JudikaturJustiz16Ok6/08

16Ok6/08 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juli 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon. Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Univ. Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter KR Dr. Fidelis Bauer und KR Mag. Rudolf Reitzner als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Ilse W***** - *****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin C***** Film Holdinggesellschaft mbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (§ 26 Abs 1, § 5 Abs 1 KartG), über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 1. Februar 2008, GZ 26 Kt 2, 3/08 8, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie an dem von ihr betriebenen Kino in W***** „Filmbühne W*****" mit Filmkopien jener Filme, die von der Antragsgegnerin österreichweit mit zumindest 50 Filmkopien gestartet werden und die von der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin mindestens vier Wochen vor dem Filmstart bestellt werden, insbesondere mit dem Film „Asterix bei den Olympischen Spielen", zum jeweiligen Filmstart zu beliefern. Außerdem stellt sie ein inhaltsgleiches Sicherungsbegehren.

Dazu bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung als Filmverleihunternehmen und Kinobetreiberin dadurch, dass sie ihr wirtschaftlich besonders erfolgversprechende Filme („Blockbuster"), also Filme, die mit mehr als 50 Filmkopien in Österreich starten, verweigere; dies gelte im Besonderen für den Film „Asterix bei den Olympischen Spielen". Derartige Filme seien wirtschaftlich nicht substituierbar und deshalb ein „eigener Markt". Die Antragsgegnerin, die allein diesen Film in Österreich verleihe, habe daher auf dem sachlichen Markt des Films „Asterix bei den Olympischen Spielen" eine Monopolstellung.

Das Erstgericht erließ mit dem angefochtenen Beschluss die beantragte einstweilige Verfügung. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt als bescheinigt aus:

Die Antragstellerin betreibt in W***** ein Zweisaalkino, die „Filmbühne W*****". In diesem Kino werden vor allem „Blockbuster", das sind besonders erfolgversprechende Filme, die in Österreich mit mindestens 50 Kopien gestartet werden, uraufgeführt. 2007 wurden 80 % des Umsatzes dieses Kinos mit derartigen Filmen erzielt.

Die Antragsgegnerin betreibt unter anderem ein Filmverleihunternehmen und über Tochterunternehmen zahlreiche Kinos in Österreich.

In Österreich gibt es neben der Antragsgegnerin fünf weitere große Filmverleihgesellschaften. Die großen Verleihgesellschaften Constantin, Buena Vista, UIP und Werner Bros. hatten Marktanteile von ca 20 %, die Centfox und die Columbia Tristar von unter 10 %. Der Marktanteil der Antragsgegnerin betrug 2007 nur 9,5 %.

Über Tochtergesellschaften betreibt die Antragsgegnerin zahlreiche Mehrsaalkinos, aber auch kleinere Kinos wie etwa - nur 22 km vom Kino der Antragstellerin entfernt - in A*****.

Der von der Antragsgegnerin als Verleihunternehmen exklusiv für ganz Österreich verliehene Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" wurde von der Antragsgegnerin als besonders erfolgversprechend bewertet und mit 71 Filmkopien gestartet. Aus wirtschaftlicher Sicht stellt jeder erfolgversprechende Film einen eigenen Markt dar. Auf einen anderen Film mit adäquaten Einspielergebnissen kann von einem Uraufführungskino wie dem der Antragstellerin nicht ausgewichen werden.

Kinofilme werden in Österreich aufgrund von urheberrechtlichen Lizenzverträgen aufgeführt. Aufgrund eines solchen Filmaufführungsvertrags erwirbt der Kinounternehmer vom Filmverleiher gegen Entgelt in Form einer vereinbarten prozentuellen Beteiligung an den Einspielergebnissen des Kinos (im Fall der Antragstellerin 46,4 %) eine Werknutzungsbewilligung, die ihn berechtigt, den Film an einem Betriebsstandort innerhalb einer bestimmten Aufführungsdauer öffentlich aufzuführen.

Die österreichischen Filmverleiher leiten ihre Aufführungsrechte für Kinofilme aus Lizenzverträgen ab, die meist auf längerfristigen Rahmenverträgen beruhen. Die Rechtevergabe für einen bestimmten Film erfolgt stets an einen inländischen Verleiher exklusiv für das gesamte Bundesgebiet.

