JudikaturJustiz1Ob219/01i

1Ob219/01i – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Mag. Kurt S*****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17 19, wegen 1 Mio S infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Juli 2001, GZ 43 R 183/01g 15, womit infolge Rekurses des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. Feber 2001, GZ 8 Nc 164/00g 6, aufgehoben und der verfahrenseinleitende Antrag zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben und dem Gericht zweiter Instanz die Sachentscheidung über den Rekurs des Antragstellers gegen die Abweisung des Entschädigungsantrags aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens. Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung fallen der Antragsgegnerin selbst zur Last.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ein österreichischer Staatsbürger begehrte den Zuspruch eines "vom Gericht zu ermittelnden Entschädigungsbetrags" von zumindest 1 Mio S wegen einer "(Quasi)Enteignung". Er brachte vor, er sei am 6. 1 1. 1952 im Alter von zwanzig Jahren von Soldaten der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und in das sowjetische Militärgefängnis in Baden bei Wien verbracht worden. Dort sei er "unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert und schweren Repressalien ausgesetzt" gewesen. Am 16. 12. 1952 habe ihn das Militärtribunal des Truppenteils 28.990 - gestützt auf eine Bestimmung des sowjetischen Strafgesetzes - wegen Spionage gegen die Sowjetunion zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Überdies sei sein anlässlich der Verhaftung beschlagnahmtes Eigentum konfisziert worden. Danach sei er verschleppt und - nach Anhaltungen in den Schublagern von Lemberg, Kiev und Moskau - in ein Spezialgefängnis der UdSSR in Wladimir überstellt worden. Dort sei er bis zu seiner Befreiung am 25. 6. 1955 festgehalten worden. Mit Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 5. 8. 1997 sei er nach § 3 deren Gesetzes vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression rehabilitiert worden. Die Antragsgegnerin habe gemäß Art 24 StV 1955 im Namen aller österreichischen Staatsangehörigen auf Ansprüche gegen die Alliierten verzichtet. Die Republik Österreich sei jedoch "wegen dieser, einer Enteignung gleichkommenden Vorgangsweise" für die ihm "(durch die UdSSR als Rechtsvorgänger[in] der heutigen Russischen Föderation) zugefügten Nachteile unmittelbar und im selben Ausmaß verwantwortlich, wie es die Russische Föderation wäre". Er sei ab seiner Verschleppung 962 Tage seiner Freiheit unter unmenschlichen Bedingungen unrechtmäßig beraubt gewesen. Dafür sei ein Ersatzbetrag von zumindest 1 Mio S angemessen. Die Geltendmachung eines höheren Betrags und "sonstiger Ansprüche" bleibe vorbehalten.

Die Antragsgegnerin wendete in Zusammenfassung ihrer Rechtsausführungen ein, dass es für den geltend gemachten Anspruch "keine wie auch immer geartete Rechtsgrundlage" gebe.

Das Erstgericht wies den Entschädigungsantrag ab. Nach dessen Ansicht verzichtete die Antragsgegnerin gemäß Art 24 StV 1955 (auch) auf alle Ansprüche österreichischer Staatsangehöriger, die auf das Verhalten der Besatzungsmächte hätten gestützt werden können. Dieser Verzicht beziehe sich auch auf den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch. Die Antragsgegnerin habe sich nach Art 24 StV 1955 allerdings zur Gewährung von Entschädigungen an Personen verpflichtet, denen Ansprüche aus Nichtkampfschäden gegen die Besatzungsmächte zugestanden wären. Deshalb sei das Besatzungsschädengesetz, BGBl 1958/126, erlassen worden. Dieses sehe jedoch einen immateriellen Schadenersatz nicht vor.

