JudikaturJustiz8Ob55/97i

8Ob55/97i – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus A*****, vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Marlene R*****, vertreten durch Dr.Siegfried Dillersberger, Dr.Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Duldung (Streitwert S 167.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 20.November 1996, GZ 3 R 197/96m-18, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.Mai 1996, GZ 18 Cg 221/95i-12, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 110.253,-- (darin S 14.400,50 USt, S 23.850,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte wohnte vor dem Jahr 1971 auf einer im Eigentum der Mutter der Streitteile stehenden Liegenschaft. Das Eigentumsrecht der Mutter war durch eine fideikommissarische Substitution zugunsten der Beklagten beschränkt. Im Zuge des Autobahnbaus wurde diese Liegenschaft enteignet und erhielt die Mutter einen Ablösebetrag von S 550.000,--. Die Beklagte zog darauf in das Haus ihrer Eltern, wo der Vater der Streitteile den Plan entwickelte, für die Beklagte auf einer ihm gehörenden Liegenschaft ein Haus zu bauen. Das Bauansuchen wurde im Namen der Beklagten gestellt und erklärte der Vater der Streitteile gegenüber der Behörde, das "erforderliche Grundstück" zur Verwirklichung der Baumaßnahme zur Verfügung zu stellen. Die Aufträge an die Professionisten wurden vom Vater der Streitteile erteilt, die finanzielle Abwicklung des Bauvorhabens lag in Händen der Mutter der Streitteile. Sie verwendete für die Finanzierung den ihr aus der Enteignung zugekommenen Ablösebetrag, einen Bausparbrief der von der Beklagten und ihrem Ehemann angespart worden war, einen Betrag von DM 10.000,-- und die vom Vater der Streitteile beigesteuerten Gelder. Insgesamt wurde für das Bauvorhaben ein Betrag zwischen S 1,5 Mio und S 1,6 Mio aufgewendet. Das Bauvorhaben wurde deswegen auf den Namen der Beklagten geführt, weil deren Vater anderenfalls befürchtete, das Finanzamt würde seine finanzielle Gebarung überprüfen. Anläßlich der Bauführung war für alle Familienmitglieder klar, daß der Bau vom Vater der Streitteile deshalb aufgeführt wurde, damit die Beklagte einerseits eine Erwerbsquelle aus der Vermietung von Fremdenzimmern und andererseits Wohnraum erhalte. Auch war allen Familienmitgliedern die Absicht des Vaters der Streitteile bekannt, die Liegenschaft zu einem späteren Zeitpunkt der Beklagten ins Eigentum zu übertragen.

Der Vater der Streitteile war jedoch in der Folge nicht bereit die Liegenschaft der Beklagten zu schenken und äußerte in diesem Zusammenhang häufig, sie werde "mit der Truhe" (gemeint: nach seinem Tod) übergeben. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens forderte der Vater der Streitteile die Beklagte auf, das Haus zu beziehen, pflockte das das Haus umgebende Grundstück aus und erklärte, die Beklagte möge bis zu der abgesteckten Grenze ihr Grundstück selbst mähen. In der Folge ließ der Vater der Streitteile entsprechend der von ihm vorgenommenen Auspflockung das Grundstück vermessen und von der übrigen Liegenschaft abtrennen. Der Vater der Streitteile verfaßte ein Testament, in welchem er sicherstellte, daß die Beklagte die Liegenschaft samt den darauf errichteten Haus als Eigentum erhalten solle. Dieses Testament hielt er jedoch in der Folge nicht aufrecht. Die Beklagte und ihr Ehemann finanzierten die gesamte Inneneinrichtung des Hauses und leisteten sämtliche anfallenden Zahlungen wie Betriebskosten und öffentliche Abgaben.

