5R100/24f – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Rofner und Mag. Kitzbichler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Alexander Amann LL.M. (UCLA), Rechtsanwalt in LI-9487 Gamprin-Bendern, gegen die beklagte Partei B* AG , vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, wegen (ausgedehnt) EUR 16.154,06 sA, über die Berufungen der klagenden (Berufungsinteresse: EUR 7.604,06 sA) und der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 8.550,-- sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23.9.2024, **-46, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der Berufung der klagenden Partei wird keine Folge gegeben.
II. Der Berufung der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert , dass sie unter Einschluss des zu bestätigenden Teils insgesamt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters EUR 3.990,-- samt 4 % Zinsen seit 10.11.2022 zu zahlen.
Das Mehrbegehren von EUR 12.164,06 samt 4 % Zinsen seit 1.10.2012 sowie von weiteren 4 % Zinsen aus EUR 3.990,-- von 1.10.2012 bis 9.11.2022 wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen ihrer Vertreterin die mit EUR 3.453,71 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“
III. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen ihrer Vertreterin die mit EUR 2.056,02 bestimmten Kosten der Berufungsverfahren zu ersetzen.
IV. Die (ordentliche) Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 2.4.2012 von der C* GmbH in ** ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug der Marke B* ** (im Folgenden als „Fahrzeug“ bezeichnet) um EUR 57.000,--. Die erstmalige Zulassung erfolgte am 4.7.2012. Im Fahrzeug ist der Motortyp EA896gen2 mit der Abgasklasse EURO5 verbaut.
Nach Erwerb des Fahrzeugs schloss der Kläger mit der D* GmbH (im Folgenden als „Leasinggeberin“ bezeichnet) im August 2012 – genaues Datum unbekannt – einen Leasingvertrag über das Fahrzeug (als Leasingobjekt) zur Finanzierung des Kaufpreises. Beim Erwerb im April 2012 hatte er noch nicht beabsichtigt, den Kaufpreis über Leasing zu finanzieren; diese Möglichkeit eröffnete sich erst im August 2012, als er von der Leasinggeberin ein attraktives Finanzierungsangebot (günstiger Zinssatz samt Mitarbeiterkonditionen) erhielt. Die „Gesamtbelastung des Leasings“ betrug EUR 59.829,86. Nach Ablauf des Leasingvertrags im Jahr 2017 „hat der Kläger das Fahrzeug durch Zahlung der Schlussrate (neuerlich) erworben (Leasingauskauf)“. Im März/April 2017 verkaufte er es mit einem Kilometerstand von ca 100.000 zum Preis von EUR 29.000,-- weiter.
Im Fahrzeug ist keine „Umschaltlogik“ (Prüfstanderkennung) und auch keine Kühlmittel-Sollwerttemperaturregelung, wohl aber eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung („Thermofenster“) verbaut, die im Auslieferungszeitpunkt mit einer Umgebungslufttemperatur zwischen +17°C und +33°C bedatet war. Außerhalb dieses Temperaturbereichs wird die Abgasrückführung (Emissionsminderung) abrupt reduziert (dislozierte Feststellung in der rechtlichen Beurteilung US 12; vgl RIS-Justiz RS0043110 [T2]). Ein SCR-Katalysator ist im Fahrzeug nicht verbaut.
Die Beklagte bietet für das Fahrzeug seit Ende 2020/Anfang 2021 ein vom KBA im Rahmen des NFD („Nationales Forum Diesel“) freigegebenes, freiwilliges und kostenloses Software-Update an, nach dessen Aufspielen das Thermofenster insofern ausgeweitet wird, als zwischen mindestens ca +5°C und mindestens ca +38°C in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur keine aktive Veränderung der AGR-Rate stattfindet. Dieses Software-Update wurde hier bislang nicht installiert.
Das Fahrzeug verfügt und verfügte stets über eine wirksame EG-Typgenehmigung. Es war und ist uneingeschränkt betriebs- und verkehrssicher und kann seit der erstmaligen Zulassung uneingeschränkt im realen Straßenverkehr genutzt werden. In der KBA-Liste der von unzulässigen Abschalteinrichtungen betroffenen Fahrzeuge scheint es nicht auf; das KBA hat auch keinen Rückrufbescheid erlassen.
Der Kläger hatte vor dem und im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs am 2.4.2012 wie auch in den Zeitpunkten des „Leasingauskaufs“ im Jahr 2017 sowie des Weiterverkaufs im März/April 2017 keine Kenntnis davon, dass das Fahrzeug vom sogenannten „Diesel- bzw Abgasskandal“ betroffen ist. Er ging davon aus, ein umweltfreundliches und verbrauchsarmes Fahrzeug zu erwerben, das alle technischen Vorgaben und Kraftstoffverbrauchsangaben einhält. Hätte er vor bzw im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs am 2.4.2012 oder im Zeitpunkt des „Leasingauskaufs“ im Jahr 2017 gewusst, dass das Fahrzeug mit einem Thermofenster oder einer (sonstigen) unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, hätte er vom Kauf Abstand genommen und das Fahrzeug „nicht gekauft bzw geleast“. Er erfuhr erstmals im Zuge von Internet-Recherchen im Jahr 2020 oder 2021, dass auch Fahrzeuge der Marke B* und insbesondere auch „sein“ Fahrzeug vom sogenannten Dieselskandal betroffen sind.
Der Kaufpreis (Wiederbeschaffungswert) des Fahrzeugs von EUR 57.000,-- war im April 2012 unter Annahme eines verordnungskonformen Zustands angemessen und branchenüblich; dasselbe gilt für den Weiterverkaufspreis von EUR 29.000,-- im Jahr 2017. Bei nicht verordnungskonformem Zustand des Fahrzeugs – im Sinn des Vorhandenseins einer unzulässiger Abschalteinrichtung – ist „aus technischer Sicht“ von einer objektiven, fiktiven Wertminderung des Verkehrswerts zwischen 5 % und 30 % auszugehen, wobei 5 bis 10 % in Abzug zu bringen wären, wenn man bei der Prüfung der Zulässigkeit des vorhandenen Thermofensters von der mittleren Jahresumgebungslufttemperatur in der EU ausgeht, 15 %, wenn man von der mittleren Jahresumgebungslufttemperatur im nördlichsten Finnland ausgeht, und 30 % für den Fall, dass alle EU 5-Fahrzeuge unzulässig sind.
Ein Nachgeben der Gebrauchtwagenpreise jener Fahrzeuge, für die das KBA im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und für die es in der Folge ein geprüftes Software-Update gegeben hat, konnte am österreichischen Gebrauchtwagenmarkt bislang nicht festgestellt werden; ebenso wenig hinsichtlich Dieselmotor-Fahrzeugen mit temperaturgesteuerter Abgasrückführung.
Dieser zusammengefasste Sachverhalt steht im Berufungsverfahren unbekämpft fest (§ 498 Abs 1 ZPO).
