JudikaturJustiz13Os43/14v

13Os43/14v – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Fabian V***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 6. Dezember 2013, GZ 38 Hv 48/13t 84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (C) und des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB (F) sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Konfiskation) und im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des Adhäsionserkenntnisses verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Fabian V***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2013/116 (A), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 erster Fall StGB „idF BGBl I 2009/40“ (B/I), der geschlechtlichen Nötigung „nach § 202 Abs 1 erster Fall idF BGBl I 2009/40, Abs 2 vierter Fall StGB idF BGBl I 2004/15“ (B/II) sowie des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2013/116 (C), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (D/I), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (D/II), mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (E) und des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) am 16. November 2011 in T***** Benedikt F***** mit Gewalt, nämlich durch das Verabreichen flunitrazepamhältiger Substanzen, zur Duldung des Oralverkehrs genötigt,

(B) in T***** außer den Fällen des § 201 StGB Benedikt F***** mit Gewalt, nämlich durch das Verabreichen flunitrazepamhältiger Substanzen, zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar

I) im Februar 2012 zur Duldung von Manipulationen an seinem Penis und

II) am 22. Februar 2012 zur Duldung einer Ejakulation gegen seinen entblößten Oberkörper und sein Gesicht, wodurch der Genötigte in besonderer Weise erniedrigt wurde,

(C) im Februar 2011 in C***** eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er den Penis des schlafenden Benedikt F***** betastete,

(D) andere am Körper verletzt, nämlich

I) vom Februar 2011 bis zum Mai 2012 in T***** und an anderen Orten wiederholt Benedikt F***** durch das Verabreichen flunitrazepamhältiger Substanzen und

II) im April oder Mai 2009 in M***** fahrlässig Dominik F*****, indem er ihn durch Pressen eines erst unmittelbar davor gelöschten Streichholzes gegen den Unterarm vorsätzlich am Körper misshandelte,

(E) vom November 2011 bis zum Mai 2012 (US 6, vgl auch US 16) in T***** und an anderen Orten Benedikt F***** mit Gewalt, nämlich durch das Verabreichen flunitrazepamhältiger Substanzen, wiederholt zur Duldung des Anfertigens mehrerer Lichtbilder seines entblößten Penisses genötigt und

(F) vom Juni 2012 bis zum August 2012 in T*****, W***** und an anderen Orten Benedikt F***** dadurch widerrechtlich beharrlich verfolgt, dass er in einer Weise, die geeignet war, ihn in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, fortgesetzt durch eine Vielzahl von SMS, Telefonanrufen und Internetnachrichten Kontakt zu ihm herstellte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 1, 4, 5, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt teilweise im Recht.

Der Besetzungsrüge (Z 1) zuwider stellt der Umstand, dass die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden des Schöffensenats an einem Verhandlungstag mit Blick auf die zufolge fortgeschrittener Stunde fehlende Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel mit ihrem Pkw nach Hause brachte, keinen Grund dar, der geeignet ist, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Vorsitzenden in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO).

Bei der Beurteilung, ob persönliche Beziehungen eines Richters (soweit hier von Interesse) zu einer Prozesspartei aus Z 3 des § 43 Abs 1 StPO beachtlich sind, kommt der Dauer und der Intensität des Naheverhältnisses maßgebliche Bedeutung zu ( Lässig , WK StPO § 43 Rz 11 mwN). Unter Anlegung dieses Maßstabs wurden beispielsweise laufende freundschaftliche Beziehungen (1 Präs 2690 1667/09x) oder wiederholte gemeinsame sportliche und gesellschaftliche Aktivitäten (12 Ns 38/12b) als ausschlussbegründend im Sinn des § 43 Abs 1 Z 3 StPO angesehen. Demgegenüber ist im hier in Rede stehenden einmaligen Chauffieren nicht einmal ansatzweise ein Naheverhältnis zu erblicken, das geeignet ist, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Chauffierten in Zweifel zu setzen.

Soweit die Beschwerde den aus dem Nichtentstehen von Beförderungskosten resultierenden finanziellen Vorteil des Vorsitzenden anspricht, übersieht sie, dass die Bestimmungen über die Ausgeschlossenheit von Richtern dazu dienen, die unparteiische Entscheidungsfindung zu garantieren ( Lässig , WK StPO Vorbem zu §§ 43 bis 47 Rz 4; vgl auch Art 6 Abs 1 MRK). Demgemäß ist ein allfälliger Nutzen für den erkennenden Richter unter dem Aspekt der Ausgeschlossenheit nur dann von Relevanz, wenn er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sachentscheidung steht, die durch die Verfahrenserledigung als solche voraussichtlich geschaffene Situation an sich also verglichen mit der Sachlage vor der Erledigung konkrete Vorteile für den Richter erwarten lässt ( Lässig , WK StPO § 43 Rz 11). Ein derartiger potentieller Vorteil wird hier nicht dargetan.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag, „beide von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige nach § 126 Abs 4 iVm § 47 Abs 1 Z 3 StPO wegen Befangenheit auszuschließen, da diese von der Staatsanwaltschaft bestellt und aufgrund ihrer Tätigkeit im Ermittlungsverfahren befangen seien“ (ON 74 S 3 f), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 74 S 5):

