JudikaturJustiz3Ob176/01f

3Ob176/01f – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtsache der klagenden Partei N*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Agnes W*****, vertreten durch Dr.Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 300.000 S = 21.801,85 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. April 2001, GZ 13 R 54/01h-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Jänner 2001, GZ 18 Cg 75/00g-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 997,43 EUR (darin 166,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nach dem Prozessvorbringen der Parteien war der am 12. September 1994 verstorbene Erblasser ua Eigentümer zweier Liegenschaften, die er im Testament vom 30. Juni 1993 - womit er auch zwei Erben einsetzte - seiner Cousine, der Beklagten, als Legat unter der "Auflage" vermachte, dass sie diese im Falle ihres Ablebens als Legat dem klagenden jüdischen Altersheim in London, einer gemeinnützigen Stiftung, zu hinterlassen habe. Die Rechte der klagenden Partei seien grundbücherlich einzutragen. In einem undatierten Nachtrag zu diesem Testament ist der Entfall dieser "Auflage" verfügt. Im Verlassenschaftsverfahren bestritt die hier klagende Nachlegatarin die Gültigkeit des Nachtrags. Der Antrag der hier Beklagten auf Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 178 AußStrG wurde rechtskräftig abgewiesen. Die hier Beklagte begehrte hierauf von der hier klagenden Partei in einem noch nicht rechtskräftig beendeten Vorverfahren beim Landesgerichts für ZRS Wien - das mit Urteil vom 30. August 2001 das Klagebegehren abwies - die urteilsmäßige Feststellung der Gültigkeit des Nachtrags.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Partei von der Beklagten die urteilsmäßige Feststellung, die Beklagte sei aus im einzelnen (auch im Urteilsbegehren) angeführten Gründen gemäß § 540 ABGB erbunwürdig, sodass ihr kein Erbrecht nach dem Erblasser aus der letztwilligen Verfügung vom 30. Juni 1993 sowie aus dem undatierten Nachtrag zu dieser letztwilligen Verfügung zukomme. Zur Begründung brachte die klagende Partei im Wesentlichen vor, sie habe ein wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der Feststellung der Erbunwürdigkeit der Beklagten, die dann das Legat nicht erlangen könne, das somit der klagenden Partei zufalle. Weiters könnte die Beklagte bei Feststellung ihrer Erbunwürdigkeit der klagenden Partei das Nachlegat nicht mehr streitig machen.

