JudikaturJustiz1Ob135/02p

1Ob135/02p – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Manuel B*****, geboren am ***** infolge Revisionsrekurses des Vaters Bruno M*****, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. März 2002, GZ 42 R 149/02a 33, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 13. Februar 2002, GZ 1 P 107/00v 29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Vater wurde mit seinem Einverständnis mit Beschluss des Erstgerichts vom 18. Dezember 2000 (ON 19) in Erhöhung seiner bisherigen Unterhaltspflicht ab 1. 5. 2000 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von ATS 5.000 verpflichtet. Das Erstgericht ging dabei davon aus, dass der Vater als Angestellter im Jahr 1998 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von ATS 25.400, im Jahr 1999 ein solches von ATS 27.200 und ab 1. 1. 2000 ein solches von ATS 28.000 jeweils einschließlich anteiliger Sonderzahlungen bezog. Es stellte weiters fest, dass den Vater keine sonstigen gesetzlichen Sorgepflichten träfen.

Am 29. 10. 2001 beantragte der Vater "unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (B 1285/00) vom 27. Juni 2001" die Neubemessung seiner Unterhaltsverpflichtung unter Berücksichtigung der dem haushaltsführenden Elternteil monatlich zufließenden staatlichen Transferleistungen. Er ersuche daher "um Kürzung der monatlichen Unterhaltsleistung von derzeit monatlich ATS 5.000 um 13 %" (ON 22).

Mit Beschluss vom 13. 2. 2002 (ON 29) wies das Erstgericht diesen Herabsetzungsantrag des Vaters ab. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichte in Unterhaltssachen vermindere die Familienbeihilfe nicht den Unterhaltsanspruch des Kindes. Gemäß § 12a FLAG stelle die Familienbeihilfe kein Einkommen des Kindes dar. Mit seiner Entscheidung habe der Verfassungsgerichtshof offensichtlich versucht, Ausgewogenheit im Sinn eines Wertausgleichs zwischen den Elternteilen herbeizuführen. Praktisch bedeute dies jedoch eine Einschränkung der angemessenen Teilnahme eines Unterhaltsberechtigten an den Einkommens und Lebensverhältnissen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Ein derartiges Ergebnis dürfe keinesfalls zu Lasten des Unterhaltsanspruchs der Kinder gehen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Gericht sei an das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden. Nach dem klaren Wortlaut des § 12a FLAG diene die Famlienbeihilfe nicht der Entlastung desjenigen Elternteils, in dessen Haushalt das Kind nicht betreut werde. Die Familienbeihilfe sei somit kein Einkommen, das den Unterhaltsanspruch des Kindes nach § 140 Abs 3 ABGB verringern könnte, vielmehr solle sie ungeschmälert jenem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde. Die seit langem von der Rechtsprechung beachteten Grundsätze der Unterhaltsbemessung ließen keinen Raum für Abzugsposten, die allein dazu dienten, eine Steuermehrbelastung des Unterhaltspflichtigen abzugelten. Die Korrektur einer als unbefriedigend empfundenen gesetzlichen Regelung sei nicht Sache der Rechtsprechung, sondern Aufgabe des Gesetzgebers. Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 12a FLAG im Wege einer teleologischen Reduktion scheitere daran, dass eine solche Maßnahme dem klaren Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe und so einen unhaltbaren Eingriff in dessen Kompetenz darstellte. Der Oberste Gerichtshof habe gemäß Art 89 Abs 2 B VG bereits einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt, Art 12a FLAG als verfassungswidrig aufzuheben. Solange diesem Antrag nicht stattgegeben sei, könne es nicht Aufgabe der Gerichte sein, eine Umverteilung steuerlicher Lasten zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt.

Wie bereits das Rekursgericht dargestellt hat, beantragte der Oberste Gerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B VG beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass anhängiger Revisionsrekurse, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hob der Verfassungsgerichtshof im § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf und sprach ferner aus, die aufgehobene Wortfolge sei nicht mehr anzuwenden, frühere gesetzliche Bestimmungen träten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Verfassungsgerichtshof schrieb seine schon im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, erläuterte Ansicht fort, es hätten nicht nur die Absetzbeträge (Unterhalts und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen.