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach (13 Os 141/11a, 160/11w; 14 Os 2/12v; 12 Os 115/12x; 11 Os 51/13d, EvBl 2014/62, 420; 13 Os 55/13g, 56/13d; 13 Os 25/14x, EvBl 2014/136, 926; RIS-Justiz RS0120023 [T4]) dargelegt und auch der Verfassungsgerichtshof jüngst (VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015) ausgesprochen hat, folgt nämlich allein aus dem Umstand, dass ein Sachverständiger bereits im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beigezogen wurde, nicht der generelle Ausschluss dieses Sachverständigen für die Bestellung in der Hauptverhandlung. Vielmehr ist (auch) bei dieser Verfahrenskonstellation im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine allfällige Befangenheit anhand der Regelung des § 47 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 126 Abs 4 erster Satz StPO (Vorliegen von Gründen, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen) zu beurteilen (so auch VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015 Rz 43).

Ein Antrag, einen im Ermittlungsverfahren über Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig gewesenen Sachverständigen nicht auch für die Hauptverhandlung zu bestellen, muss demnach Anhaltspunkte aufzeigen , die im Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit dieses Sachverständigen im Ermittlungsverfahren gegen dessen völlige Neutralität sprechen (vgl VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015 Rz 40). Dem entsprach der gegenständliche Antrag nicht. Er erschöpfte sich vielmehr ohne Bezugnahme auf konkrete Tätigkeiten im bloßen Hinweis auf die Beiziehung der angesprochenen Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und verfiel solcherart im Lichte der dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs zu Recht der Abweisung.

Hinzugefügt sei, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die relevierten Gutachten in weit über die insofern vom EGMR definierten Standards (siehe beispielsweise EGMR 4. 4. 2013, 30465/06, C. B. / Österreich ) hinausreichender Art und Weise am Verfahren beteiligt worden ist, was anhand einer Zusammenfassung der diesbezüglichen Verfahrensschritte gezeigt wird:

(1) Am 30. Oktober 2012 bestellte die Staatsanwaltschaft Dr. Günter G***** mit dem Auftrag zum Sachverständigen, Haarproben des Benedikt F*****, des Dominik F***** sowie des Stefan H***** zu entnehmen und diese Proben auf das allfällige Vorhandensein narkotisierender Wirkstoffe oder Betäubungsmittel zu untersuchen (ON 8). Der Bestellungsbeschluss wurde dem (damals noch unvertretenen) Beschwerdeführer zugestellt (ON 1 S 4).

(2) Das Gutachten Dris. G***** (ON 15) langte am 8. Jänner 2013 bei der Staatsanwaltschaft ein (ON 15 S 1), welche die Zustellung an den Verteidiger am selben Tag verfügte (ON 1 S 15, ON 19).

(3) Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 legte der Verteidiger eine Expertise des Privatgutachters Dr. Alfred Kl*****, die sich mit dem Gutachten Dris. G***** kritisch auseinandersetzt, vor (ON 35).

(4) Am 17. Mai 2013 bestellte die Staatsanwaltschaft Mag. Dr. Karl D***** mit dem Auftrag zum Sachverständigen, unter Berücksichtigung „der übermittelten Aktenteile, insbesondere des Gutachtens des Dr. Günter G***** vom 4. 1. 2013 und des mit Beweisantrag vom 16. 5. 2013 vorgelegten Privatgutachtens des Dr. Alfred Kl***** (ON 35)“ Befund und Gutachten zu erstatten, „1) ob (inwiefern) die Erektionsfähigkeit durch die Aufnahme von flunitrazepamhältigen 'GuttaNotte'-Tropfen beeinträchtigt wird, gegebenenfalls welche Menge an Tropfen notwendig wäre, um eine fehlende Erektionsfähigkeit zu bewirken; 2) wie sich die Aufnahme von 10 20 Tropfen 'GuttaNotte' auf den Schlaf bzw die Schlaftiefe des Betroffenen auswirkt, ob zB zu erwarten wäre, dass dieser bei Manipulationen an seinem Körper (Penis), beim Wegziehen der Bettdecke, beim Onanieren auf sein Gesicht/seinen Brustbereich, erwacht und sich daran auch erinnert, 3) welche Menge an 'GuttaNotte' Tropfen erforderlich wäre, eine Schlaftiefe zu bewirken, die ein Erwachen bei den unter Pkt. 1) [gemeint wohl 2)] geschilderten Vorfällen verhindern würde; 4) ob (inwiefern) sich die Wirkungsweise der 'GuttaNotte' Tropfen verändert bei Konsum anderer Substanzen (zB Konsum von 1 2 Bier oder von 2 Gläsern Wein?); 5) ob eine wiederholte Einnahme von 'GuttaNotte' Tropfen über einen längeren Zeitraum die Wirkungsweise beim Betroffenen beeinflusst, gegebenenfalls in welcher Weise; 6) ob die Beimengung von 'GuttaNotte' Tropfen bzw. einem flunitrazepamhältigen Mittel in Getränken (zB Latella) für den Betroffenen merkbar ist (Geschmack, Konsistenz etc. verändert?); 7) ob die von Benedikt F***** in seinen Aussagen vom 17. 9. 2012 (AS 25 ff in ON 2) und vom 28. 2. 2013 (ON 32, kontradiktorische Vernehmung) gemachten Schilderungen über seine 'Ausfälle' mit dem Konsum von 'GuttaNotte' Tropfen bzw flunitrazepamhältigen Substanzen in Einklang zu bringen sind“ (ON 37). Der Bestellungsbeschluss wurde dem Verteidiger zugestellt (ON 1 S 28).

