JudikaturJustiz1Ob100/13g

1Ob100/13g – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 19, gegen die beklagte Partei G***** H*****, vertreten durch Proksch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung (210.000 EUR) und Räumung (5.000 EUR), über den Rekurs beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. März 2013, GZ 1 R 18/13t 79, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 6. Dezember 2012, GZ 5 Cg 81/09z 75, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus dem Grundstück Nr 130. Daran grenzt das Seegrundstück Nr 2755/1 (A*****see) der EZ ***** GB ***** an. Die Klägerin („Österreichische Bundesforste“) ist im Grundbuch als Eigentümerin dieser Liegenschaft einverleibt.

Das Grundstück Nr 130 des Beklagten wurde im Jahr 1929 vermessen. Die darauf basierende Grenze zum Seegrundstück der Klägerin wurde in die Katastermappe (Urmappe) übernommen (im Urteilsanhang ./A) mit „Lt. Mappe grafisch“ bezeichnet. Eine neuerliche Vermessung des Grundstücks Nr 130 fand im Jahr 1939 statt. Auch dieser Plan wurde in die Katastermappe übernommen. Im Jahr 1941 weigerte sich das Grundbuchsgericht, die darin ersichtliche Grenze laut Vermessung im Jahr 1939 im Wege der Mappenberichtigung zu übernehmen. In der Natur wird das Grundstück des Beklagten durch eine Ufermauer begrenzt, die noch weiter seewärts liegt als die Grenze laut Vermessung im Jahr 1939. Die Abweichung zur Grenze laut Plan 1929 beträgt ca 420 m².

Die Klägerin beantragte die Übernahme des Seegrundstücks Nr 2755/1 in den Grenzkataster nach dem Vermessungsgesetz. Als Ergebnis der vor der Vermessungsbehörde durchgeführten Grenzverhandlung (§ 24 VermG) wurden die Streitteile mit Bescheid aufgefordert, ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie Eigentümerin jener Fläche sei, die zwischen Grenze laut Urmappe des Jahres 1929 und der heute in der Natur ersichtlichen Ufermauer liege, sei, sowie die Räumung und Übergabe dieser Fläche durch den Beklagten. Die Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile befinde sich nicht an der Nutzungsgrenze bzw der Wasseranschlagslinie des A*****sees, sondern an der landseitigen Begrenzung der in dem von ihr vorgelegten Lageplan rot schraffierten Fläche, deren Ausmaß ca 420 m² betrage. Nach der am 1. 11. 1934 in Kraft getretenen Bestimmung des § 4 Abs 5 WRG 1934 (nunmehr § 4 Abs 6 WRG) könne das Eigentum am öffentlichen Wassergut nicht durch Ersitzung erworben werden. Das öffentliche Gewässer umfasse nicht nur den von der Wasserwelle ständig überspülten Teil, sondern bestimme sich nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand. Dieser würde zumindest bis zu der Grenze laut Urmappe 1929 reichen, wenn die Wasserwelle nicht durch Verlandung des Ufers, See Einbauten, Anschüttungen bzw Steinwürfe etc zurückgedrängt worden wäre. Die anthropogenen Geländeveränderungen (Ufermauer, Anschüttung) seien im Jahr 1929 noch nicht vorhanden gewesen; die §§ 407 bis 411 ABGB seien auf den A*****see als stehendes Gewässer nicht anwendbar.