Das Gericht zweiter Instanz stellte aus Anlass des Rekurses des Antragstellers gemäß § 40a JN fest, dass die "Rechtssache im streitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen" sei. Infolgedessen hob es das ab Antragszustellung durchgeführte Verfahren als nichtig auf, wies den Antrag zurück und sprach aus, dass der "Rekurs" an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass die Geltendmachung eines Anspruchs im Verfahren außer Streitsachen gemäß § 1 AußStrG nur soweit in Betracht komme, als es die Gesetze anordneten. Für die "Feststellung der hier strittigen Enteignung" fehle es jedoch an einer die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs begründenden Norm. In dem der Entscheidung 3 Ob 500/60 (= JBl 1962, 260) zugrunde liegenden Fall sei über einen vergleichbaren Anspruch im streitigen Verfahren entschieden worden. In der Entscheidung 3 Ob 118/58 (= JBl 1961, 27) sei die Zusage einer Schadloshaltung als bürgerliche Rechtssache im Sinne des § 1 JN angesehen worden. Der hier zu beurteilende Anspruch könne gleichfalls nur im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber habe einen solchen Anspruch entweder nicht bedacht oder nicht bedenken wollen. Dessen Verfolgung im Verfahren außer Streitsachen sei im Lichte des § 1 AußStrG iVm § 13 VEG jedenfalls ausgeschlossen, wäre doch auch die Vorfrage zu klären, ob überhaupt eine Enteignung vorliege. Dagegen setzten Verfahren nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz immer voraus, dass "die Frage der Enteignung selbst" nicht strittig sei. In der Rechtsprechung - so auch jener des Verfassungsgerichtshofs sei die Beurteilbarkeit einer "Enteignung als Vorfrage" im außerstreitigen Verfahren "bisher überhaupt noch nicht ausdrücklich oder überzeugend bejaht" worden. Eine "detaillierte Befassung mit einzelnen literarischen Meinungen" lasse ebenso "keine eindeutige Klärung erwarten". Somit spreche alles für die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs. Die "grundsätzliche Fragestellung" über die zulässige Verfahrensart bedürfe allerdings als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG einer höchstgerichtlichen Stellungnahme. Der "Rekurs" an den Obersten Gerichtshof sei daher zulässig.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Anfechtbarkeit einer Entscheidung gemäß § 40a JN richtet sich nach der durch die verfahrenseinleitende Prozesshandlung bestimmten Verfahrensart (9 Ob 87/98d; 1 Ob 610/92; 5 Ob 1026/92; EvBl 1991/85). Als Revisionsrekurse im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG sind alle Rechtsmittel gegen Beschlüsse des Rekursgerichts in Erledigung eines Rechtsmittels - ausgenommen aufhebende Entscheidungen gemäß § 14b Abs 1 AußStrG - zu verstehen. Daher sind Beschlüsse des Rekursgerichts, mit denen der angefochtene Beschluss aus Anlass eines Rechtsmittels aufgehoben und der diesem zugrunde liegende Antrag zurückgewiesen wurden, nicht anders bekämpfbar als in der Sache bestätigende oder abändernde Entscheidungen des Rekursgerichts. Demnach kommt eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nicht in Betracht (9 Ob 87/98d; RZ 1991/34; EvBl 1990/137). Soweit diese Bestimmung in Verfahren gemäß § 37 MRG analog angewendet wird, beruht das auf der durch § 37 Abs 3 Z 16 MRG vorgenommenen Angleichung des Rechtsmittelverfahrens an das des streitigen Verfahrens (5 Ob 77/95; MietSlg 43.508/22). Der Revisionsrekurs gegen den im Anlassfall angefochtenen Beschluss ist somit nur deshalb zulässig, weil die Entscheidung, wie sich aus den tieferstehenden Ausführungen ergeben wird, von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG abhängt (siehe zu diesem Grundsatz EvBl 1990/137). Das Rekursgericht nahm daher in den angefochtenen Beschluss zu Recht einen Ausspruch über die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs auf.

2. Bei der Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, kommt es ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der antragstellenden Partei an (RZ 2001/14; EvBl 2000/43; MietSlg 43.294/22; Ballon in Fasching 2 § 40a JN Rz 3; Mayr in Rechberger , ZPO2 § 40a JN Rz 2 je mwN). Unmaßgeblich sind dagegen die Einwendungen des Antragsgegners (EvBl 2000/43; MietSlg 43.294/22; Ballon aaO; Mayr aaO je mwN) oder amtliches Wissen (EvBl 2000/43; aM Ballon aaO; Mayr aaO). Nicht von Bedeutung ist ferner die Frage nach der Berechtigung eines Begehrens (MietSlg 43.294/22; EvBl 1976/124).