Die Kosten einer Filmkopie liegen inklusive der Transportkosten zwischen 1.100 EUR und 1.500 EUR.

Der österreichische Verleiher legt die Startkopienzahl fest. Die Lizenzgeber treten einer nachträglichen Erhöhung der einmal festgelegten Kopienzahl in der Regel nicht entgegen. Ein bis zwei zusätzliche Kopien können auch kurzfristig besorgt werden.

In der Regel verwenden inländische Filmverleiher die in Deutschland vergebenen Startkopien als erste Bezugsgröße, die im Verhältnis der Bevölkerungszahlen entsprechend (1 : 10) auf den österreichischen Markt umgelegt wird.

Es können nicht alle österreichischen Kinos mit einer Startkopie eines Films versorgt werden. Die Grenzen setzt die von den Kopienkosten und der erwarteten Besucherzahl ausgehende Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dabei versuchen die Filmverleiher für jeden einzelnen Film mit möglichst wenig Kopien das Besucherpotenzial auszuschöpfen.

Eine geringfügige Erhöhung des Kopienkontingents stößt selten auf ein wirtschaftliches Hindernis, weil die Kosten einer Filmkopie von 1.100 EUR bis 1.500 EUR bei einem durchschnittlichen Kartenpreis von 5,80 EUR (netto) schon bei rund 200 bis 400 zahlenden Kinobesuchern gedeckt werden. Für den Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" sind im Kino der Antragstellerin mehr als 400 verkaufte Karten zu erwarten.

Die Antragsgegnerin verwendet zum internen Gebrauch „Rankings". Diese reihen Kinos nach ihrer Umsatzstärke. Maßgeblich sind dabei die Umsätze mit den Filmen aus dem eigenen Verleih. Die Grundlagen der Rangfolge werden dem Kinounternehmen nicht offengelegt.

Die 90. Position der Antragstellerin im Ranking der Antragsgegnerin ist insoweit nicht aussagekräftig, als damit über die wirtschaftliche Verwertung einzelner Filme nichts gesagt wird, sondern über den Jahreserfolg mit Filmen der Antragsgegnerin ohne Bezugnahme auf die Anzahl der bei dieser bestellten Filme.

Die Antragsgegnerin lehnt eine Belieferung von ihr gegenüber unabhängigen Kinos zur Erstaufführung immer wieder mit dem Hinweis auf die „geringe Startkopienzahl" ab. Dabei wird auf das „verleihinterne Umsatzranking" verwiesen, ohne dies näher zu erläutern. Auch in diesem Fall gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin bekannt, dass zu wenige Verleihkopien (12 für den Raum Niederösterreich) vorhanden seien, um die Antragstellerin, die im Jahresumsatzranking des Jahres 2006 zu weit hinten gereiht sei, mit dem Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" zu beliefern. In der Folge bot die Antragsgegnerin an, die Antragstellerin mit einer Startkopie zu beliefern, wenn diese bereit sei, zusätzlich zur üblichen Leihmiete von 46,4 % der Einspielergebnisse den Preis einer Startkopie von 1.100 EUR zuzüglich USt zu bezahlen („Kaufkopie"). Den im Umfeld gelegenen Konkurrenzkinos der Antragstellerin in A*****, W***** und S***** wurde der Film in der regulären Variante als Verleihkopie angeboten.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin auf, ihr eine Kopie des Films zum Filmstart zu überlassen; gleichzeitig sagte sie zu, die Kosten der Filmkopie gegen entsprechenden Nachweis zu übernehmen und auch endgültig zu tragen, falls diese Kosten nicht durch die erzielten Leihmieten hereingespielt würden.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die zur Erstaufführung gelangenden „Blockbuster" als Hauptumsatzträger einen eigenen Markt bildeten (unter Berufung auf 4 Ob 114/00v; 4 Ob 214/97t; SZ 70/173; 16 Ok 5/02 ua).

