16R105/24i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geb. am **, **, vertreten durch Mag. Jürgen Payer Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei C* D* , **, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 19.470,-- sA und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,--; Gesamtstreitwert: EUR 24.470,--), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Mai 2024, **-37, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.613,72 (darin EUR 435,62 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,--, nicht aber EUR 30.000,--.
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Die Klägerin unterzog sich am 14.10.2021 im Krankenhaus D*, einer von der Beklagten betriebenen Krankenanstalt, einer Radiofrequenzbehandlung zur Behandlung ihrer Krampfadern.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten EUR 19.470,-- Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Schäden aus der nicht nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft durchgeführten Radiofrequenzbehandlung vom 14.10.2021. Im Zuge des Eingriffs habe die Operateurin einen Behandlungsfehler begangen, indem sie die Vene unter zu großer Wärmelast oder zu hohem Druck behandelt und dabei einen Nerv geschädigt habe. Dadurch habe sie ihr rechtes Bein nicht mehr heben bzw. belasten können und leide an anhaltend starken Schmerzen und Empfindungsstörungen. Als sich trotz Einnahme zahlreicher Medikamente die Beschwerden nicht gebessert hätten, habe sich die Klägerin an die Krankenanstalt gewandt und sei dort zur therapeutischen Behandlung für eine Dauer von einem Monat erneut stationär aufgenommen worden. Letztlich sei am 14.2.2021 im Krankenhaus E* ein Folgeeingriff und eine Nervenrekonstruktion durchgeführt worden, der aber auch keine Besserung der Beschwerden gebracht habe. Die Klägerin leide bis heute an Schmerzen und Empfindungsstörungen im rechten Bein. Sie sei auch nicht über das Risiko eines Nervenschadens aufgeklärt worden. Vielmehr sei ihr im Aufklärungsgespräch mitgeteilt worden, dass es sich um einen Routineeingriff handle und sie danach beschwerdefrei sein werde. Nur im Vertrauen darauf habe sie dem Eingriff zugestimmt. In Kenntnis der wahren Folgen und Gefahren hätte sie sich dem Eingriff keinesfalls unterzogen. Es liege daher nicht nur ein Behandlungs-, sondern auch ein Aufklärungsfehler vor. Bei den Gesprächen vor dem Eingriff seien keine persischsprachigen Personen außer der Klägerin und ihrem Ehegatten anwesend gewesen und kein Dolmetscher beigezogen worden, welcher der Klägerin verständlich die schwierigen Inhalte der Aufklärungsbögen zur Kenntnis gebracht hätte.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, weder einen Behandlungs- noch einen Aufklärungsfehler begangen zu haben. Die behandelnde Oberärztin und Operateurin Dr. F* habe die Klägerin vor dem Eingriff umfassend aufgeklärt; die Klägerin habe in Kenntnis der Risiken eingewilligt. Auch bei noch umfassenderer Aufklärung hätte sie in die Operation eingewilligt. Da die Klägerin nicht ausreichend Deutsch gesprochen habe, seien Kollegen zur Übersetzung in die Sprache Farsi beigezogen worden. Die Klägerin sei im Beisein ihres Mannes am 27.9.2021 auch über die unterschiedlichen Formen und Risiken von unterschiedlichen Anästhesieverfahren aufgeklärt worden. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass es zu schwerwiegenden Verletzungen, unter anderem auch an Nerven kommen könne. Die Klägerin habe in Kenntnis dieser Risiken in die Anästhesie eingewilligt. Da Symptome eines motorischen Nervenausfalls des Nervus peroneus am operierten rechten Bein am Tag nach der Operation aufgefallen seien, sei am 15.10.2021 mit einer Therapie begonnen worden. Das am selben Tag durchgeführte MR habe gezeigt, dass der Nerv durchgehend vorhanden, also nicht durchtrennt sei und lediglich ein geringes Ödem im Nervenverlauf vorliege. Die Klägerin habe die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung nicht mehr abwarten wollen und sei auf ihren eigenen Wunsch mit einer Peroneus-Schiene und einer Verordnung einer Nervenstimulette entlassen worden. Ihr sei mehrfach erklärt worden, dass eine rasche und strikt durchgeführte physiologische Reha-Behandlung für die Regeneration des Nervs wichtig sei. Aufgrund schlechter Compliance der Klägerin treffe sie jedenfalls ein Mitverschulden; die Schmerzen der Klägerin wären nicht aufgetreten, hätte sie diese Anweisungen befolgt. Als die Klägerin am 3.11.2021 postoperativ erstmals wieder in der Ambulanz vorstellig geworden sei, habe sie über ein unverändertes Zustandsbild geklagt. Die vorgesehene Nervenleitgeschwindigkeitsmessung im niedergelassenen Bereich sei weder durchgeführt noch die Stimulette bezogen worden. Sie habe auch keine Physiotherapie begonnen. Zwecks Durchführung der Therapien sei die Klägerin von 8.11.2021 bis 1.12.2021 stationär aufgenommen worden. Die Beklagte habe ein physikalisches Institut zwecks Fortsetzung der ambulanten Physio- und Stromtherapie gefunden und ein Nervenstimulationsgerät für zuhause organisiert. Es sei eine Verlaufskontrolle mit dem plastischen Chirurgen vereinbart worden, die die Klägerin jedoch nicht wahrgenommen habe.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung neben dem oben wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt noch folgende, leicht gekürzte und teilweise bekämpfte Feststellungen zugrunde, wobei die bekämpften Feststellungen durch Fettdruck hervorgehoben und nummeriert werden:
Bei der Klägerin bestand an beiden Beinen ein Krampfadernleiden, nämlich eine Insuffizienz der Vena saphena parva (kurz: Parva; das ist jene Vene, die vom Außenknöchel zur Kniekehle zieht, um dort in eine tiefe Vene zu münden) am rechten Bein und Seitenastvarizen beidseits. Aufgrund dessen war die Radiofrequenzbehandlung medizinisch indiziert, zumal am 22.6.2021 zwecks Diagnose ein Duplex-Ultraschall im Stehen gemacht wurde, wie es dem medizinischen Standard entspricht. Die Aufklärung und Operation der Klägerin erfolgte durch Oberärztin Dr. F*. Beim Aufklärungsgespräch am 22.6.2021 war auch der Gatte der Klägerin, G* B*, anwesend. Die Klägerin verfügte über Grundkenntnisse der deutschen Sprache und befand sich vor der OP im A2-Kurs, ihr Ehemann beherrschte die deutsche Sprache auf B1-Niveau. Die Klägerin konnte mit Hilfe der teilweisen Übersetzung ihres Gatten dem Aufklärungsgespräch folgen. Dr. F* ging die beiden Aufklärungsblätter (Varizenbehandlung mit Laser- oder Radiowellen und Varizenverödung, Beilage ./1, Seiten 240 bis 248) insgesamt ungefähr 15 bis 20 Minuten lang mit dem Ehepaar B* durch. In den Aufklärungsbögen ist die extrem selten bzw. sehr selten mögliche Verletzung von Nerven und daraus resultierend das Auftreten von Lähmungen festgehalten, auch über alternative Behandlungsmöglichkeiten wird informiert. Die handschriftlichen Anmerkungen und Einzeichnungen stammen von Dr. F*. Sie klärte auch mündlich über das Risiko einer Nervenschädigung auf (F1) .