2. 1. Der Antragsteller begehrt den Ersatz immateriellen Schadens und stützt diesen Anspruch darauf, dass er von der seinerzeitigen sowjetischen Besatzungsmacht rechtswidrig verhaftet, zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und in die damalige Sowjetunion verschleppt worden sei. Er habe rechtswidrigen Freiheitsentzug unter unmenschlichen Bedingungen durch insgesamt 962 Tage erduldet. Die Antragsgegnerin habe gemäß Art 24 StV 1955 auch im Namen der österreichischen Staatsangehörigen auf alle Ansprüche gegen die Alliierten aus deren Handlungen als Besatzungsmächte verzichtet, sodass ihm der geltend gemachte Anspruch nicht mehr gegen die völkerrechtliche Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion, sondern gegen den Bund zustehe, sei er doch infolge des im Staatsvertrag von Wien paktierten Verzichts gleichsam enteignet worden.

Die voranstehenden Umstände sind nach den unter 2. erläuterten Beurteilungsgrundlagen den weiteren Erwägungen zugrunde zu legen. Soweit daher der Antragsteller und die Antragsgegnerin materiellrechtliche Gründe für das Bestehen bzw Nichtbestehen des geltenden gemachten Anspruchs ins Treffen führen, ist darauf nicht einzugehen. Zu klären ist vielmehr nur, in welcher Verfahrensart über den behaupteten Anspruch abzusprechen ist.

3. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff wird seit jeher weit verstanden. Er umfasst nach ständiger Rechtsprechung jedes vermögenswerte Privatrecht ( Mayer , B VG2 Art 5 StGG II.1.; Öhlinger , Verfassungsrecht Rz 868; Walter/Mayer , Grundriss9 Rz 1370 je mN aus der Rsp). Dazu gehören auch konkrete vermögenswerte Interessen ( Mayer , B VG2 Art 5 StGG II.2 mN aus der Rsp). Dem Eigentumsschutz gemäß Art 5 StGG unterliegen somit nicht nur Rechte an körperlichen Sachen, sondern er erfasst auch andere Rechte wie etwa Immaterialgüterrechte, Miet , Pacht- oder Fischereirechte ( Mayer aaO; Öhlinger aaO; Walter/Mayer aaO) oder die Rechte aus einem Kaufvertrag ( Mayer aaO; Walter/Mayer aaO). Öffentlich rechtliche Ansprüche, denen eine Gegenleistungspflicht des Anspruchsberechtigten gegenübersteht, werden vom Eigentumsschutz des Art 1 1.ZProtMRK erfasst ( Öhlinger aaO Rz 869; Walter/Mayer aaO Rz 1370 f). Ein solches weites Verständnis des Eigentumsschutzes liegt bereits der Entscheidung 3 Ob 500/60 (= JBl 1962, 260) in Ansehung des Verzichts der Republik Österreich nach Art 23 StV 1955 als Variante einer Legalenteignung zugrunde.

3. 1. Vor dem Hintergrund der soeben erläuterten Rechtsgrundlagen erstreckt sich der Eigentumsschutz auch auf vermögensrechtliche Ansprüche, die den Ausgleich immaterieller Schäden durch Geldleistungen bezwecken. Bezöge sich daher der Verzicht des Bundes gemäß Art 24 StV 1955 auch auf Ersatzansprüche österreichischer Staatsbürger gegen die Sowjetunion bzw deren Rechtsnachfolgerin (siehe zum Umfang des Verzichts JBl 1999, 670 - kritisch Seidl Hohenveldern , Schafft Plünderung Eigentum, IPRax 2000, 321) wegen immaterieller Schäden und stünde dem Antragsteller ein solcher Ersatzanspruch gegen die Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion zu, wäre darauf im Staatsvertrag von Wien nicht verzichtet worden, so wäre in diesem Verzicht eine Legalenteignung des Antragstellers zu erblicken, ist doch dieser Staatsvertrag seit seiner generellen Transformation Teil der österreichischen Rechtsordnung (siehe zu diesem Staatsvertrag als Rechtsquelle SZ 33/15; JBl 1961, 27).

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1 AußStrG gehören Rechtssachen, die nicht entweder ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, auf den streitigen Rechtsweg (RZ 2001/14; MietSlg 50.280; SZ 60/18; SZ 54/129). Die erforderliche Abgrenzung wird insbesondere durch den inneren Zusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie bestimmt (RZ 2001/14; SZ 60/18). Insofern hat sich also die jüngere Rechtsprechung gegenüber der älteren, in der allein der Gesichtspunkt der ausdrücklichen gesetzlichen Verweisung einer Materie in das Verfahren außer Streitsachen dominierte (SZ 33/15; JBl 1961, 27), weiterentwickelt.