Marktbeherrschend sei nach § 4 Abs 1 KartG ein Unternehmer, der unter anderem als Anbieter keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist (Z 1) oder eine im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (Z 2). Die - zur Antragsgegnerin entwickelte - ständige Rechtsprechung gehe davon aus, dass eine Filmverleihgesellschaft, auf welche die quantitativen Kriterien der Marktbeherrschung nicht zutreffen (Marktbeherrschungsvermutung als Folge bestimmter Marktanteile), marktbeherrschend sein könne, wenn ihre Abnehmer auf die Belieferung durch sie zur Vermeidung von Umsatzeinbußen oder des Verlusts eines erheblichen Teils der Kundschaft angewiesen sind (4 Ob 214/97t; 4 Ob 114/00v; 16 Ok 5/02; 4 Ob 93/02h; 4 Ob 293/02w).

Die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin sei von der bisherigen Rechtsprechung schon mehrfach festgestellt worden. Darauf komme es jedoch insoweit im vorliegenden Fall nicht an, als die Antragsgegnerin am sachlich relevanten Markt des Verleihs des Films „Asterix bei den Olympischen Spielen" keinem Wettbewerb ausgesetzt sei (§ 4 Abs 1 Z 1 KartG).

Diese Marktstellung der Antragsgegnerin habe zur Folge, dass sie verpflichtet sei, mit den Kinobetreibern Leihverträge abzuschließen („Kontrahierungszwang"), solange sie nicht sachlich gerechtfertigte Gründe gegen einen Vertragsabschluss ins Treffen führen könne. Sie treffe also das Verbot der Diskriminierung und damit das Gebot der sachlichen Gleichbehandlung der Nachfrager nach von der Antragsgegnerin verliehenen „Blockbustern".

Die Antragsgegnerin müsse somit nicht jedes österreichische Kino auf Wunsch mit jedem von ihr auf den inländischen Markt gebrachten Film durch Überlassung der Aufführungsrechte und einer Vorführungskopie beliefern. Sie müsse aber die mit Startkopien belieferten Kinos nach sachlichen Kriterien auswählen und die Zahl der Startkopien nach sachlichen Kriterien festsetzen. Sachlich gerechtfertigt wäre die Ablehnung der Belieferung nur, wenn die wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin als Filmverleihunternehmen - und nicht die als Kinobetreiberin - beeinträchtigt wären. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die Kosten einer Kopie (1.100 EUR bis 1.500 EUR) durch die voraussichtliche Leihmiete nicht gedeckt wären.

Die Begründung der Antragsgegnerin für die Nichtbelieferung der Antragstellerin mit dem Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" halte einer Sachlichkeitsprüfung nicht stand. Die Antragsgegnerin habe die Belieferung der Antragstellerin - wie in der Vergangenheit anderen Kinobetreibern gegenüber - bloß mit dem Hinweis auf die begrenzte Startkopienzahl abgelehnt. Zusätzliche Kopien könnten aber auch kurzfristig nachbestellt werden.

Auch wirtschaftliche Gründe sprächen nicht gegen eine geringfügige Erhöhung der Kopienzahl. Unwirtschaftlich wäre die Erhöhung der Kopienzahl im Einzelfall nur dann, wenn dadurch die bestmögliche wirtschaftliche Auswertung gefährdet würde. Die Ablehnungsgründe wären transparent darzulegen gewesen, sodass die Antragstellerin die Möglichkeit bekommen hätte, sie auf Plausibilität zu überprüfen. Das Angebot, in das Ranking durch einen unabhängigen Sachverständigen Einsicht nehmen zu lassen, genüge nicht dem Transparenzgebot.

Aber auch das nachfolgende Angebot, eine Startkopie zur Verfügung zu stellen, wenn die Antragstellerin bereit sei, zusätzlich zu den üblichen Anteilserlösen die Kosten einer Kopie von 1.100 EUR zusätzlich Umsatzsteuer zu ersetzen, sei marktmissbräuchlich, weil die Antragsgegnerin damit die Antragstellerin schlechter behandle als deren Mitbewerber.

Die Antragstellerin habe damit die Voraussetzungen für die Abstellung einer Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin bescheinigt, weshalb das Kartellgericht auf Antrag der Antragstellerin eine entsprechende einstweilige Verfügung zu erlassen hatte (§ 48 Abs 1 KartG).

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin kommt keine Berechtigung zu.

1. Für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 48 KartG ist nur die Bescheinigung der Zuwiderhandlung, im vorliegenden Fall sohin des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (16 Ok 1/99) erforderlich ( Solé in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG 2005 § 48 Rz 4).