Gestützt auf §§ 874 ABGB, § 146 StGB iVm § 1311 ABGB sowie RL 2007/46/EG und VO 715/2007/EG jeweils iVm § 1311 ABGB begehrt der Kläger– soweit im Berufungsverfahren noch relevant – in seiner am 20.10.2022 beim Erstgericht eingebrachten Klage, die Beklagte zur Zahlung eines Schadenersatzes von EUR 15.500,-- zu verpflichten. Im Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen – darunter ein Thermofenster – verbaut, mit denen die latente Gefahr des Verlusts der Typengenehmigung einhergehe. In Kenntnis der wahren Eigenschaften hätte er das Fahrzeug nicht, jedenfalls aber nicht zum tatsächlich bezahlten, überhöhten Preis gekauft. Dass er es zwischenzeitlich verkauft habe, sei für den objektiv-abstrakt zu berechnenden, auf den Zeitpunkt des (ursprünglichen) Kaufs abstellenden Schadenersatz unerheblich; eine Vorteilsanrechnung sei nicht vorzunehmen. Der Höhe nach könne der Schaden in Form des überhöhten Kaufpreises mit bis zu 30 % desselben beziffert werden, wobei § 273 Abs 1 ZPO zur Anwendung gelange. Bei der Berechnung der Wertminderung sei auf den Kaufzeitpunkt abzustellen; künftige Entwicklungen seien dabei nicht zu berücksichtigen. Er sei nur aufgrund der rechtswidrigen Manipulationen dazu bereit gewesen, einen überhöhten Kaufpreis zu zahlen. Sein Schaden liege in der überhöhten Kaufpreiszahlung im Vergleich zum objektiven Minderwert des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung und betrage ausgehend von einem Risiko des Entzugs der Typengenehmigung von 50 % mindestens 25 % des Kaufpreises bzw der gesamten für den Erwerb des Fahrzeugs erbrachten Aufwendungen; er mache 27 % des Neupreises, somit EUR 15.500,-- geltend. Der Zinslauf beginne mit dem Zeitpunkt der Schadensentstehung, sohin mit Abschluss des Kaufvertrags über das manipulierte Fahrzeug, weil es sich um einen im Europarecht begründeten Anspruch handle und der effet utile-Grundsatz dies verlange. Auf einen Rechtsirrtum in Bezug auf das Thermofenster könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die von ihr herangezogene Rechtsauslegung zu dessen Zulässigkeit und zur Erfüllung des Ausnahmetatbestands völlig abwegig sei.
Im weiteren Verfahren (ON 19) dehnte der Kläger sein Begehren auf EUR 16.154,06 sA aus. Dazu brachte er vor (ON 19, ON 21.2), er habe über die Laufzeit des Leasingvertrags betrachtet ein Gesamtentgelt von EUR 59.829,86 bestehend aus monatlichen Raten von EUR 781,67 über 60 Monate (in Summe EUR 46.900,20) und einer Schlusszahlung (Differenz zwischen EUR 59.829,86 und EUR 46.900,20) nach Ablauf der Laufzeit geleistet. In Kenntnis des verminderten Werts hätte er um 27 % weniger für das Fahrzeug bezahlt, die Leasingraten und die Schlusszahlung wären entsprechend niedriger gewesen, womit das Gesamtentgelt gesunken wäre. Er hätte das minderwertige Fahrzeug um einen „angemesseneren“ Betrag erhalten und um EUR 16.154,06 (27 % von EUR 59.829,86) mehr in seinem Vermögen gehabt. Aus dem Kaufvertrag ergebe sich, dass er das Fahrzeug jedenfalls im eigenen Namen und auf eigenes Risiko zunächst erworben habe und der Schaden bei ihm somit bereits vor Abschluss des Leasingvertrags eingetreten sei; dass er in weiterer Folge eine Finanzierung über einen Leasingvertrag gewählt habe, sei unerheblich. Auch der Weiterverkauf sei nach der Judikatur für die Geltendmachung des objektiven Schadenersatzes, den er begehre, irrelevant. Der Verkaufspreis im Jahr 2017 sei, zumal er sich am allgemeinen Marktpreis derartiger Fahrzeuge orientiert habe, die wiederum Preise von nicht manipulierten Fahrzeugen abgebildet hätten, um 20 % bis 30 % überhöht gewesen; er müsste sich daher – was bestritten bleibe – einen überhöhten Verkaufspreis von 20 % bis 30 % von EUR 29.000,--, somit EUR 5.800,-- bis EUR 8.700,--, anrechnen lassen.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendete – ebenfalls soweit im Berufungsverfahren noch relevant – ein, im Fahrzeug sei keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Das Thermofenster sei notwendig, um vor plötzlichen und unvorhersehbaren Motorschäden zu schützen, weshalb der Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG erfüllt sei. Sollte es eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, könne ihr dessen ungeachtet nicht einmal ein fahrlässiger Verstoß gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen zum Vorwurf gemacht werden, zumal auch das KBA diese temperaturabhängige Abgasregelung stets für zulässig erachtet habe; darauf habe sie vertrauen dürfen, sodass bloß ein entschuldbarer Rechtsirrtum vorliege. Ihre für die Entwicklung der Fahrzeuge zuständigen Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass sie mit der gewählten Form der Abrampung der AGR in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur den erforderlichen Grad an Motorschutz und Schutz des sicheren Fahrzeugbetriebs gefunden hätten, den der Stand der technologischen Entwicklung zu diesem Zeitpunkt ermöglicht habe. Insoweit sich die Rechtslage durch die Urteile des EuGH verändert habe und somit eine unklare Rechtslage geschaffen worden sei, stelle dies eine ex post-Betrachtung dar, auf die nicht abzustellen sei.
Der Kläger habe keinen Schaden erlitten, weil er das Fahrzeug zu einem damals marktüblichen Preis weiterverkauft habe; maßgeblich sei der Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Im Wege des Vorteilsausgleichs wäre schadensmindernd zu berücksichtigen, ob ein Software-Update die Gefahr der Betriebsbeschränkung signifikant reduziert habe und ob bzw wie lange der Kläger das Fahrzeug uneingeschränkt benutzt habe und wie hoch der aktuelle Restwert sei. Ohne Berücksichtigung derartiger Aspekte würde die dogmatisch ohnehin überaus fragwürdige Vorgehensweise des Obersten Gerichtshofs, einen (momentanen) merkantilen Minderwert trotz fehlender Auswirkung eines Mangels auf die realen Marktpreise zuzugestehen, bedeuten, dass ein Schadenersatzanspruch endgültig ohne eingetretenen (Vermögens-)Schaden bestünde. Hier würden die ca elf Jahre dauernde uneingeschränkte Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger und der erzielte Weiterverkaufspreis jedenfalls den ursprünglichen Kaufpreis rechtfertigen, sodass kein Schaden (mehr) vorliege.
Zudem sei das Klagebegehren unschlüssig, weil der Kläger lediglich Leasingnehmer gewesen sei und als solcher nur einen Schaden aus dem Leasing-, nicht aber aus dem (ursprünglichen) Kaufvertrag geltend machen könne. Der Oberste Gerichtshof habe in mittlerweile ständiger Rechtsprechung Ansprüchen wie dem hier geltend gemachten eine Absage erteilt und ausgesprochen, dass die Klage eines Leasingnehmers auf Ersatz eines Teils des – von der Leasinggeberin an die Verkäuferin bezahlten – Kaufpreises unschlüssig sei. Aus dem Leasingvertrag sei dem Kläger kein Schaden erwachsen, weil er das Fahrzeug während der gesamten Leasingdauer ohne Einschränkungen habe nutzen können. Das angemessene Benützungsentgelt für ein geleastes Fahrzeug entspreche bei uneingeschränkter Nutzungsmöglichkeit der Höhe nach den Leasingraten, sodass kein Rückzahlungsanspruch des Klägers als Leasingnehmer verbleibe.
Verzugszinsen stünden im Übrigen lediglich ab dem Zeitpunkt der Klagszustellung zu.
Mit dem bekämpften Urteil erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 8.550,-- samt 4 % Zinsen seit 10.11.2022 zu zahlen; das Mehrbegehren von EUR 7.604,06 sA wies es ebenso ab wie das Zinsenmehrbegehren gerichtet auf den Zuspruch von Zinsen aus dem zugesprochenen Betrag für den Zeitraum vom 1.10.2012 bis 9.11.2022.