Dr. F* gab der Klägerin die Aufklärungsblätter mit nach Hause und die Klägerin hat sie unterschrieben. Nicht festgestellt werden konnte, ob die Klägerin und ihr Ehemann die Aufklärungsbögen zuhause durchgelesen haben. Am 27.9.2021 erfolgte wiederum im Beisein ihres Gatten die Anästhesieaufklärung der Klägerin durch OA Dr. H*. Dabei wurde die Klägerin ebenfalls über die Risiken aufgeklärt, ua. dass es bei den Gefäßzugängen zu Nervenschäden und Lähmungen kommen könne, und erteilte ihre Einwilligung in die Vollnarkose (F2) .
Am 14.10.2021 wurde in Allgemeinanästhesie eine Radiofrequenzbehandlung der Vena saphena parva rechts sowie eine Sklerosierung (Schaumverödung) zahlreicher Seitenastvarizen an beiden Beinen durchgeführt. Bei der Verödung setzte Dr. F* keine Extraschnitte, sondern machte nur dort Erweiterungen, wo sie die Radiosonde einführte. In der Nähe des Fibulaköpfchens wurden keine Seitenäste verödet. Der Eingriff wurde lege artis durchgeführt, Sorgfaltspflichtverletzungen oder Behandlungsfehler der Operateurin Dr. F* lagen nicht vor.
Postoperativ kam es zu einer Läsion des Nervus peroneus rechts. Da die Klägerin am ersten postoperativen Tag rechts eine Vorfuß- und Zehenheberschwäche sowie Sensibilitätsstörungen ab Knieniveau aufwies, erfolgten noch am selben Tag ein neurologisches Konsilium und eine Kernspintomographie des rechten Knies sowie am 19.10.2021 ein Ultraschall, bei dem sich ein Bluterguss im Bereich des Fibula-(Wadenbein)köpfchens zeigte. Auf ihr Drängen wurde die Klägerin am 19.10.2021 entlassen, eine Nervenleitgeschwindigkeitsmessung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt. Bei der ambulanten Kontrolle am 3.11.2021 bestanden die Vorfußheberschwäche rechts weiterhin, sowie neuropathische Schmerzen. Bei einer Ultraschallkontrolle wurde immer noch der Bluterguss im Bereich des Fibulaköpfchens gesehen. Bei dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 8.11. bis 1.12.2021 im Krankenhaus D* wurde erneut eine ausführliche neurologische Abklärung durchgeführt und bei der MR-Kontrolle am 8.11.2021 der Bluterguss als Ursache für den Nervenschaden bestätigt. Außerdem erfolgten bei diesem Aufenthalt eine Schmerzbehandlung und eine intensive physikalische Therapie.