Nach Aufhebung der erwähnten Wortfolge im § 12a FLAG ist der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten wie bisher zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern bei getrennter Haushaltsführung in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB, namentlich dessen Abs 2 zweiter Satz zweiter Fall, so weit zu kürzen, als der Kinderabsetzbetrag und die Familienbeihilfe die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezwecken (so schon 1 Ob 79/02b; 3 Ob 141/02k; 3 Ob 8/02a; 4 Ob 52/02d; 4 Ob 46/02x; 1 Ob 183/02x uva).

Da die Kürzung des nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien bemessenen Unterhaltsanspruchs zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen vorzunehmen ist, wird dessen belastbares Einkommen in steuerrechtlicher Betrachtungsweise um die Unterhaltszahlungen vergleichbar Steuerfreibeträgen verringert, sodass sich diese Leistungen so auswirken, wie wenn die Unterhaltsbeiträge aus den der jeweils höchsten in Betracht kommenden Steuerprogressionsstufe unterworfenen Teilen des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu bestreiten wären. Sollte daher der Geldunterhalt nicht zur Gänze aus jenem Teil des Einkommens, der aus den weiter unten angestellten Erwägungen dem höchsten jeweils in Betracht kommenden (reduzierten) Steuersatz unterliegt, finanzierbar sein, sodass ein Teil des Geldunterhalts aus einem Teil des Einkommens zu bestreiten ist, der mit einem geringeren Steuersatz belastet ist, so ergibt sich die Kürzung des Unterhaltsanspruchs aus den summierten Ergebnissen zweier Prozentrechnungen. Dann sind auf die in unterschiedliche Progressionsstufen fallenden Einkommensteile zur Deckung des gesamten Geldunterhalts die jeweils bedeutsamen Steuersätze als Berechnungsgrundlage anzuwenden.

Die erörterten Steuersätze bestimmen sich nach dem für deren Ermittlung maßgebenden Jahreseinkommen unter Ausklammerung der Sonderzahlungen, somit des 13. und 14. Monatsbezugs. Nach § 33 Abs 1 EStG beträgt die Einkommensteuer für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Nach dem Berechnungsmodell des Verfassungsgerichtshofs erfasst die gebotene steuerliche Entlastung die Hälfte des bemessenen Geldunterhalts. Insofern ist der jeweilige Steuersatz maßgebend. Dieser ist jedoch um etwa 20 % zu reduzieren, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Daher ist der Grenzsteuersatz von 50 % auf 40 %, der Steuersatz von 41 % linear auf 33 % und der von 31 % linear auf 25 % zu kürzen. Dann ist vom halben Unterhaltsbetrag jene prozentuelle Quote zu ermitteln, die dem jeweils anzuwendenden reduzierten Steuersatz entspricht. Als Ergebnis dessen erhält man den Betrag, von dem vorweg der Unterhaltsabsetzbetrag 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG) abzuziehen ist. Um den so ermittelten Restbetrag (Kürzungsfaktor) ist sodann der in Rede stehende Unterhaltsbetrag zu kürzen (vgl zur konkreten Berechnung etwa: 1 Ob 183/02x).

Dem erkennenden Senat ist eine meritorische Erledigung des Unterhaltsherabsetzungsantrags des Vaters schon deshalb verwehrt, weil Feststellungen über das zu versteuernde Jahresbruttoeinkommen des Vaters ohne den 13. und 14. Bezug fehlen. Darüber hinaus ermangelt der Antrag des Vaters ON 22 jeden Hinweises, ob die Herabsetzung lediglich für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit, und bejahendenfalls, für welchen Zeitraum sie begehrt wird. Insoweit wird die Erörterung mit dem Vater nachzuholen und eine entsprechende Präzisierung des Antrags zu veranlassen sein. Schon jetzt sind allerdings zu diesem Antrag, insbesondere zur Möglichkeit, auch eine rückwirkende Unterhaltsherabsetzung zu erlangen, folgende Überlegungen anzustellen:

Bis zu den beiden bereits zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs ging die oberstgerichtliche Rechtsprechung entsprechend dem Wortlaut des § 12a FLAG davon aus, dass die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) zur Gänze dem Haushalt zukommen solle, in dem das Kind betreut wird, um die Betreuungslast wenigstens teilweise abzudecken. Die Familienbeihilfe sei daher nicht auf die Unterhaltspflicht anzurechnen (1 Ob 218/00s mwH). Im Erkenntnis vom 27. Juni 2001 vertrat der Verfassungsgerichtshof die bereits dargestellte gegenteilige Ansicht, die er in seinem zweiten Erkenntnis vom 19. Juni 2002 fortschrieb. Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen, nach dem zweiten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ergangenen Entscheidungen die nach Aufhebung der Wortfolge im § 12a FLAG eingetretene neue Rechtslage bei der Unterhaltsfestsetzung berücksichtigt (RIS Justiz RS0117015), und zwar im Sinne seiner Anträge auf Aufhebung der erwähnten gesetzlichen Bestimmung ausschließlich auf Grund der infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 19. Juni 2002 eingetretenen Änderung der Gesetzeslage, wurde doch die Anfechtung gerade damit begründet, dass die im ersten Erkenntnis (vom 27. Juni 2001) geäußerte Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofs mit der klaren und eindeutigen Formulierung im § 12a FLAG im Zusammenhalt mit den Gesetzesmaterialien nicht in Einklang stehe und eine teleologische Reduktion des normativen Gehalts der Gesetzesstelle mit den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen nicht in Übereinstimmung gebracht werden könne. Daher stützt sich der Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters nicht etwa auf geänderte oberstgerichtliche Rechtsprechung, sondern auf die geänderte Gesetzeslage.

Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 6 Ob 544/87 = SZ 61/143 können noch nicht verjährte Unterhaltsansprüche auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Eine rückwirkende Neufestsetzung der Unterhaltspflicht, die auch in einer rückwirkenden Unterhaltsherabsetzung oder Unterhaltseinstellung bestehen kann (8 Ob 596/93; RIS Justiz RS0047398), setzt eine Veränderung der Verhältnisse seit der letzten Unterhaltsentscheidung voraus. Unterhaltsentscheidungen, die ein Dauerschuldverhältnis regeln, unterliegen der Umstandsklausel, wobei die der Entscheidung nachfolgenden Ereignisse berücksichtigt werden können (RIS Justiz RS0047202).

Eine Änderung der Gesetzeslage ist ebenso wie eine tiefgreifende Änderung der bisherigen, den Unterhaltstitel bestimmenden Rechtsprechungsgrundsätze (RIS Justiz RS0047398) einer geänderten Sachlage gleichzuhalten (8 Ob 663/92 mwH). Allerdings steht der Änderung einer Unterhaltsfestsetzung für die Vergangenheit die materielle Rechtskraft der vorangegangenen Unterhaltsentscheidung entgegen. Auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Unterhaltsbeschlüsse unterliegen der materiellen Rechtskraft (RIS Justiz RS0007171; 1 Ob 122/97s). Bei einer nur in die Zukunft wirkenden Änderung der Verhältnisse kann für die Zeit nach Erlassung der Vorentscheidung auch rückwirkend eine Unterhaltserhöhung, Unterhaltsherabsetzung oder Einstellung begehrt werden. Stichtag der Bindungswirkung ist im außerstreitigen Verfahren der Tag der Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses (SZ 65/54; 8 Ob 596/93) oder allenfalls auch die Rekursentscheidung, wenn damit unter Beachtung zulässiger Neuerungen die für die Rechtskraft entscheidenden Sachverhaltsgrundlagen fixiert wurden (6 Ob 159/02d unter Berufung auf Reischauer, Unterhalt für die Vergangenheit und materielle Rechtskraft, JBl 2000, 421, 424).