(5) Ebenfalls am 17. Mai 2013 übermittelte die Staatsanwaltschaft dem Sachverständigen Dr. G***** die Expertise des Privatgutachters Dr. Kl***** (ON 35) mit dem Auftrag, hiezu „möglichst umfassend“ Stellung zu nehmen, insbesondere zu den Fragen, „1) ob die in den Haarproben bei Benedikt F***** vorgefundene Konzentration an Flunitrazepam darauf schließen lässt, dass diesen Wirkstoff enthaltende Medikamente notwendigerweise in der Zeit nach Juni 2012 aufgenommen wurden; 2) ob Ihr Gutachten vom 4. 1. 2013 hinsichtlich der angeführten Aufnahme von 10 20 Tropfen 'GuttaNotte' dahingehend zu verstehen ist, dass aufgrund der festgestellten Konzentration an Flunitrazepam bei F***** von dieser angenommenen Wirkstoffmenge beim letzten Konsum mit hinreichender Sicherheit auszugehen ist oder ob es sich dabei um eine bloß mögliche Annahme der Tropfenmenge handelt bzw. auch mehr (weniger) eingenommene Tropfen denselben Befund herbeiführen können; 3) ob eine wiederholte Einnahme von 'GuttaNotte' Tropfen über einen längeren Zeitraum die feststellbare Konzentration des Wirkstoffes in den Haaren beeinflusst, gegebenenfalls in welcher Weise; 4) ob der fehlende Nachweis von Flunitrazepam in den Bein- und Brusthaaren des Dominik F***** und des Stefan H***** dem 'Konsum von KO Tropfen' widerspricht, 'da selbst nach 1 bis 1 ½ Jahren noch geringfügige Mengen von Stoffwechselprodukten in diesen Haaranteilen nachweisbar sein müssten' (vgl S 7 des Privatgutachtens des Dr. Kl*****)“ (ON 39). Auch dieser Ergänzungsauftrag wurde dem Verteidiger zugestellt (ON 1 S 28).

(6) Am 28. Mai 2013 brachte der Verteidiger einen Schriftsatz mit einer weiteren Frage an den Sachverständigen Dr. G***** ein (ON 41). Diesen Schriftsatz leitete die Staatsanwaltschaft am 3. Juni 2013 mit dem Auftrag zur Berücksichtigung im Rahmen der Gutachtenserstattung sowohl an den genannten Sachverständigen (ON 42) als auch an Mag. Dr. D***** (ON 43) weiter.

(7) Die auch eine detaillierte Erörterung des Privatgutachtens enthaltenden Gutachten der Sachverständigen Mag. Dr. D***** und Dr. G***** (siehe 4 bis 6) langten am 24. Juni 2013 (ON 48 und ON 50) bzw am 2. Juli 2013 (ON 51) bei der Staatsanwaltschaft ein und wurden von dieser dem Verteidiger zugestellt (ON 1 S 33, ON 56).

(8) Über Antrag des Verteidigers vom 25. Juli 2013 (ON 59) beauftragte das nach Einbringung der Anklageschrift (ON 54) hiefür zuständige (§ 210 Abs 2 erster Satz StPO) Landesgericht Wr. Neustadt den Sachverständigen Mag. Dr. D***** am 1. August 2013, Urkunden, auf die er in seinem Gutachten Bezug genommen hatte, vorzulegen (ON 1 S 40 f), welchem Auftrag der Sachverständige am 2. Oktober 2013 nachkam (ON 64). Diese Urkunden wurden dem Verteidiger zugestellt (ON 1 S 42).

(9) Mit Schriftsatz vom 26. September 2013 legte der Verteidiger mit Blick auf die allfällige Verabreichung von flunitrazepamhältigen Substanzen (siehe 1 und 3 bis 6) eine Expertise des Privatgutachters Univ. Prof. Dr. Fr*****, eine Stellungnahme der S***** GmbH und zwei Studien vor (ON 63a). Diese Unterlagen wurden zum Akt genommen (Beilagen ./1 bis ./4) und den Sachverständigen Mag. Dr. D***** und Dr. G***** zur Kenntnis gebracht (ON 1 S 42).

(10) Die Hauptverhandlung für die das Landesgericht Wr. Neustadt die schon im Ermittlungsverfahren tätig gewesenen Sachverständigen Mag. Dr. D***** und Dr. G***** beizog (ON 1 S 43, ON 77 S 83) wurde am 11. November 2013 (ON 74), am 15. November 2013 (ON 75), am 20. November 2013 (ON 76), am 21. November 2013 (ON 77), am 26. November 2013 (ON 78), am 2. Dezember 2013 (ON 81) und am 6. Dezember 2013 (ON 83) durchgeführt. Anlässlich der in deren Rahmen nach gezielter Terminkoordination mit dem Vorsitzenden zwecks Teilnahmemöglichkeit von Privatsachverständigen (ON 63) erfolgten Erörterung der Gutachten der Sachverständigen Mag. Dr. D***** und Dr. G***** (ON 77 und ON 78) machte der Beschwerdeführer von seinem Recht (§ 249 Abs 3 StPO), zur Befragung der Sachverständigen eine Person mit besonderem Fachwissen konkret den Privatgutachter Univ. Prof. Dr. Fr***** (vgl 9) beizuziehen, Gebrauch (ON 77 und ON 78).

