der Umsetzung der Teilmobilmachung ein (Kommersant 26.9.2022).
Mit Stand März 2023 nahmen gemäß dem Verteidigungsminister 1.100 Frauen am Ukraine-Krieg teil (Wedomosti 7.3.2023). Nur wenige Frauen werden auf russischer Seite im Ukraine-Krieg als Frontkämpfer eingesetzt (MoD@DefenceHQ 30.10.2023). Frauen befinden sich hauptsächlich als Ärztinnen und Köchinnen im Kriegseinsatz (WG 23.10.2023).
Mit 28.10.2022 erklärte der Verteidigungsminister die Teilmobilmachung für beendet (TASS 28.10.2022). Am 31.10.2022 bestätigte Putin mündlich das Ende der Teilmobilmachung (Kreml 31.10.2022). Jedoch ist gemäß einer schriftlichen Mitteilung der russischen Präsidialverwaltung vom 30.12.2022 der präsidentielle Erlass zur Einleitung der Teilmobilmachung (21.9.2022) nach wie vor in Kraft (Jabloko 17.1.2023). Auch Dmitrij Peskow, der Kreml-Pressesprecher, bestätigte dies (ISW 20.1.2023). [Der präsidentielle Erlass vom 21.9.2022 enthält keinerlei Hinweise auf das zeitliche Ende der Teilmobilmachung. Bis zum heutigen Tag veröffentlichte die russische Regierung keinen Erlass zur Beendigung der Teilmobilisierung; Anm. der Staatendokumentation].
Die Mobilmachung führte in Russland zu Protesten, Festnahmen (UN News 27.9.2022b) sowie zu einer Ausreisebewegung. Im Zuge der Teilmobilmachung verließen mindestens 700.000 Bewohner Russlands ihr Land (ISW 23.12.2023). Manche Personen, die während der Mobilisierung die Flucht versuchten, trafen an der Grenze auf Sicherheitspersonal, welches ihnen Einberufungsbefehle aushändigte (FH 2023). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben dürfen im Militärregister aufscheinende Bürger ab Verkündung einer Mobilmachung ihren Wohnort nur mit behördlicher Erlaubnis verlassen (FGMB RUSS 25.12.2023).
Bei Gerichten eingebrachte Beschwerden gegen Mobilisierungsentscheidungen entfalten keine aufschiebende Wirkung (EUAA 16.12.2022a).
Verdeckte Mobilisierung
Wegen der Unpopularität der Teilmobilmachung und der folgenden Massenemigration sind die russischen Behörden von einer Teilmobilmachung zu einer bis heute andauernden sogenannten verdeckten Mobilisierung übergegangen. Unter den Begriff der verdeckten Mobilisierung fallen die Rekrutierung Freiwilliger sowie Zwangseinberufungen von Migranten und kürzlich eingebürgerter russischer Staatsbürger (ISW 23.12.2023). Lokale Behörden führen umfassende Kampagnen, um für den Vertragsdienst in der Armee zu werben. Beispielsweise wenden sich Rekrutierungsstellen direkt telefonisch an die Zielgruppen. Zudem finden sich Plakate in verschiedenen Städten, Werbung auf Social-Media-Plattformen usw. (EUAA 3.10.2023). Es werden verschiedene Anreize geschaffen, um Freiwillige als Kämpfer für den Ukraine-Krieg zu gewinnen. In der Moskauer Region wird Freiwilligen eine Summe von einer Million Rubel [ca. EUR 10.133] geboten, außerdem wird mit Steuerbefreiungen, Arbeitsplatzerhalt und der Aussetzung von Gerichtsverfahren gelockt (RIA Nowosti 20.11.2023). Mit dem Ziel der Planerfüllung konkurrieren Regionen miteinander und werben Vertragssoldaten mit attraktiven finanziellen Angeboten an (NGE 3.8.2023). Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wurde der Militärdienst im Rahmen der russischen Streitkräfte immer lukrativer (MoD@DefenceHQ 29.8.2023). Gemäß einem behördeninternen Dokument werden Regionalbehörden angehalten, unter anderem folgende Personen als Vertragssoldaten für den Ukraine-Krieg zu gewinnen: Migranten, zahlungsunfähige Personen, Erwerbslose und andere vulnerable Bevölkerungsschichten (WG 2.11.2023).
Bewohner besetzter ukrainischer Gebiete sind Zwangsrekrutierungen durch die russische Besatzungsmacht ausgesetzt (ISW 6.11.2023). Russland ruft Bürger benachbarter Staaten dazu auf, sich den Kämpfen in der Ukraine anzuschließen (MoD@DefenceHQ 3.9.2023). In der Ukraine kämpfen auf russischer Seite Staatsangehörige verschiedener Länder, darunter von russischen Behörden angeworbene serbische Staatsbürger (ISW 12.1.2024) und Kubaner (ISW 30.9.2023). Auch syrische Söldner wurden zur Unterstützung Russlands für den Kampf in der Ukraine rekrutiert (Rat der EU 22.7.2022).
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bieten juristische Beratung für Soldaten an (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. KK 12.10.2022).
Quellen:
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EPVT RUSS – Erlass des Präsidenten: Verkündung der Teilmobilmachung [Russland] (21/9/2022): Указ Президента Российской Федерации от 21.09.2022 № 647 „Об объявлении частичной мобилизации в Российской Федерации“ [Erlass (Ukas) des Präsidenten der Russischen Föderation vom 21.09.2022 № 647 „Über die Verkündung der Teilmobilmachung in der Russischen Föderation“], http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202209210001?index=1, Zugriff 9.11.2023;
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EUAA – European Union Agency for Asylum (16/12/2022a): The Russian Federation – Military service, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Russia_Military_Service.pdf, Zugriff 9.11.2023;
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TASS – TASS [Russland] (28/10/2022): Частичная мобилизация в России: 300 тыс. за 37 дней. Шойгу доложил Путину о завершении частичной мобилизации [Teilmobilmachung in Russland: 300.000 in 37 Tagen: Schojgu vermeldete an Putin Teilmobilisierungsende], https://tass.ru/armiya-i-opk/16189289, Zugriff 22.12.2023;
TASS – TASS [Russland] (21/9/2022): Картаполов: мобилизация касается в первую очередь военнообязанных первого разряда [Kartapolow: Mobilisierung betrifft vor allem Wehrpflichtige der ersten Kategorie], https://tass.ru/armiya-i-opk/15818735?utm_source=novayagazeta.eu utm_medium=referral utm_campaign=novayagazeta.eu utm_referrer=novayagazeta.eu, Zugriff 23.2.2024;
UN News – United Nations News (27/9/2022b): Russia: Alarm over arrests of military mobilization protesters, https://news.un.org/en/story/2022/09/1128091, Zugriff 27.12.2023;
WG – Wichtige Geschichten (2/11/2023): „Добровольцы“ на войну: мигранты, банкроты, должники и безработные [„Freiwillige“ in den Krieg: Migranten, Zahlungsunfähige, Schuldner und Arbeitslose], https://istories.media/stories/2023/11/02/dobrovoltsi-na-voinu-migranti-bankroti-dol zhniki-i-bezrabotnie, Zugriff 17.1.2024;
WG – Wichtige Geschichten (23/10/2023): „Cозданы не только для супов и детей“. Российских женщин начали вербовать на боевые специальности для участия в войне, выяснили „Важные истории“ [„Geschaffen nicht nur für Suppen und Kinder“. Russische Frauen begann man, als Kämpfer für Kriegsteilnahme anzuwerben, fand „Wichtige Geschichten“ heraus], https://storage.googleapis.com/istories/news/2023/10/23/sozdani-ne-tolko-dlya-supov-i-detei-rossiiskii-zhenshchin-nachali-verbovat-na-boevie-spetsialnosti-dlya-uchastiya-v-voine-viyasnili-vazhnie-istorii/index.html, Zugriff 23.1.2024;
Wedomosti – Wedomosti (7/3/2023): Шойгу назвал число участвующих в СВО женщин-военнослужащих [Schojgu nannte Anzahl weiblicher Teilnehmer an spezieller Militäroperation], https://www.vedomosti.ru/politics/news/2023/03/07/965566-shoigu-nazval-chislo-uchastvuyuschih-v-svo-zhenschin-voennosluzhaschih, Zugriff 23.1.2024;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.12.2023 [Login erforderlich];
Situation in Tschetschenien
Tschetschenische Gruppierungen kämpfen in der Ukraine seit Kriegsbeginn (EUAA 16.12.2022a). Die von Putin am 21.9.2022 verkündete Teilmobilmachung (EPVT RUSS 21.9.2022) wurde in Tschetschenien nicht durchgeführt. Ramsan Kadyrow, das Oberhaupt der Republik Tschetschenien, begründete dies damit, dass Tschetschenien bereits überproportional viele Kämpfer in die Ukraine entsandt und somit die Quote übererfüllt hatte (KK 23.9.2022). Nach Verkündung der Teilmobilmachung durch Putin wandte sich Kadyrow an Kampfunwillige und nannte diese Feiglinge, Verräter und Menschen zweiter Klasse (KK 11.10.2023). Im Herbst 2022 befahl Kadyrow, Einberufungsbefehle an diejenigen Bevölkerungsteile zu versenden, welche sich der Einberufung zu entziehen versuchen (KR 11.10.2023). Die Bevölkerung Tschetscheniens unterstützt den Krieg größtenteils nicht (SOS-NK 8.6.2023).
Rekrutierungsmethoden und Zielgruppen der Rekrutierung
In Tschetschenien finden Rekrutierungen von Kämpfern in einer allgemeinen Atmosphäre des Zwanges und unter Verletzung von Menschenrechtsstandards statt. In vielen Fällen erfolgen Zwangsrekrutierungen (EUAA 16.12.2022a; vgl. KR 8.6.2023). Auf Einzelpersonen in Tschetschenien wird Druck ausgeübt (ÖB Moskau 25.1.2023). Kadyrow betreibt in Bezug auf den Ukraine-Krieg eine intensive mediale Propaganda (VQ RUSS2 23.1.2024). Oft ruft er die Bewohner Tschetscheniens zur Teilnahme am Ukraine-Krieg auf (KK 14.12.2023). Kadyrow drohte Kampfunwilligen mit der „Hölle“ (KK 17.7.2022) und ordnete die Streichung von Sozialleistungen für Familien von Kriegsdienstverweigerern an (KK 25.8.2022). Kadyrow und Beamte beleidigen offen Personen, die nicht an die Front wollen (KR 19.2.2023).
Beamten, Imamen und Kommandanten in Tschetschenien sind Rekrutierungsquoten für den Ukraine-Krieg auferlegt. Um diese normativen Vorgaben erfüllen zu können, werden Tschetschenen in Geheimgefängnissen rechtswidrig festgehalten. So sie einen Kriegseinsatz ablehnen, werden Repressalien gegen ihre Verwandten angedroht (KR 7.8.2023). Häufig werden Einwohner Tschetscheniens von Behördenmitarbeitern (Silowiki) entführt, um ihre Kriegsteilnahme zu erzwingen (KR 7.8.2023; vgl. EUAA 17.2.2023). Einige der Entführten werden vor die Wahl gestellt, entweder in den Krieg zu ziehen (KR 7.8.2023; vgl. AI 28.3.2023, EUAA 17.2.2023) oder Lösegeld zu bezahlen (EUAA 17.2.2023), Folter über sich ergehen zu lassen und wegen fingierter Straftaten gerichtlich verurteilt zu werden (KR 7.8.2023; vgl. AI 28.3.2023, EUAA 17.2.2023). Gedroht wird außerdem mit der Entführung von Familienmitgliedern sowie der Demütigung weiblicher Verwandter. Die Entführten sind meistens junge Männer, welche bereits zuvor im Visier der Behörden waren (EUAA 17.2.2023).
Die meisten tschetschenischen Kriegsteilnehmer entstammen dem ländlichen Raum und leben mit ihren Familien in bescheidenen Verhältnissen. Die versprochenen hohen Geldsummen verleiten sie zu einem Kriegseinsatz. Weiters nehmen am Ukraine-Krieg tschetschenische Berufs- bzw. Vertragssoldaten teil. Diesen machte Kadyrow ein schlechtes Gewissen und erklärte ihnen, es sei nun an der Zeit, ihren in Friedenszeiten empfangenen „hohen“ Sold abzuarbeiten. Außerdem nehmen (noch nicht gerichtlich verurteilte) Gesetzesbrecher am Krieg teil, welchen man einen Kriegseinsatz als „Freiwillige“ nahelegt. Besonders betroffen davon sind Personen, welche sich des Drogenmissbrauchs und Alkoholismus schuldig machten, sowie Diebe (VQ RUSS2 23.1.2024). Ebenfalls unter den unfreiwillig Rekrutierten befinden sich Strafgefangene (EUAA 16.12.2022a). Gemäß Berichten kommt es im Zuge von Verkehrskontrollen und Streitigkeiten zwischen Verkehrspolizisten und Autofahrern zur Aushändigung von Einberufungsbefehlen (KK 24.11.2023). Tschetschenen, welchen eine homosexuelle Orientierung unterstellt wird, sind ebenfalls Zielgruppe von Kriegsentsendungen. Gleich ergeht es Personen, die spezielle politische Ansichten vertreten (VQ RUSS2 23.1.2024). Rekrutiert werden hauptsächlich Menschen, welche ihre Unzufriedenheit mit der tschetschenischen Führung oder dem Ukraine-Krieg ausdrückten, und auch Personen, die auf irgendeine Art und Weise in Ungnade gefallen sind (DIS 9.12.2022). In der Praxis kommt es zur Kriegsentsendung von Familienangehörigen illoyaler Tschetschenen (KR 9.8.2023). In Tschetschenien ist die Praxis der kollektiven Verantwortung weitverbreitet (KR 2.3.2023). Es wird über tschetschenische Frauen berichtet, welche als medizinisches Personal in die Ukraine entsandt werden (OFPRA 25.8.2023).
Tschetschenische Kampfeinheiten in der Ukraine
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wurden in Tschetschenien mehrere Bataillone und Regimenter auf Linie des russischen Verteidigungsministeriums gebildet. Zusätzlich entstanden gemäß Kadyrow mehrere der Nationalgarde untergeordnete Einheiten (KK 18.9.2023). Im November 2022 forderte Kadyrow die tschetschenischen Sufismus-Vertreter auf, Kampfeinheiten nach dem Prinzip der Zugehörigkeit zu religiösen Bruderschaften zu bilden (KK 18.11.2022). Die sogenannten Kadyrowzy nahmen seit 2014 an Kampfhandlungen im ukrainischen Donbas-Gebiet teil (KK 16.5.2023). Die Objektivität und Richtigkeit der von der tschetschenischen Führung angegebenen Zahlen tschetschenischer Kämpfer in der Ukraine werden von Experten angezweifelt (KR 4.8.2023).
Kadyrow hat sich sehr darum bemüht, die Tschetschenen nicht zum Kanonenfutter werden zu lassen, und hat für seine Kämpfer ein relativ sicheres Umfeld inmitten der Kriegshandlungen geschaffen (Nowaja gaseta/Milaschina 29.9.2022; vgl. VQ RUSS2 23.1.2024). Im Jahr 2023 gelang es Kadyrow nicht mehr, seine Kämpfer von der Front fernzuhalten. Dies vor dem Hintergrund, dass die frühere Wagner-Gruppe bzw. deren mittlerweile verstorbener Anführer Ewgenij Prigoschin damals den Wunsch äußerte, sich von der Front zurückzuziehen. Immer wieder nun ist Kadyrow gezwungen, der Verwendung seiner Truppen für Kampfhandlungen an der Frontlinie zuzustimmen. Verluste unter den in der Ukraine kämpfenden Tschetschenen stellen eine potenzielle Bedrohung der Stabilität des von Kadyrow in Tschetschenien etablierten Regimes dar (VQ RUSS2 23.1.2024). Kadyrow verschweigt die Anzahl der im Ukraine-Krieg gefallenen Tschetschenen (KR 18.2.2023).
Militärische Organisation (Ausbildung, Sold)
Eines der Ausbildungszentren für Ukraine-Kämpfer ist die sogenannte Russische Universität für Spezialkräfte (Rossijskij uniwersitet speznasa) in der tschetschenischen Stadt Gudermes (KK 1.7.2023), welche nach Kriegsbeginn zum größten Ausbildungszentrum für Söldner aus dem ganzen Land wurde (KR 29.6.2023). Die Zulassung zu dieser Ausbildungsstätte gestaltet sich zu Kriegszeiten nicht schwierig (WG 29.6.2023). Es ist ausreichend, sich beim Bürgermeisteramt in Grosnyj mit folgenden Worten zu melden: „Ich bin ein Freiwilliger.“ (KK 1.7.2023; vgl. RUSK o.D.). Die Ausbildung ist kostenlos (KR 15.10.2023) und nicht anspruchsvoll (WG 29.6.2023). Nach einer Ausbildungsdauer von in etwa zehn Tagen werden die als Freiwillige bezeichneten Kämpfer in die Ukraine entsandt (KK 1.7.2023).
Die regionale Einmalzahlung, welche in Tschetschenien Ukraine-Kriegsteilnehmern zuteilwird, beträgt RUB 300.000 [ca. EUR 3.040] und zählt zu den höchsten Geldsummen im Land (KR 4.8.2023). In Tschetschenien werden Kämpfern eine Versicherung sowie drei Millionen Rubel [ca. EUR 30.334] im Falle einer Kriegsverwundung versprochen (KR 23.11.2023). Gemäß Berichten werden die Versprechen nicht immer erfüllt (EUAA 16.12.2022a).
Bewegungsfreiheit / Formen der Kriegsdienstverweigerung
Die Furcht vor dem Erhalt eines Einberufungsbefehls fördert Migrationstendenzen junger Männer. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist die Anzahl derjenigen Personen, welche Tschetschenien verlassen haben, beträchtlich gestiegen (DIS 9.12.2022; vgl. KR 15.2.2023). Die Bewegungsfreiheit der Tschetschenen wird verstärkt kontrolliert (SOS-NK 8.6.2023). Einwohner Tschetscheniens treffen auf Probleme beim Erhalt von Reisepässen (KR 19.7.2023; vgl. VQ RUSS2 23.1.2024). Gemäß Angaben von Menschenrechtsverteidigern begann die örtliche Bevölkerung, „massenhaft“ Anträge auf Reisepässe zu stellen, und mehrere der Antragsteller wurden angeblich entführt (KR 11.12.2023). Es wurde damit begonnen, Personen zu Militärübungen einzuberufen, die kürzlich einen Antrag auf einen Reisepass gestellt oder versucht hatten, ihre Meldeanschrift zu ändern (KR 11.10.2023). Wollen Männer im wehrpflichtigen Alter einen Reisepass erhalten, müssen sie mittlerweile über einen Bürgen verfügen und seit Kriegsbeginn außerdem eine Bescheinigung des Militärkommissariats vorlegen. Die Ausstellung einer solchen Bescheinigung zieht sich ohne Angabe von Gründen häufig in die Länge (KR 11.12.2023). Jedoch ist es gemäß Angaben einer vertraulichen Quelle möglich, diese Hürden durch Bestechung zu umgehen (VQ RUSS2 23.1.2024). In Tschetschenien wurden Listen aller ins Ausland ausgereisten Männer erstellt (KR 11.12.2023). Das tschetschenische Republiksoberhaupt hat damit gedroht, Ausgereisten eine spätere Rückkehr nach Tschetschenien zu verbieten (KR 19.2.2023).
Die Führung Tschetscheniens leugnet Fälle tschetschenischer Soldaten, die den Kriegseinsatz in der Ukraine verweigern (KR 31.12.2022). 2023 bearbeitete das Militärgericht in Grosnyj 78 strafrechtliche Fälle, wovon 47 Fälle Kriegsdienstverweigerung, darunter Desertion, betrafen (KR 22.1.2024).
Unterstützungsmöglichkeiten durch NGOs
In Tschetschenien gibt es keine NGOs, welche eingezogene Personen unterstützen (EUAA 16.12.2022a; vgl. VQ RUSS2 23.1.2024).