4. 1. In der bereits zitierten Entscheidung 3 Ob 500/60 (= JBl 1962, 260), die einen mit Klage geltend gemachten und auf den Verzicht der Republik Österreich gemäß § 23 StV 1955 gestützten Schadenersatzanspruch (Enteignungsschaden) zum Gegenstand hatte, wurde die durch die Vorinstanzen ausgesprochene Klageabweisung mit dem Argument bestätigt, dass im Staatsvertrag von Wien selbst keine Entschädigung vorgesehen und (noch) kein besonderes Entschädigungsgesetz erlassen worden sei. Soweit Art 13 VEG und das Eisenbahnenteignungsgesetz auf Legalenteignungen überhaupt anwendbar seien, setzte deren Anwendung voraus, dass "eine Entschädigungspflicht grundsätzlich" bestehe. Mangels eines gesetzlichen Anspruchs "auf Schadloshaltung" könne "aus diesen gesetzlichen Bestimmungen nichts gewonnen werden". Die Grundsätze der Entscheidung 3 Ob 183/58 (= SZ 33/15) seien nicht anwendbar, weil sie sich auf einen Anspruch "sui generis" bezögen und "überdies eine Verpflichtung zur Entschädigung im Staatsvertrag (von Wien) ausgesprochen" worden sei. Dort war ausgesprochen worden, dass sich "für den einzelnen österreichischen Staatsbürger" unmittelbar aus Art 27 Z 2 StV 1955 ein Ersatzanspruch gegen die Republik Österreich ergebe (ebenso 3 Ob 118/58 = JBl 1961, 27 - kritisch dazu sowie zur Möglichkeit der Geltendmachung einer Entscheidungsentschädigung im streitigen Verfahren Winkler , Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen, JBl 1961, 8, 14). Sowohl in der Entscheidung 3 Ob 183/58 (= SZ 33/15) als auch in der Entscheidung 3 Ob 118/58 (= JBl 1961, 27) wurde im Übrigen hervorgehoben, dass Art 24 Z 2 StV 1955 im Gegensatz zu dessen Art 27 ausdrücklich nur von einer "billigen Entschädigung" für Geschädigte spreche.

Dass die Republik Österreich eine Entschädigung für Ersatzansprüche, die deren Verzicht gemäß Art 24 Z 1 StV 1955 erfasste, zu leisten haben wird, ergibt sich also wie bereits erwähnt schon aus Art 24 Z 2 StV 1955, der folgenden Wortlaut hat:

"Die Bestimmungen dieses Artikels schließen vollständig und endgültig alle Ansprüche der hierin angeführten Natur aus, die von nun an erloschen sein sollen, welche Vertragsteile auch immer ein Interesse daran haben mögen. Die österreichische Regierung stimmt zu, eine billige Entschädigung in Schillingen den Personen zu leisten, die den Streitkräften der Alliierten oder Assoziierten Mächte im österreichischen Staatsgebiet auf Grund von Requisition Güter geliefert oder Dienste geleistet haben und ebenso eine Entschädigung zur Befriedigung von Ansprüchen aus Nichtkampfschäden gegen die Streitkräfte der Alliierten oder Assoziierten Mächte, die auf österreichischem Staatsgebiet entstanden sind."

In § 1 Abs 2 BesatzungsschädenG (BGBl 126/1958) wurden "Nichtkampfschäden" hingegen bloß als solche Schäden definiert, die "durch Wegnahme, Verlust, Zerstörung oder Beschädigung einer körperlichen Sache", die "von den Streitkräften oder Dienstellen der Alliierten oder Assoziierten Mächte in Österreich oder deren Angehörigen in der Zeit vom 11. September 1945 bis zur Räumung des österreichischen Bundesgebietes" verursacht wurden. Die Abgeltung immaterieller Schäden als Folge von Handlungen der Besatzungsmächte wurde dort nicht vorgesehen, sodass sich nur die Frage stellen kann, ob und - bejahendenfalls wie weit Art 24 Z 2 StV 1955 dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch als unmittelbare Anspruchsgrundlage dienen kann.