2.1. Die Rekurswerberin bekämpft zunächst die Feststellungen des Erstgerichts, soweit diese auf Basis früherer Entscheidungen getroffen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber der Oberste Gerichtshof auch als Kartellobergericht im kartellgerichtlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung - ebenso wie in allen anderen Verfahrensarten - in keinem Fall berufen (16 Ok 20/04; 16 Ok 1/05; 16 Ok 43/05; 16 Ok 8/07). Diese Judikatur wird auch in der Lehre zustimmend zur Kenntnis genommen ( Solé , Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 296 f mit eigenen Argumenten; vgl auch Solé in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartellG § 49 Rz 24 ff).

2.2. Im Übrigen vermag die Rekurswerberin keine Bedenken gegen die eingehend begründeten Feststellungen des Erstgerichts aufzuzeigen:

Der Rekurswerberin ist zuzugeben, dass die Sachverhaltsfeststellungen früherer Entscheidungen aus anderen Verfahren grundsätzlich keine Bindungswirkung auf spätere Verfahren äußern (1 Ob 545/95 = SZ 68/103 = JBl 1996, 463). Dies schließt aber naturgemäß nicht aus, dass das Gericht aufgrund eigener Sachkenntnis aus früheren Verfahren gewonnene Erkenntnisse auch in späteren Verfahren verwertet. In diesem Sinne sieht § 269 ZPO auch im streitigen Zivilverfahren die Berücksichtigung gerichtsbekannter Tatsachen vor, ohne dass es besonderer Parteibehauptungen oder eines eigenen Beweisverfahrens bedürfte.

2.3. Gleiches gilt für das Außerstreitverfahren: Nach § 33 Abs 1 AußStrG kann das Gericht von Erhebungen absehen, wenn es schon aufgrund offenkundiger Tatsachen oder der unbestrittenen und unbedenklichen Angaben einer oder mehrerer Parteien davon überzeugt ist, dass eine Behauptung für wahr zu halten ist. Nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Fucik/Kloiber , AußStrG 151) handelt es sich dabei um eine an den Untersuchungsgrundsatz angepasste und flexible Parallelbestimmung zu den §§ 266 ff ZPO. Gerade in Hinblick auf den im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 16 AußStrG) kann es für die Berücksichtigung offenkundiger Tatsachen nicht darauf ankommen, ob dies durch eine entsprechende ausdrückliche Parteienbehauptung gedeckt ist. Das Erstgericht hat im Übrigen lediglich Hintergrundinformationen, nämlich allgemeine Feststellungen über den Filmverleih in Österreich, ohne eigenes Bescheinigungsverfahren auf Ergebnisse anderer Verfahren gestützt.

2.4. Außerdem übersieht die Rekurswerberin, dass im Außerstreitverfahren, in dem - im Gegensatz zum Streitverfahren - der Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht gilt, grundsätzlich auch Ergebnisse, die sich aus einem Vorverfahren ergeben, für die Entscheidungsfindung verwertet werden können (16 Ok 4/07). Als Beweismittel kommt im Verfahren außer Streitsachen alles in Betracht, was zur Feststellung des Sachverhalts geeignet und zweckdienlich ist, also auch die Verwertung des Inhalts von Akten ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 31 Rz 1; 16 Ok 4/07); eine Beschränkung der zulässigen Beweismittel gibt es nicht. Das Gesetz lässt dem Gericht vielmehr freie Hand, wie es sich die Überzeugung von den rechtserheblichen Tatsachen verschafft ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 31 Rz 1; RIS Justiz RS0006272). Dass die solcher Art gewonnenen Feststellungen des Erstgerichts unrichtig wären, hat die Rekurswerberin im Übrigen nicht einmal behauptet.

3.1. Eine Aktenwidrigkeit erblickt die Rekurswerberin darin, dass das Erstgericht nicht den gesamten Wortlaut des E Mails Beilage ./G in seine Feststellungen übernommen hat. Die Rekurswerberin vermisst hier den Satz, dass die Einschätzung der Rekurswerberin durch die Ergebnisse zweier Filme „überwiegend bestätigt" werde.