Quellen:
AI – Amnesty International (28/3/2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Russland 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089408.html, Zugriff 13.11.2023;
DIS – Danish Immigration Service [Denmark] (9/12/2022): Russia – An update on military service since July 2022, https://us.dk/media/10558/update-on-military-service-in-russia_tilgaengelig.pdf, Zugriff 12.2.2024;
EPVT RUSS – Erlass des Präsidenten: Verkündung der Teilmobilmachung [Russland] (21/9/2022): Указ Президента Российской Федерации от 21.09.2022 № 647 „Об объявлении частичной мобилизации в Российской Федерации“ [Erlass (Ukas) des Präsidenten der Russischen Föderation vom 21.09.2022 № 647 „Über die Verkündung der Teilmobilmachung in der Russischen Föderation“], http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202209210001?index=1, Zugriff 9.11.2023;
EUAA – European Union Agency for Asylum (17/2/2023): COI Query Response – The Russian Federation: Major developments in the Russian Federation in relation to political opposition and military service (1 November 2022 to 16 February 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2087301/2023_02_EUAA_COI_Query_Response_update_Russia_major_developments_in_relation_to_political_opposition_and_military_service.pdf, Zugriff 13.2.2024;
EUAA – European Union Agency for Asylum (16/12/2022a): The Russian Federation – Military service, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Russia_Military_Service.pdf, Zugriff 9.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (14/12/2023): Правозащитники сочли перевыполнение Чечней плана по мобилизации результатом принуждения к службе [Menschenrechtsverteidiger halten Übererfüllung des Mobilisierungsplans durch Tschetschenien für Ergebnis von Zwangsrekrutierungen], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/395293, Zugriff 21.12.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (24/11/2023): Водители тонированных машин в Чечне столкнулись с риском отправки на Украину [Fahrer von Autos mit getönten Scheiben in Tschetschenien mit Risiko der Entsendung in Ukraine konfrontiert], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/394677, Zugriff 17.1.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (11/10/2023): Кадыров призвал жителей Чечни проверить сыновей на фронте [Kadyrow rief Bewohner Tschetscheniens dazu auf, Söhne an Front zu prüfen], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/393341, Zugriff 9.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (18/9/2023): Адвокат Алаудинова заявил о попытке дискредитировать спецназ „Ахмат“ [Alaudinows Rechtsanwalt berichtete über Versuch der Diskreditierung der Sondereinheit „Achmat“], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/392580, Zugriff 10.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (1/7/2023): „Важные истории“ рассказали о финансировании университета спецназа в Гудермесе [„Wichtige Geschichten“ erzählte über Finanzierung der Universität für Spezialkräfte in Gudermes.], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/390166, Zugriff 9.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (16/5/2023): Главное о спецподразделении „Ахмат-Грозный“ [Das Wichtigste über die Spezialeinheit „Achmat-Grosnyj“], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/388721, Zugriff 10.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (18/11/2022): Идея о суфийских батальонах обнажила проблемы рекрутинга в Чечне [Idee sufistischer Bataillone enthüllte Rekrutierungsprobleme in Tschetschenien], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/383156, Zugriff 10.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (23/9/2022): Кадыров отменил мобилизацию в Чечне [Kadyrow sprach sich gegen Mobilisierung in Tschetschenien aus], https://www.kavkaz-uzel.eu/article s/381404/, Zugriff 9.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (25/8/2022): Кадыров приказал лишить соцпомощи семьи отказавшихся от службы [Kadyrow befahl Streichung von Sozialleistungen für Familien von Dienstverweigerern], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/380463, Zugriff 13.11.2023;
KK – Kaukasischer Knoten (17/7/2022): Набор в чеченские батальоны объявлен на фоне угроз Кадырова адом за отказ ехать на Украину [Verkündung der Anwerbung in tschetschenische Bataillone - Kadyrow droht denjenigen mit der Hölle, die nicht in die Ukraine wollen], https://www. kavkaz-uzel.eu/articles/379227, Zugriff 13.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (22/1/2024): Большинство дел в отношении военных из Чечни в 2023 году – о побегах со службы [Mehrheit der Fälle von Soldaten aus Tschetschenien 2023 – betrifft Dienstverweigerung], https://www.kavkazr.com/a/boljshinstvo-del-v-otnoshenii-voennyh-iz-chechni-v-2023-godu-o-pobegah-so-sluzhby/32786771.html, Zugriff 26.1.2024;
KR – Kawkas.Realii (11/12/2023): С 11 декабря россияне обязаны сдавать загранпаспорт при запрете на выезд [Seit 11. Dezember müssen Russen Auslandsreisepass im Falle eines Ausreiseverbots abliefern], https://www.kavkazr.com/a/s-11-dekabrya-rossiyane-obyazany-sdavatj-zagranpasport-pri-zaprete-na-vyezd/32725714.html, Zugriff 21.12.2023;
KR – Kawkas.Realii (23/11/2023): Волгоградка попросила министра обороны РФ отпустить ее раненого мужа с войны на операцию [Wolgograderin bat Verteidigungsminister der RF, ihren verwundeten Ehemann für Operation aus Krieg zu entlassen], https://www.kavkazr.com/a/volgogradka-poprosila-ministra-oborony-rf-otpustitj-ee-ranenogo-muzha-s-voyny-na-operatsiyu/326970 72.html, Zugriff 11.1.2024;
KR – Kawkas.Realii (15/10/2023): „Госуслуги“ призывают россиян записываться в „университет спецназа“ в Гудермесе [„Gosuslugi“ fordert Russen auf, sich an „Universität für Spezialkräfte“ in Gudermes anzumelden], https://www.kavkazr.com/a/gosuslugi-prizyvayut-rossiyan-zapisyvatjsya-v-universitet-spetsnaza-v-gudermese/32638077.html, Zugriff 9.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (11/10/2023): Кадыров призвал жителей Чечни отправлять сыновей на войну. Он назвал это „проверкой“ [Kadyrow rief Bürger Tschetscheniens dazu auf, Söhne in den Krieg zu schicken. Er nannte das „Prüfung“], https://www.kavkazr.com/a/ramzan-kadyrov-prizval-zhiteley-chechni-otpravlyatj-synovey-na-voynu-protiv-ukrainy-on-nazval-eto-proverkoy-/32633073.html, Zugriff 9.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (9/8/2023): Урок всем несогласным? Родственников критиков Кадырова насильно отправляют на войну в Украину [Lektion für alle Nichteinverstandenen? Verwandte von Kadyrows Kritikern werden gewaltsam in Ukraine-Krieg verbracht], https://www.kavkazr.com/a/urok-vsem-nesoglasnym-rodstvennikov-kritikov-kadyrova-nasiljno-otpravlyayut-na-voynu-v-ukr ainu-/32541042.html, Zugriff 9.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (7/8/2023): В Чечне принудительно отправили на войну родственников оппозиционеров Янгулбаевых [In Tschetschenien schickte man zwangsweise in den Krieg Verwandte von Oppositionellen der Familie Jangulbaew], https://www.kavkazr.com/a/v-chechne-prinuditeljno-otpravili-na-voynu-rodstvennikov-oppozitsionerov-yangulbaevyh/32538036.html, Zugriff 9.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (4/8/2023): Разовая выплата в Чечне участникам войны в Украине – одна из самых высоких в стране [Einmalzahlung in Tschetschenien an Ukraine-Kriegsteilnehmer – eine der höchsten im Land], https://www.kavkazr.com/a/razovaya-vyplata-v-chechne-uchastnikam-voyny-v-ukraine-odna-iz-samyh-vysokih-v-strane/32534520.html, Zugriff 10.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (19/7/2023): Реклама армии на узбекском языке в Волгограде и наемники ЧВК „Вагнер“ в Анапе [Armee-Werbung in usbekischer Sprache in Wolgograd und Söldner des privaten Militärunternehmens „Wagner“ in Anapa], https://www.kavkazr.com/a/reklama-armii-na-uzbekskom-yazyke-v-volgograde-i-naemniki-chvk-vagner-v-anape/32510689.html, Zugriff 13.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (29/6/2023): Половина средств „университета спецназа“ в Чечне поступает от структур приближенного к Кадырову бизнесмена [Hälfte der Mittel der „Universität für Spezialkräfte“ kommt von Strukturen eines Kadyrow nahestehenden Geschäftsmannes], https://www.kavkazr.com/a/polovina-sredstv-universiteta-spetsnaza-v-chechne-postupaet-ot-struktur-priblizhe nnogo-k-kadyrovu-biznesmena/32482593.html, Zugriff 9.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (8/6/2023): Правозащитники рассказали о принудительной отправке чеченцев на войну против Украины [Menschenrechtsverteidiger erzählten über Zwangsverschickung von Tschetschenen in den Krieg gegen Ukraine], https://www.kavkazr.com/a/pravozaschit niki-rasskazali-o-prinuditeljnoy-otpravke-chechentsev-na-voynu-protiv-ukrainy-/32450297.html, Zugriff 13.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (2/3/2023): Кадыров призвал ввести военное положение и „привлечь к ответу семьи“ после событий на Брянщине [Kadyrow rief dazu auf, Kriegsrecht einzuführen und nach Ereignissen in Brjansk „die Familien zur Verantwortung zu ziehen“], https://www.kavkazr.com/a/kadyrov-prizval-vvesti-voennoe-polozhenie-posle-sobytiy-v-bryanskoy-oblasti-i-privlechj-k-otvetu-semji-/32296290.html, Zugriff 9.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (19/2/2023): „Так называемые мужчины“. Как власти Чечни манипулируют земляками [„Sogenannte Männer“. Wie Behörden Tschetscheniens Landsleute manipulieren], ht tps://www.kavkazr.com/a/tak-nazyvaemye-muzhchiny-kak-vlasti-chechni-pytayutsya-vystavitj-nezhelayuschih-voevatj-vtorosortnymi-lyudjmi-/32265900.html, Zugriff 10.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (18/2/2023): Задержание гея из Чечни и бизнес кадыровцев на войне. Итоги недели [Festnahme eines Homosexuellen aus Tschetschenien und Kriegsgewerbe der Kadyrowzy. Wochenbilanz], https://www.kavkazr.com/a/zaderzhanie-geya-iz-chechni-i-biznes-kadyrovtsev-na-voyne-itogi-nedeli/32274237.html, Zugriff 13.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (15/2/2023): Миграция из республик Северного Кавказа в 2022 году выросла в три раза [Migration aus den nordkaukasischen Republiken verdreifachte sich im Jahr 2022], https://www.kavkazr.com/a/migratsiya-iz-respublik-severnogo-kavkaza-v-2022-godu-vyrosla-v-tri-raza/32272738.html, Zugriff 5.6.2023;
KR – Kawkas.Realii (31/12/2022): Сбежавшего из воинской части контрактника в Чечне осудили на полгода [Halbes Jahr Freiheitsstrafe durch Gericht in Tschetschenien für Vertragssoldat, der aus Militäreinheit davonlief], https://www.kavkazr.com/a/sbezhavshiy-iz-voinskoy-chasti-kontraktnik-v-chechne-poluchil-polgoda/32202186.html, Zugriff 17.1.2024;
Nowaja gaseta/Milaschina – Nowaja gaseta (Herausgeber), Milaschina, Elena (Autor) (29/9/2022): „Не хочу, чтобы враг разрушил Грозный“ [„Ich will nicht, dass Feind Grosnyj zerstört“], https://novayagazeta.ru/articles/2022/09/29/ne-khochu-chtoby-vrag-razrushil-groznyi-media, Zugriff 8.2.2024;
OFPRA – Amt zum Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen [Frankreich] (25/8/2023): Fédération de Russie: Le recrutement de femmes en Tchétchénie en lien avec la guerre en Ukraine [Russische Föderation: Rekrutierung von Frauen in Tschetschenien in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg], https://ofpra.gouv.fr/libraries/pdf.js/web/viewer.html?file=/sites/default/files/ofpra_flora/2308_rus_femme_mobilisationtchetchenie_160226_web.pdf, Zugriff 23.2.2024;
RUSK – Russische Universität für Spezialkräfte (n.d): ИНФОРМАЦИЯ ДЛЯ ДОБРОВОЛЬЦЕВ [Informationen für Freiwillige], http://ruspetsnaz.ru/informacziya-dlya-dobrovolczev, Zugriff 9.11.2023;
SOS-NK – SOS Nordkaukasus (8/6/2023): „Людей просто ставили перед выбором: или огромный срок, или езжай в Украину“. Как Кадыров отправляет чеченцев на войну [„Leute wurden einfach vor Wahl gestellt: entweder gewaltige Haftstrafe, oder fahre in die Ukraine“. Wie Kadyrow Tschetschenen in den Krieg schickt], https://sksos.org/chechentsy-na-voyne-v-ukraine, Zugriff 10.11.2023;
VQ RUSS2– Vertrauliche Quelle 2 (23/1/2024): Informationen, die einem schriftlichen Bericht der vertraulichen Quelle entnommen wurden;
WG – Wichtige Geschichten (29/6/2023): Российских добровольцев для войны в Украине готовят на деньги чеченского олигарха Мовсади Альвиева [Russische Freiwillige für den Ukraine-Krieg werden mit dem Geld des tschetschenischen Oligarchen Mowsadi Alwiew ausgebildet], https://istories.media/news/2023/06/29/rossiiskikh-dobrovoltsev-dlya-voini-v-ukraine-gotovyat-na-dengi-chechenskogo-oligarkha-movsadi-alvieva, Zugriff 9.11.2023;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (25/1/2023): Auskunft der Botschaft, per E-Mail;
Irreguläre Kampfverbände (private Militärunternehmen usw.)
Am Ukraine-Krieg nehmen auf russischer Seite folgende Gruppierungen teil:
reguläre russische Streitkräfte (VMR RUSS 2.2.2024);
irreguläre Formationen wie beispielsweise private Militärunternehmen und Freiwilligenverbände (ISW 16.12.2023);
die Nationalgarde (Iswestija 21.1.2024)
Dutzende Söldnereinheiten, die von großen russischen Firmen finanziert werden, befinden sich als Kämpfer in der Ukraine (WG 4.3.2024). Laut der russischen Verfassung ist die Gründung bewaffneter Formationen verboten (Verfassung RUSS 6.10.2022). Die russische Militärführung ist bestrebt, Kontrolle über die irregulären Formationen auszuüben (ISW 30.12.2023). Bis Juli 2023 hatten die Freiwilligeneinheiten einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium abzuschließen (VMR RUSS 10.6.2023).
Die sogenannte Wagner-Gruppe, ein privates Militärunternehmen, zog sich im Juni 2023 aus der Ukraine zurück (KR 6.11.2023; vgl. MoD@DefenceHQ 29.9.2023) – wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Wagner-Anführer Ewgenij Prigoschin und dem Verteidigungsministerium. Nach dem bewaffneten Aufstand der Wagner-Gruppe vom Juni 2023 (KR 6.11.2023) löste sich diese faktisch auf (KR 6.11.2023; vgl. ISW 22.10.2023). Die Führungsriege der Wagner-Gruppe, darunter Ewgenij Prigoschin, kam bei einem Flugzeugabsturz nahe Moskau am 23.8.2023 ums Leben (BBC 27.8.2023). Zwischenzeitlich wurde die Wagner-Gruppe in die Kommandostruktur der russischen Nationalgarde eingegliedert (MoD@DefenceHQ 23.11.2023). Einige frühere Mitglieder der Gruppe kämpfen nun für verschiedene prorussische Einheiten (MoD@DefenceHQ 29.9.2023). Das Verteidigungsministerium ist um die Rekrutierung von Wagner-Kämpfern bemüht (ISW 15.11.2023). Gemäß dem tschetschenischen Republiksoberhaupt Ramsan Kadyrow sind mehr als 170 frühere Wagner-Kämpfer in die tschetschenische Sondereinheit Achmat eingetreten (KK 31.10.2023).
Die Grenze zwischen Söldnertruppen, sogenannten Freiwilligen und der regulären Armee ist im Krieg in der Ukraine verschwommen (DW 27.6.2023).
Quellen:
BBC – British Broadcasting Corporation (27/8/2023): Wagner boss Prigozhin confirmed dead in plane crash – Moscow, https://www.bbc.com/news/world-europe-66632924, Zugriff 11.1.2024;
DW – Deutsche Welle (27/6/2023): Nicht nur Wagner: Russische Privatarmeen in der Ukraine, https://www.dw.com/de/nicht-nur-die-wagner-gruppe-russische-privatarmeen-in-der-ukraine/a-66030169, Zugriff 2.2.2024;
ISW – Institute for the Study of War (30/12/2023): Russian Offensive Campaign Assessment, https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Russian%20Offensive%20Campaign%20Assessment%2C%20December%2030%2C%202023%20PDF.pdf, Zugriff 3.1.2024;
ISW – Institute for the Study of War (16/12/2023): Russian Offensive Campaign Assessment, https://www.criticalthreats.org/analysis/russian-offensive-campaign-assessment-december-16-2023, Zugriff 2.1.2024;
ISW – Institute for the Study of War (15/11/2023): Russian Offensive Campaign Assessment, https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Nov%2015%20Russian%20Offensive%20Campaign%20Assessment%20PDF.pdf, Zugriff 9.1.2024;
ISW – Institute for the Study of War (22/10/2023): Russian Offensive Campaign Assessment, https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Oct%2022%20Russian%20Offensive%20Campaign%20Assessment%20PDF.pdf, Zugriff 17.1.2024;
Iswestija – Iswestija (21/1/2024): Росгвардия с начала СВО обезвредила более 320 тыс. взрывоопасных предметов [Rosgwardija entschärfte seit Beginn der speziellen Militäroperation mehr als 320.000 Sprengkörper], https://iz.ru/1637338/2024-01-21/rosgvardiia-s-nachala-svo-obezvredila-bolee-320-tys-vzryvoopasnykh-predmetov, Zugriff 2.2.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (31/10/2023): Военные эксперты оценили пополнение „Ахмата“ бывшими вагнеровцами [Militärexperten bewerteten Aufstockung von „Achmat“ durch frühere Wagner-Mitglieder], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/393935, Zugriff 10.11.2023;
KR – Kawkas.Realii (6/11/2023): Кадыров отчитался о боевой подготовке поступивших в „Ахмат“ бывших наемников ЧВК „Вагнер“ [Kadyrow berichtete über Kampfausbildung der in „Achmat“ eingetretenen früheren Söldner des privaten Militärunternehmens „Wagner“], https://www.kavkazr.com/a/kadyrov-otchitalsya-o-boevoy-podgotovke-postupivshih-v-ahmat-byv shih-naemnikov-chvk-vagner-/32673493.html, Zugriff 11.1.2024;
MoD@DefenceHQ – Ministry of Defence – @DefenceHQ [United Kingdom] (23/11/2023): Defence Intelligence Update on Ukraine [benutzergenerierter Inhalt], https://twitter.com/DefenceHQ/status/1727599768531050755/photo/1, Zugriff 2.1.2024;
MoD@DefenceHQ – Ministry of Defence – @DefenceHQ [United Kingdom] (29/9/2023): Defence Intelligence Update on Ukraine [benutzergenerierter Inhalt], https://twitter.com/DefenceHQ/status/1707633440760189266/photo/1, Zugriff 17.1.2024;
VMR RUSS – Verteidigungsministerium [Russland] (2/2/2024): Сводка Министерства обороны Российской Федерации о ходе проведения специальной военной операции (по состоянию на 02 февраля 2024 г.) [Bericht des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation über den Verlauf der speziellen Militäroperation (Stand 02. Februar 2024)], https://z.mil.ru/spec_mil_oper/news/more.htm?id=12498705@egNews, Zugriff 2.2.2024;
VMR RUSS - Verteidigungsministerium [Russland] (10/6/2023): Заместитель Министра обороны России Николай Панков провел селекторное совещание по вопросам комплектования ВС РФ военнослужащими по контракту [Stellvertretender Verteidigungsminister Russlands Nikolaj Pankow führte Telefonkonferenz zu Fragen der Vervollständigung der Streitkräfte der RF durch Vertragsmilitärbedienstete], https://function.mil.ru/news_page/person/more.htm?id=12470053@egNews, Zugriff 11.1.2024;
Verfassung RUSS – Verfassung [Russland] (6/10/2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446, Zugriff 27.2.2024;
WG – Wichtige Geschichten (4/3/2024): Братья Ротенберги создают свою частную армию из ЧВК футбольных фанатов [Brüder Rotenberg gründen ihre Privatarmee aus privatem Militärunternehmen, das aus Fußballfans besteht], https://storage.googleapis.com/istories/stories/2024/03/04/espaniola/index.html, Zugriff 12.3.2024;
Wehr-/Kriegsdienstverweigerung
Desertion
Gemäß dem russischen Strafgesetzbuch (StGB) bedeutet Desertion das eigenmächtige Verlassen der Militäreinheit oder des Dienstorts mit dem Ziel, dem Wehrdienst zu entgehen. Desertion wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren geahndet. Ersttäter können sich der strafrechtlichen Verantwortung entziehen, wenn die Desertion Folge schwieriger Umstände war. Desertion mit einer Waffe sowie die Desertion einer Personengruppe ziehen eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren nach sich. Desertion während einer Mobilmachung, während Kriegsrecht herrscht, zu Kriegszeiten, im Rahmen bewaffneter Konflikte oder Kampfhandlungen wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren geahndet (StGB RUSS 14.2.2024). Desertion ist schwer beweisbar (VQ RUSS1 4.12.2023; vgl. Moscow Times 4.12.2023), da sie im Gegensatz zu anderen Formen der Kriegsdienstverweigerung mit der Absicht verbunden ist, für immer dem Militärdienst den Rücken zu kehren (KK 26.12.2023; vgl. BOGMS RUSS 18.5.2023). Um als Desertion im Sinne des Strafgesetzbuches gelten zu können, ist Vorsatz erforderlich (ÖB Moskau 21.2.2024). Eine Desertion kann nur dann begangen werden, wenn bereits aktiver Wehrdienst geleistet wird. Eine Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls stellt daher nie eine Desertion dar (ÖB Moskau 9.2.2024). Deserteure können Wehrdienstleistende, Vertragssoldaten sowie Reservisten sein. Reservisten können von Militärkommissariaten zu militärischen Übungen einberufen werden. Die bloße Ausreise eines Reservisten ohne Einberufungsbefehl stellt keine Desertion im Sinne des Strafgesetzbuches dar (ÖB Moskau 21.2.2024). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben sind russische Staatsbürger jedoch zu einer Meldung an die Behörden verpflichtet, so sie für mehr als sechs Monate aus der Russischen Föderation ausreisen oder in die Russische Föderation einreisen (FGWW RUSS 25.12.2023). Das Ausreiserecht russischer Staatsbürger, die zum Wehrdienst einberufen wurden, darf vorübergehend eingeschränkt werden (bis zur Beendigung des Wehrdienstes) (FGAE RUSS 4.8.2023).
Haben einberufene Reservisten an einer militärischen Übung noch nicht teilgenommen und erscheinen sie (ohne gerechtfertigten Grund) nicht zur Übung, so liegt keine Desertion vor, sondern eine Verwaltungsübertretung. Haben hingegen einberufene Reservisten an der militärischen Übung bereits teilgenommen und erscheinen sie nicht zum weiteren Dienst mit dem Vorsatz, sich auf Dauer dem Militär zu entziehen, liegt Desertion gemäß dem Strafgesetzbuch vor (ÖB Moskau 21.2.2024).
Es wird über tschetschenische Einheiten in der Ukraine berichtet, welche als sogenannte Sperrtrupps eingesetzt werden, um russische Deserteure aufzuhalten (ISW 11.9.2023; vgl. KR 18.12.2023, VQ RUSS2 23.1.2024).
Andere Formen der Wehr-/Kriegsdienstverweigerung
Das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation enthält mehrere Paragrafen, welche verschiedene Formen von Wehr-/Kriegsdienstverweigerung unter Strafe stellen (StGB RUSS 14.2.2024):
§ 328 StGB: Die Verweigerung der Wehrdiensteinberufung zieht folgende Strafen nach sich: Geldstrafen von bis zu RUB 200.000 [ca. EUR 2.027] oder in der Höhe von bis zu 18 Monatseinkommen, Zwangsarbeit von bis zu zwei Jahren, Arrest von bis zu sechs Monaten oder Freiheitsentzug von bis zu zwei Jahren.
§ 332 StGB: Wer in Zeiten des Kriegsrechts, zu Kriegszeiten, im Rahmen von Kampfhandlungen oder bewaffneten Konflikten den Befehl eines Vorgesetzten nicht befolgt und die Teilnahme an Kriegs- oder Kampfhandlungen verweigert, wird mit Freiheitsentzug von zwei bis drei Jahren bestraft. Sind die Taten nach § 332 mit schwerwiegenden Folgen verbunden, zieht dies eine Freiheitsstrafe von drei bis zehn Jahren nach sich.
§ 337 StGB: Einberufene oder Vertragssoldaten, welche während einer Mobilmachung, während Kriegsrecht herrscht, zu Kriegszeiten, im Rahmen bewaffneter Konflikte oder Kampfhandlungen die Militäreinheit oder den Dienstort eigenmächtig verlassen und für eine Dauer von mehr als zwei Tagen bis max. zehn Tagen ungerechtfertigt nicht zum Dienst erscheinen, werden mit Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren bestraft. Einberufene oder Vertragssoldaten, welche während einer Mobilmachung, während Kriegsrecht herrscht, zu Kriegszeiten, im Rahmen bewaffneter Konflikte oder Kampfhandlungen die Militäreinheit oder den Dienstort eigenmächtig verlassen und für eine Dauer von mehr als einem Monat ungerechtfertigt nicht zum Dienst erscheinen, werden mit Freiheitsentzug von fünf bis zehn Jahren bestraft. Ersttäter können sich der strafrechtlichen Verantwortung entziehen, wenn die Tat Folge schwieriger Umstände war. Reservisten sind während Militärübungen strafrechtlich für Taten nach diesem Paragrafen (§ 337) verantwortlich.
§ 339 StGB: Wehrdienstverweigerung durch Betrug (Vortäuschung einer Krankheit, Selbstverletzung, Selbstverstümmelung, Fälschung von Dokumenten usw.) wird folgendermaßen geahndet: Wehrdienstbeschränkung von bis zu einem Jahr, Arrest von bis zu sechs Monaten oder Disziplinarhaft (Inhaftierung in einer militärischen Disziplinareinheit) von bis zu einem Jahr. Dieselbe Tat (jedoch mit dem Ziel, sich gänzlich den militärischen Pflichten zu entziehen) zieht eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren nach sich. Taten gemäß
§ 339 StGB, die während einer Mobilmachung, während Kriegsrecht herrscht, zu Kriegszeiten, während bewaffneter Konflikte oder Kampfhandlungen begangen wurden, ziehen eine Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren nach sich. Zum oben verwendeten Begriff der Wehrdienstbeschränkung: Gemäß dem Strafgesetzbuch bedeutet Wehrdienstbeschränkung eine verminderte Besoldung sowie das Aussetzen dienstlicher Beförderungen.
Der oben dargestellte § 328 StGB bezieht sich gemäß dem Obersten Gerichtshof ausschließlich auf Personen, die zum Grundwehrdienst einberufen wurden (BOGPF RUSS 18.5.2023). Im Gegensatz zu mobilisierten Reservisten sind Grundwehrdiener bereits ab dem Augenblick eines ignorierten Einberufungsbefehls strafrechtlich belangbar. Mobilisierte Personen sind erst nach Registrierung bei der Rekrutierungsstelle und Zuordnung zu einer Militäreinheit strafrechtlich verantwortlich (MBZ 31.3.2023).
Als mildernde Umstände in Fällen der Kriegsdienstverweigerung werden ein der Straftat vorangegangener Ukraine-Kriegseinsatz sowie das Versprechen der Angeklagten, abermals in der Ukraine Kriegsdienst zu leisten, gewertet (KR 17.12.2023). Das Versprechen, sich erneut an die Front zu begeben, führt oft zu bedingten Haftstrafen, wodurch eine weitere Kriegsteilnahme unterstützt wird (KR 21.11.2023). Militärgerichtsverfahren enden kaum mit Freisprüchen, sondern hauptsächlich mit Schuldsprüchen (Moscow Times 4.12.2023). Da Gerichte nur einen geringen Teil ihrer Urteile veröffentlichen, gestaltet sich eine Gesamteinschätzung der Urteile schwierig (KR 15.6.2023). Gerichte haben mit der Führung von Verfahren in absentia begonnen [d. h. Gerichtsverfahren in Abwesenheit des Angeklagten; Anm. der Staatendokumentation] (EUAA 17.2.2023).
Es wird über Fälle von Soldaten berichtet, welche vom russischen Militär wegen Befehlsverweigerung hingerichtet wurden. Weiters drohen russische Kommandanten mit der Hinrichtung ganzer Einheiten, so diese versuchen sollten, vor dem ukrainischen Beschuss zurückzuweichen (REU 27.10.2023).
Internationale und unabhängige russische Medien berichten über zahlreiche Fälle von Vertrags- soldaten, welche die Entsendung in die Ukraine verweigern oder die Ukraine verlassen haben, um zu ihren Militäreinheiten in Russland zurückzukehren (EUAA 16.12.2022a). Über einen zahlenmäßigen Anstieg der Fälle von Personen, die einen Kriegseinsatz ablehnen, wird berichtet (Sib.R 4.9.2023; vgl. Moscow Times 4.12.2023). Es ist jedoch nicht möglich, genaue Zahlen über Desertion, Kriegsdienstverweigerung und Militärdienstentziehung zu erhalten (Connection 8.10.2023).
Organisationen wie Idite lesom unterstützen Personen, die eine Kriegsteilnahme vermeiden wollen (Moscow Times 4.12.2023; vgl. IL o.D.).
