JudikaturJustiz1Ob116/16i

1Ob116/16i – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei Dr. N***** M*****, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Rechtsanwälte GmbH, Bregenz, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 26. Jänner 2016, GZ 2 R 6/16x 12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 4. Dezember 2015, GZ 8 C 508/15x 6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger ist der Ehegatte und eingeantwortete Alleinerbe der am 16. 5. 2014 zu Hause verstorbenen A***** M*****. Der Beklagte ist Arzt und betreibt in G***** eine Praxis für Allgemeinmedizin. Er hat am 16. 5. 2014 bei der Verstorbenen die Totenbeschau durchgeführt und die Obduktion des Leichnams gegen den Willen des Klägers angeordnet bzw veranlasst. Die Obduktion wurde durchgeführt und das Gehirn der Verstorbenen einer Medizinischen Universität übermittelt.

Im Totenbeschauschein hielt der Beklagte am 16. 5. 2014 fest, dass die – bei der Verstorbenen seit 10/2012 bestehende – Creutzfeld Jakob Erkrankung unmittelbar zu ihrem Tod führte.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die am 16. 5. 2014 vom Beklagten angeordnete bzw veranlasste Obduktion seiner Ehefrau rechtswidrig erfolgt sei. Ohne dazu befugt zu sein, habe der Beklagte gegen den Willen des Klägers und dessen Familie die Obduktion des Leichnams angeordnet, obwohl die Todesursache völlig klar gewesen sei. Die Verstorbene habe keine Obduktion ihres Leichnams gewollt. Dieser Wunsch wirke über den Tod hinaus und sei beachtlich. Für die Anordnung der Obduktion habe es keine Rechtsgrundlage gegeben. Der Beklagte sei weder Bürgermeister der Gemeinde G***** noch Gemeindearzt oder Amtsarzt und könne generell nicht hoheitlich handeln. Dass sich der Beklagte rechtswidrig vermeintliche Rechte oder Befugnisse angemaßt habe, rechtfertige die begehrte Feststellung. Die gemeinsamen Kinder und die Angehörigen der Verstorbenen hätten „ihre“ Ansprüche und Rechte gegen den Beklagten an den Kläger abgetreten. Die Befugnisse des Bürgermeisters gemäß § 12 Abs 1 [Vorarlberger] Bestattungsgesetz seien nicht an den Beklagten übertragen worden; bei ihm handle es sich um den Hausarzt der Verstorbenen, mit ihm sei ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag abgeschlossen gewesen.