(11) In dem am 21. November 2013 durchgeführten Teil der Hauptverhandlung trug zunächst Dr. G***** nach Erinnerung an seinen Sachverständigen Eid durch das Gericht (ON 77 S 83) seine Gutachten ON 15, 50 sowie 51 vor und erläuterte diese (ON 77 S 83 bis 87). Hierauf beantwortete er die Fragen des Gerichts, des Verteidigers und des Privatgutachters (ON 77 S 87 bis 95). Sodann trug Mag. Dr. D***** ebenfalls nach Erinnerung an seinen Sachverständigen-Eid durch das Gericht (ON 77 S 83) sein Gutachten ON 48 vor und erläuterte dieses (ON 77 S 95 f). In der Folge beantwortete er die Fragen des Gerichts und des Privatgutachters (ON 77 S 97 bis 105). Auch die vom Verteidiger vorgelegten Unterlagen, nämlich die Expertise des Privatgutachters Univ. Prof. Dr. Fr*****, die Stellungnahme der S***** GmbH und die beiden Studien (siehe 9) wurden verlesen (ON 77 S 95 f). Dr. D***** nahm dazu ausführlich Stellung (ON 77 S 97 bis 101) und beantwortete im Anschluss an diese Stellungnahme ergänzende Fragen des Privatgutachters (ON 77 S 101 bis 105). Da Letzterer die Hauptverhandlung wegen eines unaufschiebbaren Termins verlassen musste (ON 77 S 105), wurde die ergänzende Befragung des Sachverständigen Mag. Dr. D***** durch den Privatgutachter am 26. November 2013 fortgesetzt (ON 78 S 3 bis 11). Im Anschluss daran legte der Verteidiger ein an ihn gerichtetes Schreiben der L***** K***** zur „Vorgehensweise bei Haarprobenahmen“ (Beilage ./19) vor, zu welchem Mag. Dr. D***** ebenfalls Stellung bezog (ON 78 S 11).

(12) Am Schlusstag der Hauptverhandlung, dem 6. Dezember 2013, trug der Vorsitzende mit Einverständnis der Prozessparteien (§ 252 Abs 1 Z 4, Abs 2 StPO iVm § 252 Abs 2a StPO) den Inhalt der wesentlichen Aktenteile, darunter die Expertisen der Privatgutachter Dr. Kl***** (ON 35) und Univ. Prof. Dr. Fr***** (Beilage ./1), vor (ON 83 S 5, 7).

Zum in diesem Zusammenhang erhobenen „Antrag“, hinsichtlich § 126 Abs 4 letzter Satz StPO „eine Normprüfung beim Verfassungsgerichtshof“ einzuleiten, genügt der Hinweis, dass einer Prozesspartei ein diesbezügliches Antragsrecht nicht zukommt (RIS Justiz RS0053934, RS0054189 und RS0058452).

Soweit der bezeichnete „Antrag“ als Anregung an den Obersten Gerichtshof zu verstehen ist, gemäß Art 89 Abs 2 zweiter Satz B VG den Antrag auf Aufhebung des § 126 Abs 4 letzter Satz StPO beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, wird auf das bereits angesprochene Erkenntnis (VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015) verwiesen.

Das Erstgericht hat bei der Verneinung der Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers (§ 258 Abs 2 StPO), die inkriminierten sexuellen Handlungen seien einverständlich erfolgt, sehr wohl berücksichtigt, dass mehrere Zeugen Angaben zu einem Naheverhältnis zwischen Benedikt F***** und dem Beschwerdeführer tätigten, dabei aber auch aktenkonform festgehalten, dass keiner dieser Zeugen „Beobachtungen zu sexuellen Berührungen“ gemacht habe (US 9).

Hievon ausgehend waren die Tatrichter entgegen der Mängelrüge (Z 5) unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht verhalten, sich mit sämtlichen Details der Zeugenaussagen zum Verhältnis zwischen Benedikt F***** und dem Beschwerdeführer auseinanderzusetzen (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS Justiz RS0118316).

Hinsichtlich der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang auch angesprochenen persönlichen Einschätzungen der Zeugen Friedrich K*****, Elisabeth K*****, Theodora T***** und Kerstin Ku***** kommt hinzu, dass Schlussfolgerungen und Wertungen nicht Gegenstand des Zeugenbeweises und solcherart schon aus diesem Grund nicht zu erörtern sind (13 Os 25/92, EvBl 1992/189, 797; RIS Justiz RS0097540, jüngst 14 Os 189/13w; Kirchbacher , WK StPO § 154 Rz 8).

Das Vorbringen zum Befund von Prof. Dr. Z***** sowie zu den Aussagen der Zeugen Dr. Klaus F***** und Stefan H***** lässt keinen Konnex zu schuld und subsumtionsrelevanten Umständen erkennen und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0106268).

Mit den Unsicherheiten im Aussageverhalten des Zeugen Benedikt F***** setzten sich die Tatrichter sehr wohl auseinander (US 9).