Auszugehen ist davon, dass mit dem Beschluss vom 18. Dezember 2000 der Unterhalt für den Minderjährigen abschließend geregelt werden sollte. Eine mögliche Änderung der Rechtsprechung oder der Gesetzeslage zur allenfalls gebotenen steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils auf dem Umweg der Unterhaltsfestsetzung wurde im Hinblick auf die bisherige Judikatur des Obersten Gerichtshofs, nach der die Familienbeihilfe nicht anzurechnen war, und darauf, dass das erste Erkenntnis des VfGH noch nicht ergangen war, nicht bedacht. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 19. Juni 2002 keine rückwirkende Aufhebung des Teilsatzes im § 12a FLAG angeordnet, sondern nur ausgesprochen, dass (mit Wirkung ab der Kundmachung) die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. Er hat jedoch im Punkt III. seines Erkenntnisses ausdrücklich ausgeführt, er sehe keine Veranlassung, dem Antrag der Bundesregierung zu folgen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, weil er davon ausgehe, dass mit der Aufhebung des zweiten Halbsatzes im § 12a FLAG für die Zivilgerichte kein Hindernis mehr bestehe, im Fall entsprechend begründeter Herabsetzungsanträge die Familienbeihilfe im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß auf die Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltsverpflichteten anzurechnen. Zu diesem Vorgehen seien die Zivilgerichte schon nach dem Erkenntnis B 1285/00 berechtigt gewesen, sofern sie bereit gewesen seien, der (verfassungskonformen) Interpretation des Verfassungsgerichtshofs in diesem Erkenntnis zu folgen. Eine Aufhebung unter Fristsetzung hätte somit das unbefriedigende Ergebnis zur Folge, dass jene Gerichte, die sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs angeschlossen haben bzw anzuschließen bereit seien, bereits auf der Basis dieser Entscheidung eine teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Unterhaltsverpflichtung vornehmen könnten, während jene, die eine verfassungskonforme Interpretation des § 12a FLAG im Sinn dieses Erkenntnisses ablehnten, bis zum Ablauf der gesetzten Frist bzw bis zu einer gesetzlichen Neuregelung eine solche Anrechnung unterlassen müssten. Da die Fristsetzung somit voraussichtlich die Judikaturdivergenz innerhalb der Zivilgerichte verlängern würde und die Grundsätze der gebotenen Anrechnung im Erkenntnis zu B 1285/00 vorgezeichnet seien, bestehe für eine Fristsetzung kein Anlass. In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass jedenfalls in Verfahren über Unterhaltsherabsetzungsanträge, die im Zeitpunkt der Kundmachung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs bereits anhängig waren, die neue Rechtslage anzuwenden ist (vgl auch Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kinderunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9, 13), wie dies der Oberste Gerichtshof in der dargestellten Judikaturkette auch bereits mehrfach getan hat. Die insoweit jedenfalls anzunehmende Rückwirkung wird auch nicht durch die Ausführungen im Erkenntnis 7 Ob 174/02t, die Berücksichtigung der neuen Rechtslage sei erst ab Kundmachung des Aufhebungserkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs am 13. 9. 2002 möglich, begrenzt, weil dieses obiter dictum gerade nicht auf die in diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Verfahren Bezug nahm.

Es ist gesicherte Rechtsprechung, dass bei Dauerrechtsverhältnissen im Fall einer Gesetzesänderung mangels abweichender Übergangsregelung der in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechtes reichende Teil des Dauertatbestands danach zu beurteilen ist. Eine Rückwirkung auf Sachverhalte, die sich bereits vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung abschließend verwirklicht haben, ist im Zweifel nicht anzunehmen (5 Ob 78/00g; 6 Ob 16/01y; RIS Justiz RS0008715). Sofern wie hier die Rückwirkung nicht besonders verfügt wird oder sich aus dem zwingenden Charakter der neuen Norm nicht ergibt, ist diese auf die schon vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung abgeschlossene Teile des Dauerrechtsverhältnisses nicht anzuwenden (6 Ob 16/01y). Da der infolge des zweiten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs eingetretenen Änderung der Gesetzeslage jedenfalls keine derart weitgehende rückwirkende Kraft beizumessen ist, dass sogar rechtskräftige Individualentscheidungen abgeändert werden könnten, erfasst die Anordnung des Verfassungsgerichtshofs über den zeitlichen Geltungsbereich der Aufhebung der gesetzlichen Bestimmung jedenfalls nicht die schon rechtskräftig erledigten Zeiträume bis zu den jeweiligen Entscheidungszeitpunkten. Für die Zeiträume nach dem Zeitpunkt der Vorentscheidung ist eine rückwirkende Änderung der Unterhaltsregelung auf Grund der Änderung der Verhältnisse infolge der neuen Rechtslage jedoch zulässig (6 Ob 159/02d).

Auf die von der Mutter in ihrer Äußerung zum Revisionsrekurs thematisierte Frage des gutgläubigen Verbrauchs des geleisteten Unerhalts ist in diesem Verfahren nicht weiter einzugehen. Eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit hat damit, ob infolge einer rückwirkenden Herabsetzung der Unterhaltsleistung bereits gezahlte Beträge rückgefordert werden können, oder ob ein solcher Rückforderungsanspruch daran scheitert, dass der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt in gutem Glauben verbraucht hat (Rummel in Rummel ABGB3 § 1437 Rz 12; Jud 33 = SZ 11/86; RIS Justiz RS0010271; RS0033609; RS0033614), nichts zu tun (SZ 65/54). Diese Fragen sind im streitigen Verfahren zu klären (4 Ob 293/00t).

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben.

Rechtssätze
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