Der Beklagte wendete insbesondere die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Bei der Anordnung einer Obduktion handle es sich um einen verwaltungsbehördlichen Hoheitsakt, dessen allfällige Rechtswidrigkeit nur in einem Verwaltungsverfahren bekämpft werden könne. Er sei vom Bürgermeister der Marktgemeinde bevollmächtigt gewesen, in einem Fall wie dem gegenständlichen eine Obduktion anzuordnen, sodass von seinem hoheitlichen Handeln und damit von der Unzulässigkeit des Rechtswegs auszugehen sei. Die sanitätspolizeiliche Obduktion der Verstorbenen sei infolge der bei ihr vermuteten Erkrankung zu Recht erfolgt. Infolge der vorgelegenen seltenen Krankheit habe nach einer Interessen und Güterabwägung die Obduktion angeordnet werden müssen. Bestritten werde auch seine Passivlegitimation sowie das Vorliegen des Feststellungsinteresses des Klägers.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Über das Schicksal eines Leichnams werde im Rahmen öffentlich rechtlicher Vorschriften entschieden. Der Beklagte habe bei der Durchführung der Totenbeschau in Vollziehung „der Gesetze“ und nicht als Privatperson gehandelt. Es handle sich um eine „verwaltungsrechtliche Materie“, sodass der Kläger die Möglichkeit habe, die Anordnung der Obduktion durch den Beklagten durch ein Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. § 7 VwGVG sehe die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung des Gesetzes gemäß Art 130 Abs 2 Z 1 B VG vor. Dem Kläger stehe im Verwaltungsrecht ein anderes Abhilfemittel zur Feststellung eines allfällig rechtswidrigen Handelns des Beklagten zur Verfügung. Sei für die Durchsetzung von Rechten oder Rechtsverhältnissen der ordentliche Rechtsweg unzulässig, dann könnten diese auch nicht durch ein Feststellungsbegehren vor die ordentlichen Gerichte gebracht werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Rechtlich führte es aus, der als Totenbeschauer einschreitende Beklagte habe die sanitätsbehördliche Obduktion erkennbar im Hinblick auf die anzeigepflichtige Erkrankung der Beklagten angeordnet bzw veranlasst. Eine Leichenöffnung, für die es stets tragfähiger Gründe bedürfe, greife in das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen ein. Jeder, der in dieses Recht eingreife, bedürfe einer ausreichenden – öffentlich rechtlichen – Legitimation. Dem öffentlich rechtlichen Obduktionsrecht komme der Vorrang gegenüber allfälligen privatrechtlichen Verfügungsbefugnissen über Leichenteile zu. Ein Hinweis, dass eine sogenannte Privatobduktion vorgenommen worden wäre, was die Zustimmung der Verstorbenen oder deren Angehörigen voraussetzen würde, fehle. Der vom Bürgermeister herangezogene Beklagte habe als Totenbeschauer eine typische staatliche Aufgabe auf hoheitlicher Grundlage erfüllt. Der durch die Anordnung der sanitätspolizeilichen Obduktion des Leichnams geforderte hinreichend innere und äußere Zusammenhang mit seiner hoheitlichen Tätigkeit sei zu bejahen. Die vom Beklagten – allenfalls unter Überschreitung der ihm als Totenbeschauer eingeräumten Befugnisse – veranlasste/angeordnete sanitäts-polizeiliche Obduktion der Verstorbenen sei ihrem Wesen nach jedenfalls hoheitlicher Natur und damit als in Vollziehung der Gesetze (vgl § 1 Abs 1 AHG) erfolgt anzusehen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage bestehe, ob gegen den Totenbeschauer, dem (beschränkte) hoheitliche Befugnisse eingeräumt worden seien, im Fall der Inanspruchnahme durch Dritte wegen Befugnisüberschreitung der Rechtsweg „gemäß § 9 Abs 5 AHG verwehrt“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten beantwortete Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Für die Zulässigkeit des Rechtswegs vor den ordentlichen Gerichten im Sinn der Art 82 ff B VG ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher Anspruch im Sinn des § 1 JN erhoben wurde, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben (stRsp; RIS Justiz RS0045584; RS0045718; RS0005896; Mayr in Rechberger ZPO 4 Vor § 1 JN Rz 6). Unerheblich ist, ob der behauptete Anspruch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist (RIS Justiz RS0045491; RS0045718).

Unter bürgerlich rechtlichen Ansprüchen sind im Sinn des § 1 JN jene anspruchsbegründenden rechtlichen Regelungen zu verstehen, die auf Gleichordnung beruhende Rechtsbeziehungen zwischen beliebigen Rechtssubjekten zum Gegenstand haben. Über Zivilrechtsansprüche können nach der durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits Novelle 2012 (BGBl I 2012/51) geschaffenen Rechtslage sowohl die ordentlichen Gerichte als auch Verwaltungsbehörden entscheiden (1 Ob 246/14d mwN). Die Kompetenz der ordentlichen Gerichte hängt davon ab, ob ein bürgerlich rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht ausdrücklich durch das Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen wird (§ 1 JN; RIS Justiz RS0045584 [T32]). Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder Gerichte zum Ausdruck bringen (RIS Justiz RS0045438 [T7]); im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (RIS Justiz RS0045456). Soll von der Zuständigkeit der Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, muss sie in den hiefür erforderlichen „besonderen Gesetzen“ klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (RIS Justiz RS0045474).

Die Frage, ob eine bestimmte Aufgabe zu ihrer Wahrnehmung der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung übertragen ist, ist ausschließlich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften zu beurteilen; es ist daher unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten zu ermitteln, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen will (vgl RIS Justiz RS0102497 [T3]). Für die Abgrenzung kommt es unter anderem darauf an, ob mit dem zu beurteilenden Handeln staatlicher Verwaltungseinrichtungen typisch staatliche Aufgaben erfüllt werden und ob dieses Verwaltungshandeln rechtstechnisch auf hoheitlicher Grundlage (Verordnung, Bescheid, etc) beruht. Dabei sind insbesondere auch die dem Verwaltungshandeln zugrunde liegenden konkreten Rechtsvorschriften und die mit diesen verfolgten Ziele zu beachten (1 Ob 183/15s mwN = RIS Justiz RS0102497 [T7]; vgl RS0049882 [T8, T14]).

