JudikaturJustiz4Ob116/19s

4Ob116/19s – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei M***** Ö*****, vertreten durch Mag. Ewald Hannes Grabner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in Sankt Pölten, und 2. Sportverein W*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier und Mag. Günter Kieberger, Rechtsanwälte in Neulengbach, jeweils wegen 29.020,86 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2019, GZ 13 R 34/19v 46, mit dem das Urteil des Landesgerichts Sankt Pölten vom 11. Dezember 2018, GZ 2 Cg 48/17w 41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger besuchte nach Zahlung von Eintritt ein vom zweitbeklagten Verein veranstaltetes Zeltfest, bei dem der Erstbeklagte im Auftrag des Zweitbeklagten als einer von acht Ordnern tätig war, ohne über eine diesbezügliche Ausbildung zu verfügen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen stellte sich der Kläger gegen zwei Uhr morgens dem gerade einen anderen Gast vom Gelände entfernenden Erstbeklagten mit erhobenen Fäusten und „tänzelnden Boxbewegungen“ gegenüber, deutete ihm herzukommen und kam ihm näher. Der Erstbeklagte wich zurück, doch der Kläger folgte ihm „Boxbewegungen imitierend“. Der Erstbeklagte geriet in Panik und versetzte dem Kläger mit einer 37 cm langen und (ohne vier Doppel D Batterien bereits) ein halbes Kilogramm wiegenden Stablampe aus Metall einen Schlag ins Gesicht, wodurch der Kläger kurz zu Boden ging, dann aber wieder aufsprang, dem Erstbeklagten gegenüber aggressive Gesten machte und „zurückgehalten werden [musste], um die Situation zu deeskalieren“. Der Kläger erlitt durch den Schlag Brüche des Nasenbeins, des Jochbeins, des Oberkiefers, der Augenhöhle und im Bereich des linken Schläfenbeins, eine Gehirnerschütterung sowie massive Schwellungen und großflächige Hämatome im Gesichtsbereich; er musste am linken Auge operiert werden, es wurde ihm eine Platinplatte im Jochbein eingesetzt, die nach einem weiteren operativen Eingriff wieder entfernt wurde. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Erstbeklagten wegen schwerer Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB wurde gemäß § 194 Abs 2 StPO eingestellt, weil er in Notwehr gehandelt habe und ihm Notwehrüberschreitung nicht anzulasten sei.

Der Kläger begehrt von jedem der beiden Beklagten Schmerzengeld, Pflegekosten, Verunstaltungsentschädigung und diverse Barauslagen sowie die mit 1.000 EUR bewertete Feststellung, dass die Beklagten ihm für alle künftigen unfallskausalen Schäden hafteten. Der Erstbeklagte habe ihn grundlos geschlagen. Eine Notwehrsituation habe nicht vorgelegen; allenfalls liege eine Notwehrüberschreitung vor. Der Zweitbeklagte, den aufgrund eines Vertragsverhältnisses Schutz- und Sorgfaltspflichten ihm gegenüber träfen, habe für das Verhalten des Erstbeklagten als Erfüllungsgehilfen einzustehen. Der Zweitbeklagte habe, obwohl es ihm zumutbar gewesen wäre, die Bestimmungen des NÖ Veranstaltungsgesetzes nicht eingehalten und hätte nicht den unausgebildeten Erstbeklagten, sondern zur Sicherung des ordnungsgemäßen Ablaufs einen nach den berufsrechtlichen Vorschriften hierzu befugten Ordnerdienst einsetzen müssen.

Der Erstbeklagte wandte ein, er habe in Notwehr zugeschlagen. Der Kläger habe ihm ein Bein gestellt und sei ihm wiederholt in Boxkampfstellung drohend gegenübergetreten, wodurch er einen unmittelbar drohenden Angriff gefürchtet habe.

Der zweitbeklagte Verein brachte vor, er sei weder Schädiger noch treffe ihn ein Auswahlverschulden, er sei daher nicht passiv legitimiert. Er habe die gesetzlichen Vorgaben und bescheidmäßigen Auflagen erfüllt. Gründe, die gegen den ehrenamtlichen Einsatz des Erstbeklagten als Helfer im Ordnerdienst gesprochen hätten, seien nicht bekannt gewesen. Er hafte nicht für deliktisches Verhalten und habe keine Gefahrenquelle geschaffen.