Der Beklagte wendete ein, die Grenze zwischen den Grundstücken entspreche dem Verlauf der Ufermauer bzw den in der Natur ersichtlichen Grenzen zwischen Ufergrundstück und Wassergut. Er und seine Rechtsvorgänger hätten diese Uferfläche seit mehr als 40 Jahren gutgläubig als Eigentum betrachtet und genutzt. Die Ufermauer zur Wasserlinie bestehe schon seit „Menschengedenken“. Weder er noch seine unmittelbaren Rechtsvorgänger hätten Anschüttungen vorgenommen. Die von der Klage erfasste Fläche habe bereits im Jahr 1894 bestanden, sodass deren Ersitzung bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des WRG 1934 abgeschlossen gewesen sei. Darüber hinaus habe eine Ersitzung auch noch nach dem 1. 11. 1934 bewirkt werden können, weil der strittige Uferbereich zumindest zu diesem Zeitpunkt schon verlandet und damit nicht mehr als Teil des öffentlichen Gewässers erkennbar gewesen sei. Er habe bzw seine Rechtsvorgänger hätten gemäß § 411 ABGB originär Eigentum an der streitverfangenen Fläche erworben. Das Ersitzungsverbot des § 4 Abs 5 WRG 1934 (§ 4 Abs 6 WRG) komme im Hochwasserabflussgebiet mangels entsprechender Verordnung des Landeshauptmanns nicht zum Tragen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. § 411 ABGB finde auf Teiche und Seen keine Anwendung, selbst wenn sie durch Zuflüsse gespeist oder von Bächen oder Flüssen durchströmt würden. Seit 1. 11. 1934 könne durch Ersitzung Eigentum am öffentlichen Wassergut nicht mehr erworben werden, weswegen Ersitzungszeiten, die zu diesem Zeitpunkt zwar begonnen, aber noch nicht abgelaufen gewesen seien, nicht mehr vollendet werden hätten können. Mit 1. 1. 1934 bereits erworbene Rechte könnten aber auch heute noch geltend gemacht werden. Zum öffentlichen Wassergut gehöre unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 1 WRG auch das nicht mehr vom Gewässerbegriff erfasste Abflussgebiet von 30 jährigen Hochwässern. Die vom Klagebegehren erfasste Fläche würde bereits bei HW10 überspült werden, wenn keine anthropogenen Geländeveränderungen stattgefunden hätten. Die Grenze des Plans aus dem Jahr 1929 entspreche jener, die nunmehr von der Klägerin geltend gemacht werde.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts über Berufung des Beklagten auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Dabei ging es rechtlich im Wesentlichen davon aus, dass nach § 4 Abs 5 WRG 1934 durch Ersitzung Eigentum am öffentlichen Wassergut nicht mehr erworben werden könne. Alleinige Voraussetzung für die Qualifikation als öffentliches Wassergut sei der Umstand, dass es sich um ein wasserführendes oder verlassenes Bett eines öffentlichen Gewässers handle und der Bundesschatz als Eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen sei. Zum öffentlichen Wassergut gehöre unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 1 WRG auch das nicht mehr vom Gewässerbegriff erfasste Abflussgebiet von 30 jährigen Hochwässern. Da der Beklagte behauptet habe, die 40 jährige Ersitzungszeit sei schon vor dem 1. 11. 1934 vollendet gewesen bzw habe aufgrund der Beschaffenheit der Fläche auch noch nach diesem Datum bewirkt werden können, bedürfe es ergänzender Feststellungen. Entscheidend sei nämlich nicht primär, wo die Grundgrenze zwischen den beiden Grundstücken läge, wenn keine anthropogenen Geländeveränderungen stattgefunden hätten, sondern ob und bejahendenfalls welche anthropogenen Geländeveränderungen in welchem Ausmaß und mit welchen Auswirkungen stattgefunden hätten und wann diese erfolgt seien. Für die Frage der Ersitzung sei daher maßgebend, wann die streitgegenständliche Fläche entstanden und ob bzw inwieweit sie vor dem 1. 11. 1894 vorhanden gewesen sei. Auch fehlten Feststellungen zum Grundbuchsstand zu dem für die Ersitzung relevanten Zeitraum vor dem 1. 11. 1934 und andererseits zum Ausmaß des Hochwasserabflussgebiets im Sinne der damals maßgeblichen Bestimmung des WRG 1934. Sollte ein Teil der strittigen Fläche nämlich nicht zum Hochwasserabflussgebiet gehört haben, käme eine (Vollendung der) Ersitzung auch nach dem 1. 11. 1934 in Betracht. Hingegen sei § 411 ABGB nach ständiger Rechtsprechung auf Seen nicht anzuwenden.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil zu den Voraussetzungen für eine Ersitzung von Grundflächen, die nach den Bestimmungen des Wasserrechts als Hochwasserabflussgebiet feststünden, im Zusammenhalt mit dem Ersitzungsausschluss nach § 4 Abs 5 WRG höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle und auch eine (neuerliche) Befassung des Höchstgerichts mit der Frage der Anwendbarkeit des § 411 ABGB auf Seen geboten erscheine.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt werde.