Die Beklagte wendete, ein, die klagende Partei sei nicht aktiv legitimiert. Ihr fehle auch das Feststellungsinteresse. Bei einem Unterliegen der klagenden Partei im bereits anhängigen Vorerfahren würde ihr Nachlegat entfallen; nur bei ihrem Obsiegen wäre die Frage des Bestands des Nachlegats zu klären, wobei hiefür bereits eine Leistungsklage in Frage käme. Weiters wendete die Beklagte Verjährung ein und bestritt ihre von der klagenden Partei behauptete Erbunwürdigkeit.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren aus der rechtlichen Erwägung ab, die behauptete Erbunwürdigkeit der Beklagten sie keine feststellungsfähige Tatsache.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der schuldrechtliche Anspruch des Untervermächtnisnehmers gegen den Hauptvermächtnisnehmer sei davon abhängig, dass dieser das Legat erwerbe; ansonsten habe derjenige das Sublegat zu entrichten, dem das Vermächtnis zufalle, in der Regel der Erbe. Wenn die Behauptung der klagenden Partei, die Beklagte sei erbunwürdig, zutreffe, stehe der klagenden Partei somit ein direkter Anspruch aus dem Sublegat gegen die Verlassenschaft bzw. im Falle der Einantwortung gegen die Erben zu. Bei Beantwortung der Frage, mit welchen prozessualen Mitteln die klagende Partei als Sublegatarin die Erbunwürdigkeit des Legatars geltend machen könne, sei davon auszugehen, dass die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit jeder Partei zustehe, die mittelbar oder unmittelbar ein Interesse am Wegfall des Erbunwürdigen habe, somit auch dem Sublegatar. In Analogie zur Erbrechtsklage (§§ 125 f AußStrG) müsse der erbunwürdige Legatar direkt in Anspruch genommen werden; da die Beklagte das Legat nach dem Klagsvorbringen noch nicht erhalten habe, komme ein Kondiktionsanspruch nach § 1431 ABGB nicht in Frage, sondern nur eine Feststellungsklage.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz - mit der Begründung, es fehle Rsp zur Frage, wie der Sublegatar die Erbunwürdigkeit des Legatars und damit den sofortigen Anfall des Legats an ihn geltend zu machen habe und ob Voraussetzung für eine solche Klage die Zuweisung der Klägerrolle durch das Abhandlungsgericht in sinngemäßer Anwendung der §§ 125 f AußStrG sei - zugelassene Rekurs der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die letztwillige Verfügung des Erblassers enthielt auch eine Bestimmung, wonach die Beklagte Vermächtnisnehmerin (Legatarin) in Ansehung von zwei Liegenschaften, die klagenden Partei hingegen - freilich nur unter der Voraussetzung der Ungültigkeit des Nachtrags - entgegen der Auffassung der zweiten Instanz und der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung nicht Untervermächtnisnehmerin (Sublegatarin) iSd § 649 ABGB, sondern Nachvermächtnisnehmerin iSd § 652 ABGB ist. Ein Sublegat liegt vor, wenn ein Legatar zur Erfüllung eines Legats verpflichtet wird. Hat der Legatar hingegen die vermachte Sache selbst nach bestimmter Zeit oder bei Eintritt einer Bedingung (in casu: Tod der beklagten Legatarin) einer anderen Person (in casu: klagende Partei) zu überlassen, liegt ein Nachlegat iSd § 652 ABGB vor (Eccher in Schwimann2, § 650 ABGB Rz 1). Obwohl die klagende Partei sich in ihrem Vorbringen, erkennbar folgend dem Inhalt der letztwilligen Verfügung, auch als "Auflageberechtigte" bezeichnete, ist nicht von einer Auflage iSd § 709 ABGB auszugehen, weil hier ein Berechtigter vorhanden ist (2 Ob 588, 589/95 = SZ 70/102 = NZ 1998, 146; 6 Ob 244799x = EvBl 2000/94 ua; Eccher aaO § 709 ABGB Rz 3), sondern von einem Nachlegat.

Eine Bestätigung nach § 178 AußStrG, dass die Beklagte im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen werden könne, wurde vom Abhandlungsgericht nicht erteilt. Nach dem Parteienvorbringen liegt bisher auch weder ein Leistungsurteil zugunsten der Beklagten auf Herausgabe der vermachten Liegenschaften gegen die Erben noch ein Feststellungsurteil vor, mit dem die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung, aus der die Beklagte ihren Anspruch als Legatarin ableitet, festgestellt wird (zu den Urteilsbegehren siehe SZ 22/5). Die Beklagte macht ihre Stellung als Legatarin ausdrücklich geltend, so auch bereits im Vorverfahren. Der Legatar erwirbt sein Recht ohne Annahmeerklärung und kann es ohne Rücksicht auf den Stand der Verlassenschaftsabhandlung, also auch vor Erbserklärung oder während eines Erbrechtsstreits, im Klageweg durchsetzen (Welser in Rummel³, § 647 ABGB Rz 11 ff mit Hinweisen auf die Rsp). Somit hat die beklagte Damnationslegatarin gegen die Erben einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung; ein sachenrechtlicher Erwerb, der zufolge § 684 zweiter Satz ABGB auch des Verfügungsgeschäfts - bei Rechten an unbeweglichen Sachen der Eintragung im Grundbuch (EFSlg 89.967) - bedarf, ist aber bisher noch nicht erfolgt. Vor Vornahme des Verfügungsgeschäfts gehört die vermachte Sache dem Nachlass, nach Einantwortung den Erben.

Der Einwand der Beklagten, die vorliegende Feststellungsklage sei nicht zulässig, ist nicht berechtigt.