Aktenwidrigkeit ist jedoch nur die unrichtige Wiedergabe eines Aktenbestandteils durch das Gericht, nicht die Gewinnung von Schlussfolgerungen aus Urkunden oder anderen Aktenbestandteilen (vgl nur Zechner in Fasching/Konecny ² § 503 Rz 159 ff). In diesem Sinne liegt Aktenwidrigkeit dann vor, wenn das Erstgericht wegen eines bei Darlegung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtums auf aktenwidriger Grundlage Feststellungen trifft ( Zechner aaO), nicht aber, wenn ein Beweisergebnis übergangen wird ( Zechner aaO Rz 165 f). Hat das Erstgericht daher den Inhalt eines Schreibens an sich zutreffend wiedergegeben und nur keine weiteren Feststellungen zum Inhalt getroffen, obwohl dies nach der Aktenlage möglich wäre, ist schon begrifflich der Rekursgrund der Aktenwidrigkeit nicht verwirklicht.

3.2. Im Übrigen wäre aus der begehrten zusätzlichen Feststellung für den Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin nichts zu gewinnen. Die Aussage, dass die Einschätzung der Rekurswerberin durch die Ergebnisse zweier Filme „überwiegend bestätigt" werde, kann nämlich schon von ihrem Wortlaut her die Nichtbelieferung der Antragstellerin nicht begründen, ergibt sich aus der Verwendung des Worts „überwiegend" doch offenbar, dass - obwohl nur zwei (!) Filme in die Betrachtung einbezogen werden - die schlechte Einstufung der Antragstellerin nicht vollständig, sondern offenbar nur zu einem - wenn auch von der Rekurswerberin als überwiegend angesehenen - Teil bestätigt wird. Vor allem aber ist der wiedergegebenen Formulierung auch nicht ansatzweise zu entnehmen, aus welchen konkreten Zahlen sich diese Einschätzung der Rekurswerberin ergibt, sodass eine derartige Begründung im Sinne der noch darzulegenden Anforderungen des Transparenzgebots keine taugliche Rechtfertigung für die Verweigerung der Belieferung der Antragstellerin bieten kann.

4. Der Oberste Gerichtshof übernimmt daher den vom Erstgericht als bescheinigt angesehenen Sachverhalt als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens.

5. Auch der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 AußStrG).

6.1. Als missbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Struktur eines Markts beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist und die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produktwettbewerbs oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktteilnehmer abweichen (RIS Justiz RS0063530). Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten (16 Ok 11/04 mwN).

6.2. Der relevante Markt ist nach örtlichen, zeitlichen und sachlichen Kriterien zu bestimmen (RIS Justiz RS0063539). Bei der sachlichen Abgrenzung ist auf Austauschbarkeitsrelationen aus der Sicht der Bedarfsträger abzustellen (RIS Justiz RS0063539). Dass es sich bei einem besonders erfolgversprechenden Film („Blockbuster") jeweils um einen eigenen Markt handelt, entspricht der mittlerweile gefestigten Judikatur (vgl 16 Ok 20/04). Der auf einem Markt als einziger einen bestimmten Film anbietende Filmverleiher hat dann Monopolstellung, wenn dieser Film nicht durch einen anderen Film etwa wegen der besonderen allgemeinen Umsatzerwartungen, der Bedeutung für die eigene Marketingstrategie oder wegen des besonderen Images wirtschaftlich substituierbar ist (16 Ok 5/02). Damit kommt es auf den Marktanteil der Antragsgegnerin am gesamten Filmverleihmarkt nicht an. Vielmehr hält sie am rechtlich maßgeblichen (Teil )Markt eines jeweils nicht substituierbaren Blockbusters einen Anteil von 100 %, sodass ihr insoweit Monopolstellung zukommt.