Das Erstgericht wies beide Klagen ab. Der Erstbeklagte habe in Notwehr gehandelt; ein Notwehrexzess liege nicht vor. Der Zweitbeklagte habe die zumutbaren und erforderlichen sowie vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen getroffen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Zwar lasse sich den Feststellungen nicht entnehmen, ob ein Angriffswille des Klägers und damit objektiv eine Notwehrsituation vorgelegen sei. Jedoch lasse sich ableiten, dass entweder eine Notwehrsituation oder eine Putativnotwehrsituation vorgelegen sei, die der Erstbeklagte zu Recht und ohne fahrlässigen Irrtum angenommen habe. Seine Reaktion habe das zulässige Maß der Abwehr nicht überschritten. Eine Übernahmsfahrlässigkeit dahin, dass der Erstbeklagte eine Aufgabe übernommen habe, zu der er nicht geeignet gewesen sei, liege nach den Feststellungen nicht vor. Der Zweitbeklagte sei nicht unmittelbarer Täter; das Handeln des Erstbeklagten sei nicht rechtswidrig gewesen und dem Zweitbeklagten daher auch nicht nach § 1313a ABGB zurechenbar.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Die Revision des Klägers beantragt, den Klagen stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen jeweils, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Kläger macht geltend, dass einerseits Tatsachen, aus denen eine rechtfertigende Notwehrsituation ableitbar wäre, nicht festgestellt seien, und dass andererseits das Berufungsgericht eine Haftung des Zweitbeklagten mit dem Argument verneinte, dass der Erstbeklagte nicht rechtswidrig gehandelt habe. Eine vom Berufungsgericht als möglich angesehene Putativnotwehr beseitige jedoch nicht die Rechtswidrigkeit der Tat. Dem Erstbeklagten sei zudem Übernahmsfahrlässigkeit anzulasten.

Dazu wurde erwogen:

1.1. Nach § 19 ABGB steht es jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu sein erachtet, frei, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hilfe bedient, oder wer die Grenzen der Notwehr überschreitet, ist dafür verantwortlich.

Nach § 3 Abs 1 StGB (der auch für das bürgerliche Recht unmittelbar relevant ist: vgl Posch in Schwimann/G. Kodek , ABGB 5 [2018] § 19 Rz 16 mwH) handelt nicht rechtswidrig, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem Anderen abzuwehren. Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.

Die Notwehrlage entsteht durch einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf ein notwehrfähiges Gut; ob tatsächlich ein Angriff vorliegt, ist objektiv aus der hypothetischen Ex ante Perspektive eines besonnenen Beobachters (und nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Angegriffenen) zu beurteilen ( Posch in Schwimann/G. Kodek , ABGB 5 § 19 Rz 24 ff; Koch in KBB 5 [2017] § 19 Rz 5; Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 [2015] § 19 Rz 7 f mwN; Egger in Schwimann , ABGB TaKom 3 [2015] § 19 Rz 8; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB 3 [2014] § 19 Rz 39). Ist der Rechtfertigungsgrund der Notwehr gegeben, so gebührt dem durch die Notwehrhandlung des Angegriffenen beeinträchtigten Angreifer kein Schadenersatz (vgl Reischauer aaO Rz 89).

1.2. Nach § 3 Abs 2 StGB ist, wer das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschreitet oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung iSd § 3 Abs 1 StGB bedient, wenn dies lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken geschieht, nur strafbar, wenn die Überschreitung auf Fahrlässigkeit beruht und die fahrlässige Handlung mit Strafe bedroht ist.

Nur das notwendige Maß und nur die geringste zielführende Beeinträchtigung und nur jene Verteidigungshandlung sind zulässig, die unter den verfügbaren Mitteln die schonendsten sind, um den Angriff sofort und endgültig abzuwehren (vgl RIS Justiz RS0088842); unter mehreren verfügbaren Abwehrmitteln hat der Verteidiger das für den Angreifer schonendste zu wählen, muss sich aber mit Abwehrhandlungen, deren Wirkung zweifelhaft ist, nicht begnügen (RS0095988). Auch die Notwendigkeit einer Verteidigungshandlung ist ex ante aus der Situation des Angegriffenen unter Beachtung objektiver Kriterien zu beurteilen (vgl RS0089125; Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 19 Rz 46 f).

