JudikaturJustiz6Ob35/24a

6Ob35/24a – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P* L*, LL.M., PLL.M., geboren am *, Rechtsanwalt, *, gegen die beklagten Parteien 1. C* H*, geboren am *, 2. C* H*, geboren am *, beide *, vertreten durch Mag. Markus Huber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 11.098,58 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. November 2023, GZ 21 R 245/23k 24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Juni 2023, GZ 25 C 519/22b 20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen .

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.135,88 EUR (darin enthalten 189,31 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2] Der Kläger ist Rechtsanwalt und erbrachte für die Beklagten Leistungen im Zusammenhang mit dem Ankauf eines Grundstücks samt Wohnhaus. Er begehrt die Zahlung des vereinbarten Pauschalhonorars von 9.000 EUR zuzüglich 1.819,23 EUR Umsatzsteuer und 279,35 EUR Barauslagen.

[3] Die Beklagten wenden ein, die Leistungen des Klägers seien mangelhaft und für sie nachteilig gewesen, weshalb ihnen ein Preisminderungsanspruch zustehe. Überdies hätten seine Leistungen gesetzlichen Vorschriften widersprochen und einen unnötigen Aufwand für die Einholung einer Einzelbewilligung nach § 46 SbgROG, der als Gegenforderung kompensando eingewendet werde, sowie weiteren Schaden verursacht. Das Klag ebegehren sei hinsichtlich des Pauschalbetrags mangels näherer Aufschlüsselung unschlüssig.

[4] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebehren zur Gänze statt und sprachen aus, dass die Gegenforderung nicht zu Recht besteht.

[5] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob und in welcher Höhe bei vorzeitiger Auszahlung des Treuhandgeldes jedenfalls von einem ersatzfähigen Schaden auszugehen sei, auch wenn ein solcher nicht beziffert worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig .

[7] 1.1. Der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten ist in der Regel ein Bevollmächtigungsvertrag und unterliegt dem Auftragsrecht (RS0019392; RS0038703; RS0038942). Werkvertragsrecht ist grundsätzlich auch nicht hilfsweise anzuwenden; nur ausnahmsweise ist der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten auch ein Werkvertrag, was etwa bei Errichtung eines Rechtsgutachtens oder eines Vertrags der Fall sein kann (6 Ob 15/22g [ErwGr 3.1]; 8 Ob 15/16p; 10 Ob 50/14x; 8 Ob 91/08b). Maßgeblich für die Abgrenzung bei Beauftragung auch mit der Errichtung eines Vertrags ist, ob der Rechtsanwalt ein Ergebnis oder ein Bemühen schuldet und ob Verrichtungen rechtlicher Art wie bei der Geschäftsbesorgung oder mehr tatsächliche Handlungen im Vordergrund stehen (6 Ob 15/22g [ErwGr 3.1]; 8 Ob 91/08b; 10 Ob 82/00g). Dabei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0113156 [T1]).

[8] 1.2. Im vorliegenden Fall umfasste der Auftrag an den Kläger neben der Erstellung des Kaufvertrags auf Basis des bereits unterzeichneten „Kaufanbots“ auch die grundbücherliche Durchführung, die treuhandschaftliche Abwicklung und die Beratung und Vertretung im grundverkehrsbehördlichen Verfahren.

[9] Die Vorinstanzen waren der Ansicht, der Kläger sei mit Vertretungsleistungen und Verrichtungen rechtlicher Art beauftragt worden, weshalb Auftragsrecht anzuwenden sei. Darin ist keine Fehlbeurteilung zu erblicken, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte (vgl 4 Ob 51/19g).

