JudikaturJustiz2Ob237/06a

2Ob237/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Rene H*****, geboren am 11. Juni 1995, und der mj Sabrina H*****, geboren am 28. April 1997, beide *****, beide vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld, Fachgebiet Jugendwohlfahrt, Am Anger 2, 3180 Lilienfeld, über den Revisionsrekurs des unterhaltspflichtigen Vaters Thomas H*****, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 28. Juni 2006, GZ 23 R 129/06b-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 22. Mai 2006, GZ 1 P 42/05g-U-18, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern wurde am 20. 4. 2005 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Vater, ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 1.500 1. einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je EUR 325 zu bezahlen 2. bei länger als zweitägigen Schulausflügen 50 % der Kosten zu übernehmen und die beiden 1995 bzw 1997 geborenen Kinder mindestens drei Mal jährlich einzukleiden. Die Kinder werden im Haushalt der Mutter, der die alleinige Obsorge zusteht, betreut.

Am 24. 2. 2006 beantragte der Vater die Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge auf EUR 287 bzw EUR 235 und begründete dies mit einer neuen Sorgepflicht für seine nunmehrige Ehefrau, die er am 25. 8. 2005 geheiratet habe. Thema des erstinstanzlichen Verfahrens war im Wesentlichen die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit für die nunmehrige Gattin des Vaters und ihr erzielbares Einkommen, was im Revisionsrekursverfahren keinen Streitpunkt mehr darstellt. Das Erstgericht setzte anhand der „Prozent-Komponente" auf Basis eines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens von EUR 1.856,93 die Unterhaltsbeiträge antragsgemäß herab. Dabei berücksichtigte es die neue Sorgepflicht des Vaters durch einen Abzug von jeweils 3 % und kürzte die nach der Prozentkomponente ermittelten Unterhaltsbeiträge durch eine - vom Vater nicht ausdrücklich begehrte - teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe.

Das von den Unterhaltsberechtigten angerufene Rekursgericht setzte den monatlichen Unterhaltsbeitrag nur für das jüngere, 1997 geborene Kind auf EUR 290 herab. Die aus den Umständen des Vergleiches erkennbare Absicht des Unterhaltspflichtigen, seine bisherige Familie trotz der unmittelbar bevorstehenden Eheschließung durchaus großzügig zu behandeln, rechtfertige die Beibehaltung der im Unterhaltsvergleich festgelegten Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltsleistung und damit einen höheren Prozentsatz. Die neue Sorgepflicht für die Ehegattin, die ein Eigeneinkommen von rund EUR 390 monatlich erziele, sei mit einem Abzug von 2 Prozentpunkten zu berücksichtigen. Mangels entsprechenden Vorbringens des antragstellenden Vaters komme eine amtswegige Anrechnung der Familienbeihilfe nicht in Betracht.

Über Antrag des Vaters änderte das Rekursgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses ab und begründete dies mit divergierender Judikatur zur amtswegigen Anrechnung von Transferleistungen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem nicht bindenden (RIS-Justiz RS0107859) Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.

1. Bei der Auslegung von (Unterhalts )Vergleichen kommt es auf die allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätze des § 914 ABGB an (RIS-Justiz RS0017915 [T20]; RS0017943). Maßgeblich ist daher der übereinstimmend erklärte Parteiwille (RIS-Justiz RS0017954; RS0023319), worunter der, dem Erklärungsgegner erkennbare redlicherweise zu unterstellende objektive Geschäftszweck zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0113932; RS0014160; RS0017915 ua). Ob nach Abschluss eines Unterhaltsvergleiches bei Änderung der Verhältnisse die im Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe beibehalten werden soll (RIS-Justiz RS0019018; RS0047471 [T1]; RS0017805) oder die Neubemessung völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung erfolgen soll, hängt somit primär von der nach den Auslegungskriterien des § 914 ABGB zu ermittelnden Absicht der Parteien ab (2 Ob 33/99p).

Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall stellt nur bei einer krassen, zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis führenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0042555; RS0042776; RS0042936). Eine solche Fehlbeurteilung lässt sich hier noch nicht erkennen, weil der Scheidungsvergleich in seiner Gesamtheit die Annahme einer von den Parteien beabsichtigten großzügigen finanziellen Regelung zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder rechtfertigt: Die festgesetzten Unterhaltsbeiträge von je EUR 325 überstiegen bei dem Einkommen von EUR 1.500, das nach dem Wortlaut des Vergleiches als Basis für die Bemessung herangezogen wurde, doch deutlich den nach der Prozentkomponente zu bemessenden monatlichen Unterhalt. Darüber hinaus verpflichtete sich der Vater zu weiteren Beiträgen zum Unterhalt der Kinder und überließ bei Übernahme sämtlicher Schulden die Ehewohnung seiner Gattin und den Kindern. Vermisst der Revisionsrekurswerber bei einer Auslegung in diesem Sinn die Vernehmung der Vertragsparteien, so übersieht er, dass die Auslegung sich am objektiven Erklärungswert orientiert und die Behauptungs- und Beweislast für einen, nicht näher durch den Wortlaut in Verbindung mit dem Geschäftszweck gedeckten, daher abweichenden Parteiwillen den Herabsetzungswerber trifft (vgl RIS-Justiz RS0017915 [T7]). Derartige Behauptungen zu einem konkreten, für den Unterhaltspflichtigen günstigen Auslegungsergebnis finden sich weder im erstinstanzlichen Vorbringen des Vaters noch im Revisionsrekurs.

2. Nach der bereits gefestigten, jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist bei der amtswegigen Berücksichtigung von Transferleistungen dahin zu differenzieren, ob der Geldunterhaltspflichtige als Antragsteller eine Herabsetzung begehrt oder als Antragsgegner einem Erhöhungsbegehren der Unterhaltsberechtigten entgegentritt: Nur im zweiten Fall sind Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung auch ohne gesondertes Vorbringen des Geldunterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, wenn die für eine Anrechnung maßgeblichen Umstände, insbesondere der Bezug der Familienbeihilfe durch den anderen Elternteil, unstrittig oder aktenkundig sind (1 Ob 208/03z; 4 Ob 254/03m; 10 Ob 4/04t; 2 Ob 153/04w; 6 Ob 140/04p; 3 Ob 181/04w ua). Eine divergierende höchstgerichtliche Judikatur liegt somit nicht vor. Ob ein bestimmtes Parteienvorbringen hinreichend konkretisiert ist, ist jeweils nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042828; RS0042769 [T6 und T15]). Eine krasse Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes ist auch in diesem Punkt zu verneinen, zumal der Vater seinen Herabsetzungsantrag ausschließlich mit einer neuen Sorgepflicht begründete und die von ihm übermittelten Urkunden zur Höhe seines Bruttoeinkommens fehlendes Tatsachenvorbringen grundsätzlich nicht ersetzen können (RIS-Justiz RS0037915; RS0017844 [T2]). Die im Revisionsrekurs vermisste Anleitung zu konkretem Vorbringen betrifft einen behaupteten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (RIS-Justiz RS0007245 [T1]), der nicht Gegenstand des Rekursverfahrens war und keinen Revisionsrekursgrund iSd § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG neu darstellt (vgl RIS-Justiz RS0042963 [T30]; vgl 10 Ob 223/00t).

Rechtssätze
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