Im Jahre 1985 wurde über Betreiben der Mutter der Streitteile hinsichtlich der streitgegenständlichen Liegenschaft ein Entwurf für einen Schenkungs- und Übergabsvertrag an die Beklagte erstellt, dessen Unterfertigung der Vater der Streitteile jedoch verweigerte. In der Folge wurde die Ehe der Eltern der Streitteile geschieden. Im Aufteilungsverfahren übertrug der Vater die streitgegenständliche Liegenschaft in das Eigentum der Mutter der Streitteile. Zwischen der Beklagten und ihrer Mutter gab es sodann in den Jahren 1991 und 1992 wiederholt - erfolglose - Gespräche einerseits über die Sanierung des Hauses und andererseits über die Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum.

Nach dem Tod des Vaters der Streitteile erklärte der Kläger anläßlich des Totenmahles gegenüber der Beklagten, an deren Liegenschaft kein Interesse zu haben. Er sicherte zu, sich dafür verwenden zu wollen, daß die Mutter der Streitteile das Liegenschaftseigentum an die Beklagte übertrage. Seine diesbezüglichen Gespräche mit seiner Mutter blieben jedoch erfolglos.

Der Kläger war Alleinerbe nach seinem Vater; die Beklagte wurde auf den Pflichtteil gesetzt. Im Verlassenschaftsverfahren schlossen die Streitteile eine als "Pflichtteilsübereinkommen" bezeichnete Vereinbarung, wonach der Kläger der Beklagten in Abgeltung ihrer väterlichen Pflichtteilsansprüche einen Barbetrag von S 5 Mio in bestimmten Raten zu entrichten hatte. Der Kläger verpflichtete sich darüber hinaus für sich und seine Nachkommen über jederzeitige Aufforderungen seiner Mutter mit derselben einen notariellen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag abzuschließen. Zu dieser Verpflichtungserklärung kam es aufgrund einer entsprechenden Forderung der Beklagten, welche verlangte, daß der Kläger nach der Mutter der Streitteile nichts erhalten solle. Dies sicherte der Kläger zu. Der die Vereinbarung protokollierende Notar klärte die Streitteile darüber auf, daß für einen rechtsgültigen Vertrag die Mutter der Streitteile eingebunden werden müßte.

Der Mutter der Streitteile erschien der nach dem Pflichtteilsübereinkommen der Beklagten zukommende Betrag zu hoch. Da sie überdies ihrer Tochter nicht mehr gut gesonnen war, bot sie von sich aus dem Kläger an, ihm die streitgegenständliche Liegenschaft zu übergeben. Am 4.9.1995 schloß die Mutter der Streitteile mit dem Kläger hinsichtlich der strittigen Liegenschaft einen Übergabsvertrag, in welchem sie sich für die Eigentumsübertragung verschiedene Gegenleistungen, unter anderem ein Wohnrecht in dem auf der hier strittigen Liegenschaft errichteten Haus, versprechen ließ.

Der Übergabsvertrag enthält auch folgende Erklärung:

"Der Übernehmer weiß, daß .......... (die Beklagte) mit ihrer

Familie, das auf dem Grundstück Nr..... errichtete Haus

.............. bewohnt. Hiezu stellt die Übergeberin fest, daß

........... (der Vater der Streitteile), der Vorbesitzer an diesem

Hause, ..... (die Beklagte) mit ihrer Familie in dieses Haus

seinerzeit einziehen ließ, weil von ..... (Vater der Streitteile)

beabsichtigt war, dieses Haus im Rahmen einer späteren erbrechtlichen

Regelung seiner Tochter zu übertragen. Im Zuge der Ehescheidung wurde

jedoch dieses Haus im Rahmen der vermögensrechtlichen Aufteilung

lastenfrei der ...... (Mutter der Streitteile) übertragen und bewohnt

seither ..... (die Beklagte) dieses Haus mit Duldung ihrer Mutter

unentgeltlich. Es wird daher festgestellt, daß ein Mietverhältnis oder sonstiges Rechtsverhältnis zum Bewohnen nie begründet wurde."