Seiner Entscheidung legte es den eingangs zusammengefasst referierten Sachverhalt zugrunde und gelangte rechtlich zunächst zum Zwischenergebnis, das hier in Rede stehende Thermofenster stelle jedenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 iVm Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG dar; in einem solchen Fall komme es auf die in Art 5 Abs 2 lit a leg cit normierten Voraussetzungen des Motorschutzes nicht an. Die Beklagte treffe ein Verschulden an der Schutzgesetzverletzung; da ihre Rechtsansicht, sie habe im Zeitpunkt der Übertretung mangels gegenteiliger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis davon ausgehen dürfen, dass die Emissionsgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einzuhalten seien, unvertretbar sei, könne sie sich nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum stützen.
Im Übrigen unterscheide der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing danach, ob ein Kaufvertrag des Leasingnehmers mit dem Fahrzeughändler nur der Spezifikation des Fahrzeugs gedient habe (sodass die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag eintrete), oder ob der Leasingvertrag erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs abgeschlossen worden sei. Hier lägen zwischen dem Kaufvertrag und dem Leasingvertrag vier Monate; ferner stehe fest, dass eine Leasingfinanzierung nicht von Anfang an beabsichtigt gewesen sei. Eine Einheit von Kauf- und Leasingvertrag sei daher zu verneinen, sodass der Schaden beim Kläger unmittelbar durch den im April 2012 abgeschlossenen Kaufvertrag eingetreten sei; in diesem Zeitpunkt sei ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag zwischen ihm und der Händlerin zustande gekommen.
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führe der Kauf eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs zu einem ersatzfähigen, objektiv-abstrakt zu ermittelnden Schaden. Gestützt auf eine Schutzgesetzverletzung (unionsrechtliches Verbot von Abschalteinrichtungen) könne der Käufer von der Fahrzeugherstellerin Schadenersatz entweder in Form der Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs oder der Wertminderung verlangen. Dieser primär nach unionsrechtlichen Anforderungen zu bestimmende Ersatz des Minderwerts sei im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung in einer Bandbreite zwischen 5 % und 15 % des Kaufpreises festzusetzen und werde durch eine zum Minderwert des Fahrzeugs getroffenen Negativfeststellung nicht ausgeschlossen; selbst wenn das Nichtvorliegen eines Minderwerts feststünde, würde dies einem solchen Ersatzanspruch nicht entgegenstehen, sondern wäre lediglich ein Grund dafür, den zu zahlenden Betrag im unteren Bereich der Bandbreite festzusetzen. Nach den Feststellungen betrage die fiktive, objektive Wertminderung des Fahrzeugs zwischen 5 % und 30 %, weshalb sich der Ersatz im oberen Bereich der genannten Bandbreite zu bewegen habe. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Kläger das Fahrzeug über eine Strecke von ca 100.000 km und einen Zeitraum von ca fünf Jahren genutzt habe. Davon ausgehend sei die schadenersatzrechtliche Wertminderung mit 15 % des Kaufpreises zu bemessen und betrage somit EUR 8.550,-- (15 % von EUR 57.000,--). Allfällige Mehrbelastungen des Klägers durch von ihm gewählte Finanzierungsprodukte im Anschluss an den Kauf des Fahrzeugs (Leasing mit erhöhter Gesamtbelastung) stünden hingegen in keinem adäquaten, ursächlichen Zusammenhang mit dem schadensbegründenden Ereignis und könnten daher nicht auf die Beklagte überwälzt werden.
Aus Schadenersatz gebührende Verzugszinsen stünden erst ab Fälligstellung – hier durch zahlenmäßig bestimmte Geltendmachung mittels Klage und somit ab 10.11.2022 – zu.
Gegen diese Entscheidung richten sich die rechtzeitigen Berufungen beider Streitteile:
Der Kläger wendet sich gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils und strebt unter Ausführung des Rechtsmittelgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung eine Abänderung im Sinn einer Klagsstattgebung an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte bekämpft die Entscheidung in ihren klagsstattgebenden Umfang; unter Ausführung der Rechtsmittelgründe der der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragt sie, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ebenfalls ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
In ihren rechtzeitigen Berufungsbeantwortungen beantragen die Streitteile wechselweise, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Da die Durchführung einer Berufungsverhandlung nach Art und Inhalt der geltend gemachten Rechtsmittelgründe nicht erforderlich ist, war über die Rechtsmittel in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden (§ 480 Abs 1 ZPO). Dabei erweist sich die Berufung des Klägers als nicht, jene der Beklagten hingegen als teilweise berechtigt.
1. Vorbemerkungen:
1.1.Der Kläger begehrt Schadenersatz aus deliktischer Schädigung durch die Beklagte. Gemäß Art 4 Abs 1 Rom II-VO ist – soweit in der Verordnung nichts anderes vorgesehen – auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staats anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Da der Kläger die Schädigung durch Erwerb des abgasmanipulierten Fahrzeugs in Österreich behauptet, hat das Erstgericht zutreffend österreichisches Schadenersatzrecht angewendet (vgl 7 Ob 83/23s Rz 17). Abgesehen davon gehen auch die Parteien in ihren Rechtsmittelschriften von der Anwendung österreichischen Sachrechts aus.
1.2. Auf den ausschließlich in erster Instanz von der Beklagten erhobenen Einwand der unzulässigen Klagsänderung in Zusammenhang mit der Ausdehnung des Klagebegehrens (ON 20 S 2) ist nicht weiter einzugehen:
Das Erstgericht ließ die Ausdehnung des Begehrens, die von der Beklagten als unzulässige Klagsänderung gerügt worden war, implizit dadurch zu, dass es der Endentscheidung das geänderte Begehren zugrunde legte. Unterlässt die Beklagte aber in einem solchen Fall – wie hier – die Bekämpfung der „konkludenten Zulassung“ in einem gegen die Sachentscheidung erhobenen Rechtsmittel, ist die Zulassung der Klagsänderung rechtskräftig (6 Ob 47/06i mwN). Da die Beklagte einen diesen Umstand betreffenden Verfahrensmangel nicht releviert, kann daher dahinstehen, ob überhaupt eine Klagsänderung vorlag und sie allenfalls unzulässig war.
1.3.Dass die festgestellte Abschalteinrichtung in Form des in Rede stehenden Thermofensters ausnahmsweise zulässig wäre, behauptet die – dafür behauptungs- und beweispflichtige (10 Ob 13/24w Rz 25; 10 Ob 34/24h Rz 18; 7 Ob 40/24v Rz 29; 6 Ob 155/22w Rz 65 ff) – Beklagte im Rechtsmittelverfahren nicht mehr. Auf diesen rechtlich selbständigen Aspekt hat das Berufungsgericht daher nicht mehr einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0043352 [T26, T27]; RS0043338 [T20]; RS0043573 [T40]; RS0043480 [T22]).
2. Zur Schlüssigkeit des Klagebegehrens:
2.1. Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel den Standpunkt, die Klage des Leasingnehmers auf Ersatz eines Teils des von der Leasinggeberin an die Verkäuferin bezahlten Kaufpreises sei unschlüssig; für den Fall, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrags von der Leasinggeberin kaufen sollte, könne er keinen Schaden aus dem ursprünglichen Kaufvertrag geltend machen. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts habe es sich beim Abschluss des Kauf- und des Leasingvertrags um ein einheitliches Geschäft gehandelt. Der Kläger sei mit Übergabe des Fahrzeugs nicht Eigentümer geworden; die mangelnde Eigentümereigenschaft im Jahr 2012 stehe aber dem geltend gemachten Anspruch entgegen, wie auch das Berufungsgericht kürzlich in seiner Entscheidung 2 R 110/24d festgehalten habe. Der Kläger könne als Leasingnehmer, der von Beginn an nur ein Nutzungsrecht erworben habe, keinen Schaden aus dem ursprünglichen Kaufvertrag geltend machen. Einen Nutzungsausfallschaden als Leasingnehmer habe er indes nicht behauptet. Inwieweit bei ihm bereits im Jahr 2012 der geltend gemachte Schaden aufgrund der Zahlung eines „überhöhten Kaufpreises“ eingetreten sein solle, lasse sich weder seinem Vorbringen noch den Feststellungen entnehmen. Damit sei der behauptete Schaden aus dem Begehren aber nicht ableitbar, was zur Klagsabweisung hätte führen müssen. Einer Erörterung der Unschlüssigkeit durch das Erstgericht habe es nicht bedurft, weil die Beklagte diese bereits im Verfahren erster Instanz eingewendet habe.