Ab 23.12.2021 wandte sich die Klägerin an das E* der AUVA, wo bei der Nervenleitgeschwindigkeitsmessung keine Aktivität des rechten Nervus peroneus festgestellt werden konnte. Eine Regeneration wurde ausgeschlossen. Am 14.2.2022 erfolgte daher im E* eine plastisch-chirurgische Intervention (Neurolyse des Nervus peroneus rechts) und ein distaler Nerventransfer vom lateralen Gastrocnemiuskopf. Laut Ambulanzeintrag vom 14.10.2022 im Traumazentrum der AUVA besserte sich die Schmerzsituation und es stellten sich minimale Kontraktionen ein. Dies deutete auf eine langsame Regeneration des Nervs hin. Der Bluterguss im Bereich des Fibulaköpfchens war die Ursache der Nervus peronaeus-Läsion. Dort verläuft der Nervus peroneus von der Tiefe Richtung Oberfläche und erstreckt sich um den Knochen herum Richtung Vorfuß und Zehen. Wegen des Drucks im Bereich des Fibulaköpfchens durch Schwellung oder Bluterguss besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung oder Schädigung des Nervs, die sich bei der Klägerin verwirklichte. Nicht festgestellt werden konnte, wie es zum Bluterguss gekommen ist. Grundsätzlich kommt es bei jeder Venenoperation, vor allem wenn Schnitte gemacht werden, um Venenseitenäste zu entfernen, zu Blutergüssen, welche in der Regel oberflächlich bleiben und nicht zu einer Nervenkompression führen. Da die Behandlung mit der Radiowellensonde im Hauptast der Parva stattgefunden hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese nicht ursächlich für das Entstehen des Nervenschadens war. Bei der Klägerin wurden die Seitenäste der Varizen mit Schaum verödet, wobei die Konzentration des Verödungsmittels im vorsichtigen Bereich gewählt war und im beim Bereich des Fibulaköpfchens keine Schnitte gemacht wurden. Die Blutergussbildung erfolgte sohin nicht aufgrund eines Behandlungsfehlers, sondern ist als schicksalhafte Verwirklichung eines Komplikationsrisikos anzusehen.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Arzt dem Patienten aufgrund des Behandlungsvertrags eine fachgerechte und dem objektiven Standard seines Fachs entsprechende Behandlung, nicht aber einen bestimmten Erfolg schulde. Aufgrund des mit der Klägerin abgeschlossenen Behandlungsvertrags müsste sich die Beklagte ein allfälligen Fehlverhalten der operierenden Ärztin gemäß § 1313a ABGB zurechnen lassen. Um in einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit einwilligen zu können, müsse der Patient rechtzeitig einen ausreichenden Wissensstand über die möglichen Konsequenzen seiner Entscheidung haben. Der Vertragspartner des Patienten unterliege daher besonderen Aufklärungspflichten. Die Haftung erstrecke sich jedoch stets nur auf den Eintritt jener Risiken, über die aufzuklären gewesen wäre. Über die hier maßgebliche Gefahr einer Nervenschädigung sei die Klägerin sowohl mündlich als auch schriftlich aufgeklärt worden. Ein Aufklärungsfehler liege daher nicht vor. Aufgrund der umfassenden Aufklärung habe die Klägerin über einen Wissensstand verfügt, der ihr eine wirksame Einwilligung in die Behandlung ermöglicht habe. Bei der Operation selbst habe die behandelnde Ärztin lege artis gehandelt und sei dem an sie anzulegenden Sorgfaltsmaßstab gerecht geworden. Die Verwirklichung des aufgeklärten Operationsrisikos sei schicksalhaft. Die durch den Eingriff am 16.10.2021 entstandene Nervenschädigung der Klägerin sei weder rechtswidrig noch schuldhaft verursacht, weshalb eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht komme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der Aktenwidrigkeit, unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Anwendung von Erfahrungssätzen sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Vorweg ist festzuhalten, dass die Berufung entgegen § 471 Z 3 ZPO eine getrennte Darstellung der beiden geltend gemachten Berufungsgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen Beweiswürdigung vermissen lässt, sondern beide Berufungsgründe – soweit erkennbar unter der Überschrift „unrichtige Sachverhaltsfeststellungen“ abhandeln will. Sind die Rechtsmittelgründe unzulässigerweise nicht getrennt ausgeführt, gehen Unklarheiten zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (RS0041761).
1. Aktenwidrigkeit
1.1 Aktenwidrigkeit als Berufungsgrund verwirklicht nur ein entscheidungswesentlicher Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und den die Entscheidung tragenden wesentlichen Tatsachen, der aus den Prozessakten selbst erkennbar ist. Das erfasst Feststellungen, die wegen eines bei der Darlegung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtums auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, also etwa wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. Maßgeblich ist, dass die für die richterliche Willensbildung bestimmenden Verfahrenserklärungen oder Beweisergebnisse in der Begründung der Entscheidung in Abweichung vom Akteninhalt dargestellt werden (RS0043397; RS0043421; RS0043347; Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 503 ZPO Rz 116).
Die Aktenwidrigkeit ist nicht schon dann verwirklicht, wenn eine Feststellung irgendeinem vorhandenen Beweismittel widerspricht, sondern nur dann, wenn ein Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und dem zu ihrer Begründung angeführten Beweismittel besteht. Sie kann auch vorliegen, wenn im Urteil Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, die in den Akten überhaupt keine Grundlage haben ( Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 , § 471 Rz 14).
1.2 Welche Feststellung die Klägerin als aktenwidrig bekämpfen will, lässt sich ihren Ausführungen in der Berufung nicht entnehmen. Sie macht als Berufungsgrund zwar die unrichtige Sachverhaltsfeststellung infolge Aktenwidrigkeit geltend, greift diesen Vorwurf in ihrer Argumentation aber – soweit erkennbar – nicht mehr auf. Jedenfalls zeigt sie weder einen bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum, der aus den Prozessakten selbst erkennbar und behebbar ist (RS0043203), auf, noch einen Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und dem zu ihrer Begründung angeführten Beweismittel. Soweit sie die Richtigkeit der Feststellungen F1 und F2 bekämpft, ist ihr zu entgegnen, dass weder die Vornahme von Feststellungen auf Grund widerstreitender Beweisergebnisse noch die Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen, mögen diese auch unrichtig sein, eine Aktenwidrigkeit begründet (RS0043298, auch [T5]).
2. Beweisrüge
2.1 Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die oben mit F1 bezeichneten Feststellungen, welche ihre schriftliche und mündliche Aufklärung durch die behandelnde Ärztin und Operateurin Dr. F* betreffen.