Die hypothetischen Ausführungen zu einer allfälligen Überdosierung des Wirkstoffs Flunitrazepam und zur diesbezüglichen Abbauzeit lassen jeden Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe vermissen.

Die im Befund Dris. Fr***** enthaltenen Lichtbilder, wonach (den Wirkstoff Flunitrazepam enthaltende) Guttanotte Tropfen in manchen Flüssigkeiten sogenannte Fettaugen verursachen (ON 83 S 7 iVm Beilage ./1 S 11 bis 16), widersprechen der insoweit relevierten Urteilsannahme, dass diese Tropfen geruch , farb und geschmacklos sind, aber einen öligen Film bilden, der außer bei Verabreichung mit klarem Wasser im Mund nicht wahrnehmbar ist (US 5 f), keineswegs und waren solcherart insoweit auch nicht erörterungsbedürftig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO.

Mit dem übrigen Vorbringen zur Expertise Dris. Fr***** erschöpft sich die Beschwerde ebenso wie mit jenem zu den Urteilserwägungen über die Aussage des Zeugen Benedikt F***** und das Gutachten des Sachverständigen Mag. Dr. D***** in einem unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Indem die Beschwerde offenbar unzureichende Urteilsbegründung (Z 5 vierter Fall) infolge erstrichterlicher Bezugnahme auf angeblich nicht verlesene Urkunden einwendet, ohne einen Konnex zu Urteilskonstatierungen über entscheidende Tatsachen herzustellen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0106268).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinsichtlich des Schuldspruchs A unzureichende Feststellungen zum Tatbestandselement der Gewalt behauptet, ohne am gesamten diesbezüglichen Urteilssachverhalt (US 6 f) festzuhalten, entfernt sie sich vom Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei ergänzt, dass das Erstgericht wiederholt ausdrücklich feststellte, dass es dem Beschwerdeführer durch das inkriminierte Verabreichen flunitrazepamhältiger Substanzen gelang, die Willensbildung des Benedikt F***** auszuschalten (US 6, 7), womit er nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre „Gewalt“ im Sinn des § 201 Abs 1 StGB anwendete ( Hinterhofer SbgK § 201 Rz 24 sowie Philipp in WK² StGB § 201 Rz 13, jeweils mwN).

Aus welchem Grund die Feststellung des Wissens um das fehlende Einverständnis des Opfers mit den von den Schuldsprüchen A und B umfassten Handlungen den subjektiven Tatbestandserfordernissen des § 201 Abs 1 StGB und des § 202 Abs 1 StGB nicht entsprechen soll, wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet (siehe aber RIS Justiz RS0116565 und RS0116569).

Unter dem Aspekt allfälligen amtswegigen Vorgehens (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) sei hinzugefügt, dass das konstatierte Wissen des Angeklagten die Willenskomponente seines (hier: bedingten) Vorsatzes inkludiert (13 Os 100/09v, EvBl 2010/115, 775; 11 Os 49/11g, SSt 2011/35; RIS Justiz RS0088835 [T4]).

Mit dem Vorbringen, der Schuldspruch wegen Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (D/I) beziehe sich auf die Taten vom 16. November 2011, von einem nicht feststellbaren Tag im Februar 2012 und vom 22. Februar 2012, die zugleich § 201 Abs 1 StGB (A), § 202 Abs 1 erster Fall StGB (B/I) bzw § 202 Abs 1 erster Fall, Abs 2 vierter Fall StGB (B/II) unterstellt worden seien (was rechtsrichtig zur Konsumtion der Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB führe), sowie auf solche, die infolge Aufenthalts in Costa Rica (Oktober 2010 bis Juni 2011) und in Siena (August 2011) als Auslandstaten eines Ausländers nicht in den örtlichen Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze fielen (§§ 62 65 StGB), argumentiert die Beschwerde erneut nicht auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen. Hienach hat der Beschwerdeführer Benedikt F***** am 14. Oktober 2011, am 10. Februar 2012 sowie am 21. und 23. Mai 2012 durch das Verabreichen flunitrazepamhaltiger Substanzen vorsätzlich am Körper verletzt (US 6 f), was den Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen mehrerer (also einer unbestimmten Zahl von) Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB (US 5) jedenfalls trägt.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand eines Scheinkonkurrenzverhältnisses zwischen den Tatbeständen des § 105 Abs 1 StGB (E) und des § 83 Abs 1 StGB (D/I) geht nicht auf die dieser Rechtsansicht widersprechende Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0092599 und RS0115230, jüngst 15 Os 132/13w) ein, verletzt dadurch die allgemein akzeptierten Regeln juristischer Auseinandersetzung und verfehlt solcherart die methodisch vertretbare Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz ( Ratz, WK StPO § 281 Rz 588 f; vgl auch RIS Justiz RS0116565 und RS0116569).

Auch die (mit dem Ziel fehlender inländischer Gerichtsbarkeit erhobene) Behauptung, der Schuldspruch wegen Vergehen der Nötigung (E) beziehe sich teilweise auf einen Zeitraum, in dem sich der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Erstgerichts (US 5) in C***** aufgehalten hat (Oktober 2010 bis Juni 2011), entfernt sich vom Urteilssachverhalt, wonach der Schuldspruch E (erst) ab November 2011 gesetzte Taten umfasst (US 6, siehe auch US 2).