2.2.Wie das Erstgericht zutreffend erkannte, unterscheidet der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufs eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing danach, ob der Kauf- und der Leasingvertrag eine vertragliche Einheit bilden (10 Ob 53/23a Rz 15 ff; 10 Ob 7/24p Rz 19 ff; 1 Ob 12/24g Rz 31 ff; 4 Ob 197/24k Rz 7 ff):
Erfolgt die Finanzierung des Fahrzeugkaufs über einen gleichzeitig mit dem Kaufvertrag abgeschlossenen Leasingvertrag, dient der Kaufvertrag (in der Regel) nur der Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und dem Leasingnehmer zum Gebrauch überlassen sollte. In dieser Konstellation tritt die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag ein, sodass aus diesem ihr und nicht dem Leasingnehmer ein Schaden entsteht. Nur in dieser Situation kommt es für die Aktivlegitimation des Leasingnehmers für aus dem Kaufvertrag abgeleitete Ansprüche darauf an, ob es aufgrund des konkreten Inhalts des Leasingvertrags allenfalls zu einer Schadensverlagerung auf ihn gekommen ist.
Schließt der Kläger dagegen einen zivilrechtlich voll wirksamen Kaufvertrag und erst nachträglich einen Leasingvertrag, wird angenommen, dass der Kauf- und der Leasingvertrag keine vertragliche Einheit bilden. Diese Konstellation ist somit dadurch geprägt, dass der Kaufvertrag nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines Finanzierungsleasingvertrags diente, sondern zunächst ein zivilrechtlich wirksamer Kaufvertrag zwischen der Händlerin und dem späteren Leasingnehmer und erst in der Folge zur Finanzierung des Kaufpreises ein Leasingvertrag (einschließlich Übertragung des Eigentums am Fahrzeug vom Leasingnehmer auf die Leasinggeberin) zustande kommt. In diesem Fall erleidet der Kläger schon durch den Abschluss des Kaufvertrags respektive den überteuerten Kauf einen Schaden in seinem Vermögen. Ob er das Fahrzeug von Anfang an leasen wollte oder ob er es von der Leasinggeberin später zurückkauft, wirkt sich darauf nicht aus. Aus der zu dieser Variante ergangenen Rechtsprechung ist ferner nicht abzuleiten, dass vom Leasingnehmer zwingend eine Anzahlung an die Verkäuferin zu erfolgen hat.
2.3.Hier liegen zwischen dem Kaufvertrag und dem Leasingvertrag zumindest vier Monate (vgl 8 Ob 109/23x [ein Monat]; 4 Ob 69/24m [zwei Monate]; 4 Ob 197/24k [mehr als drei Monate]). Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags beabsichtigte der Kläger noch nicht, den Kaufpreis über Leasing zu finanzieren; diese Möglichkeit eröffnete sich erst im August 2012. Im Kaufvertrag (der als vorgelegte Urkunde [Blg ./A], deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten wurde, der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann, vgl RIS-Justiz RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]), wurde zwischen dem Kläger und der Händlerin vereinbart, dass 1. letztere ein im Eigentum des Klägers stehendes Gebrauchtfahrzeug zum Preis von EUR 16.000,-- kauft und diesen Betrag auf den Kaufpreis für das Neufahrzeug anrechnet, und 2. der Restkaufpreis Zug um Zug mit Auslieferung des Fahrzeugs zur Zahlung fällig wird bzw (also alternativ) bis zu diesem Zeitpunkt eine allfällige Kredit- und Leasingfinanzierung durch eine verbindliche Finanzierungszusage nachzuweisen ist. Dem Kläger wurde somit freigestellt, ob er den (Rest-)Kaufpreis aus Eigenmitteln zahlt oder diesen allenfalls durch einen Kredit oder über Leasing finanziert (ähnlich 4 Ob 69/24m; 4 Ob 197/24k).
2.4.Aufgrund dieser Umstände verneinte das Erstgericht völlig richtig eine Einheit des Kauf- und Leasingvertrags und ging daher zutreffend von einem unmittelbaren Schadenseintritt beim Kläger aus. Durch sein Vorbringen, dass er in Kenntnis der behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung das Fahrzeug im April 2012 nicht erworben hätte, hat er – auch wenn der Kaufpreis über einen Leasingvertrag finanziert wurde – einen eigenen Schaden behauptet, der Grundlage eines Ersatzanspruchs sein kann (so auch 4 Ob 197/24k Rz 11).
Auf die vom Berufungsgericht in der Entscheidung 2 R 110/24d vertretene Auffassung kann sich die Beklagte nicht erfolgreich stützen, weil diese zwischenzeitlich vom Höchstgericht – im Sinn der oben dargestellten Grundsätze – korrigiert wurde (4 Ob 197/24k Rz 6 ff). Auf die Eigentümereigenschaft ist entgegen den Rechtsmittelausführungen nicht abzustellen (8 Ob 109/23x Rz 46 mwN).
Die in der Berufung der Beklagten monierte Unschlüssigkeit des Klagebegehrens liegt damit nicht vor.
3. Zur Höhe des Schadens:
3.1.Da der Kläger als Käufer in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung das Fahrzeug nicht gekauft hätte, hat er wegen der der Beklagten als Herstellerin zur Last fallenden Schutzgesetzverletzung Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens (1 Ob 12/24g Rz 35; 3 Ob 121/23z Rz 21; 8 Ob 109/23x Rz 46). Aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben ist im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Schutznormen der VO 715/2007/EG jedenfalls ein angemessener Schadenersatz (Ersatz des Minderwerts) zu gewähren, der im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des vom Kläger gezahlten und dem Wert des Fahrzeugs angemessenen Kaufpreises festzusetzen ist (RIS-Justiz RS0134498; 1 Ob 12/24g Rz 42; 10 Ob 7/24p Rz 24; 4 Ob 27/24k Rz 20). Die Wertminderung kann aber auch exakt festgestellt und vom Käufer verlangt werden (RIS-Justiz RS0134498 [T6];10 Ob 7/24p Rz 24; 10 Ob 33/23k Rz 22).
3.2. Soweit der Klägerin seiner Berufung – entsprechend dem im erstinstanzlichen Verfahren ausgedehnten Begehren – argumentiert, als Bemessungsgrundlage für den Schadenersatz wären nicht der ursprüngliche Kaufpreis, sondern „die gezahlten Leasingentgelte“ heranzuziehen, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die Begründung, weshalb die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts in diesem Punkt unrichtig sei, beschränkt sich auf den kursorischen Verweis auf zwei erstinstanzliche Entscheidungen des Handelsgerichts Wien sowie die bereits erwähnte Entscheidung des Berufungsgerichts 2 R 100/24h. Die bloße Behauptung, diese Gerichte hätten die Ansicht vertreten, auch überhöhte Leasingraten seien als Schaden anzusehen, ohne Ausführungen dazu, ob und inwieweit der den – soweit erkennbar nicht veröffentlichten – erstinstanzlichen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalt überhaupt mit dem hier zu beurteilenden vergleichbar ist (Stichwort: Ausgestaltung des Leasings, vgl oben Punkt 2.2.), ist per se nicht geeignet, eine unrichtige rechtliche Beurteilung aufzuzeigen. Dasselbe gilt für den – im Übrigen nicht recht verständlichen („dass bei Vorliegen der entsprechenden Prozessbehauptungen auch die überhöhten Entgelte auch Finanzierungsverträgen wie etwa Leasingverträgen gegen den deliktischen Schädiger geltend gemacht werden können“) – Verweis auf die Entscheidung 2 R 100/24h samt kommentarloser Zitierung eines Absatzes daraus, wurde die darin vertretene Rechtsansicht doch bereits wie dargestellt vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt (4 Ob 197/24k).
