JudikaturJustiz7Ob148/08b

7Ob148/08b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Martin G*****, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Walter K*****, vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 4.395,60 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2007, GZ 7 R 139/07y 51, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz Ost vom 5. Juni 2007, GZ 41 C 1380/04a 31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Unstrittig ist, dass die Liegenschaft H*****, samt Haus nicht im Eigentum des Klägers steht.

Der Kläger begehrt vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes (Fallcode 08) den gutachtlich festgestellten „Sanierungsaufwand zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Werks" von (unaufgeschlüsselten) 4.395,60 EUR brutto. Er habe den Beklagten mit der Sanierung der Zugangs- und Traufenpflasterung „des" Hauses H*****, beauftragt und nach der Durchführung von Pflaster , Asphaltierungs- und Verputzarbeiten 21.800 EUR bezahlt. In der Folge seien zunehmend Feuchtigkeitsschäden im Sockelbereich des Hauses aufgetreten. Nach einem Gutachten eines vom Kläger beigezogenen Sachverständigen sei dies darauf zurückzuführen, dass die vom Beklagten verlegten Pflastersteine ohne den erforderlichen Feuchtigkeitsschutz im Schotterplanum sowie im Pflasterkonstruktionsbereich mit zu geringem Quergefälle verlegt worden seien, was zur Durchnässung der Außenwand des Hauses geführt habe. Der Sanierungsaufwand errechne sich mit 4.395,60 EUR brutto. Der Beklagte habe bestandene Betonbefestigungen beseitigt, ohne bei der Pflasterung für eine entsprechende Abdichtung zum Haus zu sorgen. Erst durch die Arbeiten des Beklagten sei der untere Rand der Fassadenverkleidung unter das umgebende Niveau gekommen.

Der Beklagte , dessen Einwand der mangelnden Passivlegitimation bereits im ersten Rechtsgang vom Berufungsgericht verneint wurde, bestritt im Übrigen eine mangelhafte Pflasterung. Die Schäden am Verputz hätten ihre Ursache in der schon bestehenden mangelnden und unsachgemäßen Isolierung des angrenzenden Mauerwerks. Selbst wenn die Pflasterung nicht fachgerecht ausgeführt worden sei, hätte der Kläger den „auf der Liegenschaft der klagenden Partei" vorhandenen Sockel( putz) sanieren müssen, weshalb es sich bei den Kosten der nunmehr vorgenommenen Sanierung um Sowieso Kosten handle. Diese wären dem Kläger auch angefallen, wenn er gewarnt worden wäre. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang die Klage (erneut) ab. Der Kläger sei nicht Eigentümer der Liegenschaft. Daher könne ihm auch durch die aufsteigende Feuchtigkeit an der Fassade des Hauses kein Schaden in seinem Vermögen entstanden sein. Es fehle ihm deshalb an der aktiven Klagslegitimation. Durch die Verlegearbeit des Beklagten sei dem Kläger auch nicht geholfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Beklagte habe nach Hinweis auf die Eigentumsverhältnisse mangelnde Aktivlegitimation eingewendet. Es stehe unbekämpft fest, dass das Haus im Eigentum der Mutter und der Großmutter des Klägers stehe und er die Kosten geltend mache, die zur Behebung der Feuchtigkeitsschäden am Mauerwerk erforderlich seien. Er verlange also den Ersatz von durch die mangelhafte Arbeit des Beklagten entstandenen Mangelfolgeschäden am Haus, für deren Behebung 4.395,60 EUR erforderlich seien. Für deren Ersatz gelte weitgehend allgemeines Schadenersatzrecht. Daher sei zu prüfen, ob im Vermögen des Klägers ein Schaden entstanden sei, was mangels seines Eigentums am Haus und mangels eines weiteren Vorbringens zu verneinen sei. Da der Kläger also aus materiellrechtlicher Sicht nicht zur Geltendmachung der Mangelfolgeschäden befugt sei, habe das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen. Eine allfällige Warnpflicht des Beklagten könne daher ungeprüft bleiben. Der Mängelrüge der Berufung fehle es ausgehend von dieser Rechtslage an der Wesentlichkeit. Die einzige relevante Beweisrüge zur Mangelhaftigkeit der Werkleistung des Beklagten übergehe die im Rahmen der Beweiswürdigung mit Feststellungscharakter enthaltene Ausführung, dass „die Verlegearbeiten richtig (wohl gemeint: ordnungsgemäß) waren". Gegen diese auf das Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen gestützte Feststellung könne der Kläger aber keine Bedenken erwecken. Ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen könne nämlich immer nur durch einen weiteren gerichtlich bestellten Sachverständigen widerlegt werden; ebenso wenig dürfe ein sachverständiger Zeuge Bewertungen vornehmen.