Sie strebt die folgenden Ersatzfeststellungen an:
„Die Klägerin verfügte über kaum Grundkenntnisse der deutschen Sprache und befand sich vor der OP im A2-Kurs, ihr Ehemann beherrschte die deutsche Sprache auf B1-Niveau. Die Klägerin konnte trotz Hilfe der teilweisen Übersetzung ihres Gatten dem Aufklärungsgespräch nicht folgen, dies war für die betroffene Ärztin offensichtlich, die jedoch die Zuhilfenahme eines Kollegen, der der persischen Sprache mächtig ist, unterlassen hat. Dr. F* ging die beiden Aufklärungsblätter (Varizenbehandlung mit Laser- oder Radiowellen und Varizenverödung, Bei- lage ./1, Seiten 240 bis 248) insgesamt ungefähr 10 Minuten lang mit dem Ehepaar B* durch. In den Aufklärungsbögen ist die extrem selten bzw. sehr selten mögliche Verletzung von Nerven und daraus resultierend das Auftreten von Lähmungen festgehalten, auch über alternative Behandlungsmöglichkeiten wird im Aufklärungsbogen informiert, beide Informationen konnte die Klägerin aufgrund der lateinischen Schrift nicht entnehmen. Die handschriftlichen Anmerkungen und Einzeichnungen stammen von Dr. F*. Sie klärte nicht mündlich über alle Risiken der beiden Operationsvarianten auf, insbesondere nicht über das Risiko einer Nervenschädigung. Bei ausreichen- der Kenntnis der potenziellen Gefahren, hätte die Klägerin keine Operationseinwilligung gegeben“.
2.2 Allgemein gilt, dass das Gericht gemäß § 272 Abs 1 ZPO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten ist oder nicht. Wenn die Beweisergebnisse einander widersprechen oder unklar sind, liegt es folglich in der Natur der richterlichen Beweiswürdigung, dass sich der Richter auf Grund des gesamten Beweisverfahrens, insbesondere des von den Parteien und Zeugen gewonnenen persönlichen Eindrucks, für eine von mehreren Darstellungen auf Grund der Überzeugung entscheidet, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann (vgl RS0043175 [T1]). Die Beweiswürdigung kann erst dann erfolgreich angefochten werden, wenn stichhaltige Gründe gegen die Richtigkeit der von der primären Tatsacheninstanz vorgenommenen Beweiswürdigung ins Treffen geführt werden können: Bloß der Umstand, dass die Beweisergebnisse auch andere als die vom Erstgericht gezogenen Schlussfolgerungen ermöglicht hätten oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 467 ZPO E 40/1), zumal es zum Wesen der freien Beweiswürdigung gehört, gegebenenfalls auch mehrere einander widersprechende Beweismittel zu würdigen und den ihnen jeweils im Einzelfall zukommenden Beweiswert zu beurteilen (RS0043175). Es ist darzulegen, dass die getroffenen Feststellungen zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Ergebnisse für andere Feststellungen vorliegen ( Klauser/Kodek aaO E 40/5). Gegen eine bestimmte Feststellung vorgetragene Argumente sind in einer Gesamtschau der vorliegenden Beweisergebnisse dahin zu prüfen, ob gegen die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung Bedenken bestehen (RS0040123).
Um eine Beweisrüge formal dem Gesetz entsprechend auszuführen, muss der Berufungswerber nicht nur deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird und welche Feststellung stattdessen begehrt wird, sondern auch infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde und auf Grund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre ( Kodek in Rechberger/Klicka 5 , § 471 ZPO Rz 15; RS0041835 [T5]). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen also eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RS0041835; 3 Ob 118/18a uva). Daraus folgt auch, dass eine gesetzmäßige Ausführung der Tatsachenrüge voraussetzt, dass zwischen der bekämpften und der ersatzweise gewünschten Feststellung ein inhaltlicher Gegensatz bzw Widerspruch bestehen muss; die eine Feststellung muss die andere ausschließen (RI0100145).
2.3 Soweit die Klägerin die Feststellungen zu ihren eigenen Deutschkenntnissen (Grundkenntnisse, Besuch eines A2-Kurses) sowie zu jenen ihres Ehemanns (B1-Niveau) bekämpft, diese aber wortgleich in die Ersatzfeststellungen übernimmt, entspricht die Beweisrüge mangels inhaltichen Widerspruchs zwischen bekämpfter und gewünschter Feststellung nicht den formalen Anforderungen und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Gleiches gilt für die Feststellungen zum Inhalt der Aufklärungsbögen „Varizenbehandlung mit Laser- oder Radiowellen“ und „Varizenverödung“ (Seiten 240-248 der Beilage ./1) sowie zu den Tatsachen, dass die behandelnde Ärztin und Operateurin Dr. F*, die das Aufklärungsgespräch vom 22.6.2021 führte, die beiden Aufklärungsblätter mit der Klägerin und ihrem Ehemann durchging und die handschriftlichen Anmerkungen und Einzeichnungen darauf vornahm.
Inhaltlich wendet sich die Klägerin im Ergebnis nur gegen die Feststellungen, sie habe mit Hilfe der teilweisen Übersetzung durch ihren Ehemann dem Aufklärungsgespräch folgen können, das Besprechen der Aufklärungsbögen habe 15 bis 20 Minuten (und nicht nur 10 Minuten) gedauert und die Ärztin habe zusätzlich über das Risiko einer Nervenschädigung mündlich aufgeklärt.