Der Kläger setzte die Beklagte von der Verbücherung seines Eigentumsrechtes hinsichtlich der von ihr bewohnten Liegenschaft in Kenntnis und begehrte Zutritt zum Haus insbesondere um die Angemessenheit der Versicherungssumme zu überprüfen. Dies wurde ihm von der Beklagten verweigert.

Mit seiner am 30.10.1995 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm in Ausübung seines Eigentumsrechts unverzüglich das Betreten der Liegenschaft und des darauf errichteten Hauses einschließlich aller Räume, die in der Nutzung bzw Benützung der Beklagten stehenden Räume jedoch nur zu einer üblichen Tageszeit und in Gegenwart der Beklagten oder eines deren erwachsener Familienangehöriger, zu dulden. Die Beklagte behaupte zu Unrecht, Eigentümerin der Liegenschaft zu sein. Es sei auch nie das Recht des Fruchtgenusses eingeräumt worden. Ob und aus welchem sonstigen Rechtsgrund der Beklagten eine Nutzung der Liegenschaft zustehe, könne ungeprüft bleiben, weil sie keinesfalls berechtigt sei, dem Kläger als Eigentümer das begehrte Betreten seiner Liegenschaft zu verwehren. Es sei zwar richtig, daß der Vater der Streitteile die Absicht gehabt habe, der Beklagten nach seinem Tod das Eigentum an der strittigen Liegenschaft zuzuwenden, doch habe er schließlich anläßlich seiner Scheidung anderweitig verfügt. Auf den Entschluß der Mutter den im Pflichtteilsübereinkommen vorgesehenen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag mit dem Kläger nicht abzuschließen habe er ebensowenig Einfluß genommen wie auf deren Entscheidung die strittige Liegenschaft in sein Eigentum zu übertragen.

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß sie in Wahrheit Eigentümerin des Grundstückes sei. Ihr Vater habe ihr die Liegenschaft zur Bauführung überlassen und habe sie das Haus errichtet, weshalb sie durch Bauführung Eigentümerin des Grundes geworden sei. Ihr Vater habe ihr die Liegenschaft geschenkt und zur ausschließlichen Nutzung überlassen, wobei er wiederholt erklärt habe, daß die Beklagte spätestens mit seinem Tod auch das bücherliche Eigentum erhalten solle. In der Familie habe unter Einschluß des Klägers stets Einvernehmen darüber geherrscht, daß die Liegenschaft der Beklagten gehöre und nach dem Tod des Vaters in ihr bücherliches Eigentum falle. Im allseitigen Einvernehmen sei das auf der Liegenschaft errichtete Haus seit dessen Fertigstellung ausschließlich von der Beklagten für Wohn- und gewerbliche Zwecke genutzt worden. Auch nachdem die Mutter der Streitteile im Aufteilungsverfahren die Liegenschaft erhalten habe, habe sie erklärt, daß diese der Beklagten zustehe. Anlaß hiefür sei auch der Umstand gewesen, daß eine für eine Liegenschaft der Mutter erzielte Ablöse, welche aufgrund verfügter Nacherbschaft der Beklagten zugestanden wäre, für den Hausbau verwendet worden sei. Auch dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Pflichtteilsübereinkommen sei unterstellt worden, daß die Liegenschaft der Beklagten zustehe und ihr jedenfalls nach dem Tod der Mutter zufallen solle. In sittenwidrigem Zusammenwirken zwischen dem Kläger und der Mutter der Streitteile sei schließlich jedoch jener Übergabsvertrag geschlossen worden, welcher zum nunmehrigen Grundbuchsstand geführt habe. Aufgrund seiner rechtswidrigen Vorgangsweise sei der Kläger jedoch nicht rechtswirksam Eigentümer der Liegenschaft geworden, sodaß er sich nicht mit Erfolg auf das zu seinen Gunsten einverleibte Eigentumsrecht berufen könne. Er sei auch als Rechtsnachfolger seines Vaters verpflichtet, in Erfüllung der ursprünglichen Vereinbarung der Beklagten das Eigentumsrecht zu verschaffen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Beklagte weder durch Bauführung im Sinne des § 418 ABGB noch durch Schenkung Eigentum an der strittigen Liegenschaft erworben habe. Auch die Tatsache, daß der Erlös aus einer mit fideikommissarischer Substitution zugunsten der Beklagten belasteten Liegenschaft für den Hausbau verwendet worden sei, könne ein Eigentumsrecht der Beklagten nicht begründen, weil diese Belastung im Einvernehmen zwischen Vor- und Nacherben aufgehoben worden sei. Die im Pflichtteilsübereinkommen abgegebene Zusage des Klägers, mit seiner Mutter einen Erb- und Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren, mache den sodann geschlossenen Übergabsvertrag hinsichtlich der strittigen Liegenschaft nicht treuwidrig oder gegen die guten Sitten verstoßend, weil die Initiative zur Übereignung der Liegenschaft nicht vom Kläger, sondern von dessen Mutter ausgegangen sei. Die Beklagte sei daher schuldig, dem Kläger das Betreten der Liegenschaft als Ausfluß seines Eigentumsrechts zu gestatten.