Notwendig ist jene Verteidigungshandlung, die aus der Situation des Angegriffenen (ex ante) gesehen, wenngleich unter Beachtung objektiver Kriterien gerade so weit in die Rechtsgüter des Angreifers eingreift, damit der Angriff verlässlich abgewehrt werden kann (vgl RS0089309). Es muss jene Abwehr gewählt werden, die mit einer möglichst geringen Verletzung der Interessen des Angreifers noch zum Ziele führt (RS0009046). Das Maß der Abwehr bestimmt sich somit regelmäßig nach der Art, der Wucht und der Intensität des (zur Notwehr berechtigenden) Angriffs, nach der Gefährlichkeit des Angreifers und nach den zur Abwehr zur Verfügung stehenden Mitteln (RS0089259; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB 3 § 19 Rz 57 f).

Standen dem Angegriffenen – objektiv gesehen – zu einer wirksamen Abwehr des Angriffs auch weniger gefährliche Maßnahmen zur Verfügung, konnte der Angegriffene weiters – ungeachtet seiner bedrängten Lage und des ihn beherrschenden asthenischen Affekts (Furcht) – auch subjektiv erkennen, dass er in der Wahl der Abwehrhandlungen zu weit ging, und war ihm diese Einsicht auch zumutbar, dann liegt (soweit die fahrlässige Handlung mit Strafe bedroht ist) eine Notwehrüberschreitung vor (vgl 10 Os 80/78; RS0089349). Das Überschreiten der notwendigen Verteidigung (Notwehrexzess) oder eine offensichtlich unangemessene Verteidigung verpflichten daher zum Ersatz, wenn sie vorsätzlich oder sorgfaltswidrig geschahen und subjektive Vorwerfbarkeit gegeben ist ( Posch in Schwimann/G. Kodek , ABGB 5 § 19 Rz 31 und 34; Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 19 Rz 96; Egger in Schwimann , ABGB TaKom 3 § 19 Rz 11; Koch in KBB 5 § 19 Rz 6; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB 3 § 19 Rz 42).

1.3. Wer irrtümlich einen Sachverhalt annimmt, der die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließen würde, kann nach § 8 StGB wegen vorsätzlicher Begehung nicht bestraft werden. Er ist wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen, wenn der Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht und die fahrlässige Begehung mit Strafe bedroht ist.

Putativnotwehr liegt vor, wenn aus einem entschuldbaren Tatsachenirrtum eine Notwehrlage angenommen wurde. Auch ein Handeln in Putativnotwehr schließt eine Schadenersatzverpflichtung aus, aber nur dann, wenn der Gegner einen äußeren Tatbestand gesetzt hat, der die Abwehrhandlung sowohl als solche als auch in ihrem Ausmaß als gerechtfertigt erscheinen lässt. Eine Schadenersatzpflicht ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn sich der Schädiger in einem fahrlässig verschuldeten Irrtum über eine Notwehrsituation befand. Dies gilt auch, wenn der Schädiger die Grenzen der Notwehr nur aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken überschritt, aber einzusehen vermochte, dass er den Angreifer in höherem Maße gefährde als zur Abwehr des Vorgehens des Gegners notwendig war (RS0009045). Wer irrtümlich eine Notwehrlage annimmt, hat daher die Handlung (Putativnotwehr) schadenersatzmäßig nach allgemeinen Grundsätzen nicht zu vertreten, wenn ihm bezüglich dieses Irrtums keine Sorgfaltsverletzung unterlaufen oder diese ihm nicht vorwerfbar ist ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 19 Rz 97 mwN).

Wenn es für einen besonnenen Beobachter objektiv unmöglich zu erkennen ist, dass entgegen dem äußeren Anschein keine konkrete Gefahr besteht, ist eine Notwehrsituation gegeben; eine Notwehrlage ist dem Bedrohten zuzugestehen, wenn der die scheinbare Notwehrlage Herbeiführende den Angriffswillen glaubhaft vortäuscht ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 19 Rz 48 f); eine rechtswidrige Putativnotwehr ist dann keine schuldhafte Handlung, wenn der Irrtum des Verletzers durch das Verhalten des Verletzten verursacht wurde, der einen äußeren Tatbestand gesetzt hat, der die Abwehrhandlung auch in ihrem Ausmaß als gerechtfertigt erscheinen lässt (vgl RS0009040). Tatbegehung in Ausübung notwendiger Verteidigung ist aber Voraussetzung sowohl der Notwehr als auch der Putativnotwehr (RS0089390 [T3]).