4. 2. In der Entscheidung 3 Ob 500/60 (= JBl 1962, 260) blieb noch unerörtert, ob Art 13 VEG und das Eisenbahnenteignungsgesetz überhaupt auf Legalenteignungen anwendbar seien. Später stellte der Oberste Gerichtshof jedoch unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs klar, dass ein Entschädigungsantrag nach einer behaupteten Legalenteignung im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sei. Maßgebend dafür sei nicht das Vorliegen eines Enteignungsbescheids der Verwaltungsbehörde, "sondern nur die Behauptung einer Enteignung durch ein Gesetz", gleichviel ob dieses Gesetz einen Entschädigungsanspruch überhaupt vorsehe (5 Ob 241/75 = EvBl 1976/124). Art 13 VEG gelte deshalb auch für Legalenteignungen, weil "in solchen Fällen das angebliche Enteignungsgesetz den Individualbescheid ersetze und daher unabhängig von der Frage, ob der Entschädigungsanspruch berechtigt sei unmittelbar ein Entschädigungsantrag an das nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 zuständige Gericht gestellt werden könne" (6 Ob 548/81 = SZ 55/55). Überdies wurde festgehalten, dass Art 13 VEG "nicht nur auf Enteignungen, die mit dem Eingriff eine Rechtsübertragung verbinden, sondern auch auf Eigentumsbeschränkungen anzuwenden" sei, "die nicht mit einer Rechtsübertragung auf einen Dritten verbunden" seien (1 Ob 611/83 = SZ 56/87).

In der Entscheidung 4 Ob 513/84 (= SZ 59/167 [Zwentendorf]) bezog sich der Oberste Gerichtshof bei einem im Verfahren außer Streitsachen geltend gemachten und dort auch sachlich erledigten Entschädigungsanspruch, der auf eine durch das Atomsperrgesetz verfügte Eigentumsbeschränkung - also auf eine Legalenteignung im Sinne des unter 3. erläuterten verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs - gestützt war, auch auf die Entscheidung 3 Ob 500/60 (= JBl 1962, 260). Dieser liege (offenkundig wegen der sich aus einer Legalenteignung ergebenden Problemstellung) ein "durchaus dem vorliegenden Fall entsprechender Sachverhalt zugrunde". Die Frage, in welcher Verfahrensart der auf eine Legalenteignung gestützte Entschädigungsanspruch geltend zu machen sei, wurde wohl deshalb nicht mehr erörtert, weil es nach der bereits referierten Entwicklung der Rechtsprechung schon als selbstverständlich vorausgesetzt wurde, dass der im Verfahren außer Streitsachen erhobene Anspruch in dieser Verfahrensart auch meritorisch zu erledigen sei, obgleich im dort entschiedenen Anlassfall gleichfalls eine Entschädigung für die durch das Atomsperrgesetz verfügte Eigentumsbeschränkung nicht vorgesehen war.

5. Die Ansicht des Rekursgerichts, es lasse sich aus ihr nicht eindeutig ableiten, dass der hier erhobene Anspruch im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen sei, wird durch die voranstehende Analyse der Rechtsprechung widerlegt. Die Frage nach dem Vorliegen einer Enteignung kann im Falle einer angeblichen Legalenteignung auch ohne weiteres als Vorfrage eines im Verfahren außer Streitsachen erhobenen Entschädigungsanspruchs geprüft werden (so auch Ballon aaO § 1 JN Rz 192), wurde doch in der Entscheidung 6 Ob 548/81 (= SZ 55/55) verdeutlicht, Art 13 VEG gelte auch für behauptete Legalenteignungen, weil "in solchen Fällen das angebliche Enteignungsgesetz (Anm: Hervorhebung durch den erkennenden Senat) den Individualbescheid ersetze und daher unabhängig von der Frage, ob der Entschädigungsanspruch berechtigt sei unmittelbar ein Entschädigungsantrag an das nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 zuständige Gericht gestellt werden könne". Dieser Grundsatz kann übrigens schon der Entscheidung 5 Ob 241/75 (= EvBl 1976/124) entnommen werden, weil dort für einen im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machenden Entschädigungsantrag nicht das Vorliegen eines Enteignungsbescheids der Verwaltungsbehörde, "sondern... die Behauptung einer Enteignung durch ein Gesetz", gleichviel ob dieses Gesetz einen Entschädigungsanspruch überhaupt vorsah, als maßgebend angesehen wurde. Unzutreffend ist daher auch die Ansicht der Antragsgegnerin, der "Eingriff in das Eigentumsrecht unmittelbar durch eine generelle Norm", also ohne das Erfordernis eines "individuellen Behördenakts", falle nicht in den Anwendungsbereich des Art 13 VEG. Die Antragsgegnerin führt überdies nur materiellrechtliche Gründe, die gegebenenfalls zur Verneinung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs führen, gegen die vom Antragsteller gewählte Verfahrensart ins Treffen. Darauf ist jedoch, wie bereits unter 2. 1. erörtert wurde, nicht einzugehen. Nach allen bisherigen Erwägungen ist vielmehr auch die unter 4. dargestellte Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruchs im Verfahren außer Streitsachen erfüllt, sind doch Enteignungsentschädigungen auch sonst gewöhnlich in dieser Verfahrensart zu verfolgen.