2. Zur Frage der Verfügungsberechtigung über einen Leichnam hat der Oberste Gerichtshof – ganz generell – ausgesprochen, dass über das Schicksal des Leichnams im Rahmen der öffentlich rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten aufgrund eines über den Tod hinaus fortwirkenden Persönlichkeitsrechts (§ 16 ABGB) die betroffene Person selbst entscheidet. Primär ist der Wille des Verstorbenen zu respektieren, soweit dies mit den bestehenden öffentlich rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Der Wille braucht nicht in einer bestimmten Form kundgetan worden zu sein, sondern kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 914 ABGB auch aus den Umständen gefolgert oder hypothetisch ermittelt werden. Nur soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen nicht vorliegt oder dieser aus öffentlich rechtlichen Gründen undurchführbar ist, haben die nächsten Angehörigen des Verstorbenen ohne Rücksicht auf ihre Erbenstellung das Recht, über den Leichnam – ebenfalls im Rahmen der öffentlich rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten – zu bestimmen (zuletzt 7 Ob 113/14i mwN = SZ 2014/76; RIS Justiz RS0009713 [T1]; so auch VfGH G 97/2013 = VfSlg 19.904).

3. Der Kläger begehrt als Ehemann und damit nächster Angehöriger (sowie als eingeantworteter Alleinerbe) gegenüber dem Beklagten die Feststellung, dass die von diesem angeordnete bzw veranlasste Obduktion seiner Ehefrau rechtswidrig erfolgt sei. Der Kläger macht keinen Amtshaftungsanspruch (Schadenersatzanspruch) im Sinn des § 1 AHG geltend, sondern erhebt ein Feststellungsbegehren über eine von ihm als rechtswidrig angesehene Handlung des Beklagten.

Unabhängig von der Frage der Berechtigung dieses Feststellungsbegehrens entspricht es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass nahe Angehörige das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen – wozu auch die Entscheidung über eine Leichenöffnung zählt – geltend machen können (6 Ob 283/01p = SZ 2002/107 mwN; RIS Justiz RS0116720; zuletzt 4 Ob 224/13i). Bezüglich der rechtsdogmatischen Einordnung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass es sich nicht um die Beeinträchtigung eines eigenen Rechts der Angehörigen auf den Schutz des Rufs und anderer Persönlichkeitsmerkmale des Verstorbenen handelt, sondern dass die Angehörigen die Rechte des Verstorbenen geltend machen (1 Ob 550/84 = SZ 57/98 = RIS Justiz RS0009000; Aicher in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 16 Rz 51; Posch in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 16 Rz 48; Koziol , Österreichisches Haftpflichtrecht II 2 17; Schauer in Kletecka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 16 Rz 27; Eccher in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 531 Rz 57). Die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechten der Verstorbenen im Fall einer Obduktion durch den hinterbliebenen Ehegatten ist daher zulässig. Da der Kläger – auch nach seinem erstinstanzlichen Vorbringen – nur die Interessen der Verstorbenen wahrnimmt, sind seine nunmehrigen Ausführungen zu einem nicht näher bezeichneten (privatrechtlichen) „Rechtsverhältnis“ zwischen ihm als „außenstehenden Dritten“ und dem Beklagten nicht nachvollziehbar.

4. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung (Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn) ist vielmehr, ob die vom Beklagten veranlasste Obduktion der Verstorbenen im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgte oder nicht.

Bestimmungen, die die Zulässigkeit von Obduktionen (Leichenöffnungen) regeln, finden sich verstreut sowohl in verschiedenen Bundesgesetzen als auch in Landesgesetzen.

Die „sanitätspolizeiliche Obduktion“ – auf die sich der Beklagte beruft – bezweckt den Schutz der Gesundheit; sie ist zulässig für die Feststellung, ob eine anzeigepflichtige Krankheit im Sinn des § 1 Epidemiegesetz 1950 (BGBl 1950/186 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 2012/43; kurz: EpidemieG) vorlag, sowie in anderen Fällen der Gesundheitsgefährdung ( Rössl , Tote Körper, Schlaglichter auf den Umgang des Rechts mit der Leblosigkeit, juridikum 2014, 250 [256]; vgl E. Mayer/Tipold in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer , Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 190 Rz 120 f).