2.4 Das Erstgericht stützte die bekämpften Feststellungen zum Aufklärungsgespräch auf die Zeugenaussage der Ärztin Dr. F* (Protokoll ON 34, Seite 4), wonach diese sich zwar nicht mehr an Details des Aufklärungsgesprächs mit der Klägerin erinnern könne, sie sei aber generell sehr pitzelig, was die Aufklärung betreffe, und es sei ihr auch sehr wichtig, dass die Patienten die Aufklärung verstehen würden. Bei Bestehen einer Sprachbarriere achte sie darauf, dass es gegebenenfalls einen zweiten Termin gebe oder dass sie jemanden zum Übersetzen dazuhole. Sie könne sich nicht daran erinnern, dass der Mann der Klägerin dabei gewesen sei und auch nicht daran, ob sie jemanden vom Haus zwecks Übersetzung hinzugeholt habe. Hätte sie das Gefühl gehabt, von der Klägerin nicht gut genug verstanden zu werden, hätte sie etwas unternommen. Das Aufklärungsgespräch dauere in einem solchen Fall ungefähr 15 bis 20 Minuten, manchmal auch länger, je nachdem, wie gut die Patienten es verstehen würden. Im Prinzip gehe sie dabei das Aufklärungsblatt komplett durch. Die Einzeichnungen und handschriftlichen Anmerkungen auf dem Aufklärungsblatt (Beilage ./1, Seite 240) stammten von ihr; sie gehe bei Aufklärungsgesprächen jeden Punkt durch, daher auch den Punkt „Schädigung von Nerven“ auf Seite 242 der Beilage ./1.
Das Erstgericht begründete seine Überzeugung, der Zeugin Dr. F* sei Glauben zu schenken, mit dem sorgfältigen und um Objektivität bemühten Eindruck, den es von der Zeugin gewonnen hatte. Ihre fehlende Erinnerung an Details des Aufklärungsgesprächs schade nicht. Ihre handschriftlichen Einzeichnungen und Ergänzungen in den Aufklärungsbögen zeigten, dass sie diese generell durchgehe und mit der Klägerin durchgegangen sei. Es sei ihr zu glauben, dass sie sich für das Aufklärungsgespräch mit der Klägerin ausreichend Zeit genommen, dieses rund 15 bis 20 Minuten gedauert und sie dabei auch die Möglichkeit einer Nervenschädigung mündlich thematisiert habe. Demgegenüber hätten die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge G* B*, mit ihren Behauptungen, das Aufklärungsgespräch habe nur 10 Minuten (so die Klägerin) bzw. überhaupt nur eine Minute (so der Zeuge B*) gedauert, dessen Dauer bewusst untertrieben; die Behauptung eines nur einminütigen Gesprächs stehe zu den Einzeichnungen auf den Aufklärungsbögen deutlich in Widerspruch. Dass aufgrund der Übersetzungshilfe durch ihren Ehemann keine Kommunikationsschwierigkeiten mit der Klägerin bestanden hätten, habe der medizinische Sachverständige aus seinen Erfahrungen bei der Befundaufnahme bestätigt. Daraus sei zu schließen, dass die Klägerin dem Aufklärungsgespräch mithilfe der teilweisen Übersetzung ihres Gatten habe folgen können. Den Angaben der Klägerin und ihres Ehemanns, dass beim Aufklärungsgespräch keinerlei Risiken thematisiert worden seien, sei keinesfalls zu glauben.
2.5 Die Klägerin führt dagegen ins Treffen, dass die Deutschkenntnisse ihres Ehemanns (B1-Niveau) ganz allgemein nur zum Verstehen von Alltagsgesprächen auf einfachem Niveau befähigten, nicht aber zum Führen eines medizinischen Aufklärungsgesprächs. Sie seien vor allem kein Befähigungsnachweis zur Übersetzung von Deutsch in Persisch und umgekehrt. Es sei allgemein bekannt, dass Ärzte gegenüber anderen Berufsgruppen einen gehobeneren Sprachstil verwendeten, selbst wenn sie auf Fachbegriffe verzichteten. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin durch die Übersetzung ihres Ehemanns in die Lage versetzt worden sei, eine fundierte Entscheidung über einen medizinischen Eingriff zu treffen. Dass der medizinische Sachverständige aufgrund der Übersetzungshilfe durch den Ehemann der Klägerin keine Kommunikationsschwierigkeiten habe feststellen können, sei nicht von Relevanz, weil er größtenteils bereits schriftlich vorliegende Informationen gesammelt und nur vereinzelt gezielte Nachfragen zum Sachverhaltsablauf und nicht zu medizinischen Details gestellt habe. Die Aufklärung über komplexe medizinische Eingriffe erfordere hingegen eine präzise und umfassende Kommunikation.
Die Klägerin habe glaubwürdig die Dauer des Gesprächs mit nur 10 Minuten angegeben. Ihr wäre schon deshalb die bessere Erinnerung zuzugestehen, weil sie derartige Gespräche anders als die Zeugin Dr. F* nicht täglich führe. Jedenfalls sei auch in 15 bis 20 Minuten eine umfassende Aufklärung über die in den Aufklärungsbögen angeführten Risiken gerade gegenüber zwei fremdsprachigen Personen schon aufgrund der erforderlichen Übersetzung nach der allgemeinen Erfahrung und unter Berücksichtigung etwaiger Zwischenfragen nur schwer nachvollziehbar. Das Erstgericht hätte darüber hinaus berücksichtigen müssen, dass die Klägerin die lateinische Schrift nur unzureichend gekannt und diesbezüglich als Analphabetin gegolten habe. Sie habe den Aufklärungsbogen daher nicht lesen und schon gar nicht verstehen können. Eine mündliche Aufklärung über die Gefahr einer Nervenschädigung habe nicht einmal die aufklärende Ärztin bei ihrer Zeugeneinvernahme bestätigt. Anzuzweifeln sei aber auch ihre Aussage, sehr „pitzelig“ bezüglich des Aufklärungsgesprächs zu sein und das Aufklärungsblatt komplett durchgegangen zu haben. Die dort angeführten 35 Risiken hätten für eine gründliche mündliche Erklärung deutlich mehr als nur 15 Minuten in Anspruch genommen, insbesondere bei einer Patientin die der deutschen Sprache nicht mächtig und auf eine Übersetzung angewiesen sei. Wäre der Ärztin – wie sie behaupte - tatsächlich „sehr wichtig“ gewesen, dass die Patienten das medizinische Aufklärungsgespräch in der Tiefe des Aufklärungsbogens verstehen, hätte sie einen sprachkundigen Kollegen hinzuziehen müssen. Es wäre fern jeglicher Realität, zu erwarten, dass eine Ärztin bei einer gerichtlichen Einvernahme aussage, die gründliche Patientenaufklärung sei ihr unwichtig. Daher hätte das Erstgericht nicht pauschal die Sorgfalt der Ärztin annehmen dürfen. Es sei plausibler anzunehmen, dass die Ärztin zwar – wie aus Beilage ./1 ersichtlich - die wesentlichen Punkte, insbesondere Schwellungen und eventuelle Schmerzen, bzw. die erfahrungsgemäß oder in der Regel eintretenden Risiken hervorgehoben und schriftlich festgehalten habe, jedoch nicht auf jeden der insgesamt 35 Risikopunkte mündlich eingegangen sei.