Quellen:
BOGMS RUSS – Beschluss des Obersten Gerichtshofs: Prüfung von Militärstrafsachen [Russland] (18/5/2023): Постановление Пленума Верховного Суда РФ (№ 11): О практике рассмотрения судами уголовных дел о преступлениях против военной службы [Beschluss des Plenums des Obersten Gerichtshofs der RF: Über die Praxis der gerichtlichen Prüfung von Militärstrafsachen], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_447521, Zugriff 6.3.2024;
BOGPF RUSS – Beschluss des Obersten Gerichtshofs: Prüfung von Fällen der Militärdiensteinberufungsverweigerung [Russland] (18/5/2023): Постановление Пленума Верховного Суда РФ (№ 3): О практике рассмотрения судами уголовных дел об уклонении от призыва на военную службу и от прохождения альтернативной гражданской службы [Beschluss des Plenums des Obersten Gerichtshofs der RF: Über die Praxis der gerichtlichen Prüfung von Strafsachen, die Militärdiensteinberufungsverweigerung und Verweigerung der Zivildienstableistung betreffen], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_76081, Zugriff 26.2.2024;
Connection – Connection e. V. (8/10/2023): Länderportrait Russland – Militärdienst und Kriegsdienstverweigerung, https://de.connection-ev.org/article-3879, Zugriff 8.2.2024;
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EUAA – European Union Agency for Asylum (16/12/2022a): The Russian Federation – Military service, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Russia_Military_Service.pdf, Zugriff 9.11.2023;
FGAE RUSS – Föderales Gesetz zur Aus- und Einreise [Russland] (4/8/2023): Федеральный закон (N 114-ФЗ): О порядке выезда из Российской Федерации и въезда в Российскую Федерацию [Föderales Gesetz: Über den Ablauf der Ausreise aus der Russischen Föderation und der Einreise in die Russische Föderation], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_11376, Zugriff 4.3.2024;
FGWW RUSS – Föderales Gesetz zu Wehrpflicht und Wehrdienst [Russland] (25/12/2023): Федеральный закон (N 53-ФЗ): О воинской обязанности и военной службе [Föderales Gesetz: Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_18260, Zugriff 4.3.2024;
IL – Idite lesom (n.d): Идите лесом [Idite lesom], https://iditelesom.org/ru, Zugriff 8.2.2024;
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KR – Kawkas.Realii (18/12/2023): Би-би-си: потери элитной бригады морской пехоты в Украине в 4 раза больше, чем за 10 лет в Чечне [BBC: Verluste der Elitebrigade der Meeresinfanterie in Ukraine um viermal höher als im Laufe von 10 Jahren in Tschetschenien], https://www.kavkazr.com/a/bi-bi-si-poteri-155-brigady-v-ukraine-v-4-raza-boljshe-chem-v-chechne/32735349.html, Zugriff 15.1.2024;
KR – Kawkas.Realii (17/12/2023): Военнослужащие южного округа получили по шесть лет за побеги из частей во время войны с Украиной [Militärbedienstete des südlichen Bezirks erhielten jeweils sechs Jahre für Verlassen der Einheiten während Ukraine-Kriegs], https://www.kavkazr.co m/a/voennosluzhaschie-yuzhnogo-garnizona-poluchili-po-shestj-let-za-pobegi-iz-chastey-vo-vre mya-voyny-s-ukrainoy/32734114.html, Zugriff 28.12.2023;
KR – Kawkas.Realii (21/11/2023): Контрактники юга и Северного Кавказа получили реальные сроки за побеги из частей во время войны [Vertragssoldaten des Südens und des Nordkaukasus erhielten unbedingte Haftstrafen für Verlassen der Militäreinheiten während Kriegs], https://www. kavkazr.com/a/32693484.html, Zugriff 28.12.2023;
KR – Kawkas.Realii (15/6/2023): Дальше расстрелы? Как военных из южных регионов судят за побег из части [Und dann Erschießungen? Wie Soldaten aus südlichen Regionen wegen Weglaufens aus Einheit verurteilt werden], https://www.kavkazr.com/a/daljshe-rasstrely-voennyh-na-yuge-rossii-sazhayut-na-boljshie-sroki-za-pobeg-iz-chasti-/32460457.html, Zugriff 17.1.2024;
MBZ – Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (31/3/2023): Country of origin information report Russian Federation, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/directives/2023/06/31/country-of-origin-information-report-russian-federation/EN+COI+Report+Netherlands+on+Russian+Federation+March+2023.pdf, Zugriff 13.2.2024;
Moscow Times – Moscow Times, The (4/12/2023): „Война, тюрьма или инвалидность“. Число желающих дезертировать из российской армии подскочило почти вдвое [„Krieg, Gefängnis oder Invalidität“. Anzahl derjenigen Personen, die aus russischer Armee zu desertieren wünschen, stieg um fast das Doppelte an], https://www.moscowtimes.ru/2023/12/04/voina-tyurma-ili-invalidnost-chislo-zhelayuschih-dezertirovat-iz-rossiiskoi-armii-podskochilo-pochti-vdvoe-a115159, Zugriff 18.1.2024;
REU – Reuters (27/10/2023): White House: Russia is executing soldiers who refuse to follow orders, https://www.reuters.com/world/europe/white-house-russia-is-executing-soldiers-who-refuse-follow-orders-2023-10-26/, Zugriff 5.1.2024;
Sib.R – Sibir.Realii (4/9/2023): Как российских военных наказывают за „самоволки“ во время войны. Число дел растет с каждым месяцем [Wie russische Soldaten für „eigenmächtige Abwesenheit“ zu Kriegszeiten bestraft werden. Anzahl der Fälle steigt mit jedem Monat], https://www.si breal.org/a/kak-rossiyskih-voennyh-nakazyvayut-za-samovolki-vo-vremya-voyny/32567022.html, Zugriff 18.1.2024;
StGB RUSS – Strafgesetzbuch [Russland] (14/2/2024): Уголовный кодекс Российской Федерации (N 63-ФЗ) [Strafgesetzbuch der Russischen Föderation], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699, Zugriff 4.3.2024;
VQ RUSS1 – Vertrauliche Quelle 1 (4/12/2023): Informationen, die einem Vortrag der vertraulichen Quelle entnommen wurden;
VQ RUSS2 – Vertrauliche Quelle 2 (23/1/2024): Informationen, die einem schriftlichen Bericht der vertraulichen Quelle entnommen wurden;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (21/2/2024): Auskunft der Botschaft, per E-Mail;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (9/2/2024): Auskunft der Botschaft, per E-Mail;
Allgemeine Menschenrechtslage, Ombudsperson, Menschenhandel, Flüchtlinge
Artikel 19 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert gleiche Rechte und Freiheiten für alle Personen, unabhängig von Geschlecht, Ethnie, Nationalität, Sprache, Herkunft, sozialem Status, Wohnort, Religionszugehörigkeit usw. Gemäß Verfassungsartikel 55 dürfen die Rechte und Freiheiten der Menschen durch die föderale Gesetzgebung nur insoweit eingeschränkt werden, als dies aus folgenden Gründen notwendig ist: zum Schutz der Verfassung, der Moral, Gesundheit, der Rechte und gesetzlichen Interessen anderer Personen, zur Gewährleistung der Landesverteidigung sowie der nationalen Sicherheit (Duma 6.10.2022). Die Grundrechte werden in Russland zwar in der Verfassung garantiert, es besteht jedoch ein deutlicher Widerspruch zwischen verfassungsrechtlichen Normen und der Rechtswirklichkeit (AA 28.9.2022). Russland hat unter anderem folgende internationale Menschenrechtsverträge ratifiziert (UN-OHCHR o.D.):
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung
Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
Kinderrechtskonvention
Behindertenrechtskonvention
Aufgrund von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine stimmte die UN-Generalversammlung im April 2022 für den Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat (UN 7.4.2022). Die Menschenrechtssituation in Russland hat sich im Laufe der vergangenen Jahre sukzessive verschlechtert (EEAS 19.4.2022). Russland wird von der NGO Freedom House als unfrei in Bezug auf politische Rechte und bürgerliche Freiheiten eingestuft (FH 2023). Freiheitsrechte wurden durch die russische Regierung immer weiter eingeschränkt (SWP 19.4.2022). Um die politische Macht und Stabilität zu stärken, untergräbt Russlands politische Führung oft Bürger- und Menschenrechte sowie die Rechtsstaatlichkeit (BS 2022). Die Regierung geht unerbittlich gegen Menschenrechtsorganisationen vor (FH 2023). Zahlreiche davon wurden aufgelöst oder werden in ihren Tätigkeiten beträchtlich behindert (UN-HRC 1.12.2022). 2022 wurde Memorial, eine der ältesten russischen Menschenrechtsorganisationen, auf Grundlage einer Gerichtsentscheidung aufgelöst (ÖB 30.6.2022; vgl. Memorial o.D.). Die Behörden nutzen neben der Gesetzgebung über „ausländische Agenten“ und „unerwünschte Organisationen“ verschiedene weitere Maßnahmen, um Menschenrechtsverteidiger unter Druck zu setzen. Im November 2022 schloss Präsident Putin mehrere prominente Menschenrechtsverteidiger aus dem Menschenrechtsrat des Präsidenten aus und ersetzte sie durch regierungsfreundliche Personen (AI 28.3.2023). Menschenrechtsanwälte geraten zunehmend unter Druck (ÖB 30.6.2022). Mehreren Menschenrechtsanwälten wurde die Anwaltslizenz entzogen, ohne ihnen ein Beschwerderecht einzuräumen (EUAA 16.12.2022b).
Es ist gesetzlich vorgesehen, dass Personen Behörden wegen Menschenrechtsverletzungen klagen können. Jedoch sind diese Mechanismen oft nicht effektiv (USDOS 20.3.2023). Am 16.3.2022 wurde Russland aus dem Europarat ausgeschlossen (Europarat 16.3.2022). Seit 16.9.2022 ist Russland keine Vertragspartei der vom Europarat geschaffenen Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mehr (Europarat 16.9.2022; vgl. Europarat o.D.b). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt die Einhaltung der EMRK sicher. Bürger können sich, nachdem die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind, mit Beschwerden direkt an ihn wenden (Europarat o.D.). Seit 16.9.2022 haben russische Bürger kein Recht mehr, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen (SWP 19.4.2022).
Ombudsperson
Die Ombudsperson für Menschenrechte wird laut Artikel 103 der Verfassung der Russischen Föderation vom Parlament (Duma) ernannt und entlassen (Duma 6.10.2022). Zu den Aufgaben der Ombudsperson für Menschenrechte gehören die Kontrolle der Tätigkeiten staatlicher Organe sowie die Bearbeitung von Beschwerden, welche von Bürgern der Russischen Föderation, Staatenlosen oder anderen Personen eingereicht werden (OPMR o.D.a). Jährlich erstellt die Ombudsperson einen Tätigkeitsbericht (OPMR o.D.b). Die Befugnisse der Ombudsperson für Menschenrechte gelten als begrenzt (USDOS 20.3.2023; vgl. OSCE 22.9.2022). In allen Regionen gibt es außerdem regionale Ombudspersonen, deren Wirksamkeit sehr variiert. Örtliche Behörden untergraben oft die Unabhängigkeit der Ombudspersonen (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
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AI – Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Russland 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089408.html, Zugriff 17.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf, Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/, Zugriff 16.5.2023
EEAS – European External Action Service (19.4.2022): EU ANNUAL REPORT ON HUMAN RIGHTS AND DEMOCRACY IN THE WORLD 2021 COUNTRY UPDATES, https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/2021%20EU%20Annual%20Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country%20Report.pdf, Zugriff 22.5.2023
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Europarat (16.3.2022): Presseraum: Russische Föderation wird aus dem Europarat ausgeschlossen, https://www.coe.int/de/web/portal/-/the-russian-federation-is-excluded-from-the-council-of-europe, Zugriff 5.6.2023
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Europarat (o.D.b): The European Convention on Human Rights: A Convention to protect your rights and liberties, https://www.coe.int/en/web/human-rights-convention, Zugriff 5.6.2023
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OPMR – Ombudsperson für Menschenrechte in der Russischen Föderation [Russland] (o.D.a): Статус и полномочия [Status und Befugnisse], https://ombudsmanrf.org/ombudsman/status_auth, Zugriff 5.6.2023
OPMR – Ombudsperson für Menschenrechte in der Russischen Föderation [Russland] (o.D.b): Доклад о деятельности Уполномоченного по правам человека в Российской Федерации за 2022 год [Tätigkeitsbericht der Ombudsperson für Menschenrechte in der Russischen Föderationfür das Jahr 2022], https://ombudsmanrf.org/storage/74a0484f-7d5a-4fe4-883d-a1b5ba1dd5f8/ mediateca/doclad-2022.pdf, Zugriff 5.6.2023
OSCE – Organization for Security and Co-operation in Europe / Angelika Nußberger (22.9.2022): Report on Russia‘s Legal and Administrative Practice in Light of its OSCE Human Dimension Commitments, https://www.osce.org/files/f/documents/7/5/526720.pdf, Zugriff 5.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (28.4.2023): „Уголовный кодекс Российской Федерации“ от 13.06.1996 N 63-ФЗ (ред. от 28.04.2023) [„Strafgesetzbuch der Russischen Föderation“ vom 13.06.1996 N 63-ФЗ (idF vom 28.4.2023)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/, Zugriff 16.5.2023
SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik / Sabine Fischer (19.4.2022): Russland auf dem Weg in die Diktatur (SWP-Aktuell, Nr. 31), https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2022A31_Russland_Diktatur.pdf, Zugriff 22.5.2023
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UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (o.D.): Operational Data Portal: Ukraine Refugee Situation, https://data.unhcr.org/en/situations/ukraine, Zugriff 5.6.2023
UN-HRC – United Nations Human Rights Committee (1.12.2022): International Covenant on Civil and Political Rights - Concluding observations on the eighth periodic report of the Russian Federation (CCPR/C/RUS/CO/8), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083107/G2258965.pdf, Zugriff 16.5.2023
UN-OHCHR – United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights (o.D.): Russian Federation: Status of Ratification – Interactive Dashboard – Ratification of 18 International Human Rights Treaties, https://indicators.ohchr.org/, Zugriff 16.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html, Zugriff 16.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (29.7.2022): 2022 Trafficking in Persons Report: Russia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/08/22-00757-TIP-REPORT_072822-inaccessible.pdf, Zugriff 25.5.2023
Tschetschenien, Kritiker, Tschetschenienkrieg-Kämpfer
In Tschetschenien stellt sich die Menschenrechtssituation als äußerst beunruhigend dar (FCDO 12.2022). Die weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen sind staatlichen Akteuren zuzuschreiben (EUAA 16.12.2022b). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet das Republiksoberhaupt Kadyrow unterschiedliche Gewaltformen an, beispielsweise Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 2023; vgl. Europarat 3.6.2022). Es kommt zu Massenrazzien und Massenentführungen (KR 27.3.2023). Einige der Entführten werden von den Behörden unter Druck gesetzt, in der Ukraine zu kämpfen (AI 28.3.2023). Auch kollektive Bestrafungen kommen zur Anwendung (EUAA 16.12.2022b). Die Stabilisierung der Sicherheitslage erfolgt um den Preis gravierender Menschenrechtsverletzungen, darunter menschen- und rechtsstaatswidriges Vorgehen der Behörden gegen Extremismusverdächtige. Die Bekämpfung von Extremisten geht mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, Verschwindenlassen, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in welchen gefoltert wird, einher (AA 28.9.2022). Kadyrow billigt, beruhend auf seinen religiösen Ansichten, schwerwiegende Menschenrechtsverstöße gegen Frauen, sexuelle Minderheiten usw. (USCIRF 4.2022). Frauen werden Opfer von Ehrenmorden (USDOS 20.3.2023). Es gibt Clans, die Blutrache praktizieren (AA 28.9.2022; vgl. KU 1.2.2023). Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen religiöse Minderheiten vorgegangen (USCIRF 10.2021). Zwischen 2019 und 2021 verschwanden in Tschetschenien 4.984 Personen spurlos. Tschetschenien gehört zu denjenigen Regionen, in welchen Verschwundene am seltensten wiedergefunden werden (KR 28.3.2023). Russland ist dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen nicht beigetreten (UN-OHCHR o.D.).
Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, begangen von Vertretern der föderalen und regionalen Behörden, bleiben straffrei (Europarat 3.6.2022). Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz. Hierzu gehören Menschenrechtsaktivisten, sexuelle Minderheiten sowie Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich. Kadyrow äußert regelmäßig Drohungen gegen Menschenrechtsaktivisten. Teilweise werden Bilder von Personen dieser Gruppe auf Instagram veröffentlicht. Teilweise droht er, sie mit Sanktionen zu belegen, da sie angeblich Feinde des tschetschenischen Volkes sind, oder er ruft offen dazu auf, sie umzubringen (AA 28.9.2022). Menschenrechtsaktivisten sind schweren Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane ausgesetzt, darunter Folter, Verschwindenlassen, rechtswidrige Festnahmen und Fälschung von Straftatbeständen (ÖB 30.6.2022; vgl. EEAS 19.4.2022). Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht (ÖB 30.6.2022). In Tschetschenien gibt es eine regionale Ombudsperson für Menschenrechte. Dieses Amt bekleidet derzeit Mansur Soltaew (OMRT o.D.).
Kritiker
Tschetschenische Behörden unterdrücken alle Formen abweichender Meinungen (HRW 12.1.2023). Kadyrow droht denjenigen Personen öffentlich, welche ihn und seine Familie kritisieren (UK-VI 17.11.2022). Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen Kritiker des Kadyrow-Regimes vorgegangen (USCIRF 10.2021). Regimekritiker müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten sowie physischen Übergriffen bis hin zu Mord rechnen (AA 28.9.2022). In mehreren Fällen kam es zu Folterungen (KR 27.3.2023). Auch kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen (AA 28.9.2022). Bürger, welche sich über örtliche Angelegenheiten beschweren (beispielsweise Krankenhausschließung), sind Belästigungen oder Demütigungen ausgesetzt (UK-VI 17.11.2022). Kritiker des Kadyrow-Regimes werden systematisch zu Entschuldigungen gezwungen (KU 29.3.2023).
Oppositionelle, Regimekritiker und Personen, die sich gegen Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. dessen Clan aufgelehnt haben, genießen keinen effektiven Rechtsschutz (AA 28.9.2022). Wer aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt wird, kann nicht mit einem fairen Gerichtsverfahren rechnen (UK-VI 17.11.2022). Die Opposition hat sich wegen der Unmöglichkeit von Straßenprotesten in Tschetschenien in soziale Netze und Messenger verlagert. Einer der bekanntesten Oppositionskanäle ist der Telegram-Kanal 1ADAT. Die Inhalte von 1ADAT wurden gerichtlich als extremistisch eingestuft (KU 13.2.2022). 1ADAT steht dem tschetschenischen Republiksoberhaupt Kadyrow äußerst kritisch gegenüber (USDOS 20.3.2023) und lässt regelmäßig Stimmen tschetschenischer Dissidenten zu Wort kommen (HRW 12.1.2023). Der Kanal sammelt Informationen über Verbrechen in Tschetschenien und führt eine Entführungsstatistik (KU 13.2.2022). Mitarbeiter von 1ADAT sind Festnahmen und Folter durch die „Kadyrowzy“ ausgesetzt (KU 13.2.2022; vgl. KR 23.8.2022). Die Kadyrowzy stellen die persönliche Armee von Kadyrow dar (FPRI 15.6.2022). Sie werden für zahlreiche Missbrauchshandlungen verantwortlich gemacht, darunter willkürliche Festnahmen, Folter und außergerichtliche Tötungen. Strafrechtliche Konsequenzen haben die Handlungen der Kadyrowzy keine (EUAA 16.12.2022a). Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem Regime Kadyrows nicht sicher. Sicherheitskräfte, welche Kadyrow zuzurechnen sind, sind nach Aussagen von NGOs auch in Moskau präsent. Jedenfalls stehen Tschetschenen in größeren russischen Städten unter Beobachtung ihrer Landsleute, und „falsches“ Verhalten kann ebenfalls das Interesse der tschetschenischen Sicherheitsstrukturen wecken (ÖB 30.6.2022). Gemäß Berichten verfolgen in Einzelfällen die Familien der Betroffenen oder tschetschenische Behörden (welche Zugriff auf russlandweite Informationssysteme haben) Flüchtende in andere Landesteile. Auch wird von verschiedenen Personengruppen berichtet, die gegen ihren Willen von einem innerstaatlichen Zufluchtsort nach Tschetschenien zurückgeholt und dort Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Zu den Betroffenen gehören Oppositionelle und Regimekritiker, darunter ehemalige Kämpfer und Anhänger der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung (AA 28.9.2022; vgl. KU 22.2.2023, Meduza 23.8.2022). In mehreren Fällen wurden Kritiker Kadyrows, welche außerhalb Russlands lebten, Opfer von Attentaten (KR 31.1.2023; vgl. FH 6.2022). Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien für diejenigen Personen ergeben, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (ÖB 30.6.2022). Im Dezember 2022 wurden einige Familienmitglieder von fünf tschetschenischen Bloggern und Aktivisten, welche im Ausland leben und Kadyrow online kritisiert haben, durch tschetschenische Sicherheitskräfte misshandelt und in Isolationshaft gehalten. Die Familien wurden gezwungen, sich zu entschuldigen und sich öffentlich von ihren Verwandten im Exil loszusagen (HRW 12.1.2023).
Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen (auf der Grundlage in ihrer Heimatregion erlassener Rechtsakte) in anderen Gebieten Russlands in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Sofern keine Strafanzeige vorliegt, können Untergetauchte durch eine Vermisstenanzeige ausfindig gemacht werden (AA 28.9.2022). Die russischen Behörden setzen Kameras mit Gesichtserkennungssoftware ein, um Personen festzunehmen. Solche Kameras sind beispielsweise in der Moskauer U-Bahn installiert (FH 18.10.2022). Unter dem Vorwand der Pandemie-Bekämpfung wird die Gesichtserkennungssoftware in Großstädten flächendeckend eingesetzt (AA 28.9.2022). Bei polizeilichen Personenkontrollen ist Racial Profiling verbreitet (AA 28.9.2022; vgl. UN-HRC 1.12.2022). Racial Profiling steigerte sich gemäß Berichten während der COVID-Pandemie und wird durch die Nutzung neuer Technologien intensiviert (UN-HRC 1.12.2022). Seit langer Zeit missbraucht Russland die von Interpol betriebenen „red notices“ („rote Ausschreibungen“), um Regimekritiker ausfindig zu machen (Politico 27.7.2022). „Red notices“ informieren weltweit die Polizei über international gesuchte Personen und fordern Gesetzesvollzugsorgane dazu auf, die betreffenden Personen ausfindig zu machen und vorübergehend (bis zu einer Auslieferung usw.) festzunehmen (Interpol o.D.).
Tschetschenienkrieg-Kämpfer
Von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges allein aufgrund ihrer Teilnahme an Kriegshandlungen ist heute im Allgemeinen nicht mehr auszugehen. Prominentes Beispiel dafür ist der Kadyrow‐Clan selbst, welcher im Zuge der Tschetschenienkriege vom Rebellen‐ zum Vasallentum wechselte (ÖB 30.6.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
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FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html, Zugriff 16.5.2023
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FH – Freedom House (6.2022): Defending Democracy in Exile: Policy Responses to Transnational Repression, https://freedomhouse.org/sites/default/files/2022-05/Complete_TransnationalRepressionReport2022_NEW_0.pdf, Zugriff 5.6.2023
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KR – Kawkas.Realii (28.3.2023): Чужой титул. Как Кадыровы стали „главными правозащитниками“ Чечни [Fremder Titel. Wie die Kadyrows die „wichtigsten Menschenrechtsverteidiger“ Tschetscheniens wurden], https://www.kavkazr.com/a/chuzhoy-titul-kak-kadyrovy-stali-glavnymi-pravozaschitnikami-chechni/32338770.html, Zugriff 6.6.2023
KR – Kawkas.Realii (27.3.2023): „Жертв собирают по цепочке“. Правозащитники – о судьбе похищенных жителей Чечни [„Die Opfer werden kettenweise gesammelt“. Menschenrechtsverteidiger – über das Schicksal entführter Bewohner Tschetscheniens], https://www.kavkazr.com/a/zhertv-sobirayut-po-tsepochke-pravozaschitniki-o-sudjbe-pohischennyh-zhiteley-chechni/3233628 6.html, Zugriff 6.6.2023
KR – Kawkas.Realii (31.1.2023): Таинственное молчание. Соцсети об исчезновении критиков Кадырова [Geheimnisvolles Schweigen. Soziale Medien über Verschwinden von Kritikern Kadyrows], https://www.kavkazr.com/a/tainstvennoe-molchanie-sotsseti-ob-ischeznovenii-kritikov-kadyrova/32237111.html, Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (23.8.2022): Похищенный чеченскими силовиками Салман Тепсуркаев погиб, заявила юрист „Команды против пыток“ [Der von tschetschenischen Silowikis entführte Salman Tepsurkajew ist umgekommen, teilte Juristin von „Komitee gegen Folter“ mit], https://www. kavkazr.com/a/yurist-komandy-protiv-pytok-zayavila-o-gibeli-pohischennogo-chechenskimi-silovikami-salmana-tepsurkaeva/32000799.html, Zugriff 6.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (29.3.2023): Мода на извинения: от Чечни до самых окраин [Entschuldigungen in Mode: von Tschetschenien bis zu den äußersten Randgebieten], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/332678/, Zugriff 6.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (22.2.2023): Зарема Мусаева пожаловалась на ухудшение здоровья в изоляторе [Sarema Musaewa beklagte sich über die Verschlechterung des Gesundheitszustandes in der Haft], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/386158/, Zugriff 5.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (1.2.2023): Кровная месть – как теперь убивают на Кавказе [Blutrache - wie jetzt im Kaukasus getötet wird], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/296137/, Zugriff 5.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (13.2.2022): Онлайн оппозиция в Чечне: как устроен 1Adat* [Online-Opposition in Tschetschenien: 1ADAT], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/373106/, Zugriff 6.6.2023
Meduza (23.8.2022): В Чечне убит Салман Тепсуркаев — модератор телеграм-канала 1ADAT, критиковавший Кадырова. Его похитили в 2020 году — и заставили истязать самого себя на видео [In Tschetschenien wurde Salman Tepsurkaew getötet – Moderator des Telegram-Kanals 1ADAT, der Kadyrow kritisierte. Er wurde im Jahr 2020 entführt – und man zwang ihn, sich selbst auf Video zu foltern], https://meduza.io/feature/2022/08/24/ubit-salman-tepsurkaev-moderator-telegram-kanala-1adat-kritikovavshiy-kadyrova-on-propal-v-2020-godu-posle-togo-kak-ego-zastavi li-istyazat-sebya-na-video, Zugriff 5.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 16.5.2023
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Politico (27.7.2022): Europe‘s debt to Chechens, https://www.politico.eu/article/europe-debt-chechen/, Zugriff 5.6.2023
UK-VI – UK Visas and Immigration [Vereinigtes Königreich] (17.11.2022): Guidance: Country policy and information note: critics of the state, Chechnya, https://www.gov.uk/government/publications/russia-country-policy-and-information-notes/country-policy-and-information-note-critics-of-the-state-chechnya-august-2022-accessible, Zugriff 6.6.2023
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USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html, Zugriff 16.5.2023
Religionsfreiheit
Die Bevölkerung des Landes weist eine religiöse Vielfalt auf. Ca. 68 % sind russisch-orthodox, 7 % Muslime, und 25 % gehören unter anderem folgenden Gemeinschaften an: Protestanten, Katholiken, Zeugen Jehovas, Buddhisten, Judentum, Bahai usw. (USCIRF 4.2022). Gemäß einer Umfrage des Lewada-Zentrums von April 2023 bekennen sich 72 % der Befragten zur Orthodoxie, 7 % zum Islam, 13 % zu keiner Religion, 5 % zum Atheismus und ca. 3 % zu anderen Glaubensrichtungen – vor allem Katholiken, Protestanten und Buddhisten (LZ 16.5.2023). Verlässliche Zahlen zu den Mitgliedern bzw. Anhängern einzelner Gemeinschaften gibt es nicht, da ein System der Mitgliederregistrierung fehlt (MR 2022).