4.1 Das Leichen und Bestattungswesen fällt bezüglich Gesetzgebung und Vollziehung in den Zuständigkeitsbereich der Länder (Art 10 Abs 1 Z 12 B VG iVm Art 15 B VG).

Sofern keine Anordnung des Verstorbenen vorliegt oder die Befolgung einer solchen Anordnung nicht durchführbar oder zumutbar ist, obliegt gemäß § 3 Abs 2 [Vorarlberger] Gesetz über das Leichen und Bestattungswesen (LGBl 1969/58 idF LGBl 2013/47; kurz Vlbg BestG) den Angehörigen insbesondere die Erteilung der Zustimmung zur Vornahme einer nicht von der Staatsanwaltschaft oder vom Bürgermeister angeordneten oder nicht im § 12 Abs 3 leg cit vorgesehenen Leichenöffnung. Angehöriger im Sinn des Gesetzes ist insbesondere der Ehegatte, dem primär die nach diesem Gesetz auferlegten Pflichten obliegen (§ 3 Abs 6 Vlbg BestG). Da es sich bei der Leichenöffnung um Maßnahmen handelt, durch die sehr weitgehend in die Intimsphäre des Verstorbenen eingegriffen wird, hat sich der Vorarlberger Landesgesetzgeber bewusst dafür entschieden, anderen Personen als den Angehörigen derartige Rechte nicht einzuräumen (ErläutRV 10. Beilage im Jahre 1969 zu den Sitzungsberichten des XX. Vorarlberger Landtages, 98).

Jede Leiche, ausgenommen eine Fehlgeburt, ist vor ihrer Bestattung der Totenbeschau zu unterziehen (§ 6 Abs 1 Vlbg BestG). Der zuständige Bürgermeister hat, soweit der zuständige Totenbeschauer nicht schon informiert ist, unverzüglich die Durchführung der Totenbeschau zu veranlassen. Zuständiger Totenbeschauer ist unter anderem auch ein von der Gemeinde dazu bestellter, zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt (§ 6 Abs 2 lit a leg cit). Der Totenbeschauer hat bei der Totenbeschau festzustellen, ob nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft der Tod eingetreten ist und welche Ursache für den Eintritt des Todes maßgeblich war (§ 7 Abs 2 leg cit). Wenn der Totenbeschauer die Todesursache nicht feststellen kann, hat er dies unverzüglich dem Bürgermeister anzuzeigen (§ 9 Abs 1 leg cit). Die nach anderen Vorschriften dem Totenbeschauer obliegende Verpflichtung, Anzeigen über Todesfälle zu erstatten, wird durch diese Anzeigepflicht nicht berührt (§ 9 Abs 3 leg cit).

Falls die Todesursache voraussichtlich nur durch eine Leichenöffnung geklärt werden kann und nicht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Leichenöffnung durch die Staatsanwaltschaft gegeben sind, hat gemäß § 12 Abs 1 Vlbg BestG der Bürgermeister eine Leichenöffnung anzuordnen. Nach Abs 2 dieser Bestimmung darf ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Bürgermeisters und bei Fehlen der Voraussetzungen nach Abs 3 eine Leichenöffnung nur vorgenommen werden, wenn der Verstorbene der Leichenöffnung zugestimmt hat oder eine schriftliche Zustimmung der Angehörigen nach § 3 Abs 2 leg cit vorliegt. § 12 Abs 3 leg cit betrifft die Obduktion von Leichen der in öffentlichen Krankenanstalten verstorbenen Patienten (siehe dazu 5 Ob 26/15g = RdM 2015/145, 273 [ Kopetzki ]).

4.2 Das Gesundheitswesen ist mit Ausnahme des Leichen und Bestattungswesens gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B VG Bundessache.