6.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass die Antragsgegnerin dem § 34 Abs 2 KartG 1988 (nunmehr § 4 Abs 2 KartG 2005) zu unterstellen ist (4 Ob 214/97t; 4 Ob 114/00v; 16 Ok 20/04). Entgegen den Rekursausführungen betrafen diese Entscheidungen keineswegs nur Multiplex Kinos. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 114/00v ausdrücklich betont, dass die Klägerinnen „wie auch alle anderen Kinobetreiber in Österreich" auf die Antragsgegnerin als Alleinanbieterin „angewiesen" sind. Demgegenüber betraf die Entscheidung 16 Ok 5/02 einen Fall, in dem die Antragsgegnerin nur die Verwertungsrechte an einem einzigen Film hatte. Sie lässt sich daher nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

6.4. Gegen die Qualifikation jedes besonders erfolgversprechenden Films als eigener Markt führt die Antragsgegnerin die Ansicht Schuhmachers (Die Essential Facility Doctrine als Herausforderung für das Urheberrecht, in Dittrich , Beiträge zum Urheberrecht VII [2003] 85 [103]) ins Treffen. Demnach führe die in der Entscheidung SZ 70/173 (= 4 Ob 214/97t) vertretene Rechtsauffassung zu dem „absurden Ergebnis einer Welt miteinander konkurrierender Monopolisten - eine contradictio in adjecto". Der sachlich relevante Markt sei vielmehr dahin abzugrenzen, dass er sich - wenn schon nicht auf Filme schlechthin - allenfalls auf Filme eines bestimmten Genres bezieht.

Dem kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass der Oberste Gerichtshof dieser Rechtsansicht bereits in der der Veröffentlichung dieser Arbeit zeitlich nachfolgenden Entscheidung 16 Ok 20/04 nicht gefolgt ist, behandelt Schuhmacher die Marktabgrenzung im Rahmen seines Untersuchungsthemas nur am Rande und begründet seine Auffassung (demgemäß) nicht näher. Gegen die Qualifikation des erfolgversprechenden Films als eigener Markt vermag er letztlich nur die Behauptung der generellen Austauschbarkeit ins Treffen zu führen ( Schuhmacher aaO 104 FN 67). Im vorliegenden Fall steht demgegenüber auf der Tatsachenebene fest, dass die Antragstellerin auf besonders erfolgversprechende Filme wie „Asterix bei den Olympischen Spielen" angewiesen ist und nicht auf andere Filme ausweichen kann. Für eine derartige Konstellation stimmt aber - was die Antragsgegnerin übersieht - auch Schuhmacher der Qualifikation als eigener Markt zu. So bezeichnet er die Entscheidung 16 Ok 5/02 = wbl 2002, 530 („Chocolat"), in der der Oberste Gerichtshof einen eigenen Markt annahm, wenn ein Film „nach der objektiven Einschätzung wirtschaftlich nicht substituierbar ist, sei es wegen der besonderen allgemeinen Umsatzerwartungen, der Bedeutung für die eigene Marketingstrategie oder des besonderen Images", als „[z]umindest tendenziell richtig" (aaO 104).

6.5. Soweit die Rekurswerberin eine nähere Auseinandersetzung mit der Substituierbarkeit von Filmen im jeweiligen Einzelfall vermisst, ist sie auf die Feststellung des Erstgerichts zu verweisen, wonach die Antragsgegnerin generell auf derartige erfolgversprechende Filme angewiesen ist und nicht auf andere Filme ausweichen kann.

7.1. Innerhalb des eigenen Markts „Asterix bei den Olympischen Spielen" kommt der Antragsgegnerin somit eine Monopolstellung zu. Den Inhaber einer Monopolstellung trifft aber eine Kontrahierungspflicht , wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist (RIS Justiz RS0016745). Der Vertragsabschluss kann nur aus einem guten (sachlichen) Grund abgelehnt werden (1 Ob 554/86 = SZ 59/130 = EvBl 1987/6 = JBl 1987, 36; 9 Ob 293/00d; 6 Ob 48/01d = SZ 2002/15). Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch für einen Filmverleih (4 Ob 214/97t; 4 Ob 93/02h; 16 Ok 1/03 = wbl 2003, 348; 16 Ok 20/04).