Artikel 28 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Die Wahl des Religionsbekenntnisses steht frei. Auch wird die Freiheit eingeräumt, ohne Bekenntnis zu leben. Religiöse Überzeugungen dürfen frei verbreitet werden. Gemäß Artikel 29 der Verfassung ist das Schüren von religiösem Hass verboten. Laut Verfassungsartikel 14 ist die Russische Föderation ein säkularer (weltlicher) Staat, und es gibt keine Staatsreligion. Staat und Religion sind laut Verfassung voneinander getrennt (Duma 6.10.2022). Gemäß § 3 des Gesetzes „Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen“ darf die Gewissens- und Glaubensfreiheit nur aus folgenden Gründen eingeschränkt werden: zum Schutz der Verfassung, der Moral, der Gesundheit, der Rechte und der gesetzlichen Interessen der Menschen und zur Gewährleistung der Landesverteidigung sowie der nationalen Sicherheit. Gemäß § 9 sind zur Gründung einer örtlichen religiösen Organisation mindestens zehn erwachsene Staatsbürger notwendig. Zentralisierte religiöse Organisationen bestehen aus mindestens drei örtlichen religiösen Organisationen. Laut § 11 unterliegen religiöse Organisationen einer staatlichen Registrierung. Die Verweigerung der staatlichen Registrierung einer religiösen Organisation kann gerichtlich angefochten werden (§ 12). Religiöse Vereinigungen können aufgelöst werden, wenn sie extremistisch tätig sind (§ 14 des Föderalen Gesetzes „Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen“) (RF 29.12.2022c). Die Anti-Extremismus-Gesetzgebung wird in Russland überschießend angewandt (UN-HRC 1.12.2022) und wegen ihrer vagen Formulierungen kritisiert, welche breite Interpretationen sowie eine missbräuchliche Anwendung erlauben (EUAA 16.12.2022b). Beschwerden über den Umgang der Regierung mit dem Thema Religionsfreiheit nimmt die Ombudsperson entgegen (USDOS 15.5.2023).
Die Religionsfreiheit ist in Russland eingeschränkt (UN-HRC 1.12.2022). Behörden missbrauchen die Anti-Terrorismus- und Anti-Extremismus-Gesetzgebung, um friedliche religiöse Gruppen als terroristisch, extremistisch und unerwünscht einzustufen. Zu den betroffenen Gruppen gehören Zeugen Jehovas, vier protestantische Gruppen aus Lettland und der Ukraine, ein regionaler Zweig von Falun Gong sowie sieben mit Falun Gong verbundene NGOs. Solchen Gruppen ist die Religionsausübung verboten, und sie sind mit langen Haftstrafen, harten Haftbedingungen, Hausarrest, Razzien, Diskriminierung und Schikanierungen konfrontiert (USDOS 20.3.2023). Viele Muslime wurden in den letzten Jahren wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zu verbotenen islamistischen Gruppen inhaftiert (FH 2023). Mindestens 20 angebliche Mitglieder von Hizb-ut-Tahrir wurden im Jahr 2022 im Rahmen politisch motivierter Gerichtsverfahren zu Haftstrafen von 11-18 Jahren verurteilt. Die Bewegung Hizb-ut-Tahrir strebt die Gründung eines Kalifats an, lehnt aber Gewaltanwendung zur Erreichung dieses Ziels ab. Hizb-ut-Tahrir wurde im Jahr 2003 in Russland als terroristische Organisation verboten (HRW 12.1.2023). Zahlreiche Haftstrafen erhielten friedliche Anhänger des gemäßigten muslimischen Theologen Said Nursi sowie der Missionsgruppe Tablighi Jamaat (USCIRF 4.2022; vgl. USCIRF 5.2023). Die Regierung betrachtet unabhängige religiöse Aktivitäten als stabilitätsbedrohend (USCIRF 4.2022). Mit Stand Dezember 2022 gab es laut der Menschenrechtsorganisation Memorial 488 politische Gefangene im Land, darunter 370 Personen, welche ungerechtfertigt wegen ihrer Religionsausübung inhaftiert sind. Gemäß Memorial ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen (USDOS 20.3.2023).
Religiöse Minderheiten sind Diskriminierung ausgesetzt (Sowa-Zentr 24.3.2023; vgl. EEAS 19.4.2022). Orthodoxie, Islam, Judentum und Buddhismus sind als sogenannte traditionelle Religionen anerkannt (MR 2022). Das Föderale Gesetz „Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen“ räumt dem orthodoxen Christentum eine besondere Rolle ein (RF 29.12.2022c). Die russisch-orthodoxe Kirche genießt Privilegien (FH 2023; vgl. BS 2022) und arbeitet im innen- und außenpolitischen Bereich eng mit der Regierung zusammen (FH 2023; vgl. RAD 17.10.2022). Indigene Religionen wurden durch staatliche Programme unter einen gewissen Schutz gestellt. Sie sind jedoch, obwohl seit langer Zeit in Russland verwurzelt, nicht als traditionelle Religionen anerkannt. Ein Beispiel für eine indigene Religion stellt der Schamanismus dar. Die sogenannten traditionellen Religionen haben gesetzlich das Recht, an staatlichen Schulen Religionsunterricht anzubieten. Andere Religionsgemeinschaften dürfen an staatlichen Schulen nicht auftreten (MR 2022). Innerhalb der Politik nimmt Antisemitismus zu (USDOS 2.6.2022; vgl. USCIRF 5.2023). Die Massenmedien bedienen sich antisemitischer Rhetorik (US- DOS 15.5.2023). Nach Angaben der israelischen Regierung emigrierten im Jahr 2022 43.685 Personen von Russland nach Israel (TOI 11.1.2023). Vergleichsweise waren im gesamten Jahr 2019 15.930 Russen nach Israel ausgewandert (Reuters 18.8.2022).
Die Leitung der russisch-orthodoxen Kirche hat, mit verschiedenen Nuancen und Dynamiken, Russlands militärisches Handeln in der Ukraine seit dem 24.2.2022 unverändert unterstützt (Russland-Analysen 23.2.2023). Religiöse Führer werden von der Regierung teils unter Druck gesetzt, um als Unterstützer des Krieges gegen die Ukraine aufzutreten (Forum 18 2.8.2022; vgl. FH 2023).
Quellen:
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf, Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/, Zugriff 16.5.2023
EEAS – European External Action Service (19.4.2022): EU ANNUAL REPORT ON HUMAN RIGHTS AND DEMOCRACY IN THE WORLD 2021 COUNTRY UPDATES, https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/2021%20EU%20Annual%20Human%20Rights%20and%2 0Democracy%20Country%20Report.pdf, Zugriff 22.5.2023
EUAA – European Union Agency for Asylum (16.12.2022b): The Russian Federation – Political opposition, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Report_Russian_Federation_Political_Opposition.pdf, Zugriff 19.5.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html, Zugriff 16.5.2023Forum 18 (2.8.2022): RUSSIA: Government pressure on religious leaders to support Ukraine war, https://www.forum18.org/archive.php?article_id=2763, Zugriff 2.6.2023
HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Russian Federation, https://www. ecoi.net/de/dokument/2085489.html, Zugriff 22.5.2023
LZ – Lewada-Zentr [Lewada-Zentrum] (16.5.2023): Религиозные представления [Religiöse Vorstellungen], https://www.levada.ru/2023/05/16/religioznye-predstavleniya-2/, Zugriff 2.6.2023
MR – Missio/Renovabis / Regina Elsner (2022): Länderberichte Religionsfreiheit (55): Russland, https://www.missio-hilft.de/missio/informieren/wofuer-wir-uns-einsetzen/religionsfreiheit-menschenrechte/laenderberichtereligionsfreiheit/laenderbericht-055-russland.pdf, Zugriff 2.6.2023
RAD – Russian Analytical Digest (Nr. 286) / Regina Elsner (17.10.2022): Ideological Pillow and Strategic Partner: The Russian Orthodox Church and the War, https://css.ethz.ch/content/dam/et hz/special-interest/gess/cis/center-for-securities-studies/pdfs/RAD286.pdf, Zugriff 2.6.2023
Reuters (18.8.2022): Russian Jews head for Israel as Kremlin targets emigration group, https://www.reuters.com/world/russian-jews-head-israel-kremlin-targets-emigration-group-2022-08-18/, Zugriff 2.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (29.12.2022c): Федеральный закон „О свободе совести и о религиозных объединениях“ от 26.09.1997 N 125-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz „Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen“ vom 26.09.1997 N 125-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_16218/, Zugriff 2.6.2023
Russland-Analysen (Nr. 432) / Regina Elsner (23.2.2023): Der Krieg und die Kirchen, https://www. laender-analysen.de/russland-analysen/432/RusslandAnalysen432.pdf, Zugriff 2.6.2023
Sowa-Zentr [Sowa-Zentrum] (24.3.2023): Проблемы реализации свободы совести в России в 2022 году [Probleme bei der Umsetzung der Gewissensfreiheit in Russland im Jahr 2022], https://www.sova-center.ru/religion/publications/2023/03/d47883/, Zugriff 2.6.2023
TOI – Times of Israel, The (11.1.2023): Russian Jewish population down sharply since 2010, pre- Ukraine war census indicates, https://www.timesofisrael.com/russian-jewish-population-down-sharply-in-last-decade-pre-ukraine-war-census-shows/, Zugriff 2.6.2023
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Tschetschenien
Artikel 25 der Verfassung der Republik Tschetschenien garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Die Wahl des Religionsbekenntnisses steht frei. Auch wird die Freiheit eingeräumt, ohne Bekenntnis zu leben. Gemäß Artikel 26 ist Propaganda zur Entfachung von religiösem Hass nicht gestattet. Der Verfassungsartikel 11 definiert Tschetschenien als einen säkularen (weltlichen) Staat und spricht sich gegen eine Staatsreligion aus. Staat und religiöse Vereinigungen sind voneinander getrennt (RT 23.3.2003).
Die Hauptreligionsrichtung in Tschetschenien ist der sunnitische Islam (PPTR o.D.). Seit dem späten 18. Jahrhundert blüht in Tschetschenien der Sufismus, eine von großer Vielfalt gekennzeichnete Bewegung des islamischen Mystizismus (USCIRF 10.2021). Heute identifizieren sich die meisten tschetschenischen Muslime mit dem Sufismus (USCIRF 10.2021; vgl. PPTR o.D.). Das tschetschenische Republiksoberhaupt Kadyrow hat eine zentralisierte Staatsreligion begründet, welche mit der Unterstützung Moskaus gewaltsam gegen religiöse Minderheiten sowie Kritiker des Kadyrow-Regimes vorgeht. Kadyrow lehnt jede Form von Islam ab, die nicht mit seinem Sufismus-Modell im Einklang steht. Die in Tschetschenien vorherrschende Islam-Interpretation wird stark vom tschetschenischen Gewohnheitsrecht (Adat) beeinflusst (USCIRF 10.2021). Zu den existierenden säkularen (weltlichen) Gesetzen fügt die tschetschenische Führung religiöse Normen hinzu (BS 2022). Die von Kadyrow aufgezwungene offizielle Islam-Version gibt vor, den örtlichen Glauben und die örtliche Kultur zu verteidigen sowie gewalttätigen Extremismus zu bekämpfen. Kadyrow billigt, beruhend auf seinen religiösen Ansichten, schwerwiegende Menschenrechtsverstöße gegen Frauen, sexuelle Minderheiten usw. (USCIRF 4.2022). Die tschetschenischen Behörden gehen gegen friedliche muslimische Geistliche vor, welche die Einmischung des Regimes in ihre religiösen Angelegenheiten ablehnen (USCIRF 10.2021).
Das Vorgehen der Behörden gegen Extremismusverdächtige ist von Menschenrechts- und Rechtsstaatswidrigkeit gekennzeichnet. Die Bekämpfung von Extremisten geht laut NGOs mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, Verschwindenlassen, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in welchen gefoltert wird, einher (AA 28.9.2022). Tschetschenische Strafverfolgungsbehörden werfen vermeintlichen Salafisten und Wahhabiten unbegründet terroristische Machenschaften vor und erzwingen Geständnisse durch Folter (USCIRF 10.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf, Zugriff 16.5.2023
PPTR – Postojannoe predstawitelstwo Tschetschenskoj Respubliki pri presidente Rossijskoj Federazii [Ständige Vertretung der Tschetschenischen Republik beim Präsidenten der Russischen Föderation] [Russland] (o.D.): Общество и религия [Gesellschaft und Religion], http://ppchr.ru/% d0%be%d0%b1%d1%89%d0%b5%d1%81%d1%82%d0%b2%d0%be-%d0%b8-%d1%80%d0%b5%d0%bb%d0%b8%d0%b3%d0%b8%d1%8f/, Zugriff 6.3.2023 [Webseite nicht mehr abrufbar, aber im Archiv der Staatendokumentation vorhanden und verfügbar]
RT – Republik Tschetschenien [Russland] (23.3.2003): Конституция Чеченской Республики (принята 23 марта 2003 г.) (с изменениями и дополнениями) [Verfassung der Republik Tschetschenien (verabschiedet am 23. März 2003) (mit Änderungen und Ergänzungen)], https://constitu tion.garant.ru/region/cons_chech/, Zugriff 2.6.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2022): Annual Report 2022: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2071908/2022+Russia.pdf, Zugriff 31.5.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (10.2021): Issue Update Russia: Religious Freedom Violations in the Republic of Chechnya, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2069579/2021+Chechnya+Issue+Update.pdf, Zugriff 31.5.2023
Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Gemäß Artikel 27 der Verfassung der Russischen Föderation haben alle Personen, welche sich rechtmäßig auf dem Territorium der Russischen Föderation aufhalten, das Recht auf Bewegungsfreiheit sowie Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts. Alle Personen sind laut der Verfassung berechtigt, aus der Russischen Föderation auszureisen. Bürger der Russischen Föderation haben das Recht, ungehindert in die Russische Föderation zurückzukehren. Gemäß Artikel 61 der Verfassung dürfen Bürger der Russischen Föderation nicht aus der Russischen Föderation ausgewiesen werden (Duma 6.10.2022). Gemäß § 1 des Gesetzes „Über das Recht der Bürger auf Bewegungsfreiheit“ sind Einschränkungen des Rechts auf Bewegungsfreiheit, Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts nur auf gesetzlicher Grundlage möglich. Gemäß § 8 kann dieses Recht unter anderem dann eingeschränkt werden, wenn in den betreffenden Regionen der Ausnahmezustand oder das Kriegsrecht herrscht. Entscheidungen in Bezug auf Bewegungsfreiheit, Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes können von den Bürgern gerichtlich angefochten werden (§ 9) (RF 27.1.2023).
Gemäß § 15 des Gesetzes „Über den Ablauf der Aus- und Einreise in die Russische Föderation“ darf das Recht der Staatsbürger auf Ausreise aus der Russischen Föderation vorübergehend beschränkt werden. Von solchen Beschränkungen sind Personen betroffen, die zum Wehrdienst einberufen oder zum Wehrersatzdienst entsandt wurden (bis zur Beendigung des Wehrdiensts oder Wehrersatzdiensts); Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder unter Anklage stehen; Personen, die wegen Begehung einer Straftat verurteilt wurden (bis die Strafe verbüßt oder eine Strafbefreiung eingetreten ist); Personen, die gegen gerichtlich auferlegte Verpflichtungen verstoßen; Mitarbeiter des Föderalen Sicherheitsdiensts (FSB); sowie Personen, die zahlungsunfähig bzw. insolvent sind (RF 14.4.2023). Bürger, welche im Militärregister aufscheinen, dürfen ab Verkündung einer Mobilmachung ihren Wohnort nur mit behördlicher Erlaubnis verlassen (§ 21 des Gesetzes „Über die Mobilisierungsvorbereitung und die Mobilisierung“) (RF 4.11.2022). Die Regierung beschränkt Auslandsreisen ihrer Mitarbeiter, darunter Generalstaatsanwaltschaft, Innen- und Verteidigungsministerium usw. (USDOS 20.3.2023; vgl. Bell 7.4.2023). Die Grenz- und Zollkontrollen eigener Staatsangehöriger durch russische Behörden entsprechen in der Regel internationalem Standard (AA 28.9.2022). Im Zuge von Grenzkontrollen kommt es zu Befragungen Ausreisender durch Grenzkontrollorgane (ÖB 4.4.2022). Es liegen Hinweise vor, dass die Sicherheitsdienste einige Personen bei Ein- und Ausreisen überwachen (AA 28.9.2022).
Auf Grundlage eines EU-Ratsbeschlusses ist seit 12.9.2022 das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland vollständig ausgesetzt. Dies bedeutet nun unter anderem höhere Gebühren für einen Visumsantrag, Vorlage zusätzlicher Dokumente und längere Bearbeitungszeiten für Visa (Rat 12.5.2023). Auch die USA verhängten Visabeschränkungen, diese gelten für ca. 900 russische Amtsträger, darunter Mitglieder des Föderationsrats und des russischen Militärs (USDOS 2.8.2022). Weitere Länder (die baltischen Staaten, Tschechien, Niederlande) haben die Visavergabe an russische Staatsbürger eingeschränkt (DW 22.8.2022).
Meldewesen
Die Bürger der Russischen Föderation sind verpflichtet, ihren Aufenthalts- und Wohnort innerhalb des Landes registrieren zu lassen. Die Registrierung ist kostenlos (§ 3) (RF 27.1.2023). Die örtlichen Stellen des Innenministeriums sind gemäß § 4 die Meldebehörden (RF 27.1.2023; vgl. AA 28.9.2022). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses. Wer über Immobilienbesitz verfügt, bleibt dort ständig registriert, mit Eintragung im Inlandspass. Mieter benötigen eine Bescheinigung des Vermieters und werden damit vorläufig ohne Eintragung im Inlandspass registriert (AA 28.9.2022). Das staatliche Melderegister der Russischen Föderation ist nicht öffentlich zugänglich. Informationen werden natürlichen und nicht staatlichen juristischen Personen auf deren Anfrage nur bei Vorhandensein der Zustimmung derjenigen Person, deren Daten angefragt werden, erteilt; staatlichen Organen, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist (ÖB 1.2.2023).
Die Registrierung des Aufenthaltsortes hat binnen 90 Tagen nach Wohnungsnahme zu erfolgen. Von der Registrierung des Aufenthaltsortes bleibt die Wohnsitzregistrierung unberührt. Aufenthalte bis zu einer Dauer von 90 Tagen bedürfen keiner Registrierung (§ 5 des Gesetzes „Über das Recht der Bürger auf Bewegungsfreiheit“). Beispiele für Aufenthaltsorte sind Hotels, Sanatorien, Campingplätze, medizinische Einrichtungen, Haftanstalten usw. (§ 2) (RF 27.1.2023). Die Aufenthaltsregistrierung (temporäre Registrierung) wird durch eine Bescheinigung in elektronischer oder in Papierform bestätigt (Gosuslugi o.D.). Temporär registrierte Personen haben Zugang zu medizinischer Notfallversorgung (ÖB 30.6.2022).
Bürger, welche ihren Wohnort wechseln, haben binnen sieben Tagen nach Wohnungsnahme die Registrierung zu veranlassen. Dabei ist ein Pass oder ein anderes Identitätsdokument vorzulegen. Anträge können auch elektronisch eingebracht werden, beispielsweise über das Portal Gosuslugi. Die Meldebehörde hat spätestens drei Tage nach Antragstellung die Registrierung vorzunehmen (§ 6) (RF 27.1.2023). Die Wohnsitzregistrierung (Propiska) wird im Pass vermerkt. Kinder bis zu einem Alter von 14 Jahren erhalten eine Registrierungsbescheinigung (Gosuslugi o.D.). Eine permanente Registrierung ist Voraussetzung für stationäre medizinische Versorgung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Pensionszahlungen (ÖB 30.6.2022).
Kaukasus
Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich in andere Teile Russlands reisen (AA 28.9.2022). Einige regionale Behörden schränken die Wohnsitzregistrierung bei ethnischen Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien ein (FH 2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
Bell, The (7.4.2023): Мишустин закрыл свободный выезд из страны высокопоставленным чиновникам правительства. В Кремле таких ограничений нет [Mischustin schob freier Ausreise aus dem Land den Riegel vor - davon betroffen hohe Regierungsbeamte. Im Kreml gibt es solche Einschränkungen nicht], https://thebell.global.ssl.fastly.net/mishustin-zakryl-svobodnyy-vyezd-iz-strany-vysokopostavlennym-chinovnikam-pravitelstva-v-kremle-takikh-ogranicheniy-net, Zugriff 5.6.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/, Zugriff 16.5.2023
DW – Deutsche Welle (22.8.2022): Folgen des Ukraine-Kriegs: Keine EU-Visa mehr für russische Touristen?, https://www.dw.com/de/keine-eu-visa-mehr-f%C3%BCr-russische-touristen/a-62890 546, Zugriff 5.6.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html, Zugriff 16.5.2023
Gosuslugi [Staatliche Dienstleistungen] [Russland] (o.D.): Как оформить прописку и временную регистрацию [Wie eine Propiska und eine temporäre Registrierung vorgenommen wird], https://www.gosuslugi.ru/help/faq/temporary_registration/2637, Zugriff 5.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (1.2.2023): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (4.4.2022): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
Rat – Europäischer Rat (12.5.2023): Russische Invasion in die Ukraine: Reaktion der EU, https://www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-response-ukraine-invasion/, Zugriff 30.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (14.4.2023): Федеральный закон „О порядке выезда из Российской Федерации и въезда в Российскую Федерацию“ от 15.08.1996 N 114-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz „Über den Ablauf der Aus- und Einreise in die Russische Föderation“ vom 15.08.1996 N 114-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_11376/, Zugriff 16.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (27.1.2023): Закон РФ „О праве граждан Российской Федерации на свободу передвижения, выбор места пребывания и жительства в пределах Российской Федерации“ от 25.06.1993 N 5242-1 (последняя редакция) [Gesetz der RF „Über das Recht der Bürger der Russischen Föderation auf Bewegungsfreiheit, Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts innerhalb der Russischen Föderation“ vom 25.06.1993 N 5242-1 (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_2255/, Zugriff 5.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (4.11.2022): Федеральный закон „О мобилизационной подготовке и мобилизации в Российской Федерации“ от 26.02.1997 N 31-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz „Über die Mobilisierungsvorbereitung und die Mobilisierung in der Russischen Föderation“ vom 26.02.1997 N 31-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/ document/cons_doc_LAW_13454/, Zugriff 5.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html, Zugriff 16.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (2.8.2022): Imposing Additional Costs on Russia for Its Continued War Against Ukraine, https://www.state.gov/imposing-additional-costs-on-russia-for-its-continued-war-against-ukraine/, Zugriff 5.6.2023
Tschetschenen innerhalb und außerhalb der Russischen Föderation
Die Bevölkerungszahl Tschetscheniens beträgt mit Stand 2023 in etwa 1,5 Millionen (FR o.D.). Laut Aussage des Republiksoberhaupts Kadyrow leben rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region, die eine Hälfte davon in Russland, die andere Hälfte im Ausland (ÖB 30.6.2021). Zwischen Jänner und November 2022 reisten aus Tschetschenien um ca. 4.000 Personen mehr aus, als sich in Tschetschenien niedergelassen haben, ungefähr doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Die Binnenmigration in der Republik Tschetschenien ist angestiegen. Die Anzahl derjenigen Tschetschenen, welche in andere Regionen Russlands reisen, ist merklich höher als die Anzahl der Rückkehrer (KR 15.2.2023). Die tschetschenische Diaspora ist in allen russischen Großstädten stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben). Sie treffen auf antikaukasische Stimmungen (AA 28.9.2022). Die Migration ins Ausland hat ebenfalls stark zugenommen (KR 15.2.2023). Im Jahr 2022 verließen 1.300 Bewohner Tschetscheniens die Russische Föderation, ein Anstieg um das Vierfache im Vergleich zum Jahr zuvor. Hauptziel der Ausreisen waren Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) (KR 1.3.2023). Die tschetschenische Diaspora in Europa zählt nach verschiedenen Einschätzungen zwischen 150.000 und 300.000 Personen. Eine der größten tschetschenischen Gemeinschaften Europas befindet sich in Frankreich, wo um die 60.000 Tschetschenen leben. In Deutschland, Österreich und Belgien leben nach offiziellen Angaben jeweils zwischen 30.000 und 45.000 Tschetschenen (KU 16.5.2023).