Die Verstorbene litt an der Creutzfeld-Jakob Krankheit. Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 EpidemieG unterliegen Verdachts , Erkrankungs und Todesfälle an transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (umfasst auch das Creutzfeld Jakob Syndrom) der Anzeigepflicht. Gemäß § 3 Abs 1 Z 10 dieses Gesetzes ist der Totenbeschauer zur Erstattung der Anzeige über den Sterbefall an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (§ 2 Abs 1 leg cit) verpflichtet. § 5 Abs 2 dieses Gesetzes verweist auf eine entsprechende Verordnung dazu, unter welchen Voraussetzungen und von welchen Organen bei diesen Erhebungen (über das Auftreten einer anzeigepflichtigen Krankheit) die Öffnung von Leichen und die Untersuchung von Leichenteilen vorgenommen werden kann. Nach der (dazu erlassenen) Verordnung des Ministers des Inneren im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom 29. 9. 1914 betreffend Leichen von mit anzeigepflichtigen Krankheiten behafteten Personen, RGBl 1914/263 (vgl Hummelbrunner in GmundKomm zum Gesundheitsrecht [2016] § 5 EpG 1950 Rz 5; Rössl aaO 256 FN 45), ist die Öffnung von Leichen und die Untersuchung von Leichenteilen – sanitätspolizeiliche Obduktion – über Anordnung der politischen Bezirksbehörde (Bezirks-verwaltungsbehörde) vorzunehmen (§ 1 Abs 1 der Verordnung).

5. Eine Beauftragung der Obduktion durch eine Bezirksverwaltungsbehörde wird nicht behauptet. Unstrittig ist, dass der Beklagte vom Bürgermeister einer Vorarlberger Marktgemeinde als Totenbeschauer herangezogen wurde. Er führte die Totenbeschau durch und ordnete gegen den Willen des Klägers die Obduktion des Leichnams an.

Der Kläger argumentiert, der Beklagte sei weder Bürgermeister noch Gemeinde oder Amtsarzt und könne generell nicht hoheitlich handeln, während sich der Beklagte auf eine „Bevollmächtigung“ des Bürgermeisters berief, in einem Fall wie dem gegenständlichen eine Obduktion anzuordnen.

Der Kläger begehrt als Angehöriger die Feststellung eines rechtswidrigen Eingriffs des dazu nicht befugten Beklagten in das postmortale Persönlichkeitsrecht seiner verstorbenen Ehefrau, und zwar durch die Anordnung bzw Veranlassung der Obduktion deren Leichnams. Er behauptet zwar einen rechtswidrigen privatrechtlichen Eingriff, jedoch können Rechte oder Rechtsverhältnisse, für deren Durchsetzung der Rechtsweg unzulässig ist, auch im Wege der Feststellungsklage nicht vor die ordentlichen Gerichte gebracht werden (RIS Justiz RS0039162 [T3 = T5]).

Die Leichenbeschau ist die äußere Besichtigung und Untersuchung der Leiche, während die Obduktion die Leichenöffnung und damit die Besichtigung umfasst, in welchem Zustand sich das Innere einer Leiche befindet ( Tipold in Fuchs/Ratz , WK StPO § 128 Rz 6 und 13 mwN).

Die Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung und damit die Beurteilung der Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn hängt davon ab, ob der Beklagte vom Bürgermeister gemäß § 12 Abs 1 Vlbg BestG, wenn auch allenfalls in Überschreitung dessen Kompetenz, mit der Anordnung der Leichenöffnung beauftragt worden ist oder er diese selbst veranlasste. Im Fall einer „Bevollmächtigung“ durch den Bürgermeister, mag diese auch unzulässig gewesen sein, wäre der für die Anordnung der sanitätspolizeilichen Obduktion des Leichnams geforderte hinreichende innere und äußere Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit des Bürgermeisters (vgl RIS Justiz RS0049948; RS0049897) gegeben. In diesem Fall hätte der Kläger gemäß § 7 Abs 4 VwGVG iVm Art 130 Abs 1 Z 2 B VG die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt. Das Klagebegehren wäre dagegen infolge Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen. Sollte jedoch festgestellt werden, dass der Beklagte – ohne dazu vom Bürgermeister „bevollmächtigt“ worden zu sein – die Obduktion des Leichnams der Verstorbenen angeordnet hat, wäre grundsätzlich der privatrechtliche Charakter des Anspruchs des Klägers zu bejahen und damit die Zulässigkeit des Rechtswegs gegeben. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage fehlen aber Feststellungen der Vorinstanzen. Die Vorinstanzen hätten die Klage im derzeitigen Verfahrensstadium daher nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückweisen dürfen.

6. Dem Revisionsrekurs ist demnach Folge zu geben und das Verfahren an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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