Mit dem Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), das zum Schuldspruch B/II festgestellte Ejakulieren gegen das Gesicht und den entblößten Oberkörper des Opfers entspreche nicht dem Tatbestandselement der „geschlechtlichen Handlung“ (§ 202 Abs 1 StGB), unterlässt die Beschwerde einmal mehr die wie dargelegt unter dem Aspekt prozessordnungskonformer Geltendmachung materieller Nichtigkeit gebotene Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Rechtsprechung.

In concreto sprach der Oberste Gerichtshof zu AZ 13 Os 56/03 unter ausdrücklicher Ablehnung einer gegenteiligen, zum StG ergangenen und insoweit vereinzelt gebliebenen Entscheidung (12 Os 213/68, EvBl 1969/209, 302 = Mayerhofer StGB 5 § 202 E 27) aus, dass ein Täter, der sein Opfer niederdrückte und mit Körperkraft fixierte, während er „bis zum Samenerguss onanierte und ihm das Ejakulat ins Gesicht und auf den Oberkörper spritzte, es solcherart in den Sexualakt einbezog“ und es demnach im Sinn des § 202 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigte.

Anlass, von dieser Judikatur deren Rechtsauffassung auch in der Lehre geteilt wird ( Hinterhofer SbgK § 202 Rz 28) abzugehen, sieht der Oberste Gerichtshof nicht.

Hinzugefügt sei, dass die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgestellte Rechtsbehauptung, Judikatur und Lehre würden zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der „geschlechtlichen Handlung“ eine unmittelbare körperliche Berührung zwischen Täter und Opfer verlangen, nicht zutrifft. Vielmehr ist es in der Rechtsprechung wie in der herrschenden Lehre unumstritten, dass grundsätzlich (bei Erfüllung auch der übrigen Tatbestandselemente) auch Selbstberührungen des Opfers (RIS Justiz RS0111357, Bertel/Schwaighofer BT II 10 § 202 Rz 2, Hinterhofer SbgK § 202 Rz 28, Kienapfel/Schmoller StudB BT III² §§ 201 202 Rz 13, Philipp in WK² StGB § 202 Rz 12) und Berührungen mit Gegenständen (11 Os 4/05f, SSt 2005/78; 11 Os 131/10i, SSt 2011/10; 12 Os 40/12t; RIS Justiz RS0094905 [T19], RS0095733 [T3], RS0095739 [T8] und RS0120457; Bertel/Schwaighofer BT II 10 § 202 Rz 2; Kienapfel/Schmoller StudB BT III² Vorbem §§ 201 ff Rz 37; Hinterhofer SbgK § 202 Rz 24; Philipp in WK² StGB § 202 Rz 9) geeignet sind, den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB herzustellen.

Rechtsvergleichend sei darauf hingewiesen, dass deutsche Rechtsprechung und Lehre das Ejakulieren gegen den nackten Körper des Opfers einhellig dem Begriff der „sexuellen Handlung“ (zur grundsätzlichen Parallelität des diesbezüglichen Begriffsinhalts mit jenem der „geschlechtlichen Handlung“ des österreichischen Rechts siehe Eisele in Schönke/Schröder dStGB 29 § 184g Rz 1 ff, Laufhütte in LK 11 § 184c Rz 1 f) unterstellen ( Eisele in Schönke/Schröder dStGB 29 § 184g Rz 18, Hörnle in MK² § 184g Rz 9 sowie Laufhütte in LK 11 § 184c Rz 16, jeweils mit umfangreichen Judikaturzitaten).

Der Einwand, die Feststellungen zum Schuldspruch B/II würden die Subsumtion nach § 202 Abs 2 vierter Fall StGB nicht tragen, weil Benedikt F***** das Ejakulieren gegen sein Gesicht und seinen Oberkörper „nicht subjektiv als herabwürdigend, erniedrigend und demütigend empfinden“ konnte, entfernt sich vom Urteilssachverhalt und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810). Die Urteilsfeststellungen, wonach die Benedikt F***** vom Beschwerdeführer verabreichten flunitrazepamhältigen Substanzen die „Willensbildung“ ausschalteten, inkludieren nämlich keineswegs ein Fehlen der Wahrnehmungsfähigkeit.

Zudem sei festgehalten, dass eine „besondere Erniedrigung“ (§ 202 Abs 2 vierter Fall StGB) nicht nur dann angenommen werden kann, wenn das Opfer die Tathandlungen wahrgenommen hat. Dies zeigt schon der Vergleich mit § 205 Abs 3 vierter Fall StGB idF BGBl I 2013/116, der eine mit § 202 Abs 2 vierter Fall StGB wortgleiche Qualifikationsbestimmung in Bezug auf den sexuellen Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten, also beispielsweise auch einer bewusstlosen oder schlafenden ( Hinterhofer SbgK § 205 Rz 23 sowie Philipp in WK² StGB § 205 Rz 7, jeweils mwN), Person vorsieht.

Entscheidend für die Verwirklichung des in Rede stehenden Qualifikationstatbestands ist nämlich, dass der Täter durch die sexuelle Handlung die Missachtung der Menschenwürde des Opfers und seine Herabwürdigung zum bloßen Objekt sexueller Willkür in besonderer Weise ausdrückt (zu § 177 Abs 2 Z 1 dStGB Renzikowski in MK² § 177 Rz 69 mwN). Demgemäß wird auch in der Literatur zu § 177 dStGB betont, dass sich das Merkmal der „besonderen Erniedrigung“ nicht an der Sichtweise des Opfers, sondern am äußeren Geschehen zu orientieren hat ( Renzikowski in MK² § 177 Rz 69 sowie Wolters in SK dStGB § 177 Rz 26, jeweils mwN).