Die Klägerin habe demgegenüber glaubhaft und lebensnah geschildert, dass ihr keine oder kaum Risiken der Operation vermittelt worden seien, sie auf das Risiko einer Nervenschädigung nicht ausdrücklich hingewiesen worden sei und sie im Wissen der mit der Operation verbundenen Gefahren, ihre Zustimmung zur Operation nicht gegeben hätte.
2.6 Stichhaltige Gründe, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht vorgenommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen könnten und einen relevanten Fehler in der Beweiswürdigung, also die Überschreitung des dem Verhandlungsrichter durch § 272 ZPO eingeräumten Bewertungsspielraums aufzeigen, vermag die Berufungswerberin mit ihren Argumenten nicht darzulegen. Das Erstgericht hat sich ausführlich und sorgfältig mit sämtlichen wesentlichen Beweisergebnissen auseinander gesetzt und die getroffenen Feststellungen für das Berufungsgericht gut nachvollziehbar begründet.
Dazu im Einzelnen:
2.6.1 Die Feststellung, dass die Klägerin aufgrund eigener, wenn auch schlechter Deutschkenntnisse sowie der Übersetzungshilfe durch ihren Ehemann, der Deutsch auf B1-Niveau spricht und versteht, dem Aufklärungsgespräch folgen habe können, begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil weder die Zeugin Dr. F* noch die Klägerin oder der Zeuge B* Schwierigkeiten aufgrund der bestehenden Sprachbarriere in Erinnerung hatten. Die Klägerin gab sogar an, dass ihr Ehemann ihr alles übersetzt habe, „was die Frau Doktor gesagt hat“ (Protokoll ON 34, Seite 6). Auch der Zeuge B* bestätigte, er habe bei dem Gespräch mit Dr. F* übersetzt, wenn seine Frau etwas nicht verstanden habe (Protokoll On 34, Seite 7). Verständnis- oder Übersetzungsschwierigkeiten erwähnten beide nicht.
2.6.2 Entgegen der Argumentation in der Berufung besteht auch kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass eine Person mit Sprachniveau B1 (nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) eine ärztliche Aufklärung über die mit einem operativen Eingriff verbundenen Gefahren nicht verstehen könne. Die Einstufung B1 entspricht jedenfalls bereits einer fortgeschrittenen Sprachverwendung, die mit der Fähigkeit einhergeht, die Hauptpunkte in einem Gespräch zu verstehen, wenn eine klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht, sowie sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete zu äußern, über Erfahrungen und Ereignisse zu berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen zu geben (so **). Auch die Berufungswerberin räumt ein, das eine Person mit Sprachkenntnissen auf dem Niveau B1 problemlos Alltagsgespräche führen kann. Davon ausgehend besteht aber kein Grund zur Annahme, ein Arzt werde nicht in der Lage sein, einem Patienten die mit einem Eingriff verbundenen Risiken zu erklären. Grundsätzlich darf wohl vorausgesetzt werden, dass Ärzte in der Lage sind, ihre Erklärungen insbesondere der Bildung und dem Wissensstand sowie dem Sprachniveau des Patienten anzupassen, ist es doch ihre Aufgabe, den nicht medizinisch vorgebildeten Patienten einen operativen Eingriff und die damit verbundenen Risiken ebenso wie medizinische Fachbegriffe mit einfachen Worten und unter Bedachtnahme auf die kognitiven Fähigkeiten des jeweiligen Patienten zu erklären. Steht - wie hier - im persönlichen Gespräch - dem Patienten bzw. dessen als Übersetzungshilfe mitgebrachten Angehörigen sogar die Möglichkeit zu Rückfragen offen, ist zusätzlich davon auszugehen, dass der Patient davon Gebrauch machen wird, sollten sich etwa wegen der Sprachbarriere Verständnisprobleme ergeben. Die Annahme des Erstgerichts, eine erfahrene Ärztin wie die Zeugin Dr. F* werde Patienten mit Deutschkenntnissen auf dem Sprachniveau B1 das fehlende Wissen über Risiken vermitteln können, ist daher plausibel. Gerade für die Erklärung des Bestehens der Gefahr von Nervenschädigungen mussten – anders als die Berufungswerberin meint - auch keine komplexen medizinischen Begriffe verwendet werden. Es handelt sich dabei um einen selbsterklärenden, auch in der Alltagssprache gebräuchlichen Begriff. Dass die Sprachkompetenz des Zeugen B* jedenfalls genügte, um zumindest einfache medizinische Begriffe zu verstehen und sogar selbst zu verwenden (wie etwa Operation, Narkose, Anästhesie, Ultraschall, MRT-Untersuchung, Ambulanz, Infusion) belegt darüber hinaus das etwas mehr als zwei Stunden dauernde Gespräch zur Anamneseerhebung durch den im Verfahren bestellten chirurgischen Sachverständigen Dr. J* (vgl dessen Gutachten ON 16, Seite 5ff), bei welcher der Ehemann Übersetzungshilfe leistete und es zu keinen Kommunikationsschwierigkeiten kam.