[10] 1.3. Gleiches gilt für die aus der Einordnung als Bevollmächtigungsvertrag gezogene Folgerung, dass die Gewährleistungsregeln der §§ 922 ff ABGB auf den Vertrag nicht anwendbar sind (RS0106895). Soweit die Revision einen Preisminderungsanspruch von jeweils 25 % des vereinbarten Honorars aus einer verfrühten Auszahlung des Treuhanderlags und der Unwirksamkeit ihres vertraglichen Verzichts auf die Aushändigung eines Energieausweises (§ 8 EAVG) ableiten will, zeigt sie schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[11] 2.1. Der Rechtsanwalt ist aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags zur sachgemäßen Vertretung und Belehrung seines (meist rechtsunkundigen) Klienten verpflichtet (RS0038695 [T3]; RS0038682). Er haftet für Unkenntnis des Gesetzes sowie der einhelligen Lehre und Rechtsprechung; keine Haftung besteht für eine vertretbare Gesetzesauslegung (RS0038663 [T1, T13]; RS0023526; RS0026727 [T1]; RS0026732). Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, stets den sichersten Weg zum Erfolg einzuschlagen (RS0026303; RS0038719). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dürfen nicht überspannt werden (RS0026584 [T5]). Bei Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs sind der konkrete Auftrag und die sonstigen Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Ob dem Rechtsanwalt eine Sorgfaltsverletzung vorzuwerfen ist, bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0026458 [T7]; RS0112203 [T10]).

[12] 2.2.1. Das Grundbuchsgericht darf eine grundbücherliche Eintragung nur bewilligen, wenn die Urkunden auch den landesgesetzlichen Bestimmungen über den Grundverkehr entsprechen (RS0060878 [T28]; RS0060427; RS0060508). Der Urkundeninhalt muss ein derartiger sein, dass er nicht nur in formaler Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch bezüglich der materiell rechtlichen Frage keinerlei Zweifel aufkommen lässt (RS0060878 [T5]).

[13] 2.2.2. Der Kläger wies im Zuge seines Ansuchens um Ausstellung einer Bescheinigung nach § 2 Sbg GVG 2001 auf eine im Jahr 2013 (aufgrund des Erwerbs der Liegenschaft durch die Voreigentümer) ausgestellte Bescheinigung hin, erhielt aber von der zuständigen Behörde die Auskunft, eine (neue) Bescheinigung könne vermutlich nicht ausgestellt werden, weil es sich um eine gewidmete Landwirtschaft bzw um Grünland handle.

[14] 2.2.3. Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Vorgehensweise des Klägers, eine neue Bescheinigung einzuholen, um einen zweifelsfreien Nachweis im Grundbuchsverfahren zu erbringen, sowie sein den Beklagten aufgrund der Auskunft der Behörde erteilter Rat zur Einholung einer Einzelbewilligung nach § 46 SbgROG, um eine Bewilligung der Grundbuchseintragung sicherzustellen, hatte der Vorgehensweise eines gewissenhaften und umsichtigen Vertragserrichters entsprochen. Unter Berücksichtigung der erörterten Pflicht des Rechtsanwalts, stets den sichersten Weg zum Erfolg zu wählen, hat das Berufungsgericht damit den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

[15] 2.3.1. Der Treuhänder haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben (RS0104573). Bei verfrühter Auszahlung des Treuhanderlags stellt zwar grundsätzlich bereits der Verlust der Sicherheit eines Gläubigers einen realen ersatzfähigen Schaden dar (8 Ob 79/21g; 6 Ob 173/18m [ErwGr 3.1.]; 4 Ob 3/14s [ErwGr 2.4.]). Als Schadenersatz (Naturalrestitution) ist in solchen Fällen allerdings primär die Bereitstellung der Sicherheit in Form der Wiedereinzahlung des Betrags auf das Treuhandkonto geschuldet (RS0022526; vgl 4 Ob 3/14s); subsidiär kann die Einbringung einer Feststellungsklage möglich sein (vgl 6 Ob 173/18m; 8 Ob 79/21g). Die Geltendmachung eines Schadens in einer weiteren künftigen Klage setzt dann voraus, dass der Geschädigte dartut, dass er aufgrund der verfrühten Auszahlung einen finanziellen Schaden erlitten hat (vgl 8 Ob 79/21g [Rz 21]). Ebenso setzt die Aufrechnungseinrede im Prozess den Eintritt eines Schadens und dessen Bezifferung voraus (vgl RS0034059; RS0040779).