Auf Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO doch zulässig sei. Es sei nicht auszuschließen, dass es zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Kläger ausschließlich die Kosten der Mängelfolgeschäden geltend gemacht habe und dass solche nur vom Eigentümer der beschädigten Sache geltend gemacht werden könnten. Es fehle auch Rechtsprechung zur Frage, ob nicht auch der Werkbesteller Anspruch auf die Kosten der Mängelbehebung haben könne, wenn er die Herstellung des Werks auf einem ihm nicht gehörenden Grund und Boden beauftragt habe, Schäden jedoch nicht am Grund und Boden, sondern am Mauerwerk des Hauses entstanden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision des Klägers ist zulässig . Die Auslegung des Prozessvorbringens einer Partei stellt zwar im Allgemeinen nicht eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, weil sie einzelfallbezogen ist. Etwas anderes gilt aber, wenn die Auslegung durch das Rechtsmittelgericht mit dem Wortlaut des Vorbringens - wie im vorliegenden Fall - unvereinbar ist, weil dann der Entscheidung erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (3 Ob 583/91 = SZ 64/188). Das Rechtsmittel ist auch im Sinn des allein gestellten Aufhebungsantrags berechtigt , weil der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt, zumal das Berufungsgericht zwar eine unzutreffende, nicht jedoch eine Scheinbegründung vornahm.

1. Mit der schon in der Mahnklage enthaltenen Formulierung, er verlange den gutachtlich festgestellten „Sanierungsaufwand zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Werks" ersetzt, stellte der Kläger unmissverständlich klar, dass er den Ersatz der Verbesserungskosten verlangt, die zur Herstellung der vom Beklagten geschuldeten mängelfreien Werkleistung „Pflasterung" erforderlich sind. Deren Mängel sollen einerseits in einem zu geringen Quergefälle (gemeint vermutlich: vom Haus weg) und andererseits in der fehlenden Abdichtung zur Außenwand des Hauses gelegen sein, was zu deren Durchnässung geführt haben soll.

Dieses Prozessvorbringen bietet nicht den geringsten Anlass für die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger begehre den Ersatz von Schäden, die am Haus - verursacht durch eine mangelhafte Werkleistung des Beklagten - entstanden sind, also sogenannte Mangelfolgeschäden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das zudem davon ausgeht, dies stehe unbekämpft fest, findet ihre Erklärung unter Umständen darin, dass es bei der Beurteilung des Klagsvorbringens das vom Kläger als Beweismittel vorgelegte Privatgutachten (./D) berücksichtigte. Dieses enthält einen Vorschlag zur fachgerechten Sanierung des Außenputzes einschließlich der darunter liegenden Wärmeisolierung, deren Kosten exakt dem Klagsbetrag entsprechen; auch der Kläger argumentiert in der Revision mit dem Inhalt des Privatgutachtens.