Mangels konkreter Darlegung, weshalb im hier zu beurteilenden Fall ausgehend von den getroffenen Feststellungen als Bemessungsgrundlage für den behaupteten Schaden nicht der ursprüngliche Kaufpreis, sondern „die gezahlten Leasingentgelte“ (RMS 2; welche? in welcher Höhe?) oder „die überhöhten Leasingraten“ (RMS 4; in welcher Höhe? in- oder exklusive Schlusszahlung?) heranzuziehen seien, fehlt es der Rechtsrüge in diesem Punkt an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Erstgerichts; sie beschränkt sich im Ergebnis vielmehr auf die bloße Behauptung, dessen Rechtsansicht sei unrichtig, weshalb sie nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS-Justiz RS0043605).
3.3. Dessen ungeachtet ist inhaltlich zu erwidern, dass der Kläger im Verfahren erster Instanz auch in Zusammenhang mit und nach der Ausdehnung seines Begehrens (ON 19, ON 21.2) seinen Anspruch stets erkennbar ausschließlich aus dem ursprünglichen Kaufvertrag ableitete. So brachte er noch nach Klagsausdehnung vor, das Fahrzeug im eigenen Namen und auf eigenes Risiko zunächst erworben zu haben, weshalb der Schaden bei ihm bereits eingetreten sei, bevor der Leasingvertrag abgeschlossen worden sei; dass er in weiterer Folge eine Finanzierung über einen Leasingvertrag gewählt habe, sei unerheblich (ON 19 S 23; vgl auch ON 21.2 S 2). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger hätte (auch) Ansprüche aus dem Abschluss des Leasingvertrags und des darauf aufbauenden (Rück-)Kaufs des Fahrzeugs geltend gemacht.
Auch aus diesem Blickwinkel zog das Erstgericht – auf Basis der unbekämpften Feststellungen, aus denen folgt, dass eine Einheit des Kauf- und Leasingvertrags zu verneinen ist (vgl oben Punkt 2.4.) – somit folgerichtig den ursprünglichen Kaufpreis von EUR 57.000,-- als Bemessungsgrundlage für den Schadenersatzanspruch des Klägers heran. Nach der Rechtsprechung ändert der (spätere) Abschluss des Leasingvertrags, mit dem der Kläger inhaltlich betrachtet allenfalls durch Abtretung seines Eigentumsverschaffungsanspruchs an die Leasinggeberin dieser das Fahrzeug verkaufte, nichts daran, dass ihm bereits durch seinenKauf des Fahrzeugs zu einem überhöhten Preis ein Schaden entstand; der Jahre später vorgenommene (Rück-)Kauf des Fahrzeugs von der Leasinggeberin ist dabei ohne Belang (8 Ob 109/23x Rz 44 ff). Wie der Geschädigte den von ihm geschuldeten Kaufpreis letztlich finanziert, ist für den Schadenseintritt ebenso ohne Bedeutung (10 Ob 13/24w Rz 41).
3.4. Die Beklagte verficht in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, das Erstgericht hätte insbesondere angesichts des Weiterverkaufs des Fahrzeugs um EUR 29.000,-- eine Vorteilsausgleichung vornehmen müssen. Der Kläger habe „um keinen Cent weniger“ für das Fahrzeug erhalten, als wenn dieses niemals von der Abgasthematik betroffen gewesen wäre. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch dürfe aber nicht als ein von einem Schadenseintritt losgelöster Akt der privaten Durchsetzung von Emissionsnormen gesehen werden. Aufgrund des Weiterverkaufs des Fahrzeugs zu einem angemessenen Preis bestehe die objektive Unsicherheit betreffend die (künftige) Fahrzeugnutzung, die von der Judikatur zur Rechtfertigung gleichartiger Schadenersatzansprüche herangezogen werde, für den Kläger mit Sicherheit nicht mehr. Ein entsprechender Schadenersatz wäre daher vorliegend verfehlt; der Grundsatz, dass es durch die Geltendmachung von (Kartell-)Schadenersatzansprüchen weder zu einer Unter- noch zu einer Überkompensation kommen solle, müsse auch hier gelten.
Hilfsweise sei der erfolgte Weiterverkauf zumindest im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof festgelegten Bandbreite (von 5 % bis 15 %) stärker zu gewichten und der zustehende Betrag in deren unterem Bereich – maximal bei 5 % – anzusetzen. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, er habe sich im oberen Bereich der Bandbreite zu bewegen, weil nach den Feststellungen die fiktive, objektive Wertminderung des Fahrzeugs zwischen 5 % und 30 % betrage, sei verfehlt, zumal mit dieser Feststellung ein Minderwert gerade nicht „konkret beziffert“ worden sei.
3.5.Entgegen den Rechtsmittelausführungen der Beklagten steht der hier in Rede stehende Schadenersatz aufgrund des Minderwerts, der auf unionsrechtlichen Vorgaben beruht, trotz Weiterverkaufs des Fahrzeugs zu. Diesbezüglich ist auf die Entscheidung 1 Ob 12/24g, Rz 37 ff, zu verweisen, in der der Oberste Gerichtshof mit ausführlicher Begründung und nach Darstellung der bisherigen Rechtsprechung zusammengefasst ausführte:
Im Fall des Erwerbs eines mit einer im Sinn des Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs liegt das – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend einen Schaden im Sinn des § 1293 ABGB bildende – geringere rechtliche Interesse in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit. Diese Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags ist nach den Vorgaben des EuGH als unionsrechtlich relevanter Schaden anzusehen, dies auch in Fällen, in denen das Fahrzeug später verkauft wurde. Steht dabei fest, dass kein Minderwert vorliegt oder das Fahrzeug bereits verkauft wurde, ohne dass ein daraus resultierender Schaden behauptet wird, ist dies (nur) im Rahmen der Bandbreite des zu bemessenden Ersatzanspruchs zu berücksichtigen.
Der nach den Vorgaben des EuGH zu bemessende Schaden ist bereits aufgrund des Kaufvertrags eingetreten. Dass die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin bis zum Weiterverkauf und der Weiterverkauf an sich nichts (mehr) an dem objektiv bereits bei Kaufvertragsabschluss eingetretenen Schaden der Klägerin oder – bei Relevanz der Abtretung – der Leasinggeberin ändern konnte, ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung mittlerweile geklärt (6 Ob 19/24y Rz 23 f; 5 Ob 33/24z Rz 13 f).
In diesem Punkt verfängt die Rechtsrüge der Beklagten daher nicht.
3.6. Was die Argumentation zur Bemessung innerhalb der Bandbreite von 5 % bis 15 % betrifft, ist die Beklagte hingegen teilweise im Recht:
Das Erstgericht konnte eine exakte Wertminderung nicht feststellen, sondern lediglich ein mögliches diesbezügliches Spektrum zwischen 5 % und 30 %. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger das Fahrzeug nach rund fünfjähriger Nutzung mit einem Kilometerstand von etwa 100.000 um EUR 29.000,-- (immerhin noch mehr als die Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises) weiterverkaufte, welcher Preis bei verordnungskonformem Zustand angemessen und branchenüblich war. Im Hinblick auf diesen Weiterverkauf erachtet das Berufungsgericht – in Übereinstimmung mit ähnlich gelagerten Konstellationen, wie sie den Entscheidungen 6 Ob 19/24y und 1 Ob 12/24g zugrunde lagen – einen Schadenersatz in Höhe von 7 % des Kaufpreises für angemessen.