Der Beklagte beantragt mit seinem Rekurs die Entscheidung in der Sache dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; in eventu möge dem Berufungsgericht aufgetragen werden, über den in seiner Berufung enthaltenen Abänderungsantrag zu entscheiden.

Die Streitteile beantragen in ihren Rechtsmittelbeantwortungen jeweils, dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig. Sie sind im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass der vorliegende Rechtsstreit im Zusammenhang mit der grundstücksweise vorzunehmenden Umwandlung des Grundsteuerkatasters in den Grenzkataster nach §§ 15 ff VermG steht. Das Vermessungsamt erließ am 23. 6. 2009 zwei Bescheide gemäß § 25 Abs 2 VermG, mit denen es die Parteien aufforderte, ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Mit der vorliegenden Klage ist die Klägerin dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen. Im ersten Rechtsgang (3 Ob 150/11x) wurde dazu geklärt, dass zwischen den Streitteilen ein materiellrechtlicher Anerkenntnisvertrag oder Vergleich über den Grenzverlauf entsprechend dem Vermessungsplan aus 1939 [1941] nicht zustandegekommen ist. Auch die Aktivlegitimation der Klägerin ist nicht mehr strittig.

Die beiden Rekurse sind im Folgenden gemeinsam zu behandeln.

2.1 Die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch als erheblich erachtete Rechtsfrage zur Ersitzung von Grundflächen, die nach den Bestimmungen des Wasserrechts das Hochwasserabflussgebiet bildeten, stellt sich hier nicht:

2.2 Zum öffentlichen Wassergut gehören nach § 4 Abs 1 Satz 1 WRG wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer sowie deren Hochwasserabflussgebiet (§ 38), wenn der Bund als Eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen ist. Die Eigenschaft des A*****sees als öffentliches Gewässer steht nicht in Frage (vgl Anhang A zum WRG Verzeichnis der Gewässer zu § 2 Abs 1 lit a WRG).

2.3 Die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass unter öffentlichem Wassergut nicht das öffentliche Gewässer (der See) insgesamt, sondern ausschließlich das Wasserbett als Grundfläche zu verstehen ist (1 Ob 89/10k mwN; Oberleitner/Berger , Wasserrechtsgesetz³, § 4 Rz 2). Öffentliches Wassergut ist daher eine Liegenschaft, die als Wasserbett oder Hochwasserabflussbereich einem öffentlichen Gewässer dient ( H. Oberhammer , Fragen des Wasserrechts, 75).

2.4 § 4 Abs 1 WRG verweist zur Definition des Hochwasserabflussgebiets auf § 38 WRG, der die Fläche des Hochwasserabflusses in seinem ersten und dritten Absatz behandelt. Der erste Satz des dritten Absatzes dieser Bestimmung lautet idF der WRG Novelle 1990 (BGBl 1990/252): „Als Hochwasserabflussgebiet (Abs. 1) gilt das bei 30 jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet.“ Der Verweis auf den ersten Absatz macht dabei deutlich, dass § 38 Abs 3 WRG das Hochwasserabflussgebiet nur räumlich näher umschreibt; was Hochwasserabflussgebiet ist, ergibt sich hingegen aus Abs 1. Danach handelt es sich um den Bereich „innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer“ (vgl auch Oberleitner/Berger aaO § 38 Rz 4). Als Hochwasserabflussgebiet ist daher jenes Terrain zu verstehen, das bei höherer (hochwasserbedingter) Wasserführung fließender Gewässer als Wasserbett anzusehen ist (vgl Oberhammer aaO 73).