Aus rechtsvergleichender Sicht sei weiters hinzugefügt, dass auch § 8 Abs 1 Z 9 dVStGB und Art 8 Abs 2 lit b Z xxi IStHG Statut, welche Normen das Tatbestandselement der „erniedrigenden und entwürdigenden Behandlung“ enthalten, die Wahrnehmung dieser Behandlung durch das Opfer nicht voraussetzen ( Zimmermann/Geiß in MK² dVStGB § 8 Rz 204 sowie Werle, Völkerstrafrecht³ Rz 1169, jeweils mwN).

Die Behauptung, der Entscheidung AZ 14 Os 169/93 sei „zu entnehmen, dass das Ejakulieren ins Gesicht und auf die Brust des Opfers nur dann als qualifikationsbegründend anzusehen ist, wenn der Angeklagte davor bereits den Grundtatbestand des § 202 Abs 1 StGB erfüllt hat“, entfernt sich vom Inhalt der angeführten Entscheidung und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Hinzugefügt sei, dass die von § 202 Abs 2 vierter Fall StGB verlangte „besondere Erniedrigung“ sehr wohl in der geschlechtlichen Handlung selbst gelegen sein kann (14 Os 143/06w, 12 Os 102/12k, RIS Justiz RS0095315 [T4], Philipp in WK² StGB § 201 Rz 33; EBRV 2319 BlgNR 24. GP 16).

Fallbezogen ist die geschlechtliche Handlung wie dargelegt das Ejakulieren gegen den Körper des Opfers. Mit Blick auf die betroffene Körperregion (nämlich das Gesicht) ist diese geschlechtliche Handlung als „besonders erniedrigend“ im Sinn des § 202 Abs 2 vierter Fall StGB zu werten (RIS Justiz RS0095315 [T4] und RS0095801, Hinterhofer SbgK § 201 Rz 65 sowie Philipp in WK² StGB § 202 Rz 15, jeweils mwN).

Entsprechendes bringt im Übrigen schon die Entscheidung AZ 13 Os 56/03 zum Ausdruck, die bei einem vergleichbaren Sachverhalt zwar in Stattgebung der Subsumtionsrüge der Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch nach § 202 Abs 1 StGB (anstelle des erstgerichtlichen nach § 105 Abs 1 StGB) fällt, aber ausdrücklich festhält, dass „eine Qualifikationsverwirklichung nach § 202 Abs 2 StGB“ von der Staatsanwaltschaft „nicht geltend gemacht“ wird.

Die Rechtsbehauptung, gemäß § 61 StGB sei § 202 Abs 1 StGB (B/I) idF BGBl I 2013/116 anzuwenden, argumentiert nicht aus dem Gesetz (siehe demgegenüber RIS Justiz RS00116565 und RS0116569), indem sie übergeht, dass § 202 Abs 1 StGB gar nicht Gegenstand der angesprochenen Novellierung war.

Gleiches gilt für den Einwand einer „Mischung aus mehreren Rechtsschichten“, der sich darüber hinwegsetzt, dass § 202 Abs 2 vierter Fall StGB durch BGBl I 2009/40 nicht geändert worden ist.

Mit der Behauptung, der zum Schuldspruch E konstatierte Einsatz betäubender Mittel entspreche nicht dem Gewaltbegriff des § 105 Abs 1 StGB, unterlässt die Beschwerde einmal mehr die gebotene Auseinandersetzung mit der diesem Rechtsstandpunkt widersprechenden ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0093295 und RS0120379), deren Sicht im Übrigen auch von der herrschenden Lehre geteilt wird ( Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 28 sowie Seiler SbgK § 105 Rz 17, jeweils mwN).

Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingegen wendet die Beschwerde hinsichtlich des Schuldspruchs C nominell aus Z 9 lit b und Z 10, der Sache nach aus Z 9 lit a (12 Os 111/06z, SSt 2006/81; RIS Justiz RS0092267 [T1], jüngst 15 Os 47/13w) zutreffend fehlende Feststellungen zum Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze (§§ 61 ff StGB) ein.

Insoweit ist vorweg festzuhalten, dass der gemäß § 61 zweiter Satz StGB vorzunehmende Günstigkeitsvergleich, in den auch die Bestimmungen des Allgemeinen Teiles des StGB einzubeziehen sind ( Triffterer SbgK § 61 Rz 8), bei gebotener Einzelfallbetrachtung ( Höpfel/U. Kathrein in WK 2 StGB § 61 Rz 14; Triffterer SbgK § 61 Rz 24) zur Anwendung der im Tatzeitraum (Februar 2011) geltenden Rechtslage führt, weil § 64 Abs 1 Z 4a StGB in der im Urteilszeitpunkt (6. Dezember 2013) geltenden Fassung (BGBl I 2011/130) in Relation dazu für Taten, die § 205 StGB zu unterstellen sind eine Erweiterung des Geltungsbereichs der österreichischen Strafgesetze mit sich bringt.