Die „Ständige Vertretung Tschetscheniens beim russischen Präsidenten“ vertritt laut Eigendarstellung die Interessen Tschetscheniens in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Kultur und humanitäre Zusammenarbeit. Außerdem pflegt die Ständige Vertretung Kontakte mit Organisationen der tschetschenischen Diaspora (SVTR o.D.a). Um Belange der tschetschenischen Diaspora kümmern sich beispielsweise folgende Organisationen: der Wiener Rat der Tschetschenen und Inguschen (ZO 29.4.2022), der Weltkongress des tschetschenischen Volks (PTR o.D.), die Vereinigung der Tschetschenen Europas (VTE o.D.) und die Versammlung der Tschetschenen Europas (ACE o.D.). Generalsekretär des Weltkongresses des tschetschenischen Volks ist das tschetschenische Republiksoberhaupt Kadyrow (PTR o.D.).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
ACE – The Assembly of Chechens of Europe (o.D.): О нас [Über uns], https://chechenassembly.com/%d0%be-%d0%bd%d0%b0%d1%81-2/, Zugriff 5.6.2023
FR – Föderationsrat [Russland] (o.D.): Энциклопедический справочник: ЧЕЧЕНСКАЯ РЕСПУБЛИКА [Enzyklopädisches Nachschlagewerk: Republik Tschetschenien], http://council.gov.ru/services/reference/10305/, Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (1.3.2023): В 2022 году число уехавших из России уроженцев Чечни выросло в четыре раза [Im Jahr 2022 stieg die Anzahl der aus Russland ausreisenden Tschetschenen um das Vierfache], https://www.kavkazr.com/a/v-2022-godu-chislo-vyehavshih-iz-rossii-urozhentsev-chechni-vyroslo-v-chetyre-raza/32294724.html, Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (15.2.2023): Миграция из республик Северного Кавказа в 2022 году выросла в три раза [Migration aus den nordkaukasischen Republiken des Nordkaukasus verdreifachte sich im Jahr 2022], https://www.kavkazr.com/a/migratsiya-iz-respublik-severnogo-kavkaza-v-2022-godu-vyrosla-v-tri-raza/32272738.html, Zugriff 5.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (16.5.2023): Убийства критиков Кадырова в странах Евросоюза [Ermordungen von Kadyrow-Kritikern in EU-Ländern], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/345591/, Zugriff 5.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2021): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2021 (Stand 30.6.2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2059888/RUSS_%C3%96B_Bericht_2021_06.docx, Zugriff 5.6.2023
PTR – Parlament der Tschetschenischen Republik [Russland] (o.D.): Всемирный конгресс чеченского народа – Генеральный Совет [Weltkongress des tschetschenischen Volks – Hauptrat], https://parlamentchr.ru/uncategorised/vsemirnyj-kongress-chechenskogo-naroda.html, Zugriff 5.6.2023
SVTR – Ständige Vertretung der Tschetschenischen Republik beim Präsidenten der Russischen Föderation [Russland] (o.D.a): Задачи [Aufgaben], http://ppchr.ru/%d0%b7%d0%b0%d0%b4%d0%b0%d1%87%d0%b8/, Zugriff 24.2.2023 [Webseite nicht mehr abrufbar, aber im Archiv der Staatendokumentation vorhanden]
VTE – Vereinigung der Tschetschenen Europas (o.D.): О нас [Über uns], https://ate-europe.eu/o-nas/, Zugriff 24.2.2023 [Webseite nicht mehr abrufbar, aber im Archiv der Staatendokumentation vorhanden]
ZO – Zeit Online (29.4.2022): Das Déjà-vu von Grosny, https://www.zeit.de/2022/18/fluechtlingshilfe-oesterreich-tschetschenien/komplettansicht, Zugriff 5.6.2023
Grundversorgung und Wirtschaft
Wirtschaft
Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die EU mehrere Sanktionspakete angenommen, um die wirtschaftliche Basis Russlands zu schwächen. Der Zugang Russlands zu den Kapital- und Finanzmärkten der EU wurde beschränkt. Für alle russischen Flugzeuge ist der Luftraum der EU geschlossen. Ebenso sind EU-Häfen für alle russischen Schiffe geschlossen. Transaktionen mit der russischen Zentralbank sind verboten. Mehrere russische Banken wurden aus dem SWIFT-System ausgeschlossen. Neue Investitionen in den russischen Energiesektor wurden verboten. Es gilt ein Einfuhrverbot für Eisen und Stahl aus Russland in die EU sowie ein Einfuhrverbot für Kohle, Holz, Zement, Gold, Rohöl, raffinierte Erdölerzeugnisse usw. (Rat der EU 18.4.2024). Sanktionen gegen Russland verhängten außerdem die USA, Kanada, das Vereinigte Königreich, Japan, die Schweiz und die restliche westliche Welt. Der Sanktionsdruck ist in Russland in allen Bereichen spürbar. Die Isolation Russlands zwingt verstärkt zu einer Eigenproduktion kritischer Waren, darunter Medikamente, Anlagen und Computertechnik (WKO 4.2024). Aufgrund der Emigration verliert Russland qualifizierte Arbeitskräfte (EBRD 21.11.2023). Eine Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in Russland gestaltet sich schwierig, da der öffentliche Zugang zu Wirtschaftsstatistiken eingeschränkt wurde (FH 2024).
Die Industrie wurde teilweise auf Kriegswirtschaft umgestellt (WKO 4.2024). 2023 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor allem aufgrund der steigenden Militärproduktion um 3,6 % gewachsen, was sich auf viele Wirtschaftsbereiche positiv ausgewirkt hat. Andererseits kam es zu einer Überhitzung der Wirtschaft (WIIW o.D.). Gemäß vorläufigen Daten des Föderalen Amts für Staatliche Statistik (Rosstat) ist das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr um 5,4 % gestiegen (Lenta 17.5.2024). Die Inflation betrug mit Stand 20.5.2024 nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 8,03 % (Interfax 22.5.2024). Es herrscht eine Geldwertinstabilität (HF 10.2023). Um den starken Verfall des Rubels aufzuhalten, führte die Regierung strenge Devisenbeschränkungen sowie weitere einschränkende Maßnahmen zur Stabilisierung der russischen Währung und der Wirtschaft ein. Der schwache Rubel lässt Preise für importierte Waren steigen und treibt somit die Inflation weiter an (WKO 4.2024). Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2023 14,9 % des Bruttoinlandsprodukts (WIIW o.D.). Die russischen Staatsausgaben steigen im Zusammenhang mit den Kriegshandlungen Russlands in der Ukraine stark an. Die Auslandsverschuldung Russlands ist im internationalen Vergleich sehr niedrig (WKO 4.2024). Das Budgetdefizit ist im Allgemeinen unter Kontrolle (WIIW 2.2024). Der Privatsektor wird durch extensive staatliche Einmischung gehemmt (HF 10.2023).
Innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte ist Russland vom Importeur zum größten Weizenexporteur der Welt aufgestiegen (ZOiS/Götz 9.3.2023; vgl. Statista 2.1.2024). Die russische Wirtschaft ist wenig diversifiziert und von Rohstoffexporten stark abhängig (EBRD 21.11.2023). Russland gehört historisch zu den größten Erdölproduzenten weltweit. Öl- und Gasexporte machen traditionell mehr als zwei Drittel der russischen Ausfuhren aus. Es erfolgte eine Neuorientierung des Außenhandels auf China, Indien, die Türkei (WKO 4.2024) und die GUS-Staaten (WIIW 2.2024). Besonders der Handel mit China wurde nach Verhängung westlicher Sanktionen zur wichtigen Stütze für die russische Wirtschaft (WKO 4.2024). Die sozioökonomische Entwicklung wird durch die weitverbreitete Korruption und die ausgedehnte Schattenwirtschaft behindert (BS 2024).
Grundversorgung
Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ist armutsgefährdet (BS 2024). Im Jahr 2023 betrug der Anteil der russischen Bevölkerung mit Einkommen unter der Armutsgrenze – nach offiziellen Angaben – 9,3 % (13,5 Millionen Personen) (Rosstat o.D.a). Seit 2021 wird die Armutsgrenze neu berechnet. Die neue Berechnungsmethode wird als willkürliche Verschleierung der wahren Zustände kritisiert (AA 28.9.2022). Als besonders armutsgefährdet gelten Familien mit Kindern (vor allem Großfamilien), Alleinerziehende, Pensionisten und Menschen mit Beeinträchtigungen. Weiters gibt es regionale Unterschiede. In den wirtschaftlichen Zentren Moskau und St. Petersburg ist die Armutsquote halb so hoch wie im Landesdurchschnitt. Prinzipiell ist die Armutsgefährdung auf dem Land höher als in den Städten (Russland-Analysen/Brand 21.2.2020). Spezielle Regierungsprogramme, die sich dem Kampf gegen Armut im ländlichen Raum widmen, sind aufgrund der sich darstellenden massiven Probleme nur begrenzt erfolgreich (BS 2024).
Gemäß der Weltbank hatten im Jahr 2022 76 % der Bevölkerung Russlands Zugang zu sicher verwalteten Trinkwasserdiensten (WB o.D.a). Nach staatlichen Angaben werden 88,6 % der Bevölkerung des Landes mit hochwertigem Trinkwasser versorgt. Der dementsprechende Anteil für die Stadtbevölkerung beträgt 94,9 % (NPRU o.D.a). Gemäß dem Welthunger-Index 2023 belegt die Russische Föderation Platz 26 von 125 Ländern. Mit einem Wert von 5,8 fällt die Russische Föderation in die Schweregradkategorie niedrig. Weniger als 2,5 % der Bevölkerung sind laut dem Welthunger-Index unterernährt (GHI o.D.). Laut der Weltbank hatten im Jahr 2022 89 % der Bevölkerung Russlands Zugang zu einer (zumindest) Basisversorgung im Bereich Hygiene (WB o.D.b). Ein Problem stellt die Versorgung mit angemessenem Wohnraum dar. Bezahlbare Eigentums- oder angemessene Mietwohnungen sind für Teile der Bevölkerung unerschwinglich (AA 28.9.2022). Mietkosten variieren je nach Region (IOM 12.2022). Russlands öffentliche Heizinfrastruktur ist zunehmend marode. Mangelhaft gewartete Heizkraftwerke fallen regelmäßig aus (Standard 19.1.2024).
Russische Staatsbürger haben überall im Land Zugang zum Arbeitsmarkt (IOM 12.2022). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben darf der Mindestlohn das Existenzminimum nicht unterschreiten (FGML RUSS 27.11.2023). Die Höhe des Mindestlohns wird von der Regierung jährlich angepasst (RBK 14.12.2023) und beträgt für das Jahr 2024 RUB 19.242 [ca. EUR 198] (monatlicher Mindestlohn) (Duma 1.1.2024; vgl. Lenta 24.12.2023). Der Mindestlohn kann in jeder Region durch regionale Abkommen individuell festgelegt werden. Jedoch darf die Höhe des regionalen Mindestlohns nicht niedriger als der national festgelegte Mindestlohn sein (ARBGB RUSS 6.4.2024). In der Stadt Moskau beträgt der Mindestlohn RUB 29.389 [ca. EUR 302] (Lenta 24.12.2023). Im Jahr 2024 beträgt die Höhe des monatlichen Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung RUB 16.844 [ca. EUR 173], für Kinder RUB 14.989 [ca. EUR 154] und für Pensionisten RUB 13.290 [ca. EUR 137] (Rosstat 22.12.2023). Die primäre Versorgungsquelle der russischen Bevölkerung bleibt ihr Einkommen (AA 28.9.2022). Weitverbreitet ist die Praxis, Löhne gar nicht oder verspätet auszuzahlen (USDOS 22.4.2024). Nach staatlichen Angaben betrug die Arbeitslosenrate im März 2024 2,7 % (Rosstat o.D.b). Die Arbeitslosenrate ist von Region zu Region verschieden (IOM 12.2022). Die versteckte Arbeitslosigkeit ist schwer einzuschätzen. Schwer am Arbeitsmarkt haben es ältere Arbeitnehmer. Besonders schwierig bis prekär ist die Lage für viele Migranten, welche überwiegend gering qualifiziert sind. Sie verdienen oft (wenn überhaupt) nur den Mindestlohn (AA 28.9.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28/9/2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10. September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 8.3.2024 [Login erforderlich];
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BS – Bertelsmann Stiftung (2024): BTI (Bertelsmann Stiftung‘s Transformation Index) 2024 Country Report — Russia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_RUS.pdf, Zugriff 2.4.2024;
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EBRD – European Bank for Reconstruction and Development (21/11/2023): Transition Report 2023-24 – Country Assessments – Russia, https://www.ebrd.com/publications/transition-report-202324-russia, Zugriff 22.4.2024;
FGML RUSS – Föderales Gesetz zum Mindestlohn [Russland] (27/11/2023): Федеральный закон (N 82-ФЗ): О минимальном размере оплаты труда [Föderales Gesetz: Über den Mindestlohn], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_27572, Zugriff 24.5.2024;
FH – Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Russia, https://freedomhouse.org/country/russia/freedom-world/2024, Zugriff 3.4.2024;
GHI – Global Hunger Index (n.d): Welthunger-Index 2023 – Russische Föderation, https://www.globalhungerindex.org/de/russia.html, Zugriff 23.5.2024;
HF – Heritage Foundation, The (10.2023): 2024 Index of Economic Freedom – Russia, https://www.heritage.org/index/pages/country-pages/russia, Zugriff 19.4.2024;
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Lenta – Lenta (17/5/2024): Рост ВВП России резко ускорился [BIP-Wachstum Russlands scharf beschleunigt], https://lenta.ru/news/2024/05/17/rost-vvp-rossii-rezko-uskorilsya, Zugriff 24.5.2024;
Lenta – Lenta (24/12/2023): Как изменится МРОТ в России в 2024 году? Таблица по регионам [Wie ändert sich Mindestlohn in Russland im Jahr 2024? Tabelle nach Regionen], https://lenta.ru/articles/2023/12/24/kak-izmenitsya-mrot-v-rossii-v-2024-godu, Zugriff 19.4.2024;
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Rat der EU – Rat der EU (18/4/2024): Die Reaktion der EU auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, https://www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-response-ukraine-invasion, Zugriff 3.5.2024;
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WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (n.d): Russia – Overview, https://wiiw.ac.at/russia-overview-ce-10.html, Zugriff 23.5.2024;
WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (2.2024): Russia‘s Economy on the Eve of the Second Anniversary of the War (Russia Monitor 4), https://wiiw.ac.at/russia-s-economy-on-the-eve-of-the-second-anniversary-of-the-war-dlp-6811.pdf, Zugriff 24.5.2024;
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ZOiS/Götz – Götz, Linde (Autor), Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (Herausgeber) (9/3/2023): Getreidehandel im Krieg (ZOiS Spotlight 5/2023), https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-spotlight/getreidehandel-im-krieg, Zugriff 19.4.2024;
Nordkaukasus
Die sozioökonomischen Unterschiede zwischen russischen Regionen sind beträchtlich. Die ländliche Peripherie, vor allem der Nordkaukasus, ist von großen Entwicklungsproblemen betroffen (BS 2024). Aufgrund des Ukraine-Kriegs verschlechtert sich die sozioökonomische Lage im Nordkaukasus (KR 4.5.2024). Dieser weist eine hohe Armutsrate (KR 19.5.2023) und eine hohe Arbeitslosigkeit auf (KR 19.5.2023; vgl. ÖB Moskau 30.6.2023). In Regionen des Nordkaukasus muss jeder Fünfte mit weniger als dem Existenzminimum auskommen (Russland-Analysen/Brand 21.2.2020). Das Einkommensniveau im Nordkaukasus ist sehr niedrig (KR 8.12.2023), die Höhe der Pensionen liegt unter dem Landesdurchschnitt (KR 8.2.2024). Der Nordkaukasus ist von einem hohen Niveau an informeller Beschäftigung gekennzeichnet (KK 29.3.2023b; vgl. BS 2024). Tschetschenien, Dagestan und andere nordkaukasische Gebiete gehören zu denjenigen Regionen Russlands, wo der Mittelschichtanteil unter der Bevölkerung am geringsten ist (Statista 7.2023). Mehrere ländliche Gegenden im Nordkaukasus haben begrenzten oder keinen Zugang zu Wasser, Stromversorgung und Sanitäreinrichtungen (BS 2024).
Tschetschenien
Tschetschenien ist von großer Armut und Arbeitslosigkeit betroffen (Borgen Project 3.9.2021; vgl. AA 28.9.2022, KR 8.12.2023). Nach offiziellen Angaben betrug die Arbeitslosenrate Ende 2023 10,4 % (KR 4.3.2024). Im Jahr 2022 lebten gemäß offiziellen Angaben 19,4 % der Bevölkerung in Tschetschenien unter der Armutsgrenze (Rosstat 29.12.2023a). Dank Zuschüssen aus dem russischen föderalen Budget haben sich die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung seit dem Ende des Tschetschenienkrieges deutlich verbessert (AA 28.9.2022). Tschetschenien ist von Moskau finanziell abhängig (ORF 30.3.2022) und wird in beträchtlichem Ausmaß subventioniert (KR 8.12.2023). Die Einkommensschere klafft weit auseinander (KK 10.5.2023). Im Jahr 2024 beträgt die Höhe des monatlichen Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung in Tschetschenien RUB 16.170 [ca. EUR 166], für Kinder RUB 14.390 [ca. EUR 148] und für Pensionisten RUB 12.758 [ca. EUR 131] (Rosstat 29.12.2023b). Die Anzahl der Einwohner, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegt, beträgt nach offiziellen Angaben 17,4 % (KK 3.5.2024a). Pensionen sind sehr niedrig (KR 8.12.2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28/9/2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10. September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29% 2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 8.3.2024 [Login erforderlich];
BS – Bertelsmann Stiftung (2024): BTI (Bertelsmann Stiftung‘s Transformation Index) 2024 Country Report — Russia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_RUS.pdf, Zugriff 2.4.2024;
Borgen Project – Borgen Project, The (3/9/2021): The Nature of Poverty in the North Caucasus, https://borgenproject.org/poverty-in-the-north-caucasus, Zugriff 23.4.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (3/5/2024a): Ингушетия осталась аутсайдером среди регионов России по доходам населения [Inguschetien blieb Außenseiter unter Regionen Russlands bzgl. Einkommen der Bevölkerung], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/399631, Zugriff 17.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (3/5/2024b): Роспотребнадзор признал опасной для питья воду в Махачкале [Rospotrebnadsor befand Wasser in Machatschkala als gefährlich zum Trinken], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/399622, Zugriff 17.5.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (10/5/2023): Республики СКФО оказались в хвосте рейтинга по динамике зарплаты [Republiken des nordkaukasischen föderalen Bezirks Schlusslichter bei Lohndynamik], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/388529, Zugriff 23.4.2024;
KK – Kaukasischer Knoten (29/3/2023b): Три республики СКФО отличились высоким уровнем неформальной занятости работников [Drei Republiken des nordkaukasischen föderalen Bezirks fielen durch hohes Niveau informeller Beschäftigung von Arbeitnehmern auf], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/387254, Zugriff 23.4.2024;
KR – Kawkas.Realii (4/5/2024): Военное подразделение для главы МЧС по Чечне. Итоги недели [Bann über Leiter Katastrophenschutzministeriums in Tschetschenien. Wochenbilanz], https://www. kavkazr.com/a/voennoe-podrazdelenie-dlya-glavy-mchs-po-chechne-itogi-nedeli/32931800.html, Zugriff 17.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (4/3/2024): Ингушетия снова заняла последнее место рейтинга по уровню безработицы [Inguschetien nahm abermals letzten Rang bzgl. Arbeitslosigkeit ein], https://www. kavkazr.com/a/ingushetiya-snova-zanyala-poslednee-mesto-reytinga-po-urovnyu-bezrabotitsy/32846987.html, Zugriff 17.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (8/2/2024): Самые низкие пенсии в России – в республиках Северного Кавказа [Die niedrigsten Pensionen in Russland – in den Republiken des Nordkaukasus], https://www.kavkazr.com/a/samye-nizkie-pensii-v-rossii-v-respublikah-severnogo-kavkaza/32810441.html, Zugriff 21.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (8/12/2023): Пугалка для Кадырова: заставят ли глав республик Кавказа отвечать за дотации [Abschreckung für Kadyrow: Werden Oberhäupter der Kaukasus-Republiken gezwungen, über Subventionen Rechenschaft abzulegen?], https://www.kavkazr.com/a/pugalka-dlya-kadyrova-zastavyat-li-glav-respublik-kavkaza-otvechatj-za-dotatsii/32719494.html, Zugriff 17.5.2024;
KR – Kawkas.Realii (19/5/2023): Мертвые души и черные деньги: Северный Кавказ остается лидером по бедности [Tote Seelen und Schwarzgeld: Nordkaukasus bleibt Spitzenreiter in Bezug auf Armut], https://www.kavkazr.com/a/mertvye-dushi-i-chernye-denjgi-severnyy-kavkaz-ostaetsya-liderom-po-bednosti/32419049.html, Zugriff 23.4.2024;
KR – Kawkas.Realii (15/4/2023): Дагестан занял последнее место в стране по качеству окружающей среды [Dagestan nahm landesweit letzten Platz bzgl. Umweltqualität ein], https://www.kavkazr.com/a/dagestan-zanyal-poslednee-mesto-v-strane-po-kachestvu-okruzhayuschey-sredy/32365202.html, Zugriff 23.4.2024;
ORF – Österreichischer Rundfunk (30/3/2022): Ramsan Kadyrow: Putins Mann fürs Grobe mit tragender Rolle, https://orf.at/stories/3256468, Zugriff 9.4.2024;
Rosstat – Föderales Statistikamt [Russland] (29/12/2023a): Численность населения с денежными доходами ниже границы бедности/величины прожиточного минимума в целом по России и по субъектам Российской Федерации, в процентах от общей численности населения [Bevölkerungsanteil unter der Armutsgrenze (Höhe des Existenzminimums) insgesamt in Russland und in den Subjekten der Russischen Föderation, in Prozenten der Gesamtbevölkerungsanzahl], https://rosstat.gov.ru/storage/mediabank/tab_2-1.xlsx, Zugriff 23.4.2024;
Rosstat – Föderales Statistikamt [Russland] (29/12/2023b): Величина прожиточного минимума, установленная на 2024 год по субъектам Российской Федерации [Höhe des Existenzminimums in den Subjekten der Russischen Föderation in Bezug auf das Jahr 2024], https://rosstat.gov.ru/storage/mediabank/vpm-2024.doc, Zugriff 23.4.2024;
Russland-Analysen/Brand – Russland-Analysen (Herausgeber), Brand, Martin (Autor) (21/2/2020): Armutsbekämpfung in Russland (Russland-Analysen Nr. 382), https://laender-analysen.de/russland-analysen/382/russlandanalysen382.pdf, Zugriff 19.4.2024;
Standard – Standard, Der (21/5/2022): Wer für Putin in den Krieg zieht: Russische Soldaten stammen oft aus ärmeren Landesteilen, https://www.derstandard.at/story/2000135922562/wer-fuer-putin-in-den-krieg-zieht-russische-soldaten-stammen, Zugriff 12.4.2024;
Statista – Statista (7.2023): Russian regions with the lowest share of the middle-class population from 2022 to 2023, https://www.statista.com/statistics/1039710/russia-regions-with-lowest-middle-class-share, Zugriff 23.4.2024;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.12.2023 [Login erforderlich];
Sozialbeihilfen
Die russische Verfassung definiert die Russische Föderation als Sozialstaat und garantiert Bürgern soziale Unterstützung sowie eine obligatorische Sozialversicherung (Verfassung RUSS 6.10.2022). Es ist ein System der sozialen Sicherheit und sozialen Fürsorge in Russland vorhanden, welches Pensionen auszahlt und die vulnerabelsten Bürger unterstützt. Zum Kreis vulnerabler Gruppen zählen Familien mit mindestens drei Kindern, Menschen mit Behinderungen sowie ältere Menschen (IOM 12.2022). Der Staat bietet verschiedene Sozialleistungen an, wovon unter anderem folgende Personengruppen profitieren: Veteranen, Waisenkinder, ältere Personen, Alleinerziehende, Erwerbslose, Landbewohner (AÜSU o.D.), Menschen mit Behinderungen, Familien, Pensionisten (SFR o.D.a), Bewohner des hohen Nordens sowie Familienangehörige Militärbediensteter und von infolge der Ausübung ihrer Dienstpflichten verstorbenen Bediensteten des Innenressorts (Regierung RUSS o.D.b). Das föderale Pensionsversorgungsgesetz zählt folgende staatliche Pensionsleistungen auf:
Pensionen für langjährige Dienste;
Alters-; Invaliditäts-; Hinterbliebenen- und Sozialpensionen (FGSP RUSS 29.5.2024).
Gemäß dem russischen Sozialfonds erhalten alle Pensionisten, welche keiner Arbeit nachgehen, und deren finanzielle Mittel unter dem Existenzminimum für Pensionisten liegen, einen Sozialzuschlag zur Pension. Dadurch erfolgt eine Anhebung bis zur Höhe des Existenzminimums (SFR o.D.b).
Mit 1.1.2023 wurden der Pensions- und der Sozialversicherungsfonds zum neu geschaffenen „Fonds für Pensions- und Sozialversicherung der Russischen Föderation“ (kurz „Sozialfonds“) verschmolzen (SFR o.D.c). Zu den Aufgaben des neu geschaffenen Sozialfonds gehört die Auszahlung von Pensionen und staatlicher finanzieller Hilfen. In den einzelnen Subjekten der Russischen Föderation gibt es territoriale Abteilungen des Sozialfonds (SFR 18.4.2024).