Gegenstand einer Feststellungsklage kann gemäß § 228 ZPO nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder Rechts sein, nicht aber auch - von der Anerkennung der Echtheit einer Urkunde bzw der Feststellung ihrer Unechtheit abgesehen - die Feststellung einer Tatsache. Die Klage auf Feststellung, dass jemand aus einem bestimmten Grund als erbunwürdig vom Erbrecht aus einer letztwilligen Verfügung ausgeschlossen ist, ist zulässig (RIS-Justiz RS0012279), so wegen Ehebruchs gemäß § 543 ABGB (SZ 47/36, SZ 52/171), aber auch wegen strafbarer Handlungen gegen den Erblasser nach § 540 ABGB oder wegen Verfehlungen gegen den letzten Willen des Erblassers nach § 542 ABGB. Da die Grundsätze der §§ 540 ff ABGB auch für Legate gelten, hat die Erbunwürdigkeit des Legatars die Folge, dass dem Unwürdigen das Legat nicht anfällt (EvBl 1959/217; Welser aaO § 540 Rz 2; Eccher aaO § 647 ABGB Rz 5). Einem Nachlegatar kommt auch die Stellung eines Ersatzlegatars zu (SZ 70/102). Wie der Ersatzerbe an die Stelle des eingesetzten Erben tritt, wenn dieser, etwa wegen Erbunwürdigkeit nicht erben kann, tritt der Ersatzlegatar an die Stelle des erbunwürdigen Legatars. Da somit der Nachlegatar bei Erbunwürdigkeit des Legatars an dessen Stelle tritt, kann sein rechtliches Interesse iSd § 228 ZPO an der Feststellung der Erbunwürdigkeit des Legatars nicht fraglich sein. Die Einbringung einer Kondiktion-Leistungsklage ist der klagenden Nachlegatarin derzeit nicht möglich, weil die Beklagte, wie bereits dargestellt, das Legat bisher noch nicht sachenrechtlich mit Verfügungsgeschäft erworben hat. Der Nachlegatar ist keineswegs verpflichtet, diesen Erwerb, dessen rechtliche Grundlage er ja gerade bestreitet, abzuwarten.

Das Verlassenschaftsgericht kann Streitigkeiten über die Gültigkeit eines Legats nicht entscheiden; in dem Fall, dass mehrere Personen die Stellung als Legatar in Anspruch nehmen, hat auch eine Verweisung auf den Rechtsweg unter Verteilung der Parteirollen (§ 125 AußStrG) nicht stattzufinden (Welser aaO § 647 Rz 12 mit Hinweisen auf die Rsp). Dies muss auch dann gelten, wenn der Nachlegatar die Gültigkeit des Legats mit dem Hinweis auf die Erbunwürdigkeit des Legatars bestreitet.

Der Umstand, dass die Vorfrage, ob der Beklagten überhaupt die von ihr in Anspruch genommene Rechtsstellung als Legatar zukommt, auch Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens ist, bewirkt weder die Unzulässigkeit des Verfahrens noch eine zwingend vorzunehmende Unterbrechung des Verfahrens. Vielmehr sieht § 190 ZPO in einem solchen Fall die Möglichkeit der Unterbrechung fakultativ vor, falls dies im konkreten Fall zweckmäßig erscheint (vgl Fucik in Rechberger² § 190 ZPO Rz 1).

Der Anspruch der klagenden Partei ist auch nicht verjährt. Für einen Feststellungsanspruch, dass jemand wegen Erbunwürdigkeit vom Erbrecht aus einer letztwilligen Verfügung ausgeschlossen ist, gilt die Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 1478 ABGB und nicht die dreijährige nach § 1487 ABGB (SZ 47/36; RIS-Justiz RS0012281); dies hat angesichts gleicher Interessenlage auch für die Feststellung der Erbunwürdigkeit eines Legatars zu gelten.

Die Zulässigkeit der vorliegenden Feststellungsklage, die entgegen den Revisionsausführungen auch vom Stand des Verlassenschaftsverfahrens nicht abhängig ist, ist somit zu bejahen, weshalb dem unbegründeten Rekurs der Beklagten ein Erfolg zu versagen war. Die Prüfung der inhaltlichen Berechtigung dieser Klage wird erst aufgrund von Tatsachenfeststellungen möglich sein, auf deren Grundlage die behauptete Erbunwürdigkeit der Beklagten beurteilt werden kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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