1.4. Die Behauptungs- und Beweislast für einen Rechtfertigungsgrund trifft generell denjenigen, der in fremdes Rechtsgut eingreift (RS0023098). Die Beweislast für das Vorliegen einer Notwehrsituation liegt daher beim Notwehr übenden Schädiger (6 Ob 572/89; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB 3 § 19 Rz 63 mwN; Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 19 Rz 183), hier somit beim Erstbeklagten. Gelingt dem Schädiger dieser Beweis nicht oder beruft er sich auf Putativnotwehr, muss er beweisen, dass ihm kein Verschulden an der irrtümlichen Annahme einer Notwehrsituation vorzuwerfen ist ( Posch in Schwimann/G. Kodek , ABGB 5 § 19 Rz 33; Meissel aaO Rz 63; Reischauer aaO Rz 184).

Das Vorliegen eines Notwehrexzesses hat wiederum der Geschädigte zu beweisen ( Meissel aaO Rz 63; Egger in Schwimann , ABGB TaKom 3 § 19 Rz 10; vgl Reischauer aaO Rz 185).

2. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Erstbeklagte im Zuge der Abwehr eines nach den vorliegenden Feststellungen tatsächlich oder irrtümlich angenommenen Angriffs des Klägers aus einem asthenischem Affekt (Bestürzung, Furcht oder Schrecken) einer Verteidigung bedient hat, die aber das gerechtfertigte Maß der Abwehr eines gegenwärtig oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffes ganz offensichtlich überschritten hat.

Nach den vorliegenden Feststellungen war es bis zum Schlag des Erstbeklagten zu keinem körperlichen Kontakt und zu keinerlei Wortwechsel gekommen. In einer hypothetischen Ex ante Perspektive eines besonnenen Beobachters (und nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Angegriffenen) und auch bei zu Gunsten des Erstbeklagten großzügiger Interessenabwägung (vgl Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB 3 § 19 Rz 58 mwN) ist ein derart ansatzloser, wuchtiger und schon für sich die massiven Verletzungen des Klägers verursachender Schlag ins Gesicht unter Verwendung eines in der konkreten Verwendung gefährlichen Gegenstands wie der metallenen (mit vier Batterien insgesamt wohl mehr als ein Kilogramm wiegenden) Stablampe als einseitige Eskalation (vgl Lewisch in WK 2 § 3 StGB [2003] Rz 33; Meissel aaO Rz 49) anzusehen. Eine solche Verteidigung entsprach damit keinesfalls der Art, Wucht, Intensität oder Aktualität eines wirklichen oder vermeintlichen Angriffs des Klägers (vgl RS0088842). Dass es für den Erstbeklagten nicht vorhersehbar gewesen wäre, dass dem Angreifer mit einem solchen Schlag unter Verwendung der konkreten Metallleuchte schon an sich in höherem Maße als zur Abwehr notwendigen Schäden zugefügt werden, erschließt sich nicht.

Dem Erstbeklagten ist daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen jedenfalls Notwehrexzess anzulasten, sodass er für den dadurch verursachten Schaden des Klägers – grundsätzlich unabhängig davon, ob Notwehr oder Putativnotwehr vorlag (vgl Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 19 Rz 98) – einzustehen hat. Auch auf die Frage der Übernahmsfahrlässigkeit kommt es damit nicht an.

3. Schadensteilung ist vorzunehmen, wenn der Angriff durch den Verletzten provoziert oder durch sein vorsätzliches Verhalten ausgelöst wurde (vgl Posch in Schwimann/G. Kodek , ABGB 5 § 19 Rz 34); dies gilt auch, wenn dem Verletzer ein Notwehrexzess anzulasten ist (vgl RS0027341). Ein Zwischenurteil kann in einem solchen Fall nur gefällt werden, wenn gleichzeitig über die Frage des Mitverschuldens und über das Ausmaß der Schadensteilung entschieden wird (RS0106185; vgl RS0040750; RS0122728 [insb T2]; RS0040725).