Quellen:
AÜSU – Alles über die soziale Unterstützung (n.d): Меры социальной поддержки граждан в 2024 году [Soziale Unterstützungsmaßnahmen für Bürger im Jahr 2024], https://socialnaya-podderzhka.ru/mery_socialnoj_podderzhki, Zugriff 13.5.2024;
FGSP RUSS – Föderales Gesetz zur staatlichen Pensionsversorgung [Russland] (29/5/2024): Федеральный закон (N 166-ФЗ): О государственном пенсионном обеспечении в Российской Федерации [Föderales Gesetz: Über die staatliche Pensionsversorgung], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_34419, Zugriff 3.6.2024;
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation – Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf, Zugriff 10.5.2024;
Regierung RUSS – Regierung [Russland] (n.db): Социальная поддержка отдельных категорий граждан [Soziale Unterstützung einzelner Bürgergruppen], http://government.ru/rugovclassifier/510/events, Zugriff 13.5.2024;
SFR – Sozialfonds Russlands [Russland] (n.da): Электронные сервисы и информация: Гражданам [Elektronische Dienstleistungen und Information für Bürger], https://sfr.gov.ru, Zugriff 13.5.2024;
SFR – Sozialfonds Russlands [Russland] (n.db): Социальная доплата до уровня прожиточного минимума пенсионера [Sozialzuschlag bis zur Höhe des Existenzminimums von Pensionisten], https://sfr.gov.ru/grazhdanam/pensionres/soc_doplata, Zugriff 16.5.2024;
SFR – Sozialfonds Russlands [Russland] (n.dc): История Социального фонда России [Geschichte des Sozialfonds Russlands], https://sfr.gov.ru/about/history, Zugriff 13.5.2024;
SFR – Sozialfonds Russlands [Russland] (18/4/2024): О Фонде [Über den Fonds], https://sfr.gov. ru/about/about, Zugriff 13.5.2024;
Verfassung RUSS – Verfassung [Russland] (6/10/2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446, Zugriff 27.2.2024;
Arbeitslosenunterstützung
Personen können sich bei den örtlichen Arbeitsämtern des Föderalen Amts für Arbeit und Beschäftigung (Rostrud) arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Sollte es dem Arbeitsamt nicht gelingen, der arbeitssuchenden Person binnen zehn Tagen einen Arbeitsplatz zu beschaffen, wird der betreffenden Person der Arbeitslosenstatus und somit eine monatliche Arbeitslosenunterstützung zuerkannt (IOM 12.2022). Während der ersten drei Monate erhält die arbeitslose Person 75 % des Durchschnittseinkommens des letzten Beschäftigungsverhältnisses, jedoch höchstens RUB 12.792 [ca. EUR 132]. Während der folgenden drei Monate beträgt die Höhe der Arbeitslosenunterstützung 60 % des Einkommens bzw. höchstens RUB 5.000 [ca. EUR 51]. Die Mindesthöhe der Arbeitslosenunterstützung beträgt RUB 1.500 [ca. EUR 15] (RG 23.11.2022; vgl. FGBB RUSS 12.12.2023). Um den Anspruch auf monatliche Arbeitslosenunterstützung geltend machen zu können, haben sich die Arbeitslosengeldbezieher alle zwei Wochen im Arbeitsamt einzufinden. Außerdem dürfen sie beispielsweise nicht in eine andere Region umziehen und keine Pensionsbezieher sein. Arbeitsämter gibt es überall im Land. Sie stellen verschiedene Dienstleistungen zur Verfügung. Arbeitssuchende, die beim Arbeitsamt registriert sind, dürfen an kostenlosen Fortbildungskursen teilnehmen, um so ihre Qualifikationen zu verbessern (IOM 12.2022).
Quellen:
FGBB RUSS – Föderales Gesetz zur Beschäftigung der Bevölkerung [Russland] (12/12/2023): Федеральный закон (N 565-ФЗ): О занятости населения в Российской Федерации [Föderales Gesetz: Über die Beschäftigung der Bevölkerung in der Russischen Föderation], https://www.co nsultant.ru/document/cons_doc_LAW_464093, Zugriff 14.5.2024;
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation – Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf, Zugriff 10.5.2024;
RG – Rossijskaja gaseta [Russland] (23/11/2022): Установлен размер пособия по безработице на 2023 год [Höhe der Arbeitslosenunterstützung für Jahr 2023 wurde festgelegt], https://rg.ru/20 22/11/23/ustanovlen-razmer-posobiia-po-bezrabotice-na-2023-god.html, Zugriff 14.5.2024;
Wohnmöglichkeiten, Sozialwohnungen
Die russische Verfassung garantiert das Recht auf Wohnraum. Laut der Verfassung wird bedürftigen Personen Wohnraum kostenlos oder zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung gestellt (Verfassung RUSS 6.10.2022). Bürger ohne Unterkunft oder mit einer Substandard-Unterkunft und sehr geringem Einkommen dürfen kostenfreie Wohnungen beantragen. Jedoch kann die Wartezeit bei einigen Jahren oder Jahrzehnten liegen. Ein Anrecht auf eine kostenlose Unterkunft haben Waisenkinder und Personen mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen (Tuberkulose etc.). Es gibt Schutzunterkünfte für Opfer von Menschenhandel und häuslicher Gewalt, für alleinerziehende Mütter und andere vulnerable Gruppen. Für gewöhnlich werden diese Unterkünfte von örtlichen NGOs verwaltet. Es gibt keine Zuschüsse für Wohnungen. Einige Banken bieten jedoch für einen Wohnungskauf niedrige Kredite an (IOM 12.2022). Die Versorgung mit angemessenem Wohnraum stellt ein Problem dar. Bezahlbare Eigentums- oder angemessene Mietwohnungen sind für Teile der Bevölkerung unerschwinglich (AA 28.9.2022). Wohnungskosten sind regional unterschiedlich (WW 17.3.2023; vgl. Rosrealt o.D.). Es mangelt an ausreichendem Wohnraum für Familien (AA 28.9.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28/9/2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10. September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 8.3.2024 [Login erforderlich];
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation – Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf, Zugriff 10.5.2024;
Rosrealt – Rosrealt (n.d): Цены на аренду квартир и домов в России [Mietpreise für Wohnungen und Häuser in Russland], https://rosrealt.ru/cena/?t=arenda, Zugriff 15.5.2024;
Verfassung RUSS – Verfassung [Russland] (6/10/2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446, Zugriff 27.2.2024;
WW – Welt der Wohnungen (17/3/2023): В каких городах выгоднее покупать новостройку для сдачи в аренду? [In welchen Städten ist es günstiger, einen Neubau für Vermietung zu kaufen?], https://www.mirkvartir.ru/journal/analytics/2023/03/17/v-kakih-gorodah, Zugriff 15.5.2024;
Medizinische Versorgung
Artikel 41 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert russischen Staatsbürgern das Recht auf kostenlose medizinische Versorgung in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen (Duma 6.10.2022). Eine gesetzliche Grundlage stellt das föderale Gesetz „Über die Grundlagen des Gesundheitsschutzes der Bürger in der Russischen Föderation“ dar (RF 28.4.2023d). Es existiert eine durch präsidentiellen Erlass festgelegte Strategie der Entwicklung des Gesundheitswesens in der Russischen Föderation für den Zeitraum bis 2025 (Präsident 27.3.2023).
Das Basisprogramm der obligatorischen Krankenversicherung gewährleistet die kostenlose medizinische Versorgung für Bürger in allen Regionen Russlands. Das entsprechende Territorialprogramm umfasst Programme auf der Ebene der Subjekte der Russischen Föderation (§ 3 des föderalen Gesetzes „Über die obligatorische Krankenversicherung“) (RF 19.12.2022). Der föderale Fonds der obligatorischen Krankenversicherung ist für die Umsetzung der staatlichen Politik zuständig (Regierung o.D.). Es besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung, welche eine medizinische Versorgung auf höherem Niveau erlaubt (Sber Bank o.D.). Im Rahmen einer freiwilligen Krankenversicherung oder gegen direkte Bezahlung können entgeltliche medizinische Dienstleistungen in staatlichen und privaten Krankenhäusern in Anspruch genommen werden. Die Webseiten der einzelnen medizinischen Einrichtungen enthalten für gewöhnlich Preislisten, so zum Beispiel die Webseite der Poliklinik in Grosnyj/Tschetschenien: http://gr-polik6.ru/uslugi (IOM 12.2022). Für Leistungen privater Krankenhäuser müssen die Kosten selbst getragen werden.
Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notallbehandlungen kostenlos (ÖB 30.6.2022). Bestimmte Patientengruppen erhalten kostenlose oder preisreduzierte Medikamente. Befreit von Medikamentengebühren sind Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren; Menschen mit Behinderungen; Veteranen; Patienten mit spezifischen Erkrankungen wie HIV/Aids, onkologischen Erkrankungen, Diabetes, psychiatrischen Erkrankungen usw. (EUAA 9.2022). Regionale Behörden dürfen kostenlose Medikamente für zusätzliche Patientengruppen zur Verfügung stellen (IOM 12.2022). Die Verfügbarkeit von Medikamenten schwankt. Die Beschaffung und Verteilung medizinischer Vorräte ist unzuverlässig, was zu Medikamentenknappheit und starken Preisschwankungen führt. Ursachen dafür sind unter anderem politische Sanktionen, welche Importe begrenzen, und der damit verbundene Umstieg auf einheimische Arzneimittel (EUAA 9.2022). Die vom Staat vorgegebenen Wartezeiten auf eine Behandlung werden um das Mehrfache überschritten und können mehrere Monate betragen. Die Notfallversorgung ist nicht mehr überall gewährleistet. Durch Sparmaßnahmen sind in vielen russischen Verwaltungseinheiten die Notfall-Krankenwagen nur mit einer Person besetzt, welche die notwendigen Behandlungen nicht alleine leisten kann. Besonders angespannt ist die medizinische Versorgung für Kinder, es fehlen Physiotherapeuten und Psychologen (AA 28.9.2022). Mitunter gibt es Probleme bei der Diagnose und Behandlung von Patienten mit besonders seltenen Krankheiten, da meist die finanziellen Mittel für die teuren Medikamente und Behandlungen in den Regionen nicht ausreichen (ÖB 30.6.2022).
In der Praxis müssen viele Leistungen von Patienten selbst bezahlt werden, obwohl die medizinische Versorgung für russische Staatsangehörige kostenfrei sein sollte (AA 28.9.2022). Patienten dürfen Beschwerden einreichen, wenn öffentliche medizinische Einrichtungen Gebühren für eigentlich kostenfreie Dienstleistungen einzuheben versuchen. Patientengebühren tragen zu steigender Ungleichheit bei. Zuzahlungen werden entweder von unversicherten Personen geleistet oder dienen dazu, die Leistungsdeckung der obligatorischen oder freiwilligen/privaten Krankenversicherung zu erhöhen. Beispiele für Zuzahlungen sind offizielle Zahlungen im öffentlichen oder Privatsektor oder informelle Zahlungen im öffentlichen Sektor, um beispielsweise eine spezielle Behandlung zu erhalten. Personen mit höherem Einkommen sowie Bewohner wohlhabenderer Städte wie Moskau und St. Petersburg leisten höhere Zuzahlungen, vor allem betreffend stationäre Behandlungen. Allerdings steigt die Höhe der Zuzahlungen gemäß einer Quelle aus dem Jahr 2018 für ambulante Leistungen für ärmere Bevölkerungsschichten rascher an (EUAA 9.2022). 27,76 % der Ausgaben im Gesundheitssektor entfielen im Jahr 2020 auf Zuzahlungen (WB o.D.c.).
Das Gesundheitssystem ist zentralisiert. Öffentliche Gesundheitsdienstleistungen gliedern sich in drei Ebenen: Die Primärversorgung umfasst allgemeine medizinische Leistungen, Notfallversorgung sowie einige spezielle Dienstleistungen. Die Sekundärversorgung beinhaltet eine größere Bandbreite spezieller medizinischer Leistungen, und die Tertiärversorgung bietet medizinische Leistungen auf Hightechniveau an. Wegen Personalmangels sind Mitarbeiter auf der Primärversorgungsebene oft überlastet. Es fehlt an Koordination zwischen den Ebenen Primär- und Sekundärversorgung. Dem öffentlichen Gesundheitssystem mangelt es an finanziellen Mitteln, Patientenorientierung sowie an Personal, vor allem in ländlichen Gebieten. Das medizinische Personal weist Ausbildungsdefizite auf. Viele Bedienstete im medizinischen Bereich sind wenig motiviert, was teilweise auf niedrige Gehälter zurückzuführen ist. Hinsichtlich verfügbarer Ressourcen und Dienstleistungen herrschen beträchtliche regionale Unterschiede (EUAA 9.2022). Der Staat hat viele Finanzierungspflichten auf die Regionen abgewälzt, die in manchen Fällen nicht ausreichend Budget haben (ÖB 30.6.2022). Die medizinische Versorgung ist außerhalb der Großstädte in vielen Regionen auf einfachem Niveau und in ländlichen Gebieten nicht überall ausreichend. Ein Drittel der Ortschaften in ländlichen Gebieten verfügt über keinen direkten Zugang zu medizinischer Versorgung. Der Weg zum nächsten Arzt kann in manchen Fällen bis zu 400 Kilometer betragen (AA 28.9.2022). Einrichtungen, die hochmoderne Diagnostik sowie Behandlungen anbieten, sind vorwiegend in den Großstädten Moskau und St. Petersburg zu finden (EUAA 9.2022).
Zurückgekehrte Staatsbürger haben ein Anrecht auf eine kostenlose medizinische Versorgung im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung. Jeder Bürger der Russischen Föderation kann dementsprechend gegen Vorlage eines gültigen russischen Reisepasses oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis zu einem Alter von 13 Jahren) eine Krankenversicherungskarte erhalten. Diese wird von der nächstgelegenen Krankenversicherungszweigstelle am Wohnsitzort ausgestellt (IOM 12.2022). Personen ohne Dokumente haben das Recht auf eine kostenlose medizinische Notfallversorgung (EUAA 9.2022).
Die folgende Webseite enthält eine Auflistung medizinischer Einrichtungen in der Russischen Föderation mitsamt Kontaktdetails: https://gogov.ru/clinics (IOM 12.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/, Zugriff 16.5.2023
EUAA – European Union Agency for Asylum (9.2022): Russian Federation: Medical Country of Origin Information Report, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2022_09_EUAA_MedCOI_Country_Report_Russian_Federation.pdf, Zugriff 16.6.2023
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf, Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 16.5.2023
Präsident [Russland] (27.3.2023): Указ Президента РФ от 06.06.2019 N 254 (ред. от 27.03.2023)
„О Стратегии развития здравоохранения в Российской Федерации на период до 2025 года“ [Erlass des Präsidenten der RF vom 06.06.2019 N 254 (Fassung vom 27.03.2023) „Über die Strategie der Entwicklung des Gesundheitswesens in der Russischen Föderation für den Zeitraum bis 2025“], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_326419/, Zugriff 19.6.2023
Regierung [Russland] (o.D.): Федеральный фонд обязательного медицинского страхования: Описание [Föderaler Fonds der obligatorischen Krankenversicherung: Beschreibung], http://gove rnment.ru/department/191/about/, Zugriff 19.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (28.4.2023d): Федеральный закон „Об основах охраны здоровья граждан в Российской Федерации“ от 21.11.2011 N 323-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz „Über die Grundlagen des Gesundheitsschutzes der Bürger in der Russischen Föderation“ vom 21.11.2011 N 323-ФЗ (aktuelle Fassung)], https://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_121895/, Zugriff 19.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (19.12.2022): Федеральный закон „Об обязательном медицинском страховании в Российской Федерации“ от 29.11.2010 N 326-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz „Über die obligatorische Krankenversicherung in der Russischen Föderation“ vom 29.11.2010 N 326-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_107289/, Zugriff 19.6.2023
Sber Bank (o.D.): Ваш ДМС [Ihre freiwillige Krankenversicherung], http://www.sberbank.ru/ru/per son/bank_inshure/insuranceprogram/dms, Zugriff 19.6.2023
WB – World Bank (o.D.c): Out-of-pocket expenditure (% of current health expenditure) – Russian Federation, https://data.worldbank.org/indicator/SH.XPD.OOPC.CH.ZS?end=2020 locations=RU start=2000 view=chart, Zugriff 21.6.2023
Startseite, https://www.kaschenko-spb.ru/, Zugriff 16.6.2023
Rückkehr
Gemäß der russischen Verfassung (Verfassung RUSS 6.10.2022) und im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben haben russische Staatsbürger das Recht, ungehindert in die Russische Föderation zurückzukehren (FGAE RUSS 4.8.2023). Jedoch kommt es de facto beispielsweise im Zuge von Grenzkontrollen zu Befragungen Einreisender durch Grenzkontrollorgane (ÖB Moskau 8.5.2024). Es liegen Hinweise vor, dass die Sicherheitsdienste einige Personen bei Ein- und Ausreisen überwachen. Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses, Inlandspasses (wie Personalausweis) oder anerkannten Passersatzdokuments nach Russland einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine Verwaltungsstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen beim Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen (AA 28.9.2022). Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (ÖB Moskau 30.6.2023; vgl. EGRÜ 17.5.2007). Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach welchem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 30.6.2023).
Rückkehrende haben – wie alle anderen russischen Staatsbürger – Anspruch auf Teilhabe am Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Pensionssystem, solange sie die jeweiligen Bedingungen erfüllen (IOM 7.2022). Sozialleistungen hängen vom spezifischen Fall des Rückkehrers ab. Zurückkehrende Staatsbürger haben ein Anrecht auf eine kostenlose medizinische Versorgung im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung. Jeder Bürger der Russischen Föderation kann dementsprechend gegen Vorlage eines gültigen russischen Reisepasses oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis zu einem Alter von 13 Jahren) eine Krankenversicherungskarte erhalten. Diese wird von der nächstgelegenen Krankenversicherungszweigstelle am Wohnsitzort ausgestellt (IOM 12.2022). Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können nicht als spezifische Probleme von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, vor allem für junge Mädchen, wenn diese in einem westlichen Umfeld aufgewachsen sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf eine mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt (ÖB Moskau 30.6.2023).
Es sind keine Fälle bekannt, in welchen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten (AA 28.9.2022). Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien für diejenigen Personen ergeben, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (ÖB Moskau 30.6.2023). Der Kontrolldruck der Sicherheitsbehörden gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. NGOs berichten von willkürlichem Vorgehen der Polizei bei Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen. Letztere finden vor allem in Tschetschenien auch ohne Durchsuchungsbefehle statt (AA 28.9.2022).
Sollte ein Einberufungsbefehl ergangen sein, ist diesem bei Rückkehr Folge zu leisten. Nach Rückkehr in die Russische Föderation werden, bei Vorliegen eines Einberufungsbefehls, russische Staatsangehörige aus Tschetschenien – wie auch andere Bürger eingezogen und nach einer Ausbildung auch im Ukraine-Krieg eingesetzt. In Bezug auf Zwangsrekrutierungen von Tschetschenen können, aufgrund des willkürlichen Charakters von Zwangsrekrutierungen, keine Aussagen dazu getroffen werden, ob sich das Vorgehen analog jenem bei Einberufungsbefehlen gestaltet (ÖB Moskau 8.5.2024).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28/9/2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10. September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 8.3.2024 [Login erforderlich];
EGRÜ – EG-Russland-Rückübernahmeabkommen (17/5/2007): Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme – Gemeinsame Erklärungen, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2007.129.01.0040.01.DEU toc=OJ%3AL%3A2007%3A129%3ATOC, Zugriff 10.5.2024;
FGAE RUSS – Föderales Gesetz zur Aus- und Einreise [Russland] (4/8/2023): Федеральный закон (N 114-ФЗ): О порядке выезда из Российской Федерации и въезда в Российскую Федерацию [Föderales Gesetz: Über den Ablauf der Ausreise aus der Russischen Föderation und der Einreise in die Russische Föderation], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_11376, Zugriff 4.3.2024;
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation – Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf, Zugriff 10.5.2024;
IOM – International Organization for Migration (7.2022): Russische Föderation – Länderinformationsblatt 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_DE.pdf, Zugriff 10.5.2024;
Verfassung RUSS – Verfassung [Russland] (6/10/2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446, Zugriff 27.2.2024;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (8/5/2024): Auskunft der Botschaft, per E-Mail;
ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30/6/2023): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098380/RUSS_%C3%96B-Bericht_2023_06.pdf, Zugriff 27.12.2023 [Login erforderlich];
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers gründen auf dem von ihm vorgelegten Führerschein und der damit übereinstimmenden Geburtsurkunde, die er vorlegte. Dass er weiterhin russischer Staatsangehöriger ist, steht auf Grund seiner Angaben fest. Dass er sich entgegen seiner Angaben nicht im Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft befindet, steht auf Grund der Anfragebeantwortung des Magistrats der Stadt XXXX vom 17.01.2024 fest. Es kann daher nicht festgestellt werden, aus welchem Grund der Beschwerdeführer seine Geburtsurkunde vom Bundesamt wieder ausgefolgt haben wollte.
Dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Tschetschenen angehört und muslimischen Glaubens ist, steht auf Grund seiner gleichbleibenden Angaben fest. Dass der Beschwerdeführer russisch und tschetschenisch in Wort in Schrift beherrscht, steht auf Grund seiner Angaben in der Erstbefragung fest, die mit seinen Angaben zum Schulbesuch in der RUSSISCHEN FÖDERATION in Einklang stehen. Dass der Beschwerdeführer russisch spricht, steht auch mit dem persönlichen Eindruck, den er in der hg. mündlichen Verhandlung vermittelte, in Einklang.
Die Angaben zur Familie und den Wohnorten des Beschwerdeführers in der RUSSISCHEN FÖDERATION gründen auf seinen Angaben v.a. in der hg. mündlichen Verhandlung, aber auch in der Erstbefragung, ebenso die Angaben zum Schulbesuch, Ausbildung und Erwerbstätigkeit in der RUSSISCHEN FÖDERATION.
Dass dem Beschwerdeführer 2007 ein neuer russischer Inlandsreisepass ausgestellt wurde, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest, die mit den Länderinformationen in Einklang stehen. Dass dem Beschwerdeführer 2008 ein Führerschein ausgestellt wurde, steht auf Grund des vorgelegten Führerscheins fest.
Dass XXXX im zweiten Tschetschenienkrieg kämpfte, 2009 getötet wurde und ein Cousin dritten Grades des Beschwerdeführers ist, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest und sowohl mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen zu seiner Verurteilung als auch mit dem Schreiben XXXX in Einklang. Dass der Beschwerdeführer XXXX bzw. dessen Gruppierung mit Lebensmitteln unterstützte, steht auf Grund des vorgelegten Urteils fest. Im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung kann nicht festgestellt werden, dass er keine Lebensmittel geliefert habe, sondern zu diesem Geständnis gezwungen worden sei: In der Erstbefragung, die zehn Jahre vor der hg. mündlichen Verhandlung und sohin erheblich zeitnäher erfolgte, gab er, wie auch in dem von ihm vorgelegten Urteil bestätigt, an, dass er „mit Lebensmitteln geholfen“ habe. Auch in der Einvernahme am 12.03.2014 gab er an, seinem Cousin dritten Grades mit Lebensmitteln geholfen zu haben. Dass er diesen Verwandten nur das Essen gegeben habe, habe er auch nicht abgestritten, er habe nur bestritten, ihnen Waffen geliefert zu haben. Erstmals in der Einvernahme am 11.06.2019 und der Stellungnahme seiner rechtsfreundlichen Vertreterin am 28.08.2019 bestritt der Beschwerdeführer, Widerstandskämpfer unterstützt zu haben, es sei ihm nur vorgeworfen worden, weil sein Verwandter dort teilgenommen habe. Dass der Beschwerdeführer unschuldig war nur auf Grund der Kollektivverantwortlichkeit als Cousin dritten Grades von XXXX verurteilt wurde, ist vor dem Hintergrund, dass seine Angehörigen, insbesondere der Vaters seines Cousins dritten Grades, sein Vater und sein älterer Bruder weiterhin in TSCHETSCHENIEN leben und nicht belangt wurden, nicht glaubhaft.
Dass der Beschwerdeführer den Widerstandskampf selbst nicht unterstützte und weder im ersten noch im zweiten Tschetschenienkrieg Kämpfer war, gründet auf seiner Aussage in der Einvernahme am 11.06.2019 und der hg. mündlichen Verhandlung, dass keiner seiner näheren Familienangehörigen Kämpfer im ersten oder zweiten Tschetschenienkrieg war oder seither gegen das Regime kämpft, gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung; das dem widersprechende Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner handschriftlichen Beschwerde vom 27.06.2014, seine Verwandten seien Teilnehmer der Kriegshandlungen und er wisse nicht, wen von der Obrigkeit sie umgebracht oder verletzt haben, man werde sich daher an ihm rächen, ist hingegen nicht glaubwürdig und widerspricht auch dem Umstand, dass seine Verwandten weiterhin in der RUSSISCHEN FÖDERATION normal weiterleben.
Da der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung nicht mehr angab, man habe ihn zwingen wollen zu unterschreiben, dass er den Rebellen Waffen geliefert habe, und sich dies auch nicht aus dem vorliegenden Urteil ergibt, kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer abgesehen von den Lebensmittellieferungen an seinen Cousin dritten Grades bzw. dessen Rebellengruppe die TSCHETSCHENISCHE Rebellenbewegung unterstützte oder ihm darüberhinausgehende Unterstützung vorgeworfen wurde.
Dass die nahen Angehörigen des Beschwerdeführers ebenso wie seine Onkel und der Vater von XXXX weiterhin in TSCHETSCHENIEN leben und die Feststellungen zu ihren Lebensverhältnissen gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zur kollektiven Verantwortung, die der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 28.08.2019 wiedergibt und dem Artikel des Rechtschutzzentrums MEMORIAL, das „Selim DISHNI“ am 03.09.2019 für den Beschwerdeführer vorlegte, sowie der Beschwerde vom 20.02.2023 steht (entgegen dem Vorbringen im Schreiben vom 20.07.2019) daher fest, dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers keinen Repressalien auf Grund ihrer Familienzugehörigkeit zum Beschwerdeführer oder zu XXXX ausgesetzt sind, zumal die Eltern des Beschwerdeführers und der Bruder XXXX staatliche Leistungen beziehen. Damit in Einklang steht, dass sie seit der Verurteilung des Beschwerdeführers 2009 in TSCHETSCHENIEN wohnhaft blieben und nicht etwa in einen anderen Landesteil zogen, auch nicht der Bruder, der mit dem LKW auch außerhalb TSCHETSCHENIENS tätig ist, und die Tante, bei der er sich zeitweise in STAWROPOL aufhielt, in der Pension umgekehrt nach TSCHETSCHENIEN zurückzog.
Auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu Nachfragen ihn betreffend bei seinen Verwandten, zB in der Einvernahme am 11.06.2019, kann keine Verfolgungshandlung entnommen werden: Es ist nicht plausibel, dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers nach dessen Telefonnummer und dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt wurden und der Beschwerdeführer regelmäßigen Telefonkontakt mit seinen Angehörigen in der RUSISSCHEN FÖDERATION pflegt, der Beschwerdeführer aber in Österreich aber keinen Problemen, auch keinen Drohanrufen aus dem Herkunftsstaat, auch nicht im Zusammenhang mit den Demonstrationsteilnahmen 2015 und 2016 in WIEN ausgesetzt gewesen wäre, hätten die Behörden Interesse am Beschwerdeführer.