[16] 2.3.2. Der Kläger nahm die Auszahlungen aus dem Treuhanderlag des Kaufpreises bereits im Juni 2021 vor, obwohl die im Treuhandvertrag vereinbarten Voraussetzungen (Vorliegen des von allen Vertragsparteien beglaubigt unterfertigten Kaufvertrags, des Rangordnungsbeschlusses für die beabsichtigte Veräußerung sowie der erforderlichen grundverkehrsbehördlichen Bestätigungen) dafür erst mit Erhalt der Bescheinigung nach § 2 Abs 1 SbgGVG im November 2021 vorlagen.

[17] 2.3.3. Nach Auffassung der Vorinstanzen mussten die darauf gestützten Einwendungen der Beklagten erfolglos bleiben, weil sie einen finanziellen Schaden aus dem Verlust der Sicherheit nicht bezifferten und insoweit auch keine Gegenforderung erhoben. Von einer Wertlosigkeit der klägerischen Leistungen könne nicht gesprochen werden, sei doch die treuhändige Abwicklung Voraussetzung für die im November 2021 erfolgte grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrags gewesen, wodurch der Eigentumserwerb der Beklagten an der Liegenschaft auch vertragsgemäß hergestellt worden sei.

[18] 2.3.4. Dem hält die Revision lediglich entgegen, schon aufgrund der Vertragsverletzung durch die verfrühte Auszahlung des Treuhanderlags stehe den Beklagten der begehrte „Ersatzanspruch“ in Form einer Wertminderung der Leistung des Klägers von 25 % zu. Damit zeigt sie jedoch kein Abgehen der Vorinstanzen von den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen auf.

[19] 2.4.1. Dem Rechtsanwalt steht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein Belohnungsanspruch zu, wenn er einen Vertrag verfasst, der nicht dem ihm erteilten Auftrag entspricht (RS0038382; vgl auch RS0116278; RS0022700 [T6]; RS0019311). Es ist aber nicht Aufgabe eines Vertragserrichters, auf eine Änderung bereits errichteter Verträge hinzuwirken, sondern er muss diese nur in eine entsprechende juristische Form bringen (RS0026707 [T2, T4]; RS0026716; RS0026707 [T4]; RS0023549 [T12]). Die Beurteilung, ob die Leistung des Rechtsanwalts dem Auftrag entspricht und unter welchen Voraussetzungen er seinen Honoraranspruch infolge Wertlosigkeit seiner Tätigkeit für den Mandanten verwirkt, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher abgesehen von aufzugreifenden Fehlbeurteilungen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0116278 [T1]).

[20] 2.4.2. In der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Gewährleistungsregelungen im Kaufvertrag eine bloße Konkretisierung des – ohne Mitwirkung des Klägers abgegebenen – verbindlichen Kaufanbots der Beklagten vom 23. 3. 2021, in dem eine Haftung der Verkäufer grundsätzlich nur für „die Freiheit von grundbücherlichen und außerbücherlichen Belastungen“ vorgesehen war, darstellten und der Kläger den Vertrag somit auftragskonform erstellt habe, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

[21] 3. Nach § 16 Abs 1 RAO können Rechtsanwalt und Mandant das Honorar frei vereinbaren (RS0071999; RS0038356). Zulässig ist auch ein Pauschalhonorar (RS0114403); den Rechtsanwalt trifft in diesem Fall keine Abrechnungspflicht gegenüber dem Mandanten und das Honorar bedarf zur Fälligkeit keiner Rechnungslegung (6 Ob 37/18m [ErwGr 3.2.]).

[22] Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger mache gegenständlich einen einheitlichen Anspruch geltend, der keiner Aufschlüsselung bedürfe, findet Deckung in diesen Rechtsprechungsgrundsätzen.

[23] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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