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers ist somit Folge zu geben, wird doch darin im Kern gerade die nach den voranstehenden Ausführungen zutreffende Auffassung über die anzuwendende Verfahrensart vertreten.

6. Die Kostenentscheidung richtet sich nach der für die Anfechtbarkeit des bekämpften Beschlusses maßgebenden Verfahrensart, die durch den verfahrenseinleitenden Antrag bestimmt wird (1 Ob 610/92; 4 Ob 549/92). Danach ist hier § 44 EisbEG anzuwenden. Somit gilt der Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht (SZ 69/74; SZ 60/269). Dem Antragsteller steht danach kein Kostenersatz für ein erfolgloses Rechtsmittel zu (SZ 69/74). Er ist jedoch bei Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels auch nicht kostenersatzpflichtig (SZ 60/269). Die Ersatzfähigkeit der Kosten des Revisionsrekurses hängt vom Verfahrensausgang in der Hauptsache ab, wurde doch die richtige Verfahrensart nicht aufgrund eines durch die Antragsgegnerin veranlassten selbständigen Zwischenstreits, sondern aus Anlass des Rekurses des Antragstellers gegen die Abweisung seines Entschädigungsantrags von Amts wegen einer besonderen Prüfung durch das Gericht zweiter Instanz unterzogen. Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung nach den erläuterten Grundsätzen selbst zu tragen.

Rechtssätze
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  • RS0075712OGH Rechtssatz

    30. September 2002·3 Entscheidungen

    Sowohl nach völkerrechtlichen wie auch nach österreichischen staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen räumt Art 27 Staatsvertrag als materielles Gesetz dem einzelnen österreichischen Staatsbürger gegenüber der Republik Österreich eine unmittelbare direkte Anspruchsberechtigung ein. Beim Anspruch des österreichischen Staatsbürgers im Sinne des Art 27 Z 2 Staatsvertrag handelt es sich um einen Anspruch eigener Art, der sich aus Elementen des Vertrages zugunsten Dritter, der Enteignung und des konstitutiven Anerkenntnisses zusammensetzt. Art 27 Z 2 Staatsvertrag ist selfexecuting und bedarf daher keines Ausführungsgesetzes. Geldleistungen können grundsätzlich nicht als unerschwinglich angesehen werden. Die Entscheidungen zu Art 24 Staatsvertrag stehen nicht entgegen, weil Art 24 Z 2 Staatsvertrag im Gegensatz zu Art 27 Staatsvertrag von einer billigen Entschädigung spricht. Für die Bewertung ist der Tag maßgebend, an dem durch die Föderative Volksrepublik Jugoslawien auf Grund des Art 27 Z 2 Staatsvertrages österreichisches Vermögen herangebracht wurde. Bei der Feststellung des Wertes ist so vorzugehen, wie wenn es sich um eine Enteignung und die dafür zu leistende angemessene Entschädigung handeln würde. Andererseits ist nur für alle vermögensrechtlichen Nachteile Ersatz zu leisten und daher in analoger Anwendung des EisbEG 1954 nur eine wirkliche Entschädigung festzustellen, aber eine etwaige Bereicherung nicht zu berücksichtigen. Voraussetzung ist, daß es sich um eine "österreichische Vermögenschaft" handelt. Es handelt sich um einen privatrechtlichen Anspruch der von den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist. Der streitige Rechtsweg ist zulässig. Sinngemäß sind die materiellrechtlichen Grundsätze des EisbEG und hilfsweise § 273 ZPO anzuwenden.