Die bekämpfte Feststellung, die Klägerin habe die ihr gegebene Risikoaufklärung verstanden, begegnet beim Berufungsgericht daher keinen Bedenken.
2.6.3 Auch in Ansehung des Inhalts und der Dauer des Aufklärungsgesprächs sind die Argumente der Berufungswerberin wenig überzeugend.
Gerade wenn der Sachverhalt auf der Basis widerstreitender Personalbeweise rekonstruiert werden muss, kommt dem persönlichen Eindruck von Zeugen und Parteien besonderes Gewicht zu, wobei nicht nur deren Aussage vor Gericht, sondern deren gesamtes Vorbringen und Verhalten während der Verhandlung zu bewerten ist („Verhandlungswürdigung“; vgl Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 272 Rz 1). Schon deshalb kann der gute Eindruck des Erstgerichts von der Zeugin Dr. F* nicht durch die bloße Behauptung entkräftet werden, der Klägerin komme größere Glaubwürdigkeit zu. Wie die Berufungswerberin selbst einräumt, lässt sich ihre eigene Parteiaussage, das Aufklärungsgespräch habe nur 10 Minuten gedauert, gerade nicht mit der Annahme vereinbaren, die Aufklärungsbögen und die dort angeführten Risiken wären im Einzelnen durchgegangen und entsprechend übersetzt worden, wie es die Zeugin Dr. F* aber als ihre übliche Vorgangsweise bei Aufklärungsgesprächen beschrieb und wie sie von einer sorgfältigen Ärztin auch zu erwarten ist. Dass für ein Aufklärungsgespräch die von der Zeugin Dr. F* als Erfahrungswert angeführten zumindest 15 bis 20 Minuten notwendig waren, spricht daher keinesfalls gegen die Richtigkeit der Darstellung der Zeugin. Demgegenüber stehen die Angaben der Klägerin, keiner habe ihr Risiken erklärt (Protokoll ON 34, Seite 7), im klaren Widerspruch zu den auf den Aufklärungsblättern unter „Arztanmerkung zum Aufklärungsgespräch“ vorgenommenen handschriftlichen Einträgen der Zeugin Dr. F* über individuelle Risiken und Komplikationen ( „Rötung + Schwellung NORMAL ! Ev. Schmerzen. Risiko: Rezidiv“ bzw. „Risiken: „Künstliche Venenentzündung → Rötung + Schwellung, ev. Schmerzen ist NORMAL ! Risiko: Kleinste Hautnekrose“ [Beilage ./1 Seiten 243 und 248]) sowie dem Eingeständnis in der Berufung, über diese in den Aufklärungsblättern notierten „wichtigsten Punkte“ doch aufgeklärt worden zu sein.
Dass die Angabe der Zeugin Dr. F* über die Mindestdauer der von ihr geführten Aufklärungsgespräche weniger verlässlicher sein soll als die Behauptung der Klägerin, leuchtet ebenfalls nicht ein, muss ein Arzt doch schon im Hinblick auf seine Terminvergaben wissen, wie viel Zeit einzelne seiner Leistungen in Anspruch nehmen. Demgegenüber wird ein Patient die Zeit, die er in einem Arztgespräch verbringt, im Regelfall weder stoppen noch ihr besondere Aufmerksamkeit widmen, sodass er vor allem, wenn er erst Monate später darüber Auskunft geben soll, die Dauer nur aus der Erinnerung schätzen kann. Insofern ist nachvollziehbar, dass das Erstgericht die Angaben der Zeugin Dr. F* über die übliche Dauer eines Aufklärungsgesprächs mit einer Patientin mit nur geringen Deutschkenntnissen, die Übersetzungshilfe benötigt, als verlässlicher einstufte, als die subjektive, gefühlsmäßige Einschätzung durch die Klägerin. Begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin Dr. F* vermochte die Klägerin daher nicht zu wecken. Entgegen ihrer Beanstandung bot die Aussage der Zeugin auch eine ausreichende Grundlage für die Annahme einer mündlichen Aufklärung über das Risiko der Nervenschädigung, bestand doch kein Grund für die Annahme, sie wäre gerade im Fall der Klägerin von ihrer gewöhnlichen Vorgangsweise bei Aufklärung von Patienten abgegangen, insbesondere davon, das Aufklärungsblatt mit dem Patienten vollständig durchzugehen und auch jedes dort genannte Risiko zumindest anzusprechen.
Die bekämpften Feststellungen F1 sind daher als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
2.2 Die Klägerin wendet sich des weiteren gegen die Feststellung F2 und begehrt deren Entfall.
2.2.1 Da das ersatzlose Streichen einer Feststellung nicht mit Beweisrüge begehrt werden kann (RS0041835 [T3]), ist die Beweisrüge in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt und schon deshalb nicht weiter zu behandeln.
2.2.2 Soweit die Klägerin die Feststellung auch als Ergebnis eines Verfahrensmangels rügt und beanstandet, das Erstgericht hätte den Anästhesisten OA Dr. H* als Zeuge einvernehmen müssen, macht sie damit in Wahrheit den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Die unrichtige/unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe schadet ihr in diesem Fall zwar nicht, weil ihre Ausführungen in der Berufung den Beschwerdegrund deutlich erkennen lassen (vgl RS0041851), eine Verfahrensrüge kann aber schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil die Klägerin die Einvernahme dieses Zeugen gar nicht beantragt hat und die Unterlassung der Vernehmung eines von der Berufungswerberin nicht geführten Zeugen keinen Verfahrensmangel begründet.