3.7. Demgegenüber entfernt sich der Klägervom festgestellten Sachverhalt, wenn er seiner Rechtsrüge zugrunde legt, das Erstgericht habe einen Minderwert von 50 % festgestellt und die geltend gemachten 27 % wären daher jedenfalls zuzusprechen gewesen. Auch ein sekundärer Feststellungsmangel (RMS 9) kann in diesem Zusammenhang nicht erfolgreich geltend gemacht werden, ist die Feststellungsgrundlage doch nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren, nicht jedoch, wenn zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen (RIS-Justiz RS0053317 [T1]).
Abgesehen davon ist das Fahrzeug nicht „tatsächlich von einer Betriebsuntersagung betroffen“ und vermag der Kläger in der Rechtsrüge auch nicht plausibel zu machen, weshalb das Risiko einer solchen 100 % betragen solle und „die Fahrzeugeigentümer“ daher einen um mindestens 50 % überhöhten Kaufpreis bezahlt hätten. Zudem hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach und ausdrücklich klargestellt, dass das theoretische Risiko eines Zulassungsentzugs bereits in die Bemessung des Schadenersatzes einfließt (4 Ob 90/24z Rz 9; 4 Ob 202/23v Rz 47; 4 Ob 204/23p Rz 56; 4 Ob 165/23b Rz 25; 8 Ob 66/23y Rz 19).
3.8. Den weiteren Rechtsmittelausführungen des Klägersist zuzugestehen, dass er sich in erster Instanz auch auf § 874 ABGB stützte. Ferner trifft zu, dass die Ermittlung der Schadenshöhe nach der relativen Berechnungsmethode erfolgt, wenn das Klagebegehren auf dieser Anspruchsgrundlage zu Recht bestehen sollte und der Getäuschte am Vertrag festhält (RIS-Justiz RS01134498 [T9, T17]; 10 Ob 13/24w Rz 44). Aus der Wiedergabe dieser Rechtsprechung (RMS 6-7) in seinem Rechtsmittel ist für den Kläger aber schon deshalb nichts gewonnen, weil er daraus bloß den Schluss ableitet, der Minderwert sei somit, wenn möglich, exakt festzustellen. Dies mag zutreffen, blendet aber aus, dass eine exakte Feststellung der Wertminderung – wie bereits dargestellt – hier gerade nicht vorliegt. Somit würde auch ein auf § 874 ABGB (und/oder § 1295 Abs 2 ABGB) gestützter Schadenersatz in Höhe von 25 % (oder mehr) des Kaufpreises keine Deckung in den Feststellungen finden (vgl 4 Ob 90/24z Rz 11).
Darüber hinaus übersieht die Rechtsrüge des Klägers zwei Aspekte: Zum einen stützte er sich in erster Instanz auf eine Berechnung nach objektiv-abstrakter Berechnungsmethode und zog diese (unter anderem) als Begründung dafür heran, weshalb unerheblich sei, dass er das Fahrzeug nachträglich veräußert habe (ON 7 S 26); noch in der Berufung argumentiert er mit dem „im Unionsrecht wurzelnden Schadenersatzanspruch“ und stellt damit ebenfalls auf eine objektiv-abstrakte Schadensberechnung ab (vgl RIS-Justiz RS0134498 [T12]). Zum anderen erstattete er zwar in erster Instanz Vorbringen zur behaupteten List (vgl ON 7 S 2 ff; ON 11 S 2 ff; ON 19 S 19 ff), diese weitwendigen und überwiegend allgemein gehaltenen, auch Fahrzeuge anderer Hersteller betreffenden Ausführungen beziehen sich aber nicht spezifisch auf das hier zu beurteilende Thermofenster (vgl dazu auch das Vorbringen des Klägers in ON 40 S 6 letzter Absatz, das betreffend Thermofenster List gerade nicht behauptet), sondern insbesondere auf die aus anderen Verfahren bekannte „Umschaltlogik“ (Prüfstanderkennung); eine solche Art der Abschalteinrichtung ist im hier in Rede stehenden Fahrzeug aber nicht verbaut. Auch aus diesem Blickwinkel gelingt es dem Kläger mit seiner Rechtsrüge somit weder darzulegen, dass dem Erstgericht eine unrichtige rechtliche Beurteilung unterlaufen wäre, noch dass ihm, das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 874 ABGB unterstellt, „der geltend gemachte Minderwert von 27 %“ jedenfalls zustünde.
4. Zum entschuldbaren Rechtsirrtum:
4.1. Die Beklagte verficht in ihrer Rechtsrüge den Standpunkt, sie habe dem KBA die Funktionsweise des Emissionskontrollsystems offengelegt, weshalb ihr nicht einmal ein fahrlässiger Verstoß gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen zum Vorwurf gemacht werden könne. Der Oberste Gerichtshof habe in vereinzelten Entscheidungen gefordert, die in zahlreichen Abgasverfahren beklagten Parteien hätten die „Ereignisse“ oder „Prüfschritte“ darlegen müssen, weshalb sie von der Zulässigkeit der Programmierung des Emissionskontrollsystems ausgegangen seien; dies sei hier geschehen. Das in diesem Zusammenhang geforderte „Ereignis“, das den Rechtsirrtum der Beklagten begründet habe, könne als eine „nach damaligen Maßstäben vertretbare Interpretation einer Unionsrechtsbestimmung“ beschrieben werden; mehr sei nicht zu fordern. Ihre für die Motorenentwicklung verantwortlichen Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass jedwedetemperaturabhängige Abschalteinrichtung zulässig sei, wenn und solange sie dem Schutz (unter anderem) des AGR-Systems diene. Darüber hinaus habe der Oberste Gerichtshof in seiner Leitentscheidung 10 Ob 27/23b eine sogenannte hypothetische Genehmigung als ausreichend angesehen. Die Herstellerin könne sich demzufolge entlasten, wenn die zuständige Behörde eine auf die jeweilige Abschalteinrichtung in ihrer konkreten Ausführung bezogene EG-Typgenehmigung bei entsprechender Nachfrage erteilt hätte. Das sei hier der Fall: Der konkrete Motortyp mit der konkret verwendeten Funktionsweise sei vom KBA mehrfach untersucht und unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht festgestellt worden. Hätten also die handelnden Personen innerhalb der Organisation der Beklagten das KBA um entsprechende Auskunft gebeten und/oder gegenüber diesem schon vor Erteilung der hier einschlägigen Typgenehmigung alle Funktionen offengelegt, dann hätte das KBA die im Fahrzeug verwendeten Funktionen ebenfalls nicht als unzulässig beurteilt.
Darüber hinaus führt die Beklagte in diesem Zusammenhang auch eine Mängelrüge aus: Hätte das Erstgericht den angebotenen Zeugen E* einvernommen, dann wäre ihr der Beweis gelungen, dass er und alle übrigen Mitarbeiter der verantwortlichen Abteilung „Fortentwicklung Dieselmotoren“ davon ausgegangen seien, dass das Thermofenster zum Schutz des Motors sowie zur Gewährleistung eines sicheren Fahrbetriebs notwendig und damit gemäß Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig sei. Der Zeuge hätte weiters aufzeigen können, dass die Funktions- und Wirkungsweise der Abgasrückführung gegenüber dem KBA vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt worden sei. Die zuständige Typengenehmigungsbehörde habe daher die konkrete Ausgestaltung und Wirkung des Thermofensters und sämtlicher anderen Funktionen des Emissionskontrollsystems gekannt, wodurch die Mitarbeiter der Beklagten in ihrer schon von Beginn an gefestigten Annahme, es liege ein ordnungsgemäßer Zustand vor, bekräftigt worden seien.