7.2. Die Befürchtung der Antragsgegnerin, in Zukunft alle österreichischen Kinos beliefern zu müssen, trifft daher nicht zu. Vielmehr ist anerkannt, dass die Belieferung abgelehnt werden kann. Dies setzt nach dem Gesagten allerdings das Vorliegen eines wichtigen (sachlichen) Grundes voraus. Derartige, die Verweigerung der Belieferung rechtfertigende Gründe liegen hier nicht vor:

7.3. Die Umsatzstärke ist zwar grundsätzlich ein taugliches Kriterium für eine Vergabeentscheidung. Allerdings darf hier nicht nur der Erfolg mit Filmen des marktbeherrschenden Filmverleihs zugrundegelegt werden, hätte dieser es doch ansonsten in der Hand, sein Ranking durch seine (missbräuchliche) Belieferungspraxis zu beeinflussen. Auch sagt die pauschale Berücksichtigung des Gesamt umsatzes mit Filmen des betreffenden marktbeherrschenden Filmverleihs über den voraussichtlichen Erfolg mit einem einzelnen Film nichts aus, ist doch daraus nicht erkennbar, wie viele Filme in die Berechnung des Gesamtumsatzes eingeflossen sind.

7.4. Aus dem Transparenzgebot ergibt sich zudem, dass ein bloßer Verweis auf eine nicht offen gelegte Ranking Liste nicht ausreicht, die Nichtbelieferung zu begründen. Die Offenlegung einer derartigen Liste kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass einem unabhängigen Sachverständigen, nicht aber dem Kinounternehmen selbst die Einsicht in die Gestaltung der Zuteilungslisten gewährt wird. Zweck des Transparenzgebots ist es ja, die Nachvollziehbarkeit der Vergabeentscheidung zu ermöglichen. Mit diesem Zweck ist es aber unvereinbar, wenn eine derartige Überprüfung nur durch die in der Regel mit erheblichen Kosten verbundene Einschaltung eines Dritten möglich ist.

7.5. Dazu kommt, dass die Rekurswerberin offenbar das Kriterium der Umsatzstärke gerade nicht in allen Fällen konsistent als Entscheidungskriterium für die Belieferung zugrundelegt. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin die Jahresumsatzzahlen der von ihren Tochtergesellschaften betriebenen Kinos teilweise aufgrund von statistisch wenig aussagekräftigen äußerst kurzen Spielzeiten (in einem Fall sogar nur aufgrund des Zeitraums 15. 12. 31. 12. 2006) „hochgerechnet" hat, ergibt sich aus dem Schreiben der Antragsgegnerin (Beilage ./G), dass ein anderes Kino, nämlich das - gleichfalls von einer Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin betriebene - B*****Kino in B*****, mit dem Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" beliefert wurde, obwohl es sich bei diesem Kino offenbar um das umsatzschwächste Kino in dieser Region handelt.

7.6. Ähnliche Bedenken bestehen gegen das angeblich von der Antragsgegnerin als Grund für die Nichtbelieferung angeführte Kriterium der „ geografischen Streuung " und die angebliche Befürchtung, durch die Belieferung weiterer Kinos würden bloß Besucherströme umgeleitet. Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen erfolgte bisher nämlich stets eine Belieferung der Antragstellerin mit den von ihr nachgefragten Filmen durch die Antragsgegnerin. Dies, obwohl es auch früher bereits in A***** ein Kino, nämlich das M*****kino, gab. Soweit die Antragsgegnerin daher nunmehr die Nichtbelieferung der Antragstellerin mit der angestrebten „geografischen Streuung" begründen will, handelt es sich offenbar um eine nachträgliche Änderung ihrer Bewertungskriterien.

Eine derartige nachträgliche Änderung ist nicht prinzipiell ausgeschlossen. Allerdings ist die sachliche Rechtfertigung einer derartigen nachträglichen Änderung der Bewertungskriterien besonders streng zu prüfen, wenn der Verdacht besteht, dass diese Änderung nur der Verschleierung eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung dienen soll. Ein derartiger Verdacht kann sich daraus ergeben, dass die nachträgliche Änderung der Bewertungskriterien in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung des von einer Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin betriebenen C***** steht, kommt es doch offenbar erst seit diesem Zeitpunkt zu Schwierigkeiten bei der Belieferung der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin.