2. Dabei wird aber Folgendes übersehen: Zur Schlüssigkeit der Klage bedarf es der Behauptung der rechtserzeugenden Tatsachen. Der Hinweis auf angeschlossene urkundliche Belege genügt nicht (RIS Justiz RS0001252). Urkunden sind nämlich nur Beweismittel; sie stellen kein Prozessvorbringen dar und können solches nicht ersetzen (RIS Justiz RS0037915; RS0017844 [T2]; RS0001252 [T12]; RS0038037 [T19]). Ein nicht ausdrücklich erstattetes Vorbringen kann nicht durch den bloßen Hinweis auf eine Beweisaufnahme ersetzt werden (RS0017844 [T3]; RS0038037 [T11]), daher auch nicht durch den Verweis auf Parteien , Zeugen- oder Sachverständigenaussagen (RIS Justiz RS0017844 [T6]; RS0038037 [T8]).

Allerdings kann eine Urkunde auf die Schlüssigkeit des Parteienvorbringens dann von Einfluss sein, wenn ihr Inhalt damit in unlösbarem Widerspruch steht (RIS Justiz RS0017844). (Nur) bei Unklarheiten über den geltend gemachten Rechtsgrund oder den Umfang des Anspruchs wird auf eine Ergänzung des Vorbringens zu drängen sein (RIS Justiz RS0112799). Bei Unschlüssigkeit ist das Klagebegehren nicht sofort abzuweisen, sondern muss vom Gericht eine Verbesserung angeregt werden (§ 182 ZPO). Der Verbesserungsauftrag ist von Amts wegen zu erteilen, selbst wenn die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist und die Notwendigkeit einer Präzisierung nicht selbst erkannte (RIS Justiz RS0037166; RS0037516 [T2] und [T3]; RS0117576 [T1]; RS0036455 [T5] und [T9]).

3. Zwischen dem Klagsvorbringen und dem Inhalt des Privatgutachtens besteht insofern ein Widerspruch, als der Kläger im Prozess die pauschal genannten Kosten der Verbesserung der mangelhaften Pflasterung begehrt und sich zum Beweis dafür auf ein Gutachten beruft, das die Kosten der Sanierung eines Mangelfolgeschadens an der Außenwand des Hauses in gleicher Höhe beschreibt. Dieser Widerspruch hätte Anlass sowohl für das Erst , jedenfalls aber auch für das Berufungsgericht für eine Erörterung mit dem Kläger sein müssen, um die bestehenden Unklarheiten über sein Begehren auszuräumen. Keinesfalls durfte das Berufungsgericht eine unerörterte, mit dessen Wortlaut unvereinbare Auslegung des Prozessvorbringens dergestalt vornehmen, dass der dazu im Widerspruch stehende Inhalt einer Urkunde als Prozessvorbringen angesehen wird.

4. Im gegebenen Zusammenhang ist auch die Klarstellung angebracht, dass der vom Erstgericht am Beginn der letzten Streitverhandlung erhobene Hinweis auf die Eigentumsverhältnisse (an welcher Sache?, welcher konkreten Art?) keinesfalls einer Erörterung seiner später vertretenen Rechtsansicht im Sinn der §§ 182, 182a ZPO entspricht, dem Kläger fehle es an der Aktivlegitimation. Er beschränkte sich ja nur auf die Betonung einer (inhaltlich gar nicht offengelegten) Tatsache, ohne die daraus abgeleiteten rechtlichen Konsequenzen darzustellen. Diese Erörterung konnte auch nicht der später erhobene Einwand des Beklagten ersetzen, der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, weil dies völlig unsubstantiiert blieb; die - allenfalls naheliegende - Vermutung, dieser Einwand stütze sich auf die Darstellung der Eigentumsverhältnisse durch das Erstgericht, macht nämlich rechtlich nachvollziehbare Behauptungen keinesfalls überflüssig. Das Vorgehen des Erstgerichts bildete daher einen Verstoß gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen (§ 182a ZPO).