Nach Tatzeitrecht galt § 205 StGB (mangels Sonderbestimmung) für Auslandstaten (hier: Tatort C***** [US 5]) eines Ausländers (hier: deutschen Staatsangehörigen [US 1]) nur unter den Voraussetzungen des § 65 Abs 1 Z 2 StGB, also dann, wenn der Täter im Inland betreten wurde und (bei gegebener Strafbarkeit nach Tatortrecht) aus einem anderen Grund als wegen der Art oder Eigenschaft seiner Tat nicht an das Ausland ausgeliefert werden konnte (dazu RIS Justiz RS0124030). Konstatierungen hiezu enthält die angefochtene Entscheidung nicht.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB (F) wendet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) der Sache nach ebenfalls zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen ein. Die angefochtene Entscheidung enthält nämlich zur Anzahl der Kontaktaufnahmen gar keine, zum zeitlichen Abstand zwischen diesen sowie zu deren Inhalt nur rudimentäre Konstatierungen und schafft damit keine hinreichende Beurteilungsbasis für die Verwirklichung des Tatbestandselements der „Beharrlichkeit“.

Die Schuldsprüche wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (C) und des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB (F) waren daher wie von der Generalprokuratur vorgeschlagen in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben.

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Konfiskation) und des Adhäsionserkenntnisses zur Folge.

Auf die weiteren Beschwerdeargumente zu den Schuldsprüchen C und F sowie auf die Sanktionsrüge (Z 11) war demgemäß nicht einzugehen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:

(1) Hinsichtlich der vom Schuldspruch C umfassten Tat wird außer dem Fall eines Verfolgungsverzichts der Staatsanwaltschaft (hiezu Schwaighofer SbgK § 65 Rz 20) im Sinn des § 65 Abs 1 Z 2 StGB zu klären sein, ob der Angeklagte (im Fall gegebener Strafbarkeit in C***** [vgl RIS Justiz RS0092377]) aus einem anderen Grund als wegen der Art oder Eigenschaft seiner Tat nicht an das Ausland ausgeliefert werden kann (13 Os 91/02, SSt 64/46). Zu den insoweit notwendigen Bemühungen der österreichischen Behörden siehe Höpfel/U. Kathrein in WK² StGB § 64 Rz 8a und § 65 Rz 4.

(2) Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung der „Beharrlichkeit“ im Sinn des § 107a Abs 1 StGB ist die Belastung für das Opfer. Sie hängt neben Art und Schwere der einzelnen Stalking Handlungen, wozu auch der Inhalt von Internetnachrichten, Telefonanrufen oder SMS gehört von deren Anzahl, Dauer und den dazwischenliegenden Zeitabständen ab ( Schwaighofer in WK² StGB § 107a Rz 10). Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung dieser Parameter, womit eine besonders starke Ausprägung eines davon unter dem Aspekt der Subsumtion eine Reduktion des Gewichts der anderen zulässt ( Wach SbgK § 107a Rz 57). Zur Beurteilung des angesprochenen Tatbestandselements werden daher Feststellungen zu all diesen Parametern zu treffen sein.

(3) Sollte erneut die Konfiskation (§ 19a StGB) ausgesprochen werden, wird zu beachten sein, dass wie die Sanktionsrüge (Z 11) zutreffend aufzeigt § 19a Abs 2 StGB zwingend eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anordnet, aus welchem Grund deren Unterlassen Nichtigkeit aus Z 11 dritter Fall begründet (13 Os 100/12y, RIS Justiz RS0088035, jüngst 11 Os 12/14w).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Konfiskation) und des Adhäsionserkenntnisses zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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  • RS0120379OGH Rechtssatz

    14. Januar 2021·3 Entscheidungen

    Der Einsatz betäubender Mittel ist als Gewalt (auch iSd § 201 Abs 1 StGB idgF) anzusehen. Dieser erweiterte, auf die Beeinträchtigung der Willensfreiheit abstellende Gewaltbegriff setzt allerdings voraus, dass dem Tatopfer ein betäubendes (berauschendes) Mittel ohne seinen Willen verabreicht wird, welches in seiner Wirkung dazu führt, dass eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung hervorgerufen wird, in der dem Opfer eine eigenständige Willensentfaltung unmöglich gemacht wird. Nur dann entspricht das Hervorrufen dieses Zustands der Anwendung von umfassender Gewalt, die mit der völligen Ausschaltung der Willensbildung beim Opfer einhergeht. Das heimliche Verabreichen eines Betäubungsmittels in einer Dosis, welche diese Fähigkeit zur eigenständigen Willensbildung noch nicht ausschaltet, kann hingegen die strafrechtlich geschützte freie Willensbetätigung des Opfers -anders als bei der sonstigen Gewalteinwirkung - weder umlenken noch fremdsteuern, weil dem Tatobjekt mangels Kenntnis eines auf ihn wirkenden Mittels nicht bewusst wird, dass von ihm eine (vom Täter bezweckte) Verhaltensänderung erreicht werden soll. Dass das Opfer durch die Verabreichung eines berauschenden Mittels leichter beeinflussbar wird, kann aber selbst bei extensiver Auslegung des Gewaltbegriffes noch nicht als das Rechtsgut der Freiheit beeinträchtigende und vom Betroffenen als auf ihn einwirkend wahrnehmbare Willenssteuerung angesehen werden.