Die Feststellungen zur Verurteilung des Beschwerdeführers 2009 und zur Ordnungswidrigkeit 2011 gründen auf den vorgelegten Unterlagen, die Feststellungen zum Vollzug der Freiheitsstrafe ebenfalls auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen. Dass der Beschwerdeführer den groben Unfug, für den er zu einer neuntägigen – nicht wie vom Beschwerdeführer angegeben zehntägigen – Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nicht begangen haben konnte, weil er am 01.04.2011 in MALKOBEK gewesen sei, kann hingegen nicht festgestellt werden, da er dafür keine Belege vorlegte, im Gegenteil hingegen laut dem Beschluss sein reumütiges Geständnis strafmildernd berücksichtigt wurde und die Anhaltung bereits ab 01.04.2011, 18:35 Uhr, im Beschluss des Friedensrichters vom 02.04.2011 berücksichtigt wurde, weshalb feststeht, dass er am 01.04.2011 nicht in der Nachbarrepublik war. Dass der Beschwerdeführer beide Strafen vollständig verbüßte, gründet auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung, ebenso wie die Feststellung, dass es kein offenes Straf- oder Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer gibt und er auch keine Spenden vorgenommen hat, auf Grund derer ihm Terrorismusfinanzierung vorgeworfen werden könnte.
Die Feststellungen zur Verjährungsfrist gründen auf der Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in MOSKAU vom 14.03.2024 (OZ 17), die den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung entsprechen, und stehen mit der Streichung des Beschwerdeführers von der Liste in der ROSSISKAYA GAZETTA in Einklang.
Dass der Beschwerdeführer gleichzeitig mit XXXX angehalten wurde, gründet auf dem Schreiben von XXXX vom 20.07.2019 und den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung; auf diesen gründet auch die Feststellung, dass auch XXXX gleichzeitig mit ihm angehalten wurde, was in dem ijn der hg. mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeitungsartikel vom 09.06.2023 Deckung findet. Dies ist vor dem Hintergrund des gleichzeitigen Endes des zweiten Tschetschenienkrieges auch nicht unplausibel. Wegen welcher Taten – Art. 208 russ. StGB umfasst ein weites Spektrum an möglichen Tathandlungen – diese inhaftiert wurden, kann abgesehen von XXXX , die betreffend im vorgelegten Artikel vom 09.06.2023 ausgeführt wird, dass sie wegen eines Bombenanschlages auf einen Kontrollpunkt verurteilt wurden, nicht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer dies nicht angeben konnte; aus dem gleichen Grund kann auch nicht festgestellt werden, was XXXX vor und nach ihrer Inhaftierung machten. Auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers steht jedenfalls fest, dass der Beschwerdeführer mit XXXX in der RUSSISCHEN FÖDERATION davor und danach nichts zu tun hatte. Die Kenntnis des Beschwerdeführers zu XXXX und XXXX beschränkte sich in der hg. mündlichen Verhandlung auf die Informationen in dem gleichzeitig vorgelegten Artikel vom 09.06.2023. Aus den Berichten zu diesen Personen, wie im Schreiben vom 20.07.2019 angeführt, kann daher keine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION geschlossen werden, da der Beschwerdeführer 2010 bis 2014 immer wieder freiwillig nach TSCHETSCHENIEN zurückkehrte, 2014 unbehelligt ausreisen konnte und er auch in Österreich keiner Gefährdung ausgesetzt war.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer abgesehen von seiner Festnahme am 13.05.2009 verschleppt wurde, da das Datum, das der Beschwerdeführer für seine Verschleppung angibt, der Tag der Festnahme ist.
Daher kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zwischen seiner Entlassung aus der Strafhaft 2010 und der Ausreise 2014 mindestens zehn Mal von der Polizei festgenommen, verhört, bedroht und geschlagen wurde, wie er in der Erstbefragung angab, zumal er das Vorbringen in der Einvernahme am 12.03.2014 bereits soweit steigerte, dass er angab, während des Aufenthalts in STAWROPOL in einer Woche allein fünf Mal entführt und befragt worden sei. Soweit er dies in der Einvernahme am 10.06.2014 auf die Woche vor der Festnahme am 13.05.2009 datiert, widerspricht das Vorbringen seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung, während des zweiten TSCHETSCHENIENKRIEGES sei er mit seiner Familie nahe GROSNY und in SHALI gewesen; dass er damals bereits in STAWROPOL gewesen sei, gab er in der hg. mündlichen Verhandlung nicht an. In der Einvernahme am 11.06.2019 steigerte er das Vorbringen weiter und gab bereits an, nach der Haftentlassung im MAI 2010 einmal pro Monat oder alle zwei Monate mitgenommen und befragt worden zu sein. Während er zunächst angegeben hatte, er sei bei den Mitnahmen geschlagen worden, gab er in der Einvernahme am 11.06.2019 an, dass er jedes Mal, wenn jemand solche Anstalten gemacht habe, er gesagt habe, dass er sich beim Staatsanwalt beschweren würde, Bedrohungen habe es aber gegeben. In der hg. mündlichen Verhandlung gab er dazu an, dass er wenn er nach Hause gekommen sei, wenn er dort gewesen sei, dann seien Leute der Sicherheitsbehörden gekommen und haben ihn in Bezug auf seine Verwandten verhört; es ist jedoch nicht plausibel, warum man nur ihn in Bezug auf seine Verwandten verhören sollte, nicht jedoch etwa den Vater seines Cousins dritten Grades, seines Vater oder seinen ältesten Bruder. Vielmehr ist nicht glaubhaft, dass er 2010 bis 2014 immer wieder nach TSCHETSCHENIEN zurückgekehrt wäre, weil er dort zuhause war, wie er in der hg. mündlichen Verhandlung angab, wäre er dort verfolgt worden.
Ebenfalls nicht plausibel ist das weitere Vorbringen, man habe von ihm verlangt, dass er für die TSCHETSCHENISCHEN Behörden bzw. KADYROWZY arbeite und gegen die Anderen aussage – aber nicht betreffend Rebellen iS von Kämpfern des ersten oder zweiten Tschetschenienkrieges, sondern ob Leute am Fluss Alkohol trinken, Haschisch rauchen oder ob Frauen dabei sind; ein Konnex zu seiner Verurteilung 2009 kann in diesem Zusammenhang nicht erkannt werden. Es ist vor dem Hintergrund der Länderberichte aber vor allem nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer bei solchen Aufträgen den Behörden gegenüber immer „ok, ok“ gesagt, aber nie Informationen geliefert hätte, ohne dass es Konsequenzen gegeben hätte oder er daran gehindert worden wäre, sich in anderen Landesteilen aufzuhalten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise verpflichtete, den tschetschenischen Behörden Informationen zu liefern. Dass er jemals für die TSCHTESCHENISCHEN Behörden bzw. KADYROWZY gearbeitet habe, bestritt der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung ausdrücklich. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Österreich aus für die TSCHETSCHENISCHEN Behörden bzw. KADYROWZY arbeitet, weil auch dafür keine Beweise vorliegen.
Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in SOTSCHI, KRASNODAR, ST PETERSBURG und VELIKY NOVGOROD gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung. Dass er nicht erst 2014 bei seiner Tante in STAWROPOL war, sondern bereits davor dort aufhältig gewesen war, steht auf Grund seiner Angaben in der Einvernahme am 12.03.2014 fest.
Dass er dort keiner Verfolgung ausgesetzt war, gründet ST PETERSBURG, VELIKY NOVGOROD, SOTSCHI und STAWROPOL betreffend auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung.
Das Vorbringen zu den Problemen in MOSKAU in der hg. mündlichen Verhandlung war nicht plausibel: Einerseits gab der Beschwerdeführer an, korrupte Polizisten hätten von ihm in MOSKAU Strafgeld verlangt, um sich zu bereichern, andererseits gibt er an, dass er es nie bezahlt habe und dass diese das Verfahren nach TSCHETSCHENIEN abgetreten habe, er nie bezahlt und keine Probleme deswegen gehabt habe; dies ist nicht plausibel, wenn die korrupten Polizisten Geld dadurch lukrieren wollten.
Sein Vorbringen in der Einvernahme am 11.06.2019, er habe nicht nach KRASNODAR fahren können bzw. dort Probleme gehabt, weil er auf einer Liste (in der hg. mündlichen Verhandlung, weil er auf der Liste der ROSSIJSKAYA GAZETTA) gestanden sei, trifft nicht zu, weil er seinem Vorbringen in der hg. mündlichen Verhandlung zufolge 2011 in KRASNODAR war, weil die Liste der ROSSISKAJA GAZETTA jedoch von 2013 datiert (die der Föderalen Finanzaufsicht aus 2012).
Dass er zwischen den Aufenthalten in SOTSCHI, KRASNODAR, ST PETERSBURG, VELIKY NOVGOROD und STAWROPOL immer wieder nach TSCHETSCHENIEN zurückkehrte, gründet auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung. Auf Grund dieser kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßen seiner Haftstrafe Verfolgungshandlungen durch TSCHETSCHENISCHE Behörden bzw. in TSCHETSCHENIEN ausgesetzt war.
Die Feststellungen zur Publikation des Namens des Beschwerdeführers in der ROSSIJSKAJA GAZETTA am 12.03.2013 und der Löschung von der Liste am 14.11.2013 sowie dem Umstand, dass sein Name danach nicht wieder in diese Liste aufgenommen wurde und dass es sich bei dieser Liste um keine Fahndungsliste handelte, gründen auf dem Ergebnis des hg. in Auftrag gegebenen Rechercheauftrags betreffend die Publikation des Namens des Beschwerdeführers in der ROSSIJSKAJA GAZETTA (04.03.2024, OZ 13). Daher steht auch fest, dass der Beschwerdeführer entgegen der Stellungnahme vom 28.08.2019 nicht damals noch nach wie vor zu Unrecht als eine Person mit Nähe zu extremistischen Aktivitäten bzw. Terrorismus geführt wurde.
Weiters steht auf Grund dieser Recherche fest, dass das Vorbringen in der Beschwerde vom 09.10.2019 und 20.02.2023, das Bundesamt habe sich mit der genannten Website nicht auseinandersetzt und nicht angegeben, auf welchen Zeitungsbericht zu den Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen der olympischen Winterspiele in SOCHI 2014 es sich beziehe, nicht zutrifft: Der „Zeitungsbericht“ ist die Übersetzung der vom Beschwerdeführer genannten Liste.
Der am 19.03.2024 übermittelte LINK https://dokumen.tips/documents/-55720ca9497959fc0b8c4847.html?page=1 existiert nicht und ist auch ausweislich seiner Kennung weder die Homepage des FSB, noch der Föderalen Finanzaufsicht. Dass die Liste nicht mehr online ist, entspricht auch den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung und ist auf Grund ihrer Datierung mit 01.02.2012 plausibel. Die in der hg. mündlichen Verhandlung erstmals vorgelegten zwei Seiten, die den Angaben des Beschwerdeführers zwei Seiten derselben Liste sind, obwohl die erste auf Englisch und die zweite auf Russisch ist, und die den Angaben des Beschwerdeführers die Liste sind, die er mit dem Link vorlegen wollte, sind ausweislich der Übersetzung keine Liste des FSB, sondern eine Liste der Föderalen Finanzaufsicht vom 01.02.2012, sohin aus der Zeit, als die Verurteilung des Beschwerdeführers noch nicht getilgt war. Die Feststellungen zu dieser Liste gründen auf der hg. veranlassten Übersetzung. Da es sich dabei um keine Liste des FSB handelt, kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals in eine Liste des FSB aufgenommen wurde.
Da der Beschwerdeführer angab, dass es nur drei Listen gebe – die in der ROSSISKAJA GAZETTA, die Liste des FSB (die von der Finanzaufsicht stammt) und die Liste betreffend die Verschleppung am Tag seiner Festnahme – kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach der Haftentlassung 2010 auf eine Fahndungsliste aufgenommen wurde, was mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, dass gegen ihn kein offenes Strafverfahren bestehe, und seiner Aussage in der Einvernahme am 11.06.2019, es gebe keinen Haftbefehl gegen ihn, in Einklang steht.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION nach XXXX gefragt wurde, vielmehr handelt es sich dabei um eine Gefälligkeitsaussage von ihm als Zeuge im der mündlichen Verhandlung am 09.02.2018 im Beschwerdeverfahren von XXXX :
Der Beschwerdeführer gab dabei an, er sei am 02.11.2013 nach Leuten gefragt worden, die Lebensmittel für Rebellen gekauft haben. XXXX räumte in der Verhandlung auf den Vorhalt, dass er sich damals nachweislich in SYRIEN und nicht im Herkunftsstaat aufgehalten habe, ein, dass der Beschwerdeführer diese Geschichte nur gehört und nichts damit zu tun gehabt habe. Demgegenüber beharrte der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung darauf, dass seine Zeugenaussage, die er auch vor dem Bundesamt erstattet hatte, zutreffe. Dieses Vorbringen ist jedoch auch im Übrigen nicht glaubhaft: Zunächst ist nicht glaubhaft, dass jemand, der einen bestimmten Vorfall tatsächlich erlebt hat, im persönlichen Gespräch mit einem anderen, der ebenfalls behauptet, von diesem Vorfall betroffen zu sein, nicht mitbekommt, dass dies nicht zutrifft und der andere die Geschichte nur vom Hörensagen kennt. Es ist aber bereits auf Grund des vom Beschwerdeführer geschilderten zweiten Bezugspunkts seines Fluchtvorbringens zu XXXX , nämlich dass er mitgenommen und nach ihm (ungeachtet dessen, ob er konkret nach XXXX oder nur nach einem XXXX aus GUDERMES) gefragt wurde, nicht glaubhaft, dass das vom beschriebenen „Kennenlern-Gespräch“ zwischen ihm und XXXX jemals so stattgefunden hat: Der Beschwerdeführer gibt an, aus Angst vor Verfolgung durch die staatlichen Behörden in Tschetschenien nach Österreich geflohen zu sein, weiters, dass er sich an den Namen von XXXX so genau erinnere, weil „in TSCHETSCHENIEN dieser Name bekannt ist als Name von Leuten, die bei der Regierung arbeiten. Deshalb habe ich mir den Namen gemerkt. Ich habe gesagt, ich kenne den [ XXXX ] nicht. Aber ich kenne den Nachnamen XXXX .“ Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass jemand, der angibt, den Herkunftsstaat wegen asylrelevanter Verfolgung durch staatliche Behörden verlassen müssen zu haben, wenn er im Grundversorgungsquariter mit einem Angehörigen seiner Herkunftsregion, der sich mit einem Nachnamen vorstellt, den der Beschwerdeführer sofort mit Leuten, die für die Regierung arbeiten, in Zusammenhang bringt, diesem sein Herz ausschüttet und seine Fluchtgründe darlegt. Dem vermochte der Beschwerdeführer mit seiner Relativierung, es gebe viele ZAKRIEVS in Tschetschenien, nicht entgegenzutreten. Er war auch nicht in der Lage, anzugeben, wie er sich gefühlt habe, als er herausfand, mit einem ZAKRIEV das Zimmer in einem Flüchtlingsquartier teilen zu müssen, wobei er ja davon ausging, dass die ZAKRIEVS mit der Regierung des Staates, vor dem er flüchte, verbunden sind; ebensowenig konnte er nachvollziehbar schildern, wie er sich fühlte, als ihm klar wurde, dass es sein Mitbewohner war, nachdem er in der RUSSISCHEN FÖDERATION gefragt worden sei. Er wich als Zeuge dabei den Fragen des Gerichts aus, antwortete zT nur nach Nachfrage und schilderte den Vorfall unpersönlich, detailarm und wie auswendiggelernt; er erweckte auch keinen persönlich glaubhaften Eindruck. Hinzu kommt, dass dieses „Kennenlern-Gespräch“ ausweislich der GVS-Auszüge erst nachdem der Beschwerdeführer dieses Vorbringen bereits – ohne eine Involvierung von XXXX – in seinem Verfahren erstattet hatte, stattgefunden haben kann. Es ist offenkundig, dass der Beschwerdeführer sich bemühte, XXXX in Form einer Gefälligkeitsaussage in sein Fluchtvorbringen einzubauen, da nicht plausibel ist, dass er sein Vorbringen in seinem Asylverfahren nicht vollständig – betreffend die Befragung nach einer Person mit einem Nachnamen, der mit der Regierung verbunden ist – erstattet haben soll. Dem Gericht lag auf Grund des Auslieferungsverfahrens von XXXX im Übrigen auch dessen RUSSISCHER Strafakt vor, der vom Landesgericht ins Deutsche übersetzt wurde: Eine Befragung des Beschwerdeführers durch die RUSSISCHEN Behörden zu XXXX schien darin nicht auf; mit dem Vorbringen, dass in Russland alle lügen, vermochte der Beschwerdeführer dies als Zeuge nicht zu erklären.
Auf Grund der Unglaubhaftigkeit dieses Vorbringens, das der Beschwerdeführer sogar als Zeuge unter Wahrheitspflicht erstattete, was sich negativ auf seine Glaubwürdigkeit auswirkt, kann abgesehen von den Widersprüchen in seinen Aussagen, ob er dabei geschlagen wurde oder nicht, auch im Übrigen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung verfolgt wurde, dass er im JÄNNER 2014 in einer Moschee in GROSNY festgenommen und ihm der Inlandsreisepass abgenommen wurde. Dass seine Vorstrafe bei der Amtshandlung festgestellt wurde, wie in der Einvernahme am 11.06.2019 angegeben, kann bereits auf Grund deren Tilgung 2013 nicht festgestellt werden. Dass ihm der Inlandsreisepass abgenommen wurde ist auch deshalb nicht glaubhaft, weil der Beschwerdeführer angab, 2014 legal in die URKAINE ausgereist zu sein. RUSSISCHE Staatsangehörige konnten 2014 visumsfrei und ohne Auslandsreisepass in die UKRAINE reisen – mit ihrem Inlandsreisepass. Dies vermochte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, es gebe Stellen, an denen nicht kontrolliert werde, nicht zu plausibilisieren, da er angab, mit einem Bus in die UKRAINE gereist zu sein.
Dass der Beschwerdeführer seinen Inlandsreisepass nie in Vorlage brachte, steht auf Grund des Akteninhaltes fest.
Im Übrigen gründen die Angaben zur Ausreise des Beschwerdeführers – auch, dass er dabei keinen Problemen ausgesetzt war –, seiner Einreise in die Europäische Union und zum Umstand, dass er die Europäische Union seither nicht verlassen hat, auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung.
Auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung steht fest, dass sich der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat nicht politisch betätigt hat, weder Journalist noch Blogger oder Menschenrechtsverteidiger war.
Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers gründet auf den vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten.
Die Feststellungen zum Bezug von Grundversorgung und zur Unterbringung im Rahmen der Grundversorgung gründen auf dem GVS-Auszug und seiner Aussage als Zeuge in der hg. mündlichen Verhandlung am 09.02.2018 sowie in der hg. mündlichen Verhandlung im Verfahren des Beschwerdeführers. Auf dieser gründet auch die Feststellung, dass er abgesehen von der Unterbringung im Rahmen der Grundversorgung und der Zeugenaussage nichts mit XXXX zu tun hatte.
Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers gründen auf dem SVA-Auszug, die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen und der Ausbildung in Österreich sowie zu seinen Familienverhältnissen gründen ebenfalls auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung sowie den Auszügen aus dem ZMR sowie SVA-Auszug seiner Familienmitglieder, die Feststellungen zu ihrem Aufenthaltsstatus in Österreich auf Grund der sie betreffenden Auszüge aus dem IZR und den Angaben des Beschwerdeführers.
Dass XXXX als Kind aus der RUSSISCHEN FÖDERATION ausreiste, selbst keiner Verfolgung ausgesetzt und seit 2010 im Familienverfahren asylberechtigt ist, gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers, die mit dem IZR in Einklang stehen. Dass XXXX bei der Ausstellung ihres RUSSISCHEN Reisepasses keinen Problemen ausgesetzt war, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; dies steht damit in Einklang, dass sie, die als Minderjährige mit ihrer Familie nach Österreich gekommen war, nach der Zurückweisung ihres Asylantrages und Erteilung eines Aufenthaltstitels keinen Asylantrag mehr in Österreich stellte, sie keinen Antrag auf internationalen Schutz für ihr jüngstes Kind stellte und die Anträge der beiden älteren gemeinsamen Kinder abgewiesen wurden.
Dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, steht Österreich betreffend auf Grund des Strafregisterauszuges fest, die RUSSISCHE FÖDERATION betreffend auf Grund der Tilgung der Verurteilung 2009.
Die Feststellungen zu den Demonstrationsteilnahmen 2015, 2016 und 2019 in WIEN sowie 2017/2018 in STRASSBURG gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, ebenso, dass er seit 2016 nur noch vermummt an Demonstrationen teilnahm und seit 2019 an keinen Demonstrationen mehr teilnahm und nie als Redner teilnahm, sondern nur als einfacher Demonstrant. Damit in Einklang steht das vorgelegte PULS 4 Video; auf den von „Selim DISHNI“ vorgelegten Fotos von Menschengruppen am Heldenplatz (wiedervorgelegt in der hg. mündlichen Verhandlung) ist der Beschwerdeführer hingegen auch seinem Vorbringen in der hg. mündlichen Verhandlung zufolge nicht abgebildet.
Entgegen dem KRONEN ZEITUNG-Artikel vom 03.01.2016 und dem Bericht des KAUKASISCHEN KNOTEN vom 02.01.2016, vorgelegt in der hg. mündlichen Verhandlung, war der Beschwerdeführer auch nach der Demonstration ausweislich seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung keinen Bedrohungen ausgesetzt, ebensowenig seine Angehörigen in der RUSSISCHEN FÖDERATION; dass die TSCHETSCHENISCHEN Behörden seine Angehörigen nach seiner Telefonnummer fragen aber ihn nicht anrufen sollten, ist nicht plausibel. Ebensowenig plausibel ist vor dem Hintergrund seines übrigen Vorbringens, dass die Behörden seine Eltern 2015/2016 gefragt haben sollen, ob er ausgereist sei; dies müsste den Behörden vor dem Hintergrund seines Vorbringens, er sei bis zu seiner Ausreise monatlich oder alle zwei Monate befragt worden, nicht plausibel, da diesfalls den Behörden auffallen hätte müssen, dass der Beschwerdeführer bereits seit JÄNNER 2014 nicht mehr im Land war. Da der Beschwerdeführer nach den Demonstrationen 2015/2016 keinen Bedrohungen ausgesetzt war, der Beschwerdeführer seit 2019 an keinen Demonstrationen mehr teilnahm und seine Familie weiterhin unbehelligt im Herkunftsstaat an ihrer bisherigen Adresse weiterleben leben kann, steht auf Grund der Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu den Demonstrationen 2015 und 2016 in WIEN vom 16.12.2016, 08.06.2017 und 02.01.2018 sowie der Anfragebeantwortung des österreichischen Verbindungsbeamten in MOSKAU vom 20.09.2023, zu denen am 03.07.2024 Parteiengehör eingeräumt wurde, fest, dass dem Beschwerdeführer aus diesem Grund nunmehr, fünf Jahre nach der letzten Demonstrationsteilnahme, bei einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION keiner Verfolgung wegen der Demonstrationsteilnahmen mehr ausgesetzt ist.
Dass er über die Demonstrationsteilnahme 2015 und 2016 hinaus nicht für den Verein VAYFOND tätig ist, gründet entgegen dem Vorbringen im Schreiben vom 20.07.2019 auf der Aussage des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung. Eine Tätigkeit über die Demonstrationsteilnahme hinaus für diesen – dem Schreiben vom 20.07.2019 zufolge – SCHWEDISCHEN Verein kann auch nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über eine Bekanntschaft in der tschetschenischen Diaspora hinaus mit XXXX befreundet ist, da er in der hg. mündlichen Verhandlung zwar zunächst angab, sein Bekannter zu sein, praktisch seien sie Freunde, auf Nachfrage aber, was sie in ihrer Freizeit gemeinsam machen aber, dass sie sich so nicht treffen, dass er lange in SCHWEDEN gelebt habe und er auch nicht wisse, was ihm in der RUSSISCHEN FÖDERATION vorgeworfen worden sei. Dass er für ihn bei Behördengängen dolmetscht ist auf Grund des Sprachniveaus des Beschwerdeführers laut Sprachzertifikaten nicht glaubhaft, zumal das Schreiben von XXXX vom 20.07.2019 in perfektem Deutsch verfasst ist, das mit dem Sprachniveau des Beschwerdeführers in deutscher Sprache in der hg. mündlichen Verhandlung nicht übereinstimmt.
Dass der Beschwerdeführer auch darüber hinaus keine Rolle oder Position innerhalb der tschetschenischen Diaspora innehat, gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung.
Dass der Beschwerdeführer abgesehen von den insgesamt fünf Demonstrationsteilnahmen bis 2019 weder politisch noch exilpolitisch tätig war, weder als Blogger noch als Journalist oder Menschenrechtsverteidiger, gründet auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zum Aussehen des Beschwerdeführers gründen auf dem persönlichen Eindruck, den er in der hg. mündlichen Verhandlung vermittelte, und den Fotos im IZR-Auszug. Dass er einfacher sunnitischer Moslem ist, sich für die salafistische oder wahabitische Ideologie nicht interessiert und er weder Berührungspunkte zum dschihadistischen Islam hat, noch jemals in SYRIEN oder im IRAK war, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen verhandlung fest.