Hier stehen dem Notwehrexzess mit massiven Folgen auf Seite des Erstbeklagten die nach den bislang vorliegenden Feststellungen grundlosen und unprovozierten Handlungen des Klägers gegenüber, die jedenfalls die Berücksichtigung eines ins Gewicht fallenden Eigenverschuldens indizieren. Für die abschließende Beurteilung des zur Bewertung des Ausmaßes der Schadensteilung erforderlichen Eigenverschuldensgrads des Klägers fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob, wie und warum der Kläger tatsächlich einen Angriff ausführen wollte und ausgeführt hätte. Die sofortige Fällung eines Zwischenurteils kommt damit nicht in Frage.

4. Der Veranstalter einer allgemein zugänglichen Veranstaltung schuldet einem Veranstaltungsbesucher aus dem über die Zulassung zur Veranstaltung zustande gekommenen Vertrag als Nebenverpflichtung alle zur Wahrung der körperlichen Integrität nach den vorhersehbaren Gefahren erforderlichen und auch zumutbaren Schutzmaßnahmen, also insbesondere einen wirksamen Ordnungsdienst und ein wirksames Vorgehen gegen ausschreitende Veranstaltungsbesucher. Soweit Nachlässigkeiten von Ordnern oder sonstigen Erfüllungsgehilfen vorliegen sollten, hat der Veranstalter hierfür nach § 1313a ABGB einzustehen (

RS0023941).

Zufolge der Entrichtung von Eintrittsgeld zum Zeltfest bestand zwischen Kläger und Zweitbeklagtem eine Vertragsbeziehung. Dieser Vertrag endete erst mit der Beendigung des Naheverhältnisses (RS0019248); bis dahin gehörte es zur vertraglichen Schutzpflicht des Zweitbeklagten, die Veranstaltungsteilnehmer durch zumutbare Maßnahmen vor Schäden zu bewahren (vgl RS0023941 [T1]), im Besonderen einen sich auf dem Gelände des Zeltfestes aufhaltenden, wenn auch ungebührlich benehmenden Gast nicht zu verletzen (vgl 1 Ob 150/09d mwN). Bediente sich der Zweitbeklagte dabei des Erstbeklagten als Gehilfen, haftet er für die durch den Erstbeklagten zugefügte Körperverletzung nach § 1313a ABGB, wenn das Verhalten des Erstbeklagten in den ihm vom Zweitbeklagten zugewiesenen Aufgabenbereich fiel und für diesen vorhersehbar war (vgl RS0023482; RS0028626).

Nach den Feststellungen hatte der Erstbeklagte als Ordner die Aufgabe, darauf zu achten, dass keine gefährlichen Gegenstände mitgebracht werden, dass das Alterslimit eingehalten wird, keine Alkoholika zur Veranstaltung mitgebracht werden, Besucher nicht mit Getränken hinausgehen und dass keine gewalttätigen Aktionen stattfinden sowie störende Personen oder Personen, die sehr betrunken sind, entfernt werden.

Die Auseinandersetzung eines Festzeltordners während der Erfüllung seiner Aufgaben (nach den Feststellungen geleitete er einen anderen, betrunkenen Gast gerade zum Festausgang) mit einem sich ihm dabei entgegenstellenden Gast ist zwanglos als vorhersehbar und zum zugewiesenen Aufgabenbereich gehörend zu qualifizieren. Auch der Zweitbeklagte haftet daher dem Kläger für die ihm vom Erstbeklagten zugefügten Schäden, wobei auch hier das zur Schadensteilung Gesagte (oben Pkt 3.) gilt.

5. Auf die Frage des NÖ Veranstaltungsgesetzes und dessen Auslegung kommt es damit nicht an.

6. Der dem Geschädigten deliktisch haftende Erfüllungsgehilfe (vgl RS0022801) und der gemäß § 1313a ABGB ex contractu haftende Geschäftsherr haften solidarisch (vgl RS0017495). Der Kläger wird daher seine in den verbundenen Verfahren gegen die Beklagten jeweils erhobenen Begehren zu verdeutlichen haben.

7 . Zusammengefasst wird das Erstgericht – ausgehend von der abschließend erledigten (§ 496 Abs 2 ZPO; RS0042031; vgl auch RS0042441; RS0042458) Frage der grundsätzlichen Haftung der Beklagten – Feststellungen zur Beurteilung des Mitverschuldens des Klägers sowie zur Höhe des Klagebegehrens zu treffen und auf dieser Grundlage eine neuerliche Entscheidung zu fällen haben. Eine gänzliche Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen war daher unvermeidlich.

8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
18