2.5 Bereits das WRG 1934 erklärte das Hochwasserabflussgebiet zum öffentlichen Wassergut, wenn der Bundesschatz als Eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen war (§ 4 Abs 2 WRG 1934). Maßgeblich war dabei nach § 34 WRG 1934 die durch Verordnung des Landeshauptmanns festgestellte Grenze des Hochwasserabflussgebiets. Auch § 34 Abs 3 WRG 1934 verwies zu diesem schon auf den ersten Absatz dieser Bestimmung, worin ebenfalls eine Fläche „innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer“ umschrieben war.

3.1 Ungeachtet des Umstands, dass das Wasserrechtsgesetz in § 4 Abs 1 den Begriff Gewässer sowohl für fließendes als auch für stehendes Wasser verwendet (vgl Twaroch , Eigentum und Grenzen an Gewässern, NZ 1992, 121 [123]), stellt der Verweis auf § 38 Abs 1 WRG (§ 34 Abs 1 WRG 1934) für das Hochwasserabflussgebiet klar, dass es sich dabei ausschließlich um die durch fließende Gewässer bei Hochwasser überflutete Fläche handelt.

3.2 Das WRG gebraucht nur vereinzelt die Begriffe fließendes und stehendes Gewässer. Es definiert sie nicht. Fließgewässer ist das sich aufgrund natürlicher Abflussvorgänge in natürlich entstandenen oder künstlich hergestellten Vertiefungen der Landoberfläche ständig oder zeitweise im Gewässerbett im Wesentlichen horizontal fortbewegende oberirdische Wasser. Das Fließen des Gewässers setzt eine Neigung der Wasseroberfläche voraus, die bei stehendem Gewässer in dieser Weise nicht gegeben ist. Als stehende Gewässer sind daher solche anzusehen, wo sich das Wasser in Vertiefungen sammelt, die Wasseroberfläche kein Gefälle aufweist und das Wasser aus physikalischen Gründen gewisse örtlich, zeitlich, klimatisch und jahreszeitlich unterschiedliche und keineswegs gleichgerichtete Fließtendenzen aufweisen kann (Zufluss, Abfluss, horizontale und vertikale Strömungen). Seen sind in diesem Sinn stehende Gewässer, auch wenn sie von Wasserläufen durchflossen werden ( Oberleitner/Berger aaO vor § 1 WRG Rz 12 mwN). Der Umstand, dass der See Zu und Abflüsse aufweist, macht ihn daher entgegen der Ansicht des Beklagten in seinem Rekurs nicht zu einem fließenden Gewässer.

3.3 Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass es sich beim öffentlichen Wassergut im Sinne des § 4 Abs 1 WRG um die dort genannten Bette öffentlicher Gewässer sowie das Überschwemmungsgebiet fließender Gewässer handelt. Seen, auch wenn sie von Flüssen oder Bächen durchströmt werden, sind größere stehende Gewässer und zählen nicht zu den Fließgewässern. Auf sie findet daher der Verweis auf § 38 WRG zur Bestimmung des öffentlichen Wasserguts keine Anwendung. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es demnach im vorliegenden Fall, in dem die Grenzziehung zwischen dem Wasserbett eines Sees und dem anrainenden Grundstück strittig ist, keiner Feststellungen zum „Ausmaß des Hochwasserabflussgebiets im Sinne der damals maßgeblichen Bestimmungen des WRG 1934“. Auf die Argumentation des Beklagten, die Vollendung der Ersitzung der hier in Rede stehenden Fläche sei mangels einer Verordnung des Landeshauptmanns zur Festsetzung der Grenzen des Hochwasserabflussgebiets im Sinne des § 34 Abs 3 WRG 1934 auch noch nach dessen Inkrafttreten mit 1. 11. 1934 möglich gewesen, muss damit ebenfalls nicht eingegangen werden. Ungeachtet dessen erlauben die Feststellungen des Erstgerichts noch keine abschließende Beurteilung:

4. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Behauptung eines bestimmten Grenzverlaufs weder durch Grundbuchsauszüge noch durch (ehemals) Mappenkopien bewiesen werden kann (zur jetzigen Rechtslage vgl § 39 Abs 5 VermG idF BGBl I 2012/31). Nach § 3 AllgGAG dient die Katastral- und die Grundbuchsmappe lediglich zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaften (1 Ob 53/97v uva; RIS-Justiz RS0049554; die Grundbuchsmappe wird nach § 4 Abs 1 GUG seit 2009 nicht weitergeführt). Die Katastermappe der Vermessungsbehörden schafft daher keinen Beweis über die Richtigkeit der eingezeichneten Grenzen (6 Ob 44/65 = SZ 38/32; RIS Justiz RS0038593. Erst die Erfassung des Grundstücks im Grenzkataster bewirkt einen umfassenden Vertrauensschutz (1 Ob 6/89 = SZ 62/59; 1 Ob 193/98h; 6 Ob 256/10f).

5.1 Die Klägerin hat sich nicht nur auf die Grenze laut Katastermappe berufen, sondern auch geltend gemacht, der regelmäßig wiederkehrende ordentliche höchste Wasserstand würde ohne anthropogene Veränderung zumindest bis zu der Grenze laut Urmappe 1929 reichen und sich damit auf diese Linie als Naturgrenze gestützt.

5.2 Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zum WRG erfolgt die Grenzziehung zwischen Wasserbett und anrainenden Grundstücken bei öffentlichen Gewässern nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand (1 Ob 4/80 = SZ 53/38 mit eingehender Auseinandersetzung mit den vorherrschenden Lehrmeinungen; 1 Ob 295/03v = SZ 2004/120 ua; RIS Justiz RS0082115; RS0082097). Ist die Höhe des Wasserstands auf außergewöhnliche, weit über die Durchschnittswerte hinausgehende Niederschläge zurückzuführen, handelt es sich um ein Hochwasser, das nicht mehr unter den Begriff des vollen Wasserstands fällt. Ein solcher Stand ist auch nicht als Grenze des Wasserbettes anzusehen (RIS Justiz RS0082097; vgl auch Twaroch aaO 123 f mit Judikaturnachweisen). Daran hat auch die WRG Novelle 1990 nichts geändert, mit der die Bestimmung über das öffentliche Wassergut in § 4 WRG teilweise neu gefasst wurde und in § 38 Abs 3 die einheitliche Festlegung auf 30 jährliche Hochwässer erfolgte, weil mit dieser Bestimmung die bestehende Eigentumsordnung nicht angetastet werden sollte (1 Ob 38/92 = SZ 66/11; RIS Justiz RS0082097).

5.3 Die Feststellung des Erstgerichts, die Grenze zwischen dem Grundstück Nr 130 des Beklagten und dem Seegrundstück Nr 2755/1 läge unter der Annahme, es hätten keine anthropogenen Geländeveränderungen stattgefunden, zumindest dort, wo die Urmappe die Grenze zeigt (Vermessung 1929), oder noch weiter landeinwärts, erlaubt noch keine abschließende Klärung der hier maßgeblichen Frage, ob diese Linie als Grenze des Wasserbettes (§ 4 Abs 1 WRG) anzusehen ist. Zwar hält das Erstgericht auch fest, die streitgegenständliche Fläche würde bei regelmäßig wiederkehrendem ordentlichen höchsten Wasserstand überspült, geht dabei aber ganz offensichtlich von einem außergewöhnlichen Ereignis, nämlich einem zehnjährigen Hochwasser, aus, wie der Klammerverweis „schon bei HW10“ zeigt, und legt damit gerade nicht den maßgeblichen Normalhöchstwasserstand zugrunde.