Dass der Beschwerdeführer als er volljährig wurde bei der Musterung war, aber nie zum Grundwehrdienst eingezogen wurde, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass er sich dem Wehrdienst nicht entzog, weil er nicht einberufen war, als er ausreiste, steht fest, weil er bei der Ausreise mit 27 Jahren nicht mehr im wehrpflichtigen Alter war. Dass er ohne Ableistung des Grundwehrdienstes nicht der aktiven Reserve angehört, ihm daher keine Einziehung zum Militärdienst im Rahmen einer Mobilisierung droht und er sich mit 37 Jahren nicht mehr im wehrpflichtigen Alter befindet, steht auf Grund der Länderberichte fest. Dass ihm jedenfalls außerhalb TSCHETSCHENIENS keine Zwangsrekrutierung zu Freiwilligenbataillonen (die Stellungnahme vom 17.07.2024 vermengt Wehrpflicht, Mobilisierung und Zwangsrekrutierung) droht, steht auf Grund der Länderberichte fest, ungeachtet der Frage, ob er (entgegen der in der Stellungnahme vom 17.07.2024 wiedergegebenen Berichte) vor dem Hintergrund, dass kein Angehöriger seiner in TSCHETSCHENIEN lebenden Familie sei es als Wehrpflichtiger, als Mobilisierter oder als Mitglied eines Freiwilligenbataillons zum UKRAINEKRIEG eingezogen wurde, auch in TSCHETSCHENIEN dieser Gefahr nicht ausgesetzt wäre.
Dass keiner seiner Familienangehörigen zum Militärdienst in die UKRAINE eingezogen wurde, keiner freiwillig am Angriffskrieg auf die UKRAINE teilnimmt und niemand aus seiner Familie für den Angriffskrieg auf die UKRAINE zwangsrekrutiert wurde, gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, ebenso, dass keiner seiner Familienangehöriger aktiver Rebell ist oder dem dschihadistsichen/wahabitischen Islam nahesteht. Auch die Feststellungen zu den aktuellen Lebensverhältnissen seiner Familienangehörigen in der RUSSISCHEN FÖDERATION gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, ebenso, dass ein Onkel mütterlicherseits in FRANKREICH lebt, wie auch die Mutter von XXXX .
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eltern, Brüder und Onkel des Beschwerdeführers sowie der Vater von XXXX in der RUSSISCHEN FÖDERATION Verfolgung durch die TSCHETSCHENISCHEN Behörden ausgesetzt sind, weil nicht glaubhaft ist, dass sie diesfalls zehn Jahre lang weiter in TSCHETSCHENIEN wohnhaft geblieben wären. Dies steht damit in Einklang, dass die Tante des Beschwerdeführers als Pensionistin sogar von STAWROPOL nach TSCHETSCHENIEN zurückzog und die Eltern und der Bruder TURPAL staatliche Leistungen beziehen.
Dass sich der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION wieder in SOTSCHI, KRASNODAR, St PETERSBURG, MOSKAU, VELIKY NOVGOROD oder in STAWROPOL niederlassen kann, steht fest, weil er dort bereits vor seiner Ausreise, bevor seine Verurteilung getilgt war, gelebt bzw. gearbeitet hat. Dass er dort nicht „schwarz“ gearbeitet hat, sondern offiziell als Arbeiter der ihn beschäftigenden Firmen, gründet auf seinen eigenen Aussagen, mit „schwarz“ meinte er, dass er Arbeiten ausübte, für die er nicht ausgebildet war (Einvernahme) und dass er weiterhin in TSCHETSCHENIEN angemeldet blieb und an seinen Arbeitsorten nicht angemeldet war. Dass er sich als tschetschenischer Volksgruppenangehöriger muslimischen Glaubens überall in der RUSSISCHEN FÖDERATION ansiedeln und anmelden kann, steht auf Grund der Länderberichte fest und dem Umstand, dass er noch vor der Tilgung seiner Verurteilung an verschiedenen Orten der RUSSISCHEN FÖDERATION lebte. Dass er dort keinem Risiko ausgesetzt ist, zu einem Freiwilligenbataillon zwangsrekrutiert zu werden, steht auf Grund der Länderfeststellungen fest.
Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, steht fest, weil er Gegenteiliges nicht vorbrachte und mit seiner Erwerbstätigkeit in Österreich in Einklang.
Die Feststellungen zu seiner Arbeitserfahrung als Bauhilfsarbeiter in der RUSSICHEN FÖDERATION gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers; dass er MAURER oder MALER war, kann vor dem Hintergrund, dass er angibt, nach dem Abschluss der Grundschule keine Ausbildung gemacht zu haben, nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zu seiner Arbeitserfahrung in Österreich auf dem SVA-Auszug.
Dass der Beschwerdeführer Deutschkenntnisse auf Anfängerniveau erworben hat, steht auf Grund der absolvierten Sprachzertifikate fest, die Feststellungen zu seiner Ausbildung gründen im Übrigen auf seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung.
Dass der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Krankenversicherung und auf staatliche Sozialleistungen hat, steht auf Grund der Länderfeststellungen fest.
Dass dem Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr keine Verfolgung wegen des Aufenthalts in Österreich oder der Asylantragstellung in Österreich droht, steht auf Grund der Länderfeststellungen fest. Dass Kämpfer des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges keiner Verfolgung mehr ausgesetzt sind, steht entgegen dem Vorbringen im Schreiben vom 20.07.2019 ebenfalls auf Grund der Länderfeststellungen fest; soweit „Selim DISHNI“ am 03.09.2019 für den Beschwerdeführer das UNHCR-Paper vom Februar 2003, sohin während des zweiten Tschetschenienkrieges, über die Asylwerber aus der RUSSISCHEN FÖDERATION im Kontext der Situation in TSCHETSCHENIEN und Auszüge aus dem Urteil EGMR, 05.09.2013, Fall I, Appl. 61204/09, vorlegte, ist deren Inhalt veraltet; das Gericht folgt den aktuellen Länderberichten. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem in der hg. mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeitungsbericht vom 09.06.2023, da, wie bereits dargetan, nicht festgestellt werden kann, was XXXX vor bzw. nach ihrer Verurteilung gemacht haben und diese beiden im Übrigen im Gegensatz zum Beschwerdeführer, der verurteilt wurde, weil er der Gruppe seines Cousins dritten Grades Lebensmittel gebracht hatte, wegen eines Bombenanschlages auf einen Stützpunkt verurteilt wurden. Daher droht dem Beschwerdeführer als Unterstützer, der nur Lebensmittel geliefert hat, keine Verfolgung mehr im Herkunftsstaat. Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung als Angehöriger seiner Familie, da weder seine Lebensgefährtinnen, noch seine Kinder oder im Herkunftsstaat lebende Angehörige Verfolgung ausgesetzt sind und auch der Vater von XXXX im Herkunftsstaat leben kann.
Dass dem Beschwerdeführer als Mann auf Grund seines Geschlechts in der RUSSISCHEN FÖDERATION keine Verfolgung droht, steht auf Grund der Länderfeststellungen fest. Die Stellungnahme seiner Vertreterin bezieht sich teilweise auf die Verfolgung Homosexueller; weder hat der Beschwerdeführer jemals vorgebracht, homosexuell zu sein, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür beim Beschwerdeführer, von dem nur Beziehungen mit Frauen aktenkundig sind, aus dem Akteninhalt. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer homosexuell ist und ihm Verfolgung auf Grund seiner sexuellen Orientierung droht.
Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in TSCHETSCHENIEN gründen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.06.2024, Version 14, zudem den dem Beschwerdeführer am 18.06.2024 Parteiengehör eingeräumt wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Zu A)
3.2. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen gefürchtet hätte (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185; VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genüge daher, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setztet positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 19.03.1997, 95/01/0466).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt ist die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben ist (§ 11 Abs. 1 AsylG 2005).
3.2.2. Aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen machte der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung geltend:
Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges droht heute keine Verfolgung mehr, umsoweniger deren Unterstützern, insbesondere da der Beschwerdeführer die Gruppe seines Cousins dritten Grades nur mit Lebensmitteln unterstützt hatte. Der Beschwerdeführer machte bereits betreffend den Zeitraum 2010 bis 2014 keine Verfolgung auf Grund seiner Verurteilung 2009, weil er seinen Cousin dritten Grades bzw. dessen Gruppierung mit Lebensmitteln versorgte, glaubhaft, ebensowenig wegen seiner Verwaltungsstrafe wegen groben Unfugs 2011. Ihm droht daher auch aktuell im Falle der Rückkehr keine Verfolgung wegen unterstellter politischer Gesinnung aus diesem Grund. Dem Beschwerdeführer droht auch ebensowenig wie seinen in TSCHETSCHENIEN lebenden Angehörigen, insbesondere dem Vater seines Cousins dritten Grades, seinem Vater und seinem älteren Bruder keine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines Cousins dritten Grades.
Keiner der Familienangehörigen des Beschwerdeführers ist aktiver Rebell oder Angehöriger des dschihadistischen bzw. wahabitischen Islam. Der Beschwerdeführer ist daher auch im Übrigen wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seiner im Herkunftsstaat lebenden Angehörigen bei seiner Rückkehr keiner Verfolgung ausgesetzt, ebensowenig wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seiner in Österreich lebenden Angehörigen: Seiner ersten Lebensgefährtin kommt der Status der Asylberechtigten nur im Familienverfahren zu, sie war in der RUSSISCHEN FÖDERATION selbst keiner Verfolgung ausgesetzt. Seine zweite Lebensgefährtin ist nicht asylberechtigt, sie verließ die RUSSISCHE FÖDERATION ebenso als Kind; auch auf Grund ihrer Tätigkeit in Österreich für XXXX und den Verein XXXX ist kein Umstand ersichtlich, auf Grund dessen der Beschwerdeführer auf Grund der Zugehörigkeit zur Familie seiner Gattin einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte.
Der Beschwerdeführer ist ein Mann und lebte in Österreich ausschließlich in Beziehungen mit Frauen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er homosexuell ist. Ihm droht vor dem Hintergrund der Länderberichte daher auch keine Verfolgung auf Grund des Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung.
Dem Beschwerdeführer, der 2015-2019 an insgesamt fünf Demonstrationen teilnahm, allerdings nie als Redner oder in einer hervorgehobenen Position, sondern als einfacher Demonstrationsteilnehmer, droht deswegen aktuell im Falle der Rückkehr ebensowenig Verfolgung aus politischen Gründen, wie seine Familienangehörigen in der RUSSISCHEN FÖDERATION deswegen keinen Repressalien seitens des KADYROW-Regimes ausgesetzt waren. Darüber hinaus war und ist der Beschwerdeführer weder politisch noch exilpolitisch tätig, weder Journalist noch Blogger oder Menschenrechtsaktivist; abgesehen von der Teilnahme an zwei Demonstrationen 2015, 2016 engagiert sich der Beschwerdeführer auch nicht für den SCHWEDISCHEN Verein VAYFOND und steht über den normalen Kontakt innerhalb der TSCHETSCHENISCHEN Community hinaus in keiner Beziehung zu XXXX . Er hat keine Rolle oder Position in der TSCHETSCHENISCHEN Diaspora. Ihm droht daher auch aus diesem Grund keine Verfolgung aus politischen Gründen.
Der Beschwerdeführer hat abgesehen davon, dass er in Österreich mit XXXX im gleichen Grundversorgungsquartier untergebracht war und für diesen eine Gefälligkeitsaussage in dessen Asylverfahren erstattete und den Bart nach salafistischer Mode trägt, keine Beziehungen zum dschihadistischen oder wahabitischen Islam, war nie in SYRIEN oder im IRAK. Er tätigte auch keine Spenden im Rahmen seiner muslimischen Almosenverpflichtung an Organisationen, die dem dschihadistischen oder wahabischen Islam nahestehen. Er ist sunnitischer Moslem und gehört damit der zweitgrößten Religionsgemeinschaft der RUSSISCHEN FÖDERATION an. Ihm droht – weder in TSCHETSCHENIEN, noch in anderen Teilen der RUSSISCHEN FÖDERATION – Verfolgung aus diesem Grund.
Dem Beschwerdeführer droht weder in TSCHETSCHENIEN, noch in anderen Teilen der RUSSISCHEN FÖDERATION ebensowenig wie seinen dort lebenden Angehörigen Verfolgung auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit als TSCHETSCHENE.
Dem Beschwerdeführer droht keine Einberufung zum Grundwehrdienst, weil er mit 37 Jahren ausweislich der Länderberichte nicht mehr im wehrpflichtigen Alter. Er absolvierte den Grundwehrdienst nicht, weshalb er nicht der aktiven Reserve angehört; ihm droht daher auch keine Mobilisierung. Dem Beschwerdeführer droht jedenfalls außerhalb TSCHETSCHENIENS – seinen Familienangehörigen auch nicht innerhalb TSCHETSCHENIENS – keine Zwangsrekrutierung zu „Freiwilligenbataillonen“. Auf Grund der Länderberichte steht fest, dass der Beschwerdeführer – jedenfalls außerhalb TSCHETSCHENIENS – nicht Gefahr läuft, zwangsweise in einer Kampfgruppe in der UKRAINE entsandt zu werden. Dem Beschwerdeführer droht daher auch in Zusammenhang mit dem UKRAINE-Krieg keine Verfolgung.
Ebensowenig droht dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Länderberichte im Falle der Rückkehr Verfolgung wegen der Asylantragstellung in Österreich oder seinem Auslandsaufenthalt.
3.2.3. Es kann auch von amtswegen keine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers festgestellt werden:
In Ermangelung vom Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob er im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden „Gruppenverfolgung“ ausgesetzt wäre. Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014).
Auf Grund der Länderberichte steht fest, dass ihm weder als Tschetschene noch als Moslem oder als Mann in der RUSSISCHEN FÖDERATION Verfolgung droht. Dem entspricht, dass zB seine Eltern sowie seine vier Brüder weiterhin in der Heimatregion des Beschwerdeführers leben und dass der Beschwerdeführer nicht vorbrachte, wegen seines Religionsbekenntnisses und seiner Volksgruppenzugehörigkeit in der RUSSISCHEN FÖDERATION Problemen ausgesetzt gewesen zu sein.
3.2.5. Dem Beschwerdeführer droht aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen bei seiner Wiedereinreise in die RUSSISCHE FÖDERATION daher keine asylrelevante Gefährdung. Zurückkehrende werden wegen der Stellung eines Asylantrages im Ausland oder ihrem Aufenthalt im Ausland im Allgemeinen nicht verfolgt.
3.2.6. Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Z 1), einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist (Z 2) oder einem Asylwerber (Z 3) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Familienangehöriger ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten (lit. a.), der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat (lit. b), ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten (lit. c) und der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen ledigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten sowie ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, sofern die gesetzliche Vertretung jeweils bereits vor der Einreise bestanden hat (lit. d).
Der ersten Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern XXXX kommt der Status von Asylberechtigten zu; seine zweite Lebensgefährtin und die gemeinsamen Kinder sind in Österreich auf Grund von Aufenthaltstiteln aufenthaltsberechtigt, ihre Asylanträge wurden zurück- bzw. abgewiesen bzw. für NUSEIBA wurde kein Asylantrag gestellt, weshalb sie auch nicht Asylwerberin ist.
Der Beschwerdeführer ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 Familienangehöriger seiner minderjährigen Kinder, gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 nicht aber Familienangehöriger seiner beiden Lebensgefährtinnen, da er mit keiner von beiden standesamtlich verheiratet ist oder war und die traditionellen Ehe erst in Österreich einging, wo wie in der RUSSISCHEN FÖDERATION die obligatorische Ziviltrauung gilt.
Die Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 sind gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 nicht anzuwenden auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
Da den Familienangehörigen des Beschwerdeführers – seinen Kindern XXXX – der Status von Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt wurde, scheidet die Erteilung des Asylstatus an den Beschwerdeführer im Familienverfahren mit seinen Kindern gemäß § 34 Abs. 6 AsylG 2005 aus, da er selbst kein minderjähriges Kind ist.
3.2.7. Im Ergebnis ist daher der Ausspruch in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. abzuweisen.
3.3. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mit weiteren Nachweisen).
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zudem abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht. Demnach ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 11 AsylG 2005, K15). Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Ob dies der Fall ist, erfordert eine ganzheitliche Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Für die Beurteilung der Lage kann es zum Beispiel (mit) relevant sein, ob der Betroffene – erforderlichenfalls – vor Ort ein Netzwerk wie etwa Familie, Freunde oder Bekannte vorfindet, die ihn unterstützen können (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 123).
3.3.2. Nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn 1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen; 2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder 3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Art. 19 Abs. 4 StatusRL sieht vor, dass der Mitgliedstaat, der dem Fremden den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nachzuweisen hat, dass die betreffende Person gemäß den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat. Sohin trifft die Behörde die Pflicht, den Nachweis zu führen, dass die Voraussetzungen für die weitere Gewährung von subsidiären Schutz nicht mehr vorliegen. Dabei ist zudem nach Art. 16 Abs. 2 StatusRL darauf abzustellen, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn. 50).
Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verfolgt das Ziel sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Dies wird auch in den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP, 38) – wenngleich dort nur kurz angesprochen, so dennoch deutlich – zum Ausdruck gebracht, indem betont wird, dass der Fremde (auch) in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiären Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind. Nach § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 ist es nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung gesetzlich nicht geboten, prüfen zu müssen, ob der betreffende Fremde die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter erschlichen hat (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038). Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies steht im Einklang mit Art. 19 Abs. 1 der Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU) (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, eine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, ZI. Ra 2019/18/0353, aber auch VwGH 27.05.2019, ZI. Ra 2019/14/0153).
Als maßgeblich erweist sich zudem, dass gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen. Soweit neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Gefährdungsprognose nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von Bedeutung sein können, ist eine neue Beurteilung des Gesamtverhaltens des Fremden vorzunehmen. Dabei ist es zulässig, auch schon vor der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetretene Umstände in die Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen. Bei der Frage, ob maßgebliche Sachverhaltsänderungen vorliegen, sind nicht nur isoliert jene Umstände zu berücksichtigen, die nach dem Zeitpunkt der zuletzt erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern sind im Sinne einer ganzheitlichen Bewertung der Situation des Fremden auch davorliegende Ereignisse zu berücksichtigen (vgl. dazu insbesondere VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
3.3.3. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.06.2014 zuerkannt.
Der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den Beschwerdeführer wurde durch das Bundesamt damit begründet, dass der Beschwerdeführer eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft habe machen können, jedoch würden dessen Probleme in seiner gerichtlichen Verurteilung und nicht in Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung wurzeln. Da im Falle des Beschwerdeführers die Möglichkeit einer Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG [reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes] anzunehmen wäre, sei dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
3.3.4. Zuletzt wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 16.06.2017 (bis zum 10.06.2019) verlängert. Das Bundesamt führte begründend aus: „Da die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden. […]“…
3.3.5. Das Bundesamt kam im Bescheid vom XXXX infolge (unter anderem) eines Verlängerungsantrages im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des primär zu prüfenden § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht bzw. nicht mehr vorliegen. Die Behörde ging im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung, in welche auch Sachverhalte, welche bereits vor letztmaliger Verlängerung eingetreten sind, miteinbezogen werden können (vgl. nochmals VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0496), davon aus, dass eine wesentliche Änderung der allgemein relevanten Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers vorliegt.
3.3.6. Das Bundesamt gründete die Zuerkennung subsidiären Schutzes darauf, dass dem Beschwerdeführer nicht aus politischen Gründen, aber wegen seiner Verurteilung wegen der Unterstützung von Rebellen im zweiten TSCHETSCHENIENKRIEG Verfolgung drohte. Dies ist im Gegensatz zur Bescheiderlassung 2014, nur fünf Jahre nach Ende des TSCHETSCHENIENKRIEGES und vor dem Hintergrund der Publikation des Namens des Beschwerdeführers im Amtsblatt der ROSSISKAYA GAZETTA 2013 und den 2014 in SOTSCHI stattgefundenhabenden Olympischen Spielen, nunmehr nicht mehr der Fall: Seit dem Ende des Zweiten TSCHETSCHENIENKRIEGES sind nunmehr 15 Jahre vergangen und Kämpfer des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges sind nunmehr ausweislich der Länderberichte keiner Verfolgung mehr ausgesetzt, umsoweniger Personen, die diese mit Lebensmitteln unterstützten. Dass dies nachhaltig der Fall ist zeigt sich anders als noch 2017 bei der letztmaligen Verlängerung des Aufenthaltstitels als subsidiär Schutzberechtigter vor dem Hintergrund der kollektiven Verantwortlichkeit insbesondere dadurch, dass der ältere Bruder des Beschwerdeführers, sein Vater und der Vater seines Cousins dritten Grades unbehelligt in der RUSSISCHEN FÖDERATION, Teilrepublik TSCHETSCHENIEN leben können und seine Tante in der Pension nach TSCHETSCHENIEN zurückzog.
Da der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe zur Gänze verbüßte, kein Strafverfahren gegen ihn offen ist, er sich durch die Ausreise auch nicht dem Militärdienst entzog und ihm auch durch Spenden im Rahmen seiner muslimischen Almosenverpflichtung kein Strafverfahren droht, droht dem Beschwerdeführer bereits aus diesem Grund keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung im Rahmen des Strafvollzuges und keine Todesstrafe, die in der RUSSISCHEN FÖDERATION zudem faktisch ausgesetzt ist.
Darüber hinaus hat die Lage im Nordkaukasus nach 2014 eine wesentliche und nachhaltige Änderung erfahren: Die Sicherheitslage insbesondere in TSCHETSCHENIEN hat sich wesentlich gebessert, insbesondere im Hinblick auf die Rebellentätigkeit; anderes ergibt sich die Sicherheitslage betreffend im Hinblick auf TSCHETSCHENIEN auch nicht auf Grund des Angriffskrieges auf die UKRAINE.
Die Gründe, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führten, sind sohin nachhaltig weggefallen.
3.3.7. Es sind auch keine neuen Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes entstanden:
Wie beweiswürdigend ausgeführt, ist der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt. Ebenso wenig ergeben sich aus der allgemeinen Situation, insbesondere der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat Anhaltspunkte dafür, dass es wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wäre.
Eine Rückkehr ist dem Beschwerdeführer auch in Hinblick auf seine wirtschaftliche und soziale Situation möglich und zumutbar: Der Beschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger und gesunder Mann von 37 Jahren, der zwei Sprachen seines Herkunftsstaates (RUSSISCH und TSCHETSCHENISCH) sowie Deutsch auf Anfängerniveau spricht und im Herkunftsstaat die Grundschulbildung abgeschlossen und den Führerschein gemacht hat. Er hat abgesehen von zehn Jahren sein gesamtes Leben im Herkunftsstaat verbracht und mit ist mit der Kultur und den Gebräuchen des Herkunftsstaates vertraut ist. Er blieb auch in Österreich der Kultur und den Gebräuchen seines Herkunftsstaates verbunden und ging beide Lebensgemeinschaften in Österreich mit Angehörigen seines Herkunftsstaates und seiner Ethnie ein.
Der Beschwerdeführer hat in der RUSSISCHEN FÖDERATION jahrelange Berufserfahrung (als Hilfsarbeiter auf Baustellen), zudem hat er in Österreich Arbeitserfahrung bei Wachdiensten, in einem Restaurant und in einem Taxi-Unternehmen erworben. Es wird dem Beschwerdeführer daher auch nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat möglich sein, am Erwerbsleben teilzunehmen und seinen Lebensunterhalt dadurch zu sichern. Er kann sich anmelden und hat als Bürger der RUSSISCHEN FÖDERATION Zugang zu Sozialleistungen und Krankenversicherung. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION über ein familiäres Umfeld; seine Eltern sowie seine vier Brüder leben weiterhin in der RUSSISCHEN FÖDERATION, ebenso Tanten und Onkeln. Bei Bedarf kann der Beschwerdeführer daher auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen. Es kann daher kein Risiko mehr erkannt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Weder in TSCHETSCHENIEN noch in anderen Gebieten der RUSSISCHEN FÖDERATION besteht – trotz der vom Bundesverwaltungsgericht nicht außer Acht gelassenen, in einigen Regionen angespannten Sicherheitssituation vor dem Hintergrund des Angriffskrieges auf die URKAINE – derzeit eine „extreme Gefahrenlage“ im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe (vgl. VwGH 01.03.2007, 2003/20/0111; VwGH 16.04.2002, 2000/20/0131).
Der Beschwerdeführer kann sich nicht nur in TSCHETSCHENIEN niederlassen, sondern auch als TSCHETSCHENE und MUSLIM auch in anderen Landesteilen, wie zB seine Tante Chawa AGAEVA, die in STAWROPOL lebte. Er kann wie vor seiner Ausreise auch in St PETERSBURG, MOSKAU, KRASNODAR, SOTSCHI oder VELIKY NOVGOROD arbeiten und dort auch leben. Er kann sich – im Gegensatz zu früher, als dies ausweislich der Länderberichte schwierig war – dort auch behördlich anmelden. Dass eine Erwerbstätigkeit für TSCHETSCHENEN außerhalb TSCHETSCHENIENS weiterhin möglich ist, zeigt sich abgesehen von den Länderberichten auch daran, dass sein Bruder als LKW-Fahrer ebenfalls auch außerhalb TSCHETSCHENIENS tätig ist.
Außergewöhnliche, auf das gesamte Staatsgebiet bezogene, Umstände, angesichts derer die Abschiebung des Beschwerdeführers in die RUSSISCHE FÖDERATION die Garantien des Art. 3 EMRK verletzen würde, können gesamt betrachtet unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher nicht (mehr) erblickt werden.
3.3.8. Da keinem der Familienangehörigen des Beschwerdeführers der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, kommt dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht im Familienverfahren zu.
3.3.9. Da keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht ist, und die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führten, nachhaltig weggefallen sind, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.3.10. Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
3.4. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides – Abweisung des Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung:
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte über Antrag zu verlängern, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 AsylG 2005 aberkannt und – wie oben ausgeführt – die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abgewiesen.
Daher ist auch die Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.