7.7. Jedenfalls müssten die Bewertungskriterien auch bei einer nachträglichen Änderung im Sinne des Sachlichkeitsgebots dann durchgehend angewendet werden. Dies ist aber nach den Feststellungen des Erstgerichts gerade nicht der Fall. So werden innerhalb der von der Antragsgegnerin selbst als maßgeblich erachteten „Schnittmenge" eines Umkreises von 35 km nicht nur umsatzstarke Kinos wie die O*****Kinos in B*****, das U***** in der S***** und das C*****, sondern auch das bereits angeführte, von einer Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin betriebene B*****Kino in B***** beliefert, obwohl es sich bei diesem - wie ausgeführt - um das umsatzschwächste Kino der betreffenden Region handelt. Ebenso wie in dem der Entscheidung 16 Ok 20/04 zugrundeliegenden Sachverhalt versucht die Antragsgegnerin daher offenbar auch im vorliegenden Fall, ihre marktbeherrschende Position als Filmverleiherin auszunützen, um die Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaften als Kinobetreiber zu Lasten von Konkurrenzunternehmen zu fördern.

7.8. Nach den Feststellungen des Erstgerichts würde es zu einer Enttäuschung der Besucher im Einzugsbereich des Kinos der Antragstellerin über ihr „Stammkino" und aus diesem Grund zu einem dauerhaften Besucherrückgang kommen, wenn die Antragstellerin den Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" nicht zeigen könnte. Dass der familientaugliche Film „Asterix bei den Olympischen Spielen" durch die von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Filme wie „John Rambo", „Saw 4" und „Cloverfield", die teilweise dem Horrorfilm Genre zuzuordnen sind, nicht substituiert werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Einerseits starteten zwei dieser Filme nach den Feststellungen des Erstgerichts (Seite 8) deutlich später, andererseits können diese weder im Hinblick auf die von der Antragstellerin angestrebte Familientauglichkeit, noch im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad als auch nur annähernd gleichwertig betrachtet werden.

8. Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag (§ 5 KartG 2005) hat sich gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde. Weil der Missbrauch marktbeherrschender Stellung auch in einem Unterlassen bestehen kann, kann nach ständiger Rechtsprechung durch den kartellgerichtlichen Abstellungsauftrag auch ein positives Tun angeordnet werden (RIS Justiz RS0119533; 16 Ok 20/04). In diesem Sinne kann bei einer unzulässigen Liefersperre auch eine Belieferungsverpflichtung auferlegt werden (RIS Justiz RS0119533).

9. Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Rechtssätze
16
  • RS0119533OGH Rechtssatz

    25. Mai 2023·3 Entscheidungen

    Missbräuchliches Verhalten eines Unternehmens auf einem anderen Markt als dem, den es beherrscht ("Marktdivergenz") verstößt dann gegen § 35 KartG, wenn beide Märkte so eng miteinander verbunden sind, dass Kunden des einen Markts zugleich als potentielle Kunden auf dem anderen Markt in Frage kommen. Das einen dieser Märkte beherrschende Unternehmen befindet sich dann in einer Situation, die einer beherrschenden Stellung auf der Gesamtheit der relevanten Märkte gleichkommt. Den Marktbeherrscher treffen dann die aus seiner beherrschenden Marktposition folgenden besonderen kartellrechtlichen Verhaltenspflichten auch auf dem verbundenen Markt. Der Markt für Verbindungsleistungen in Fernsprech-Festnetzen im Selbstwählverkehr und der Markt für die Anschlussleistung sind als Komplementärmärkte in dem Sinn zu verstehen, dass die auf beiden Märkten gehandelten Dienstleistungen nur gemeinsam verwendet werden können. Die genannten Märkte sind dann aber jedenfalls so eng miteinander verbunden, dass Kunden, die Bedarfsträger des einen Markts sind, notwendig als potentielle Kunden auf dem anderen Markt in Frage kommen. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten; die objektive Eignung des Verhaltens genügt. Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde. Da der Missbrauch marktbeherrschender Stellung auch in einem Unterlassen bestehen kann, kann durch den kartellgerichtlichen Abstellungsauftrag auch ein positives Tun angeordnet werden. Dies trifft etwa dann zu, wenn sich missbräuchliches Verhalten - zum Beispiel bei Liefersperren oder beim Preismissbrauch - sonst nicht zuverlässig abstellen lässt. Solche Eingriffe in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit sind auf das zur Erreichung des Normzwecks unbedingt notwendige Maß zu beschränken. In den meisten Fällen werden Unterlassungsgebote ausreichen. Im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren ist eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht. Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können.