4.2.Grundsätzlich ist jedermann verpflichtet, sich Kenntnis von den ihn nach seinem Lebenskreis betreffenden Gesetzesvorschriften zu verschaffen. Die Verletzung dieser Pflicht führt im Allgemeinen dann zu einem Verschuldensvorwurf, wenn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Rechtskenntnis in zumutbarer Weise erlangt werden könnte (RIS-Justiz RS0013253). Die Unkenntnis verwaltungsrechtlicher Vorschriften begründet nach der Rechtsprechung dann ein Verschulden, wenn die im besonderen Fall gebotene Aufmerksamkeit außer Acht gelassen wurde (RIS-Justiz RS0008651) und der Rechtsirrtum daher subjektiv vorwerfbar ist.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der bewusste Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die dazu dienen soll, die Grenzwerte zur Erlangung der Typengenehmigung einzuhalten, ohne Vorliegen besonders rücksichtswürdiger Umstände gegen die Annahme eines Rechtsirrtums spricht (3 Ob 106/24w Rz 22; 3 Ob 121/23z Rz 23; 6 Ob 155/22w Rz 72). Die zugrunde liegenden unionsrechtlichen Anforderungen zur Erlangung der Typengenehmigung richten sich explizit an die Fahrzeughersteller und damit an einen spezifischen Fachkreis, von dem die Einhaltung besonders strenger Sorgfalts- und Prüfobliegenheiten zu fordern ist (3 Ob 106/24w Rz 23). Die Haftung der Fahrzeughersteller entfällt auch nicht schon deshalb, weil das KBA (oder eine andere Behörde) bei einem bestimmten Motortyp noch keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat (10 Ob 7/24p Rz 33; 6 Ob 154/23z Rz 12).
Die Beweislast für das fehlende Verschulden an der Schutzgesetzverletzung trifft die Beklagte (RIS-Justiz RS0112234 [T1]; 3 Ob 106/24w Rz 23; 3 Ob 121/23z Rz 23; 4 Ob 119/23p Rz 21).
4.3.Ein Rechtsirrtum ist nach der Rechtsprechung unter anderem dann nicht vorwerfbar, wenn eine zuständige Behörde demselben Rechtsirrtum unterlag und die Beteiligten auf die Richtigkeit der behördlichen Entscheidung vertrauen durften (RIS-Justiz RS0008651 [T9]; 10 Ob 27/23b Rz 34). Dafür ist vorausgesetzt, dass der Behörde vor ihrer Entscheidung der relevante Sachverhalt, hier die konkrete Abschalteinrichtung mit sämtlichen zur Beurteilung erforderlichen Parametern bekannt war, weil nur dann ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Entscheidung bestehen kann (10 Ob 27/23b Rz 34; 6 Ob 155/22w Rz 72).
Die „konkrete Abschalteinrichtung mit sämtlichen zur Beurteilung erforderlichen Parametern“ ist der Behörde dann bekannt, wenn diese die genaue Funktions- und Wirkungsweise einschließlich der Auswirkungen auf die Emissionen (vgl Art 3 Z 9 der VO 692/2008/EG der EK zur Durchführung und Änderung der VO 715/2007/EG über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen [Euro 5 und Euro 6] und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge) verlässlich beurteilen kann. Zu diesem Zweck muss die Behörde insbesondere auch wissen, ob und unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß die AGR-Rate vom konkreten Thermofenster nachteilig beeinflusst wird. Von einer solchen Kenntnis ist nicht auszugehen, wenn der Behörde nur allgemein bekanntgegeben wird, dass aufgrund der Reduktion der Abgasrückführung (AGR-Rate) eine Erhöhung der Emissionen zu erwarten ist, sie über das konkret zu erwartende Ausmaß aber im Unklaren gelassen wird und ihr keine Angaben zu den konkreten NOx-Werten zur Verfügung gestellt werden (3 Ob 106/24w Rz 25 ff; 3 Ob 184/24s Rz 15).
4.4. Dass die Beklagte dem KBA als zuständiger Behörde die konkrete Abschalteinrichtung, somit die Funktionsweise des Thermofensters, vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs nicht offengelegt hat, gestand sie bereits in erster Instanz implizit zu (vgl ON 20 S 46, S 51, S 55 und S 63). Sie stützte den behaupteten entschuldbaren Rechtsirrtum jedoch insbesondere auf eine hypothetische Genehmigung, auf die sie aus dem nachträglichen Verhalten der Behörde schloss (ON 39 S 9).
4.5.In der von der Beklagten in ihrem Rechtsmittel zitierten Entscheidung 10 Ob 27/23b wird zwar angedeutet, dass ein entschuldbarer Rechtsirrtum auch dann angenommen werden könnte, wenn die unrichtige Rechtsansicht der Beklagten von der Behörde – vor vollständiger Aufklärung des Sachverhalts – bei hypothetischer Einholung einer Auskunft geteilt worden wäre (vgl dazu BGH VIa ZR 335/21 Rz 65). Auch eine solche Beurteilung käme aber jedenfalls nur dann in Betracht, wenn der zuständigen Behörde der maßgebende Sachverhalt vollständig und wahrheitsgemäß bekanntgemacht worden wäre, wozu die Darlegung der genauen Funktions- und Wirkungsweise der konkreten Abschalteinrichtungen einschließlich der Auswirkungen auf die Emissionen gehörte (3 Ob 184/24s Rz 15; 3 Ob 106/24w Rz 31). Dies ist aber insbesondere in Bezug auf das konkret zu erwartende Ausmaß der Erhöhung der Emissionen und auf die konkreten NOx-Werte weder dem umfangreichen erstinstanzlichen Vorbringen – ein Verweis auf andere Verfahren oder in Schriftsätze eingefügte, nicht näher erläuterte technische Diagramme genügt nicht – noch dem Rechtsmittel zu entnehmen. Vielmehr zieht sich die Beklagte in der Berufung auf allgemeine Formulierungen zurück, die einen hinreichenden Zusammenhang zum konkreten Einfluss des Thermofensters auf die Emissionswerte vermissen lassen: sie habe dem KBA die Funktionsweise „des Emissionskontrollsystems“ (RMS 14) bzw „der Abgasrückführung“ (RMS 16-17) vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt; die zuständige Typgenehmigungsbehörde habe „die konkrete Ausgestaltung und Wirkung des Thermofensters und sämtlicher anderen Funktionen des Emissionskontrollsystems“ gekannt (RMS 17); der „konkrete Motortyp mit der konkret verwendeten Funktionsweise“ sei vom KBA mehrfach untersucht und unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht festgestellt worden (ebendort); die Implementierung von „Emissionsstrategien, die vom KBA nach mehrfachen ausführlichen Untersuchungen als zulässig angesehen werden“, vermöge den Vorwurf eines auch nur fahrlässigen Verhaltens nicht zu tragen (RMS 18).
Die erfolgreiche Geltendmachung eines entschuldbaren Rechtsirrtums scheitert daher bereits am Fehlen hinreichender Behauptungen der Beklagten in erster Instanz. Aufgrund der Allgemeinheit der diesbezüglichen Ausführungen vermag auch das Rechtsmittel nicht aufzuzeigen, weshalb die Voraussetzungen für einen entschuldbaren Rechtsirrtum infolge „hypothetischer Genehmigung“ erfüllt gewesen wären. Dass das Erstgericht zu diesem Themenkomplex keine Feststellungen traf, ist daher ohne Belang. Aus denselben Gründen ist eine Unterbrechung des Verfahrens im Hinblick auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 13.2.2025, 9 Ob 102/24a, durch das Berufungsgericht nicht angezeigt; die vom Landgericht Ravensburg (Deutschland) an den EuGH herangetragenen Vorlagefragen sind für die gegenständliche Entscheidung nicht von Relevanz.
