JudikaturJustiz2Ob141/07k

2Ob141/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walther W*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Rade P*****, und 2. Dragica V*****, beide vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 3.500 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Mai 2007, GZ 35 R 126/07z-33, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 14. Juli 2006, GZ 11 C 1899/05y-14, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 14. 7. 2006 gab das Erstgericht dem auf Zahlung von EUR 3.500 sA gerichteten Klagebegehren statt. Das Urteil wurde am 20. 7. 2006 dem im erstinstanzlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter der Beklagten einschreitenden Rechtsanwalt zugestellt.

Am 20. 9. 2006 langte beim Erstgericht ein durch diesen Rechtsanwalt mittels Telefax eingebrachter Antrag der Beklagten ein, ihnen die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu bewilligen. Das Erstgericht forderte hierauf die Beklagten mit Beschluss vom 9. 10. 2006 zur Verbesserung des Antrages durch 1. Beifügung einer Originalunterschrift, 2. ergänzende Angaben zum begehrten Umfang der Verfahrenshilfe, insbesondere ob auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt wird, und 3. Vorlage des Vermögensbekenntnisses samt Belegen auf. Hiefür setzte es eine Frist bis zum 20. 10. 2006, binnen der die verbesserte Eingabe eingelangt sein müsse. Der Verbesserungsauftrag wurde dem Vertreter der Beklagten samt dem Original der Telefaxeingabe und den Formularen für das Vermögensbekenntnis am 13. 10. 2006 zugestellt. Der Vertreter der Beklagten übersandte die durch Unterfertigung, Beifügung der Vermögensbekenntnisse der Beklagten und die Erklärung, zur Übernahme des Amtes eines Verfahrenshelfers bereit zu sein, verbesserte Eingabe am 24. 10. 2006 an das Erstgericht, wo sie am 27. 10. 2006 einlangte. Mit Beschluss vom 7. 11. 2006 erteilte das Erstgericht den Beklagten den weiteren Auftrag, die Vermögensbekenntnisse durch Anschluss von Belegen binnen zwei Wochen zu verbessern. Diesem Auftrag, der ihm am 23. 11. 2006 zugestellt wurde, kam der Vertreter der Beklagten fristgerecht nach (Postaufgabe am 6. 12. 2006).

Mit Beschlüssen vom 12. 12. 2006 bewilligte das Erstgericht beiden Beklagten die Verfahrenshilfe in vollem Umfang, somit einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes. Aufgrund dieser Beschlüsse wurde vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer der bisherige Prozessbevollmächtigte zum Verfahrenshelfer der Beklagten bestellt. Die Bestellungsbescheide wurden ihm am 12. 1. 2007 zugestellt. Am 9. 2. 2007 gab er die namens der Beklagten erhobene Berufung zur Post. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung als verspätet zurück. Der Beklagtenvertreter habe dem Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes erst am 24. 10. 2006, somit nach dem Ende der am 20. 10. 2006 abgelaufenen Verbesserungsfrist entsprochen. Der Verfahrenshilfeantrag der Beklagten erweise sich daher erst mit 24. 10. 2006 als wirksam gestellt. Er bewirke selbst dann nicht mehr die Unterbrechung der Rechtsmittelfrist, wenn den Beklagten dennoch die Verfahrenshilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigegeben werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (RIS-Justiz RS0042770, RS0098745); er ist auch berechtigt. Vorauszuschicken ist, dass die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufung als reine Verfahrensfrage anhand der Aktenlage vorzunehmen ist, sodass im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung trotz der Bedenken Zechners (in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 75 f und § 521a ZPO Rz 14) von der Einseitigkeit des Rekurses auszugehen ist (vgl 2 Ob 201/05f; 2 Ob 31/06g; 2 Ob 148/06p; RIS-Justiz RS0098745). Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht wäre an die Rechtskraft der die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschlüsse gebunden gewesen. Die Berufungsfrist habe daher erst mit der Zustellung der Bestellungsbescheide und der Urteilsausfertigung an den ihnen beigegebenen Rechtsanwalt zu laufen begonnen.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 464 Abs 3 ZPO beginnt für eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei, die innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes abgewiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses.

Nach dem Schutzzweck dieser Bestimmung kommt der Partei die durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes bewirkte Unterbrechung der Berufungsfrist auch dann zustatten, wenn sie - wie hier die Beklagten - bei Stellung des Verfahrenshilfeantrages noch durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten ist (3 Ob 551/89; 4 Ob 51/97x; 5 Ob 105/99y; RIS-Justiz RS0041652 [T3]; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 464 Rz 4; Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 464 ZPO Rz 16).