6. Der Ausgang des Verfahrens hängt maßgeblich davon ab, ob und inwieweit der Klägerin der Nachweis dafür gelingt, dass die Grenze laut Katastermappe des Jahres 1929 dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand entspreche, hätten ab dem Jahr 1929 keine Geländeveränderungen stattgefunden. Das setzt voraus, dass die Fläche, an der die Klägerin ihr Eigentum festgestellt wissen will, ohne solche Veränderungen (Anschüttungen, Bau einer Ufermauer) bei regelmäßig wiederkehrendem Höchststand von der Wasserwelle des A*****sees überspült würde. Wie der erkennende Senat schon klarstellte (1 Ob 61/11v; ebenfalls zum A*****see) scheiden aufgeschüttete Teile des Wasserbettes öffentlicher Gewässer nicht automatisch aus dem öffentlichen Wassergut aus. Im Sinne der Behauptungen der Klägerin wird das Erstgericht daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, ob, bejahendenfalls seit wann bzw bis wann, die Grenze des Wasserbettes im Sinne des regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstands des Sees der Grenze laut Katastermappe des Jahres 1929 entsprach. Im Allgemeinen wird die Errichtung einer Uferbefestigungsmauer (wie sie laut Ausführungen des Erstgerichts in seiner Beweiswürdigung zwischen den Jahren 1929 und 1939 erfolgte) nicht in einem Bereich erforderlich sein, der auch bei höchstem Wasserstand vom jeweiligen Gewässer nicht erreicht wird, weil außerhalb davon regelmäßig kein Bedarf an einer Befestigung bestehen wird (so schon 1 Ob 41/10a). Auch im vorliegenden Fall liegen (wie vor allem der Beweiswürdigung im Urteil erster Instanz zu entnehmen ist) Anhaltspunkte für eine künstliche Anschüttung hinter der errichteten Uferbefestigung vor; andererseits geht (ebendort) der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige aus dem Fachgebiet der Land- und Forstwirtschaft wegen des Alters einer im Uferbereich gefällten Erle von einem „gewachsenen“ Bodenaufbau bereits im Jahr 1925 aus. Soweit das Berufungsgericht, wenn auch im Zusammenhang mit der vom Beklagten geltend gemachten Ersitzung, den Sachverhalt in dieser Richtung als noch nicht genügend geklärt erachtete, kann ihm der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten (RIS Justiz RS0042179).

7. Sollte sich der Standpunkt der Klägerin im fortgesetzten Verfahren als (im Wesentlichen) zutreffend erweisen, war die strittige Fläche bei Inkrafttreten des WRG 1934 mit 1. 11. 1934 öffentliches Wassergut, an dem Eigentum durch Ersitzung nicht mehr erworben werden konnte. Zutreffend haben die Vorinstanzen dazu darauf verwiesen, dass wegen des in § 4 Abs 5 WRG 1934 (nunmehr § 4 Abs 6 WRG) normierten Ersitzungsausschlusses nur durch Ablauf der Ersitzungszeit mit 1. 11. 1934 bereits erworbene Rechte heute noch geltend gemacht werden könnten. Hingegen können Ersitzungszeiten, die zu diesem Zeitpunkt zwar begonnen, aber noch nicht abgelaufen waren, nicht mehr vollendet werden (RIS Justiz RS0049646). Auf die Frage nach dem Vorliegen eines Hochwasserabflussgebiets kommt es in diesem Zusammenhang wie bereits dargestellt nicht an.

8. Der Beklagte hat sich darauf berufen, die Ersitzung sei bereits mit Inkrafttreten des WRG 1934 vollendet gewesen. Fragen der Ersitzung würden im vorliegenden Kontext erst dann schlagend, wenn der Klägerin der Nachweis für die sachenrechtliche Zuordnung dieser Grundfläche an sie gelänge. Eine Vollendung der Ersitzung mit Inkrafttreten des WRG 1934 würde voraussetzen, dass sich die strittige Grundfläche spätestens mit 1. 11. 1894 im Wesentlichen bereits so zeigte, wie zur Zeit des Inkrafttretens des WRG 1934. Das und damit auch die vom Beklagten behauptete Verlandung kann für den Fall der Richtigkeit des Standpunktes der Klägerin bereits jetzt ausgeschlossen werden, weil die geländeverändernden, die Wasserlinie zurückdrängenden Maßnahmen in diesem Fall erst ab dem Jahr 1929 gesetzt worden wären. Eine Vollendung der Ersitzungszeit kommt dann aber wegen des in § 4 Abs 5 WRG 1934 (nunmehr § 4 Abs 6 WRG) normierten Ersitzungsausschlusses nicht in Betracht. Sollte es der Klägerin nicht gelingen den Nachweis dafür zu erbringen, dass die hier strittige Grundfläche öffentliches Gut entsprechend ihren Behauptungen darstellt, wäre das Klagebegehren nach derzeitigem Stand abzuweisen. Fragen der Ersitzung durch den Beklagten sind daher derzeit nicht verfahrensrelevant. Aus diesem Grund erübrigen sich die vom Berufungsgericht zur Klärung von Ersitzungsfragen aufgetragenen Beweisergänzungen, sofern sie nicht ohnedies zum Nachweis des Eigentums der Klägerin erforderlich sind.