Der Berufung gelingt es somit nicht, Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu wecken. Das Berufungsgericht übernimmt die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie der rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 ZPO).
3. Soweit auch die Beklagte in der Berufungsbeantwortung eine Verfahrensrüge gemäß § 468 ZPO ausführt und damit die Ergänzung der Feststellung F2 dahingehend anstrebt, dass das anästhesiologische Aufklärungsgespräch in Farsi erfolgt sei und in Ansehung ihres Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens Feststellungen darüber vermisst, dass die Klägerin sich auch bei einer noch umfangreicheren Aufklärung bzw. Beiziehung eines Dolmetschers für den Eingriff entschieden hätte, macht sie damit – wie sie ohnehin erkennt – ausschließlich sekundäre Feststellungsmängel geltend, die in Erledigung der Rechtsrüge aufzugreifen wären (vgl Pimmer in Fasching/Konecny³ , § 496 ZPO Rz 55ff). Ein primärer Verfahrensmangel wird damit auch von der Beklagten nicht aufgezeigt. Feststellungsmängel liegen nicht vor.
4. Rechtsrüge:
4.1 Die Berufungswerberin argumentiert, schon wegen der Kürze des Aufklärungsgesprächs und der festgestellten unzureichenden Sprachkenntnisse sei die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht nicht im rechtlich notwendigen Umfang nachgekommen.
4.1.1 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Arzt im Rahmen des Behandlungsvertrags den Patienten über Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren einer Operation zu unterrichten (RS0038176). Diese ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überblicken (RS0026413). Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht kann jeweils nur für den Einzelfall ermittelt werden (RS0026529; RS0026763; RS0026328; 9 Ob 4/11w mwN).
Die Haftung des Arztes beschränkt sich bei Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung auf die Verwirklichung des Risikos, auf das er hätte hinweisen müssen. Das pflichtwidrige Verhalten – der ohne ausreichende Aufklärung erfolgte und daher rechtswidrige Eingriff – muss demnach den geltend gemachten Schaden verursacht haben (RS0026783 [T6, T9, T11]; 9 Ob 23/24h).
4.1.2 In Anwendung dieser Grundsätze ist daher weder allein die Dauer des Aufklärungsgesprächs von Relevanz noch die Sprachkenntnisse der Klägerin. Entscheidend ist allein die Feststellung, dass die Klägerin sowohl schriftlich als auch mündlich über das Risiko von Nervenschädigungen, welches sich bei ihr verwirklicht hat, aufgeklärt wurde und sie dieser Aufklärung aufgrund eigener, wenn auch geringer Deutschkenntnisse sowie der Übersetzung durch ihren Ehemann folgen konnte (vgl ähnlich 6 Ob 280/02y, 9 Ob 4/11w), sodass sie aufgrund Kenntnis des Risikos in die Lage versetzt war, die Tragweite ihrer Erklärung zumindest insoweit zu überschauen und wirksam in den operativen Eingriff einzuwilligen. Das Erstgericht hat die Haftung der Beklagten wegen eines Aufklärungsfehlers daher zu Recht verneint.
4.2 Die Klägerin macht des weiteren geltend, die Beklagte hafte jedenfalls für den Bluterguss im Bereich des Fibulaköpfchens, auch wenn dessen Ursprung nicht feststellbar sei, weil sie während ihrer Vollnarkose unter der Obhut der Beklagten gestanden sei und sie die Schmerzen bereits nach dem Erwachen aus der Narkose festgestellt habe. Es müsse also während der Vollnarkose ein Vorfall unter der Obhut der Beklagten eingetreten sein, der zu dem Bluterguss geführt habe. Dies sei offensichtlich, weshalb die Beklagte aufgrund des vertraglichen Verhältnisses die Beweislast am fehlenden Verschulden am Entstehen des Blutergusses sowohl im Operationssaal als auch außerhalb desselben treffe. Möglicherweise hätten unsachgemäße Handlungen wie Umlagerungen oder der Transport der Patientin schuldhaft zum Bluterguss geführt. Der Beklagten sei der gegenteilige Beweis nicht gelungen. Das Fehlen einer Feststellung dazu werde als sekundärer Feststellungsmangel gerügt. Die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit indiziere die Rechtswidrigkeit, die Kausalität lasse sich zwanglos aus dem Ablauf vor und nach der Vollnarkose ableiten. Der Schaden sei evident.
4.2.1 Darauf, dass der den Nervenschaden verursachende Bluterguss von der Beklagten aufgrund unsachgemäßer Handlungen bei Umlagerungen oder beim Transport der Klägerin entstanden sein könnte, hat sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht gestützt. Ihr erstmals in der Berufung dazu erstattetes Vorbringen verstößt daher gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO und ist unbeachtlich.
Im übrigen hat das Erstgericht festgestellt, dass die Blutergussbildung eine schicksalhafte Verwirklichung eines (aufgeklärten) Komplikationsrisikos war und nicht auf einem Behandlungsfehler beruhte, sodass der Beklagten schon deshalb ein Verschulden daran nicht angelastet werden kann.
Der unberechtigten Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die ERV-Gebühr für die Berufungsbeantwortung war gemäß § 23a RATG von den dafür verzeichneten EUR 5,-- auf EUR 2,60 (für eine Folgeeingabe; vgl RS0126594) zu korrigieren. Der verzeichnete dreifache Einheitssatz (EUR 1.350,30) beträgt rechnerisch richtig EUR 1.305,30.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung war nicht zu beantworten.