Eingaben mittels Telefax sind in analoger Anwendung des § 89 Abs 3 GOG iVm § 60 GeO zulässig und fristenwahrend, wenn sie durch Beibringung einer gleichlautenden und mit eigenhändiger Unterschrift des Einschreiters versehenen Ablichtung verbessert werden, weil die auf dem Telefax aufscheinende fernkopierte Unterschrift dem § 75 Z 3 ZPO nicht entspricht. Im Fehlen der Unterschrift liegt ein Formgebrechen, das durch Verbesserung zu beseitigen ist, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Verbesserung aus eigenem Antrieb der Partei (durch Nachreichung eines Bestätigungsschriftsatzes innerhalb angemessener Frist) oder aufgrund eines gerichtlichen Auftrages erfolgt (vgl 5 Ob 288/01s; 1 Ob 153/02k = SZ 2003/27; RIS-Justiz RS0006955 [T5]; G. Kodek in Fasching/Konecny² II/2 §§ 84, 85 ZPO Rz 85). Im Falle der Erteilung eines Verbesserungsauftrages zur Behebung des Formgebrechens ist eine Frist zu setzen (G. Kodek aaO). Handelt es sich um eine fristgebundene Eingabe, so muss die Verbesserungsfrist eingehalten werden, damit die Eingabe als am Tag ihres ersten Einlangens überreicht anzusehen ist (§ 85 Abs 2 Satz 1 ZPO; G. Kodek aaO Rz 220). Diese Grundsätze gelten auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - während einer laufenden Rechtsmittelfrist mittels Telefax die Verfahrenshilfe „im vollen Umfang", demnach einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt wird (vgl 7 Ob 135/06p).

Das Erstgericht hat den Beklagten zutreffend einen befristeten Verbesserungsauftrag erteilt, der auf die Behebung sowohl des Formgebrechens als auch von Inhaltsmängeln gerichtet war. Da der Formmangel innerhalb der (ersten) Verbesserungsfrist nicht behoben wurde, wäre der verspätet wieder vorgelegte Verfahrenshilfeantrag richtigerweise zurückzuweisen gewesen; die formungültige Eingabe hätte keine Unterbrechung der Berufungsfrist bewirkt (7 Ob 135/06p; vgl auch G. Kodek aaO Rz 223; anders, wenn nur die fristgerechte Verbesserung durch Anschluss des Vermögensbekenntnisses unterblieben wäre: 3 Ob 130/05x = JBl 2006, 50). An dieser Rechtsfolge hätte auch ein in diesem Verfahrensstadium gefasster Beschluss auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes nichts zu ändern vermocht (vgl 10 ObS 140/91; 10 Ob 58/03g; 7 Ob 135/06p; RIS-Justiz RS0036235 [T6]).

Das Erstgericht hat jedoch den Beklagten, was in der angefochtenen Entscheidung unberücksichtigt blieb, nach der verspäteten Wiedervorlage ihres Verfahrenshilfeantrages einen abermaligen Verbesserungsauftrag unter Setzung einer weiteren Frist erteilt. Nach herrschender Rechtsprechung darf ein zur Verbesserung zurückgestellter Schriftsatz aber nicht mehr wegen Verspätung zurückgewiesen werden, wenn eine (gesetzwidrig) erteilte weitere Frist eingehalten wird (3 Ob 89/86; 3 Ob 82/97y; 4 Ob 29/99i; 3 Ob 160/01b; RIS-Justiz RS0036251); es ist auf den letztlich verbesserten Schriftsatz Bedacht zu nehmen (G. Kodek aaO Rz 293 mwN; Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ §§ 84 - 85 Rz 21 aE; je mwN).

Für die Beurteilung der Unterbrechungswirkung eines wegen eines Formgebrechens verbesserungsbedürftigen Antrages auf Beigebung eines Rechtsanwaltes bedeutet dies: Wird der beanstandete Formmangel bis zum Ablauf der weiteren Verbesserungsfrist behoben, so ist der Antrag im Sinne des § 85 Abs 2 Satz 1 ZPO als am Tag seines ersten Einlangens überreicht anzusehen. Da dies hier geschehen ist, wurde der Verfahrenshilfeantrag innerhalb der Berufungsfrist gestellt und diese gemäß § 464 Abs 3 ZPO mit der Zustellung der Bestellungsbescheide an den Verfahrenshelfer (die Urteilsausfertigung war ihm noch in seiner Eigenschaft als Prozessbevollmächtigter zugestellt worden) neu in Gang gesetzt.

Da die Berufung demnach nicht verspätet ist, war dem im Ergebnis berechtigten Rekurs Folge zu geben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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