9.1 Nach § 411 ABGB gehört das Erdreich, das ein Gewässer unmerklich an ein Ufer spült, dem Eigentümer des Ufers. Diese Bestimmung regelt einen Fall des natürlichen Zuwachses zu einer Liegenschaft. Sollte durch ein Gewässer allmählich Erdreich abgesetzt werden, fällt es daher in das Eigentum des Liegenschaftseigentümers. Entscheidend ist die Verbindung des angespülten Erdreichs mit einem Grundstück ( Spielbüchler in Rummel , ABGB³ § 411 Rz 2). Nach überwiegender Meinung ist diese Regelung auf Seen und Teiche, selbst wenn sie durch Zuflüsse gespeist oder von Bächen oder Flüssen durchströmt werden, nicht anzuwenden (RIS-Justiz RS0011047; Klang in Klang² II 281 [unter Berufung auf GlUNF 6503]; Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 411 Rz 1; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek 4 , ABGB § 411 ABGB Rz 1; Eccher in KBB³ § 411 ABGB Rz 1; krit Spielbüchler aaO Rz 3). Dafür werden gute Gründe ins Treffen geführt (vgl nur 1 Ob 14/93= SZ 66/59 mwN), auf die hier aber nicht näher eingegangen werden muss.

9.2 Der Klage liegt die Behauptung zugrunde, dass die Wasserwelle des A*****sees die hier strittige Fläche bei regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand umspülen würde, hätte es die anthropogenen Veränderungen ab dem Jahr 1929 nicht gegeben. Gelingt der Klägerin der Nachweis für diese Behauptung, kommt es nicht mehr darauf an, wie diese Fläche ursprünglich entstanden ist. Reichte das öffentliche Wassergut ohne die behaupteten Veränderungen bis zur Linie laut Urmappe 1929, folgt aus den wasserrechtlichen Vorschriften die sachenrechtliche Zuordnung dieser Grundfläche zur Klägerin, ohne dass es von Bedeutung wäre, ob diese Fläche ursprünglich allenfalls durch Auflandungsprozesse entstanden oder verändert worden wäre. Jedenfalls erfolgte in einem solchen Fall die Verbindung angespülter organischer oder allenfalls auch anorganischer Stoffe mit dem öffentlichen Wassergut. Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 1 WRG stünde dann einem originären Eigentumserwerb des Beklagten durch Anspülung im Sinne des § 411 ABGB entgegen (1 Ob 251/07d). Daher bedarf es im derzeitigen Verfahrensstadium auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der vom Beklagten vertretenen Ansicht, § 411 ABGB sei entgegen der Judikatur und der vorherrschenden Lehre auch auf Seen anwendbar. Da sich der Beklagte darüber hinaus nur auf § 411 ABGB stützt, erübrigt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch eine Auseinandersetzung mit seiner Rechtsansicht, § 4 Abs 6 WRG schließe (nur) die Ersitzung des Eigentums am öffentlichen Wassergut aus, eine andere Art des originären Eigentumserwerbs aber nicht.

10. Im Ergebnis hat es damit bei der vom Berufungsgericht beschlossenen Aufhebung des Ersturteils und Ergänzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinn zu bleiben. Den Rekursen ist daher ein Erfolg zu versagen.

11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 50 ZPO.

Rechtssätze
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