In der mündlichen Berufungsverhandlung erörterte der Vorsitzende mit den Parteienvertretern, daß nach Meinung des Senates das Klagebegehren in der vorliegenden Form nicht exequierbar sei. Daraufhin formulierte der Klagevertreter das Klagebegehren dahin, daß die Beklagte schuldig sei, dem Kläger in Ausübung dessen Eigentumsrechtes unverzüglich das Betreten der Liegenschaft und des darauf errichteten Hauses einschließlich aller Räume, die in Nutzung der Beklagten stehenden Räume jedoch nur werktags zwischen 8.00 und 12.00 Uhr, höchstens einmal im Kalendermonat und in Gegenwart der Beklagten oder eines der erwachsenen Familienangehörigen, zu dulden.

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte das Berufungsgericht im Punkt I., das Ersturteil im Umfang der vom Kläger in der Berufungsverhandlung vorgenommenen Einschränkung des Klagebegehrens gemäß § 483 Abs 3 ZPO für unwirksam und gab im Punkt II. der Berufung hinsichtlich des strittig verbliebenen Teiles des Klagebegehrens keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen folgerte es rechtlich, daß die Beklagte ihr behauptetes Eigentumsrecht weder auf § 418 ABGB stützen könne, weil nach den Feststellungen nicht sie, sondern ihr Vater Bauführer gewesen sei, noch auf Vertrag, weil ihr Vater einen entsprechenden Schenkungswillen nicht gehabt habe. Eine Überprüfung der Wirksamkeit des Pflichtteilsübereinkommens sei in diesem Rechtsstreit ebenso entbehrlich wie die Beurteilung des von der Beklagten in einem anderen Verfahren erhobenen Herausgabeanspruches. Selbst bei Unterstellung eines treuwidrigen Verstoßes des Klägers gegen eine von ihm übernommene Verpflichtung wäre im Hinblick auf das dem Kläger derzeit zukommende bücherliche Eigentumsrecht kein anderer Ausgang der Streitsache zu erwarten. Der Beklagten sei insoweit zuzustimmen, als aus der Überlassung der Liegenschaft samt dem darauf errichteten Haus an sie zur ausschließlichen Nutzung ein allenfalls schlüssig vereinbartes Fruchtgenußrecht abgeleitet werden könnte. Auch dieser Streitpunkt sei nicht abschließend zu erledigen, weil der Kläger mit dem - eingeschränkten - Klagebegehren jedenfalls auch bei Unterstellung eines zugunsten der Beklagten bestehenden Fruchtgenußrechtes durchdringen könnte. Auch ein Fruchtgenußberechtigter dürfte nämlich dem Kläger als bücherlichen Eigentümer in sinngemäßer Anwendung des letzten Halbsatzes des § 522 ABGB die nötige Aufsicht über seine Liegenschaft nicht erschweren.

Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (vgl hiezu JBl 1992, 724) liegt ebensowenig vor wie die behauptete Aktenwidrigkeit (§ 510 Abs 3 ZPO).

Wie noch darzustellen sein wird, muß bei rechtlicher Beurteilung des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltes auf die Einwendungen der Beklagten, sie sei durch Bauführung oder Schenkungsvertrag Eigentümerin geworden bzw die Eigentumsübertragung an den Kläger sei treuwidrig erfolgt, nicht näher eingegangen werden. Es reicht vielmehr aus die Natur des hier unbestrittenen Rechtes der Beklagten zur Nutzung der Liegenschaft samt dem darauf errichteten Haus zu untersuchen:

Familienrechtliche Wohnverhältnisse sind durch das Fehlen einer vertraglichen Bindung gekennzeichnet, haben ihren Grund nur in familienrechtlichen Ansprüchen (Unterhalt, Anspruch des Ehegatten nach § 97 ABGB) und sind daher beim Erlöschen dieser Ansprüche vom über die Wohnung Verfügungsberechtigten jederzeit beendbar (MietSlg 40.032; SZ 50/141; JBl 1996, 106). Durch Vertrag kann aber auch unter Familienangehörigen ein Wohnungsgebrauchsrecht begründet werden. Dazu ist Einigung über den Vertragsinhalt und Erklärung des Abschlußwillens erforderlich. Unter Familienangehörigen wird nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt, wie das im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist. Bindungsabsicht ist unter Familienangehörigen umso eher anzunehmen, wenn ein Konnex zu einer früheren Unterhaltsschuld fehlt. Das Fehlen einer Vereinbarung über die Leistung eines Entgelts steht der Annahme eines Benützungsverhältnisses nicht entgegen, sofern eine vertragliche Bindung vorliegt (MietSlg 40.032; JBl 1996, 106). Ein solches Wohnungsrecht kann auch stillschweigend begründet und mit nur obligatorischer Wirkung vereinbart werden (MietSlg 38.036).

Die in § 521 ABGB geregelte Dienstbarkeit der Wohnung unterliegt entweder den Grundsätzen des Gebrauchsrechts (§§ 504 ff ABGB) oder ist den Regeln der Fruchtnießung (§§ 509 ff ABGB) zu unterstellen. Das Wohnungsgebrauchsrecht gewährt dessen Inhaber die Befugnis die Wohnräume im Rahmen seiner Bedürfnisse zu benützen; eine Übertragung des Rechts seiner Ausübung nach scheidet aus. Dagegen darf der Wohnungsfruchtnießer alle bewohnbaren Teile des Hauses - auch wenn diese sein Bedürfnis übersteigen - ohne alle Einschränkung genießen und sein Recht auch anderen überlassen. Welche Art des Wohnungsrechts im Einzelfall vorliegt ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels. Als Fruchtnießung wird das Wohnungsrecht im Zweifel dann angesehen, wenn es ein selbständiges Gebäude zum Gegenstand hat (SZ 57/155; SZ 60/86; 1 Ob 533/95). In Verbindung mit dem bewohnbaren Teilen eines Gebäudes kann auch ein Hausgarten - jedenfalls auf Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung - Gegenstand eines Wohnungsrechtes sein (RZ 1977/111; 1 Ob 533/95). Sowohl Wohnungsgebrauchs- als auch Wohnungsfruchtgenußrecht können auch bloß obligatorisch eingeräumt werden (SZ 50/141; SZ 57/155; 4 Ob 554/95).

Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kann das Vorliegen eines bloß im Familienrecht begründeten Benützungsverhältnisses zweifelsfrei ausgeschlossen werden, weil einerseits das Vorliegen eines familienrechtlichen Anspruches nicht ersichtlich ist und andererseits nicht einmal vom Kläger bestritten wird, daß der Beklagten die Liegenschaft samt dem darauf errichteten Haus dauernd für Wohn- und Erwerbszwecke zur Verfügung stehen sollte. Der Umstand, daß für den Hausbau in nicht unerheblichem Maße auch Mittel der Beklagten verwendet wurden, sowie daß der Vater der Streitteile die der Beklagten zugedachte Liegenschaft genau abgrenzte und ihr zur Bearbeitung zuwies, indiziert des weiteren mit großer Deutlichkeit, daß beide Parteien vom Vorliegen einer vertraglichen nicht beliebig widerrufbaren Bindung ausgingen. Daß diese vertragliche Grundlage lediglich ein Wohnungsgebrauchsrecht umfassen sollte, kann nicht unterstellt werden, weil einerseits - wie bereits dargestellt - bei Benutzung eines ganzen Hauses im Zweifel Fruchtgenuß anzunehmen ist und andererseits der Beklagten Liegenschaft und Haus nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zur gewerblichen Nutzung durch Zimmervermietung, somit zur Gebrauchsüberlassung an Dritte, übergeben wurde. Es ist daher davon auszugehen, daß der Beklagten der Fruchtgenuß an der strittigen Liegenschaft samt Haus zusteht, wobei sich dieser auch auf die unverbauten Grundstücksteile bezieht, wie sich nicht zuletzt aus dem bereits dargestellten Verhalten des Vaters der Streitteile ergibt. Es muß hier nicht untersucht werden, ob dieses Fruchtgenußrecht als dinglich oder bloß obligatorisch anzusehen ist, weil es der Kläger jedenfalls gegen sich gelten lassen muß. Abgesehen von der Offenkundigkeit des der Beklagten zustehenden Wohnungsrechtes (vgl hiezu die von der älteren Judikatur abgehende Entscheidung SZ 68/194), ist völlig unstrittig, daß dem Kläger das Recht der Beklagten an Haus und Liegenschaft im vollen Umfang bekannt war und muß daher nicht noch zusätzlich untersucht werden, ob er dieses nicht ohnedies durch sein gesamtes Verhalten, insbesondere seine Äußerungen anläßlich der Beerdigung des Vaters der Streitteile ausdrücklich anerkannt hat. Es ist auch entbehrlich darauf näher einzugehen, daß Abweichungen von der Natur der Servitut gemäß § 479 ABGB nicht vermutet werden, sondern von dem zu beweisen sind, der sie behauptet (4 Ob 545/95).

Gemäß § 522 ABGB behält der Eigentümer in jedem Falle das Recht über

alle Teile des Hauses die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören zu