4.6. Abgesehen davon vertritt das Berufungsgericht ohnedies die Auffassung, dass einer Fahrzeugherstellerin – die mit den entsprechenden Rechtsvorschriften vertraut sein muss (vgl oben Punkt 4.2.) – unabhängig von Entscheidungen des KBA klar sein muss, dass eine nur im Ausnahmefall zulässige Abschalteinrichtung nicht das ganze Jahr über oder den überwiegendes Teil des Jahres aktiv sein darf. Es liegt nämlich auf der Hand, dass eine Ausnahme nicht zur Regel verkehrt werden darf (so auch OLG Linz 4 R 29/24y; 3 R 57/24h). Nach Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, (grundsätzlich) unzulässig; dieses Verbot wird nur von drei Ausnahmen durchbrochen. Bereits vor dem Hintergrund dieser Ausgestaltung der unionsrechtlichen Normen ist die von der Beklagten im Rechtsmittel verfochtene Ansicht, ihre verantwortlichen Mitarbeiter hätten davon ausgehen dürfen, dass jedwedetemperaturabhängige Abschalteinrichtung – also auch ein Thermofenster mit einem wie hier äußerst engen Bereich von +17°C bis +33°C (vgl dazu das Thermofenster im vom Obersten Gerichtshof unterbrochenen Verfahren 9 Ob 102/24a: +12°C bis +39°C) – zulässig sei, wenn und solange sie dem Schutz (unter anderem) des AGR-Systems diene, als unvertretbar zu qualifizieren; allein deshalb kann sie sich nicht erfolgreich auf fehlendes Verschulden berufen.
4.7. Aus den dargestellten Erwägungen muss auch die Mängelrüge der Beklagten versagen:
Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049). Die gesetzmäßige Ausführung der Geltendmachung eines – wie hier – Stoffsammlungsmangels erfordert, dass der Rechtsmittelwerber in seiner Verfahrensrüge nachvollziehbar ausführt, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0043039 [insbes T4, T5]).
Hier macht die Beklagte geltend, sie hätte durch die Einvernahme des angebotenen, vom Erstgericht jedoch nicht vernommenen Zeugen zweierlei unter Beweis stellen können: 1. die Überzeugung ihrer verantwortlichen Personen, dass jedwede temperaturabhängige Abschalteinrichtung zulässig sei, wenn und solange sie dem Schutz (unter anderem) des AGR-Systems diene; 2. dass sie die Funktions- und Wirkungsweise der Abgasrückführung gegenüber dem KBA vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt habe, die zuständige Typengenehmigungsbehörde somit die konkrete Ausgestaltung und Wirkung des Thermofensters und sämtlicher anderen Funktionen des Emissionskontrollsystems gekannt habe. Wie bereits dargelegt stellt jedoch 1. eine unvertretbare Rechtsansicht dar und ist 2. angesichts mangelnder Konkretisierung (insbesondere Angaben zu den konkreten NOx-Werten) nicht ausreichend, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines entschuldbaren Rechtsirrtums unter Beweis zu stellen. Jene Sachverhaltsannahmen, die nach den Ausführungen in der Mängelrüge zu treffen gewesen wären, wenn der behauptete Verfahrensmangel nicht unterlaufen wäre, sind daher nicht geeignet, ein für die Beklagte günstigeres Ergebnis herbeizuführen, weshalb ihr die Darstellung der abstrakten Erheblichkeit der unterbliebenen Beweisaufnahme nicht gelingt.
5. Zu den Zinsen:
Soweit der Klägerseinen in erster Instanz verfochtenen Standpunkt, der Zinslauf beginne mit dem Zeitpunkt der Schadensentstehung, in seinem Rechtsmittel wiederholt, genügt ein Verweis auf die ständige Rechtsprechung, wonach (auch) ein Anspruch auf Schadenersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art 5 VO 715/2007/EG erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch Mahnung, Klage oder Klageerweiterung fällig wird, sodass Verzugszinsen auch erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden können (4 Ob 90/24z Rz 20; 9 Ob 18/24y Rz 22; 10 Ob 7/24p Rz 34; 1 Ob 12/24g Rz 44; 6 Ob 150/22k Rz 47). Auch mit dem Hinweis auf die Entscheidung des EuGH, C-295-298/04, Manfredi(Rz 97), ist für den Kläger nichts gewonnen: Anhaltspunkte dafür, dass der Effektivitätsgrundsatz einen Anspruch auf Zinsen aus dem zugesprochenen Schadenersatzbetrag ab dem Vertragsabschluss geböte, sind der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht zu entnehmen (4 Ob 90/24z Rz 21). Daher besteht auch kein Anlass für das angeregte Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.
6. Zusammenfassung, Kosten und Verfahrensrechtliches:
6.1. Der Kläger hat einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte von EUR 3.990,-- (7 % von EUR 57.000,--) samt 4 % Zinsen seit 10.11.2022. Der Zuspruch ist in teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten auf diese Höhe zu reduzieren. Der Berufung des Klägers ist hingegen keine Folge zu geben.
6.2.Die teilweise Abänderung des bekämpften Urteils bedingt eine Neufassung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung, die sich auf § 43 Abs 1 ZPO stützt.
Angesichts der vorgenommenen Klagsausdehnung sind zwei Phasen zu bilden: Die erste Phase mit einem Streitwert von EUR 15.500,-- erstreckt sich von der Klagseinbringung bis zum (exklusive) Schriftsatz des Klägers vom 22.12.2023 (ON 19), die anschließende zweite mit einem Streitwert von EUR 16.154,06 bis zum Schluss der Verhandlung. Der Abwehrerfolg der Beklagten entspricht einer Obsiegensquote von rund 74 % in der ersten und rund 75 % in der zweiten Phase. Diese ähnliche Erfolgsquote rechtfertigt die Annahme eines Durchschnittserfolgs der Beklagten von drei Vierteln (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4Rz 1.141 mwN aus der Rsp). Sie hat daher Anspruch auf Ersatz der Hälfte ihrer Vertretungskosten; Barauslagen im Sinn des § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO verzeichnete sie nicht. Dem Kläger steht demgegenüber ein Ausmaß von einem Viertel seiner Barauslagen zu.
Der Kläger erhob in erster Instanz keine Einwendungen im Sinn der § 54 Abs 1a ZPO gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten. Da diesem auch keine offenkundigen Unrichtigkeiten anhaften, konnte es der Kostenentscheidung zugrunde gelegt werden. Die Höhe des in Deutschland zu entrichtenden Umsatzsteuersatzes von 19 % ist allgemein bekannt und der dort ansässigen Beklagten daher zuzusprechen (RIS-Justiz RS0114955 [T10, T12]; 4 Ob 142/22v Rz 32).
Auch die – korrekte – Verzeichnung der Pauschalgebühr und der Sachverständigengebühren durch den Kläger blieb von der Beklagten unbeanstandet.
Somit berechnet sich der Kostenersatzanspruch der Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren insgesamt wie folgt:
Gesamt EUR 3.453,71
6.3.Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsverfahren stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1, 43 Abs 1 erster Fall ZPO.
Zumal das Rechtsmittel des Klägers erfolglos blieb, hat die Beklagte Anspruch auf Ersatz der rechtzeitig und tarifgemäß verzeichneten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung von EUR 1.446,52.
Mit ihrer eigenen Berufung ist die Beklagte bei einem Berufungsinteresse von EUR 8.550,-- mit EUR 4.560,-- durchgedrungen, was einem Obsiegen von rund 53 % und damit in etwa der Hälfte entspricht, sodass mit Kostenaufhebung vorzugehen ist. Der Kläger hat der Beklagten somit die Hälfte der Pauschalgebühr für ihre Berufung zu ersetzen; das sind EUR 609,50.
Nach Summierung der der Beklagten zustehenden Kostenersatzansprüche ergibt sich ein Gesamtbetrag von EUR 2.056,02.
6.4.Das Berufungsgericht konnte sich an der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs orientieren. Rechtsfragen, welche die von § 502 Abs 1 ZPO geforderte
Qualität erreichen, waren nicht zu beantworten. Somit ist auszusprechen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist (§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO).