JudikaturJustiz9ObA160/16v

9ObA160/16v – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Dr. Klaus Mayr in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Betriebsratsfonds *****, 2. Betriebsausschuss *****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeindeverband *****, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Herbert Fink, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1.909.551,77 EUR und Rechnungslegung (Streitwert: 21.800 EUR), (Revisionsinteresse: 1.257.274,55 EUR sA), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 4. Oktober 2016, GZ 15 Ra 126/15i, 15 Ra 75/16s-35, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht vom 1. Juli 2015, GZ 44 Cga 32/14p-18, und den Berufungen beider Streitteile gegen das Ergänzungsurteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. März 2016, GZ 44 Cga 32/14p 26, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in dem das Klagebegehren abweisenden Umfang von 1.257.274,55 EUR samt 9,08 % Zinsen seit 21. 3. 2014 aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Revisionsgegenständlich ist ein von den Klägern gegen den beklagten Anstaltsträger eines Bezirkskrankenhauses gerichteter, auf § 41 Abs 6 Tiroler Krankenanstaltengesetz (Tir KAG) gestützter Anspruch auf Herausgabe des sogenannten „Sozialanteils“ und auf Rechnungslegung.

§ 41 Abs 6 Tir KAG in der am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Fassung des LGBl 85/1998, Stück 31, lautete:

Dem Anstaltsträger sind jährlich die Gesamtsummen der vereinnahmten Honorare jedenfalls bis zum 30. Juni des Folgejahres bekannt zu geben. Dem Anstaltsträger gebührt für die Bereitstellung der Einrichtungen zur Untersuchung und Behandlung der Pfleglinge in der Sonderklasse ein Anteil von mindestens 10 v.H. der vereinnahmten Honorare nach Abs. 5 (Hausanteil). Der Anstaltsträger hat vom Hausanteil einen Betrag von mindestens 3,33 v.H. der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden [Sozialanteil, Anm] .

§ 41 Abs 6 Tir KAG in der am 20. 9. 2006 in Kraft getretenen Fassung des LGBl 75/2006, Stück 31, lautet:

Dem Anstaltsträger gebührt für die Bereitstellung der Einrichtungen zur Untersuchung und Behandlung der Pfleglinge in der Sonderklasse ein Anteil von mindestens 20 v.H. der vereinnahmten Honorare nach Abs 5 (Hausanteil). Der Anstaltsträger hat vom Hausanteil einen Betrag von mindestens 3,33 v.H. der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden.

Art II Abs 2 leg cit lautet:

Die Verrechnungsstelle nach § 41 Abs 8 des Tiroler Krankenanstaltengesetzes in der Fassung des Art I Z 4 ist mit 1. Jänner 2007 beim Anstaltsträger einzurichten. Die Honorare für die ab diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen sind über diese Verrechnungsstelle abzurechnen.

Nach erfolglosen Gesprächen über den Sozialanteil beantragte der Betriebsrat des Bezirkskrankenhauses die Errichtung einer Schlichtungsstelle sowie die Entscheidung über eine Betriebsvereinbarung gemäß § 95 Abs 1 iVm § 97 Abs 1 Z 5 ArbVG (erzwingbare Betriebsvereinbarung über Wohlfahrtseinrichtung).

Mit Bescheid vom 23. 5. 2013, 48 Schl 4/11, legte die Schlichtungsstelle am Landesgericht Innsbruck eine Betriebsvereinbarung fest. Der Bescheid lautet auszugsweise:

I. … Der Anstaltsträger hat vom Hausanteil einen Betrag von mindestens 3,33 v.H. der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden.

II. Die sich gemäß Punkt I. dieses Bescheides ergebenden Beträge bilden eine betriebliche Wohlfahrteinrichtung; diese sind auf ein gesondertes Konto anzuweisen.

III. …

IV. Die Verwaltung, Veranlagung und Widmung der Geldmittel laut I. dieses Bescheides obliegt der Wohlfahrtkommission. Diese setzt sich aus drei Vertretern des Betriebsrats und zwei Vertretern des Betriebsinhabers zusammen. Den Vorsitz führt ein Vertreter des Betriebsrats. Entscheidungen der Kommission erfolgen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, Enthaltungen gelten als Gegenstimme. …

V. Diese Betriebsvereinbarung tritt mit dem auf den Tag der Zustellung folgenden Tag in Kraft.

In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass jedenfalls eine – bereits gesetzlich errichtete – dauerhafte betriebliche Wohlfahrtseinrichtung vorliege, die den Arbeitnehmern nach generellen Merkmalen zugute komme. Die nach § 41 Abs 6 zweiter Satz Tir KAG zu verwendenden Anteile der Honorare nach § 41 Abs 5 leg cit stellten bereits seit dem Jahr 1999 einen erheblichen Mittelzufluss dar, dessen Funktion in der dauernden Bereitstellung von Mitteln des Unternehmens für Wohlfahrtsmaßnahmen bestehe und der einer ständigen Verwaltung und damit eines entsprechenden Organisationsaufwands bedürfe. Durch diese landesgesetzliche Bestimmung sei nämlich ein der betrieblichen Wohlfahrt dauerhaft gewidmetes Substrat geschaffen worden, das nicht nur als solches der Verwaltung fähig sei, sondern in Anbetracht des Umstands, dass es eindeutig für einen bestimmten Personenkreis, nämlich das „Anstaltspersonal“ zweckgewidmet zu verwenden sei, jedenfalls einer Verwaltung bedürfe.

Der Schlichtungsstelle obliege es mangels Einigung der Parteien des Schlichtungsverfahrens, die Mitwirkung des Betriebsrats an der Verwaltung der durch § 41 Abs 6 Tir KAG geschaffenen Wohlfahrtseinrichtung zu regeln, nicht jedoch dessen finanzielle Ausgestaltung. Diese sei ohnedies bereits landesgesetzlich erfolgt. Es hätte eine Kompetenzüberschreitung der Schlichtungsstelle dargestellt, wenn darüber hinaus über zivilrechtliche Ansprüche der Parteien des Schlichtungsverfahrens in Form einer Betriebsvereinbarung abgesprochen worden wäre.

Der Bescheid wurde jenen Verfahrensparteien am 21. 6. 2013 zugestellt.

Die Kläger begehrten mit ihrer am 21. 3. 2014 eingebrachten Klage zuletzt, den Beklagten zur Herausgabe des seit dem Jahr 1999 zu Gunsten des Anstaltspersonals bestehenden und sich regelmäßig vermehrt habenden Vermögens, welches laut rechtskräftigem Bescheid der Schlichtungsstelle am Landesgericht Innsbruck vom 23. 5. 2013, 48 Schl 4/11, eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung bilde, durch Überweisung eines Betrags von 1.909.551,77 EUR zuzüglich 9,08 % Zinsen aus 1.812.301,43 EUR von 21. 3. 2014 bis 30. 6. 2014 und 9,08 % Zinsen seit 1. 7. 2014 auf das Konto mit dem Namen „Betriebsrat-Wohlfahrtsfonds Anstaltspersonal 1999“ (mit näheren Kontoangaben) zu bezahlen. Der Beklagte sei weiter schuldig, den Klägern nach vorangegangenem Verlangen jederzeit Einsicht in die zur Errechnung des 3,33%-igen Sozialanteils nach § 41 Abs 6 Tir KAG notwendigen Unterlagen, insbesondere in die Rechnungen der honorarberechtigten Ärzte gemäß § 41 Abs 5 Tir KAG sowie in die damit korrespondierenden Überweisungsbelege, zu gewähren und dadurch Rechnung zu legen, dass sie den Klägern vierteljährlich zum Ende eines jeden Quartals eine schriftliche Aufstellung ihrer Verrechnungsstelle gemäß § 41 Abs 8 Tir KAG über die in diesem Quartal bezahlten Honorare der honorarberechtigten Ärzte gemäß § 41 Abs 5 Tir KAG übermittle.

Der Erstkläger („Betriebsratsfonds“) bestehe aufgrund der Existenz eines für Wohlfahrtszwecke gewidmeten Sondervermögens ex lege. Er sei Rechtsträger und Eigentümer des Vermögens, das der Beklagte seit 1999 auszuscheiden und dem Betriebsrat, der den Betriebsratsfonds verwalte, zu Gunsten der im Gesetz angeführten Zwecke für die Belegschaft zu überlassen gehabt habe. Dem Beklagten komme keinerlei Verfügungsgewalt über das dem Sozialanteil entsprechende Vermögen zu. Der Zweitkläger (Gemeinsamer Betriebsrat, nunmehr Betriebsausschuss) sei als Partei der im Schlichtungsverfahren erzwungenen Betriebsvereinbarung sowie als Belegschaftsvertreter aktivlegitimiert. Aus der Verpflichtung des Beklagten, Überweisungen an die betriebliche Wohlfahrtseinrichtung im Sinne der Betriebsvereinbarung vorzunehmen, resultiere auch ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung, Einsicht und Rechnungslegung iSd Art XLII EG ZPO. Da es sich bei den Klagsansprüchen nicht um individualvertragliche Entgeltansprüche handle, gelte die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Möglichkeit der Einrichtung eines Sozialfonds sei vom Gesetzgeber nur fakultativ eröffnet worden. Er habe die Ansprüche durch zahlreiche unmittelbar der Belegschaft zugute kommende Zuwendungen und Sozialleistungen (Zuschüsse für Kantine, Mitarbeiterwohnungen, Betriebskindergarten, Parkhaus, Sonder- und Zusatzurlaube, freiwillige Weihnachtsgelder, Geburtenbeihilfen, Gesundheitsförderungen etc) übererfüllt. Seit dem Bestehen des Wohlfahrtsfonds (22. 6. 2013) habe der Beklagte den Sozialanteil überwiesen. Zu einer rückwirkenden Einzahlung von Honoraranteilen sei er nicht verpflichtet. Die Mittel bildeten auch keinen Betriebsratsfonds, sondern nach dem Bescheid der Schlichtungsstelle eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung iSd § 95 ArbVG, deren Verwaltung, Veranlagung und Widmung auch nicht dem Betriebsratsfonds, sondern der Wohlfahrtskommission obliege. Auch § 95 ArbVG räume dem Betriebsrat keine Alleinverwaltung, sondern lediglich ein – nicht zurückwirkendes – Teilnahmerecht an der Verwaltung ein. Die Kläger seien daher nicht aktivlegitimiert. Alle Hauptsachenbeträge, deren Fälligkeit länger als drei Jahre vor dem Tag der Klagseinbringung zurückliegen (Beträge für die Jahre 1999 bis 2010), seien in Analogie zu § 1486 Z 5 ABGB verjährt; allfällige Zinsen seien gemäß § 1480 ABGB verjährt. Schließlich brachte der Beklagte vor, das Tir KAG begründe zumindest für Zeiträume, in denen noch keine Betriebsvereinbarung in Geltung gestanden sei, weder zugunsten des Anstaltspersonals noch des Betriebsrats oder des Betriebsratsfonds subjektive, vor einem Zivilgericht durchsetzbare Ansprüche. Es werde die Unzulässigkeit des Rechtswegs eingewandt.

Das Erstgericht sprach mit dem bekämpften Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO vom 1. 7. 2015 – soweit revisionsgegenständlich – aus: „Für die Ansprüche der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Auszahlung des 3,33 % 'Sozialanteils' nach § 41 Abs 6 Tir KAG gilt die Verjährungsfrist gemäß § 1479 ABGB.“ Kurze Verjährungsfristen blieben die Ausnahme. Berücksichtige man, dass es sich um Entgeltansprüche aus Honoraren handle, unterliege der Anspruch auf Herausgabe von Honoraranteilen der 30-jährigen Verjährung.

Mit Ergänzungsurteil vom 9. 3. 2016 wies das Erstgericht einen Teilbetrag von 90.786 EUR zuzüglich 9,08 % Zinsen seit 21. 3. 2014 (kapitalisierte Zinsen abzüglich KESt für den Zeitraum bis 20. 3. 2011) ab und sprach aus, die Hauptsachenansprüche, soweit darin Zinsen für den Zeitraum von 1. 7. 2000 bis 20. 3. 2011 enthalten seien, seien gemäß § 1480 ABGB verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen das Zwischenurteil und den Berufungen beider Streitteile gegen das Ergänzungsurteil des Erstgerichts teilweise Folge und sprach aus, dass die Klagsforderung mit einem Teilbetrag von 652.277,22 EUR samt 9,08 % Zinsen seit 21. 3. 2014 nicht verjährt sei. Das Mehrbegehren von 1.257.274,55 EUR sA werde hingegen abgewiesen. Das Zwischenurteil zur Verjährung nach § 393a ZPO normiere eine Ausnahme vom Grundsatz, dass über einzelne Einwendungen wie über die (fehlende) Klagslegitimation kein Zwischenurteil ergehen dürfe. Die Frage der Aktivlegitimation der Kläger sei daher nicht im Rahmen des bekämpften Zwischenurteils zu klären. Zur Verjährung bejahte das Berufungsgericht die Anwendbarkeit von § 1486 Z 5 ABGB: Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch basiere auf privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den honorarberechtigten Ärzten und dem Anstaltsträger, die gemäß § 41 Abs 4 Tir KAG jedenfalls die Regelungen nach § 41 Abs 6 bis 8 Tir KAG zum Inhalt haben müssen, sohin auch die Regelung des „Sozialen Drittels“ iSd § 41 Abs 6 zweiter Satz Tir KAG. Die Kläger würden einen Anspruch auf Teilhabe an Sozialleistungen geltend machen. Sie stützten sich damit auf die sich aus den privatrechtlichen Dienstverhältnissen der von ihnen vertretenen Mitarbeiter ergebenden Fürsorgepflicht des Dienstgebers gemäß § 1157 ABGB. Der Anstaltsträger sei aufgrund der Fürsorgepflicht grundsätzlich verpflichtet, von dem ihm zukommenden Hausanteil 3,33 % dem nicht akademischen Anstaltspersonal für Sozialleistungen zuzuwenden bzw zu überweisen. Die Kläger würden demgemäß einen Erfüllungsanspruch durch Überweisung des den vom Zweitkläger vertretenen Arbeitnehmern zustehenden, bislang aber vom Beklagten vorenthaltenen Sozialanteils gemäß § 41 Abs 6 Tir KAG geltend machen. Der Anspruch auf Beteiligung am Hausanteil des Beklagten, der eine privatrechtlich vereinbarte Beteiligung an den Privathonoraren der honorarberechtigten Ärzte darstelle, sei mit einer dienstvertraglich vereinbarten Gewinnbeteiligung vergleichbar. An dem „Gewinn“ des Anstaltsträgers sei das nichtakademische Personal mit 3,33 % der Privathonorare der honorarberechtigten Ärzte beteiligt. Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche würden daher gemäß § 1486 Z 5 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen.

Das Berufungsgericht prüfte sodann, ob die von den Klägern vorgebrachten jahrelangen Bemühungen und Gespräche des Betriebsrats um Informationen zum Sozialanteil den Verjährungseinwand des Beklagten treuwidrig erscheinen ließe. Es verneinte dies für den Zeitraum 1999 bis 2010 und ließ es für den weiteren Zeitraum aus näheren rechtlichen Erwägungen dahingestellt. Im Ergebnis erachtete es sämtliche Ansprüche aus Zeiträumen, die vor dem 21. 3. 2011 lägen, als verjährt. Dies betreffe ausgehend von der Fälligkeit des jährlich zu überweisenden Hausanteils mit 1. 7. des Folgejahrs die Sozialanteile für die Jahre 1999 bis 2009, die der Höhe nach 1,257.274,55 EUR (einschließlich Zinsen) betrügen.

Die ordentliche Revision sei zur verjährungsrechtlichen Beurteilung des von den Klägern aus § 41 Abs 6 Tir KAG abgeleiteten Anspruchs auf Teilhabe an Sozialleistungen zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragen die Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn des Ausspruchs, dass die Klagsforderung auch im Umfang des abgewiesenen Betrags nicht verjährt sei.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (vgl RIS Justiz RS0041774 [T1]), berechtigt .

1. Die Überprüfung einer vorinstanzlichen Entscheidung hat nur im Rahmen der Anfechtung stattzufinden (RIS Justiz RS0007416). Das betrifft hier den klagsabweisenden Teil des Klagsbegehrens in Höhe von 1.257.274,55 EUR sA.

2. Der Beklagte erhob bereits in erster Instanz bezüglich jener Zeiträume, für die die Betriebsvereinbarung noch nicht in Geltung gestanden sei, den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs, der bisher nicht Gegenstand der Entscheidungen der Vorinstanzen war, auf den jedoch in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist (§ 42 Abs 1 JN, § 230 Abs 3 ZPO; vgl auch RIS Justiz RS0124348).

Bereits die Entscheidung 9 ObA 68/10f betraf die Frage der – bejahten – Zulässigkeit des Rechtswegs für einen Anspruch auf Teilhabe an den Sozialleistungen des § 41 Abs 6 Tir KAG. Schon dort wurde auf die Rechtsprechung verwiesen, dass dafür entscheidend ist, ob nach den Klagsbehauptungen ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS Justiz RS0045584). Die Frage, ob eine Norm ein subjektives Recht einräume, müsse daneben dahingestellt bleiben, weil es für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs unerheblich sei, ob der behauptete Anspruch berechtigt sei; darüber sei erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Dass ein solcher Anspruch per se öffentlich rechtlichen Charakter habe, wurde in jenem Verfahren nicht behauptet. Es wurde auch kein untrennbarer Zusammenhang mit öffentlich rechtlichen Ansprüchen gesehen.

Im vorliegenden Verfahren argumentiert der Beklagte, die Länder seien mangels anders lautender kompetenzrechtlicher Anhaltspunkte nur zur Erlassung krankenanstaltenrechtlicher Vorschriften befugt. Mit § 41 Abs 6 Tir KAG liege eine Bestimmung des öffentlichen Krankenanstaltenrechts vor. Darin ist ihr nach dem Gesamtkonzept des § 41 Tir KAG („Sondergebühren, Honorare“) jedoch nicht zu folgen:

Der Hausanteil nach § 41 Abs 6 Tir KAG, von dem der streitgegenständliche Sozialanteil für das Anstaltspersonal zu verwenden ist, fußt in der Ausübung der Honorarberechtigung von Ärzten für die in der Sonderklasse aufgenommenen Pfleglinge. Diese setzt eine – privatrechtliche – Vereinbarung zwischen den honorarberechtigten Ärzten und dem Anstaltsträger voraus (§ 41 Abs 4 Tir KAG). Für die Annahme, dass dessen ungeachtet die Verwendung des Sozialanteils hoheitlichen Charakter bekommen sollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Zwar lässt der Wortlaut der Bestimmung des § 41 Abs 6 Tir KAG („Der Anstaltsträger hat vom Hausanteil einen Betrag von mindestens 3,33 % v.H. der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden.“) offen, in welcher Form die Mittelverwendung zu erfolgen hat. In den Erläuterungen wurde dazu aber ausgeführt, dass dem Anstaltsträger als Gegenleistung für die Bereitstellung der Einrichtungen jedenfalls ein Anteil von 10 vH an den Ärztehonoraren nach § 41 Abs 5 Tir KAG gebührt und dass das nicht poolberechtigte Personal dadurch berücksichtigt wird, dass der Anstaltsträger mindestens einen Anteil von 3,33 % vH an den Honoraren nach § 4 Abs 5 Tir KAG für Zwecke des Personals zu verwenden hat, wobei dies im Bereich großer Krankenanstalten auch dadurch erfolgen kann, dass der Anstaltsträger diesen Anteil einem Sozialfonds zur Verfügung stellt, der vom Personal selbst verwaltet wird (RV zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Tiroler Krankenanstaltengesetz geändert wird, L 151/98, S 8). Auch die Möglichkeit, mit den Mitteln einen Sozialfonds zu dotieren, spricht aber dagegen, dass der Landesgesetzgeber ungeachtet der privatrechtlichen Grundlage für die vereinnahmten Honorare bei der Verwendung des Sozialanteils von einem hoheitlichen Agieren des Anstaltsträgers ausgehen wollte. Es ist daher für alle klagsgegenständlichen Ansprüche von der Zulässigkeit des Rechtswegs auszugehen.

3. Das durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, eingeführte Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO zur (verneinten) Verjährung stellt neben dem Grundurteil und dem Grundlagenurteil eine dritte Form des Zwischenurteils dar ( Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 393a Rz 1 mwN). Mit ihm wird nur die allfällige (nicht gegebene) Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt und selbstständig im Instanzenzug überprüfbar, bevor ein uU umfangreiches (Beweis )Verfahren über die übrigen Anspruchsgrundlagen des Klagsanspruchs durchgeführt werden muss. Dass die abgesonderte Prüfung der allfälligen Verjährung eines Anspruchs, dessen Tatsachengrundlagen im Übrigen noch gar nicht feststehen (müssen), die vorläufige Annahme dieser Anspruchsgrundlagen erfordert, liegt in der Natur des Zwischenurteils zur Verjährung gemäß § 393a ZPO (RIS Justiz RS0127852). Es hat aber nur zu ergehen, wenn zumindest ein schlüssiges Tatsachenvorbringen der klagenden Partei zum Anspruchsgrund vorliegt; andernfalls hätte eine Klageabweisung zu erfolgen (RIS Justiz RS0129001).

Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS Justiz RS0037516). Zur Schlüssigkeit der Klage bedarf es der Behauptung der rechtserzeugenden Tatsachen in ihr (RIS Justiz RS0001252). Die Schlüssigkeit des Klagebegehrens ist daher mit Blick auf den jeweiligen Anspruchsgrund zu prüfen.

4. Der Frage der Schlüssigkeit eines Tatsachenvorbringens noch vorgelagert ist die Prüfung der Partei- und Prozessfähigkeit der Streitteile. Dabei handelt es sich um verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Sachbehandlung und Sachentscheidung, deren Fehlen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist und im Fall der Unbehebbarkeit (§ 6 Abs 2 ZPO) nur zur Ablehnung der Sachentscheidung durch Zurückweisung der Klage führen kann (s RIS Justiz RS0039711; RS0110705). Da die Partei und Prozessfähigkeit sohin die Grundvoraussetzungen für eine Prozessführung betreffen, kann ihre Prüfung auch im Hinblick auf die Fällung eines Zwischenurteils gemäß § 393a ZPO nicht einem späteren Verfahrensstadium vorbehalten werden.

Davon zu unterscheiden ist die Frage der Sachlegitimation (Aktivlegitimation oder Passivlegitimation), die nichts anderes als die meritorische Entscheidung über den Klagsanspruch im Hinblick auf seine subjektiven Voraussetzungen ist (RIS Justiz RS0035170).

5. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist. Das sind alle natürlichen Personen, alle juristischen Personen sowie auch sonstige Gebilde, denen die Rechtsordnung nicht den Status einer juristischen Person, aber die Fähigkeit vor Gericht zu klagen oder geklagt zu werden, verliehen hat (RIS Justiz RS0110705). Diesbezüglich bestehen im Hinblick auf den Erstkläger Unklarheiten.

6. Der Erstkläger hat sich darauf berufen, dass er als für Wohlfahrtszwecke gewidmetes Sondervermögen ex lege entstanden sei. Sollte er meinen, seine Existenz als rechtsfähiger Betriebsratsfonds unmittelbar aus § 41 Abs 6 Tir KAG ableiten zu können, so wäre diese Ansicht verfehlt, weil Derartiges dieser Bestimmung nicht zu entnehmen ist. Aus § 41 Abs 6 Tir KAG geht lediglich das an den Anstaltsträger gerichtete Gebot hervor, den Sozialanteil für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden, wobei – so die zitierten Erläuterungen – dieser Anteil einem vom Personal selbst verwalteten Sozialfonds zur Verfügung gestellt werden kann. Die Bestimmung lässt daher offen, auf welche Art und Weise und in welcher Form der Sozialanteil für das Anstaltspersonal zu verwenden ist, ob er einem Sozialfonds zu widmen ist, ob ein solcher Fonds mit Rechtspersönlichkeit errichtet wird etc. Insbesondere enthält er auch weder eine Verpflichtung zur Dotierung eines Betriebsratsfonds noch zur Vornahme bestimmter dem Anstaltspersonal dienenden Maßnahmen. Die Bestimmung des § 41 Abs 6 Tir KAG als solche begründet daher noch nicht die rechtliche Existenz, umso weniger die Rechts- und Parteifähigkeit des Erstklägers.

7. Sollte der Erstkläger seine Rechtsfähigkeit aus § 74 Abs 1 ArbVG ableiten, ist Folgendes zu bedenken:

Nach § 74 Abs 1 ArbVG bilden die Eingänge aus der Betriebsratsumlage sowie sonstige für die im § 73 Abs 1 ArbVG bezeichneten Zwecke bestimmten Vermögenschaften den mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Betriebsratsfonds. Die Eingänge aus einer Betriebsratsumlage und die genannten zweckgewidmeten Vermögenschaften bilden daher ohne weiteren Errichtungsakt den mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Betriebsratsfonds. Die Entstehung erfolgt vielmehr durch die Zuwendung von Leistungen (RIS Justiz RS0051102; 8 ObA 182/00y). Auf die Quelle der Eingänge kommt es nicht an. Entscheidend ist ausschließlich der Zweck der Zuwendung (s nur Kallab in ZellKomm 2 ArbVG Rz 1 mwN; Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler , ArbVG II 5 § 74 Rz 1).

Die Verwaltung des Betriebsratsfonds obliegt dem Betriebsrat (§ 74 Abs 2 ArbVG). Ein Mitwirkungsrecht des Betriebsinhabers besteht hier nicht.

8. Zu den Vermögenschaften, die für die in § 73 Abs 1 bezeichneten Zwecke bestimmt sind, zählen auch solche zur Errichtung und Erhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen und zur Durchführung von Wohlfahrtsmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmerschaft und der ehemaligen Arbeitnehmer des Betriebs (s § 73 Abs 1 ArbVG). Solcherart gewidmete Vermögenschaften sind daher geeignet, einen Betriebsratsfonds iSd § 74 Abs 1 ArbVG, sofern er nicht schon besteht, zu bilden. Das dem Betriebsrat vorbehaltene Recht, Unterstützungseinrichtungen sowie sonstige Wohlfahrtseinrichtungen zu errichten und ausschließlich zu verwalten, bezieht sich dabei auf belegschaftseigene Wohlfahrtseinrichtungen ( Reissner in ZellKomm ArbVG 2 § 93 Rz 1, 2).

9. Von den belegschaftseigenen Wohlfahrtseinrichtungen zu unterscheiden sind betriebs- oder unternehmenseigene betriebliche Wohlfahrtseinrichtungen iSd § 95 ArbVG, bei denen sich die Befugnis der Arbeitnehmerschaft auf ein Mitwirkungsrecht, konkret auf ein Teilnahmerecht an der Verwaltung, beschränkt. Es darf sich daher nicht um Wohlfahrtseinrichtungen handeln, die dem Betriebsratsfonds zuzurechnen sind, weil sich sonst die Normierung eines Mitwirkungsrechts des Betriebsrats angesichts der Eigentümerstellung des Betriebsratsfonds erübrigen würde ( Eypeltauer , Die Mitwirkung des Betriebsrats an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen, DRdA 1986, 102 ff, Pkt IV.1.).

Art und Umfang der Teilnahme sind durch Betriebsvereinbarung zu regeln. Kommt zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat über den Abschluss, die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Betriebsvereinbarung eine Einigung nicht zustande, ist sie durch Anrufung der Schlichtungsstelle erzwingbar (§ 95 Abs 1 ArbVG). Soweit auch die Errichtung, Ausgestaltung und Auflösung betriebs- und unternehmenseigener Wohlfahrtseinrichtungen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden können, handelt es sich um eine Form der fakultativen Mitwirkung des Betriebsrats (§ 95 Abs 2, § 97 Abs 1 Z 19 ArbVG), die von ihm – anders als die Teilnahme an der Verwaltung – nicht erzwungen werden kann. Zur Ausgestaltung zählt ua die Frage, ob eine Wohlfahrtseinrichtung als unselbstständiger Bestandteil eines Betriebs oder Unternehmens oder in einer rechtlich selbständigen Form geführt werden soll. Bloße Wohlfahrtsmaßnahmen werden – anders als nach § 73 ArbVG – von § 95 ArbVG überhaupt nicht erfasst (s zu all dem Eypeltauer aaO, 102 ff; 194 ff). Damit bietet aber auch § 95 ArbVG keine Grundlage für die Annahme einer Rechtspersönlichkeit des Erstklägers.

10. Die Kläger bringen vor, über Antrag des Zweitklägers habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. 9. 2012, Zl 2011/08/03 49, entschieden, dass die von § 41 Abs 6 Tir KAG umfassten Sozialleistungen als Wohlfahrtseinrichtungen iSd § 95 ArbVG zu qualifizieren seien. Infolge dessen habe die Schlichtungsstelle am Landesgericht Innsbruck mit Bescheid vom 23. 5. 2013 das Teilnahmerecht des Betriebsrats an der Verwaltung dieser Wohlfahrtseinrichtung über die Mitgliedschaft von Betriebsratsvertretern in einer Wohlfahrtskommission festgelegt. Das ist aber mit dem Klagsvorbringen nicht vereinbar, dass das Sondervermögen Teil des – der ausschließlichen Eigenverwaltung des Betriebsrats unterliegenden – Betriebsratsfonds sei (oder diesen erst bilde), das betreffende Vermögen von der Beklagten daher auszuscheiden sei und ihr darüber keine Verfügungsgewalt mehr zukomme. Diese Diskrepanz bedarf der Klarstellung.

11. Die Frage der Qualifikation des Sozialanteils als betriebsratsfondsbegründende (bzw -eigene) oder als betriebliche Wohlfahrtseinrichtung wirkt sich auch auf die Schlüssigkeit des Klagebegehrens des Zweitklägers aus: Sieht man im Sozialanteil eine – einen Betriebsratsfonds mit eigener Rechtspersönlichkeit bildende – zweckgewidmete Vermögenschaft iSd § 74 Abs 1 ArbVG, so wäre die Eigenberechtigung des Zweitklägers zur Klagsführung nicht ersichtlich. Bei Qualifikation des Sozialanteils als betriebliche Wohlfahrtseinrichtung iSd § 95 ArbVG wiederum ist das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats auf die Teilnahme an der Verwaltung, hier auf die Rechte aus der Mitgliedschaft von drei Belegschaftsvertretern in der Wohlfahrtskommission, beschränkt.

12. In Summe ist die Fällung eines Zwischenurteils gemäß § 393a ZPO daher verfrüht, weil vorerst die rechtliche Existenz (Rechts- und Parteifähigkeit) des Erstklägers klärungsbedürftig ist und im Hinblick auf den Zweitkläger die begehrte Rechtsfolge aus dem Klagevorbringen noch nicht schlüssig ableitbar ist. Da die genannten Aspekte bisher weder von den Klägern ausreichend nachvollziehbar vorgebracht noch mit den Streitteilen erörtert wurden, ist der Revision der Kläger im Sinne ihres implizit gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben und die Rechtssache im Umfang des noch nicht in Rechtskraft erwachsenen klageabweisenden Teils (1.257.274,55 EUR sA) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidungsfindung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO (RIS Justiz RS0128615).

Rechtssätze
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