5. Der aus einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung (Missinterpretation des Prozessvorbringens) resultierende und deshalb jedenfalls aufzugreifende Verfahrensmangel (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO) muss zur Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen führen, um die notwendige Erörterung nachzuholen. Es erscheint zweckmäßig, sie von der Tatsacheninstanz vornehmen zu lassen, zum einen weil die allenfalls daraus resultierenden Weiterungen des Verfahrens derzeit in keiner Weise absehbar sind und zum anderen, weil die vom Erstgericht bisher getroffenen Feststellungen ohnehin unzureichend sind.

6. Für das fortgesetzte Verfahren wird Folgendes zu beachten sein:

6.1. Zunächst wird mit den Parteien deren Vorbringen klarzustellen sein, und zwar primär zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen den Parteien, um beurteilen zu können, ob die Rechtslage vor oder seit der Geltung des GewRÄG anzuwenden ist. Das Berufungsgericht unterstellt eingangs seiner Begründung - unbeanstandet - eine Beauftragung des Beklagten im Mai 2001, ohne dass dazu Vorbringen der Parteien vorliegt, argumentiert rechtlich jedoch mit dem erst seit 1. 1. 2002 geltenden § 933a ABGB.

6.2. Mit dem Kläger wird zu erörtern sein, welche konkrete Mängel er dem Beklagten - über die Verlegung mit einem zu geringen Quergefälle hinaus vorwirft: Zweifelhaft erscheint nämlich auch, ob er der Ansicht ist, der Beklagte hätte im Zuge der Ausführung seiner Pflasterung eine Abdichtung gegenüber der (unverändert bleibenden) Außenfassade des Hauses vornehmen müssen, oder meint, der Beklagte hätte auf die Notwendigkeit der Änderung der Ausgestaltung der Außenfassade hinzuweisen gehabt.

In diesem Zusammenhang wird mit dem Beklagten abzuklären sein, ob sein Einwand betreffend die Ursache der Verputzschäden in Verbindung mit jenem der Sowieso Kosten der Sanierung im Sockelbereich dahin zu verstehen ist, dass er die Durchnässung der Außenfassade und damit deren Sanierungsbedürftigkeit - im Bereich seiner Pflasterarbeiten - schon bei Ausführung dieser Arbeiten behauptet.

Diese Klarstellungen sind zur Beurteilung des Vorliegens von Sowieso Kosten notwendig, weil diese nur in dem Umfang angenommen werden können, in dem schon ursprünglich das Erfordernis der Vornahme dieser Arbeiten bestand.

6.3. Vom Kläger wird auch die Klarstellung zu verlangen sein, was Gegenstand seines Ersatzbegehrens ist. Da dies derzeit noch ungeklärt ist, erübrigen sich weitere, derzeit bloß theoretische Rechtsausführungen dazu.

6.4. Nach den gegebenenfalls noch aufzunehmenden Beweisen werden möglichst präzise Feststellungen zu treffen sein, die eine Beurteilung der behaupteten Mangelhaftigkeit der Werkleistung des Beklagten ebenso zulassen wie die Berechtigung des Ersatzbegehrens des Klägers.

In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis für das Berufungsgericht notwendig, dass zwar die Zuordnung einzelner Teile eines Urteils zu den Feststellungen nicht vom Aufbau des Urteils abhängt (RIS Justiz RS0043110 [T1]). Für die Beurteilung, ob es sich bei außerhalb der Feststellungen vorzufindenden Urteilsausführungen um Tatsachenfeststellungen handelt, kommt es allerdings auf die Qualität der Aussage in den Entscheidungsgründen eines Urteils an (3 Ob 2016/96h). Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht die im Rahmen der Beweiswürdigung vom Erstrichter vorgenommene Äußerung „Der Herr Sachverständige hat auch festgehalten, dass einerseits die Verlegearbeiten zwar richtig waren, ..." daher noch dazu nach der Korrektur ihres Inhalts - zu Unrecht als Feststellung der Tatsache der ordnungsgemäßen Werkleistung des Beklagten beurteilt, weil ihr nur die Qualität einer Wiedergabe einer gutachterlichen Meinung zukommt.

7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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