verfügen; auch darf ihm die nötige Aufsicht über sein Haus nicht

erschwert werden. Der Oberste Gerichtshof hat zu diesem Problemkreis

in seiner Entscheidung 1 Ob 533/95 dahin Stellung genommen, daß von

dem in dieser Gesetzesstelle normierten Aufsichtsrecht des

Eigentümers nur im Rahmen des notwendigen Ausmaßes Gebrauch gemacht

werden darf. Aus § 484 ABGB folge, daß sich der

Dienstbarkeitsberechtigte jene Einschränkungen des Belasteten

gefallen lassen müsse, welche die Ausübung der Dienstbarkeit weder

ernstlich erschweren noch gefährden. Die dort begehrte Ausfolgung von

Schlüsseln zur Liegenschaft sei auch im Rahmen des § 484 ABGB nicht

zu rechtfertigen, könnte doch in diesem Fall der Eigentümer sich

jederzeit Zutritt zur Liegenschaft verschaffen und dadurch störend in

das Wohnungsrecht eingreifen. Zu § 1096 ABGB und dem vergleichbaren §

8 Abs 2 MRG wurde ausgesprochen, daß der Eigentümer nicht berechtigt sei die Liegenschaft jederzeit nach seinem Belieben zu betreten (EvBl 1961/223) und daß das Zutrittsrecht nur im Interesse der Erhaltung der Wohnung und der Aufsicht ausgeübt werden dürfe, wobei eine Interessenabwägung vorzunehmen sei (MietSlg 20.138; MietSlg 26.102; MietSlg 29.158; Würth in Rummel ABGB2 § 8 MRG RdZ 3; aaO § 1098 RdZ 10). Auch andere überwiegende Interessen des Vermieters können diesen berechtigen den Zutritt in einer dem Mieter zumutbaren Weise zu fordern, so etwa die Besichtigung der Liegenschaft durch Kauflustige (EvBl 1961/223). Der Mieter hat auch dafür zu sorgen, daß das Vermietobjekt zur Vorbereitung und Durchführung notwendiger Arbeiter vom Vermieter und dessen Handwerkern betreten werden kann.

Der dargestellten Judikatur ist als Substrat zu entnehmen, daß der Eigentümer nicht beliebig und grundlos die mit einem Bestandrecht oder Wohnungsrecht belastete Liegenschaft betreten darf, sondern jeweils im Einzelfall nach entsprechender Interessenabwägung geprüft werden muß, ob eine Duldungspflicht des aus einem der genannten Rechtstitel berechtigten Benützers der Liegenschaft besteht.

Auch das in der Berufungsverhandlung modifizierte Klagebegehren stellt nicht auf eine derartige aus dem Einzelfall abzuleitende Notwendigkeit des Betretens der Liegenschaft ab, sondern hat offenkundig zum Ziel, unabhängig von bestehender Notwendigkeit und gebotener Schonung des Berechtigten, zumindest einmal monatlich die von der Beklagten genutzten Räumen in deren Gegenwart betreten zu können und darüber hinaus die sonstigen Teile der Liegenschaft beliebig oft und ohne zeitliche Beschränkung. Das Fruchtgenußrecht der Beklagten bezieht sich aber nicht nur auf die von ihr genutzten Räume, sondern auf das gesamte Haus und die gesamte dieses umgebende Liegenschaft. Wie bereits in der schon zitierten Entscheidung 1 Ob 533/95 ausgesprochen, würde die Gegenstand des begehrten Titels bildende Möglichkeit, das das Haus umgebende Grundstück jederzeit beliebig zu betreten einen schweren unzumutbaren Eingriff in die Rechte der Beklagten darstellen. Dies gilt ebenso für die unter der dargestellten zeitlichen Einschränkung begehrte Verpflichtung der Beklagten, das Betreten der von ihr benützten Räume zu dulden, weil auch dadurch willkürlich ohne erkennbaren Grund - schon aus der Formulierung des Klagebegehren ergibt sich, daß es dem Kläger losgelöst von den dargestellten Erfordernissen lediglich um die Dokumentierung seines Eigentumsrechtes geht - in das umfassende und ausschließliche Benützungsrecht der Beklagten eingegriffen würde.

Im Vergleich zu der nach dem Gesetz bestehenden Pflicht der Beklagten bei im Einzelfall gegebener Notwendigkeit nach entsprechender Vorankündigung das Betreten der Liegenschaft zu dulden, ist das nicht darauf, sondern teils auf jederzeitige und teils auf regelmäßig wiederkehrende Duldung gerichtete Klagebegehren ein aliud, weshalb es zur Gänze der Abweisung verfallen mußte. Daran vermag auch die in der Revisionsbeantwortung erstmalig aufgestellte Behauptung unrichtiger Protokollierung des in der Berufungsverhandlung modifizierten Klagebegehrens nichts zu ändern, weil auch die nunmehr vorgetragene Formulierung den dargestellten rechtlichen Überlegungen nicht Rechnung trägt. Es erübrigt sich daher, den Akt zur Entscheidung über den Berichtigungsantrag an das Gericht zweiter Instanz zurückzustellen.

Der Revision ist daher Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Rechtssätze
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