JudikaturJustiz12Os101/07f

12Os101/07f – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus O***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Markus O***** und Raphael H***** sowie über die Berufung des Angeklagten Markus O***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 6. März 2007, GZ 27 Hv 185/06a-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus O***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I 2 sowie in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch I 1 bezeichneten Tat bloß unter § 142 Abs 1 StGB, demgemäß auch in den Markus O***** und Raphael H***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich des Raphael H***** betreffenden Beschlusses nach §§ 50, 52 StGB) aufgehoben und die Sache an das Landesgericht Innsbruck zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus O***** zurückgewiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte Raphael H***** und mit seiner Berufung der Angeklagte Markus O***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Markus O***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche betreffend Daniel G***** enthaltenden Urteil wurde Markus O***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I 1), (richtig:) der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 2 StGB (II), des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV) und Raphael H***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (I 2) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit hier von Bedeutung - in Innsbruck (I 1) Markus O***** am 23. Juni 2006 Michael M***** und Heinrich S***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich 30 Euro Bargeld und eine Packung Zigaretten, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die beiden unter Vorhalt einer Softgun-Pistole, Michael M***** überdies unter Abgabe eines Schusses gegen dessen rechtes Schienbein, zur Herausgabe ihres Bargeldes aufforderte;

(I 2) Raphael H***** am 23. Juni 2006 einen Beitrag zu der unter I 1 angeführten Tat geleistet, indem er Markus O***** anbot, auf Michael M***** und Heinrich S***** zu schießen;

(III) Markus O***** und Daniel G***** am 23. Juni 2006 nach der unter Punkt I 1 angeführten Tat Michael M***** und Heinrich S***** durch gefährliche Drohungen, nämlich Markus O***** durch die Äußerung, wenn sie zur Polizei gingen, dann wüssten sie schon was passiere, während er seine Softgun-Pistole gegen sie richtete, und Daniel G***** durch die Äußerung: „Wenn's zu die Butz gehts, seids hin!", zur Unterlassung einer Anzeige wegen des unter Punkt I 1 geschilderten Raubes zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus O***** sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Raphael H*****. Dem Rechtsmittel Markus O*****s kommt teilweise Berechtigung zu.

Zum Schuldspruch I:

Das Erstgericht ging davon aus, dass die zu verschießenden Plastikkugeln der von Markus O***** eingesetzten Softgun eine dermaßen geringe Verletzungskapazität aufwiesen, dass damit die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen weder beseitigt noch herabgesetzt werden konnte (US 20). Nach erstmaligem Vorhalt dieser Softgun bei gleichzeitiger Forderung nach Geld durch den mit Bereicherungsvorsatz handelnden Markus O***** warf Heinrich S***** unter dem Eindruck dieser Drohung 20 Euro vor sich auf den Boden. In der Folge gab der Erstangeklagte mit der Softgun einen Schuss auf Michael M***** ab, der dabei am rechten Schienbein getroffen wurde, wobei aber nicht mehr feststellbar war, ob vom abgeschossenen Plastikprojektil oder von einem aufspritzenden Stein. Nach dem Schuss legte auch Michael M***** einen Zehneuroschein sowie eine Packung Zigaretten vor Markus O***** auf den Boden (US 9 und 10). Hinsichtlich Raphael H***** hielt das Schöffengericht fest, dass dieser Angeklagte es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er durch sein Anbot an Markus O*****, auf die Raubopfer zu schießen, einen psychischen Tatbeitrag leistete, indem er sowohl Mitangeklagten als auch den Opfern signalisierte, Markus O***** bei der Tatausführung unterstützen zu wollen. Dadurch sollte einerseits der Erstangeklagte in seinem Tatentschluss und in der Tatausführung bestärkt und andererseits bei den Tatopfern die Furcht vergrößert werden (US 11).

Den Rechtsmittelausführungen Markus O*****s zuwider ging das Erstgericht davon aus, dass durch die Abgabe eines Schusses auf Michael M***** „Gewalt" angewendet wurde (US 10).

Eine Schussabgabe, mit der eine Einwirkung auf eine angezielte Person angestrebt wird, ist grundsätzlich als Gewalt anzusehen (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 29; Hochmayr/Schmoller Sbg-Komm § 269 Rz 33; teilweise abweichend im Sinne von „versuchter" Gewalt:

Schwaighofer in WK² [2006] § 105 Rz 37; Eder-Rieder in WK² § 142 [2006] Rz 26; R. Sailer, Pallin-FS, 388), zumal es genügt, dass sich der Täter eines technisches Hilfsmittels zur Einwirkung auf eine andere Person bedient (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 16; Eder-Rieder in WK² § 142 [2006] Rz 20; Schwaighofer in WK² [2006] § 105 Rz 18). Der Gewaltbegriff iSd § 142 Abs 1 StGB setzt überdies voraus, dass zumindest nicht unerhebliche physische Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstandes eingesetzt wird (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 11; Fabrizy StGB9 § 105 Rz 3; Jerabek in WK² § 74 [2006] Rz 35; Schwaighofer in WK² [2006] § 105 Rz 17). Auch wenn die verwendete Softgun weder als Waffe nach dem Waffengesetz noch als Waffe iSd § 143 StGB anzusehen ist (vgl RIS-Justiz RS0115124) und ungeachtet der Feststellungen zur relativen Harmlosigkeit der eingesetzten Softgun-Pistole stellt die Einwirkung auf das Tatopfer mittels daraus verschossener Plastikkugeln eine nicht völlig unerhebliche physische Krafteinwirkung dar, die dem Gewaltbegriff zu unterstellen ist. Dass die aufgewendete physische Kraft unwiderstehlich oder jener des Opfers überlegen ist bzw dass sie eine tatsächliche Wirkung zeitigt, ist nämlich nicht entscheidend (vgl Jerabek in WK² § 74 [2006] Rz 35). Es reicht, dass diese Krafteinwirkung geeignet ist, die freie Willensbetätigung des Opfers durch diese Einwirkung umzulenken oder fremdzusteuern (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 14; 13 Os 102/05g, EvBl 2006/48, 253).

Davon ausgehend fehlen aber - wie der Beschwerdeführer zu Recht aufzeigt - Konstatierungen zu den Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB (die im Übrigen auch dann abzuklären gewesen wären, wenn der Gewaltbegriff nicht erfüllt wäre; vgl RIS-Justiz RS0094296). Die erlangte Beute ist auch unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters der beiden Tatopfer jedenfalls noch eine Sache geringen Wertes. Nach den Feststellungen wurde Michael M***** durch den Schuss am rechten Schienbein getroffenen (US 9). Welche konkreten (allenfalls unbedeutenden iSd § 142 Abs 2 StGB) Folgen dies nach sich gezogen hatte, blieb aber im Urteil unbeantwortet.

Diese Feststellungsmängel zu den Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB treffen auch auf den diesen Umstand nicht rügenden Angeklagten Raphael H***** zu (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 290 Abs 1 StPO). Bei ihm war darüber hinausgehend auch noch von Amts wegen ein Mangel an Feststellungen betreffend den ihm angelasteten Tatbeitrag zu einem Raub nach § 142 Abs 1 StGB wahrzunehmen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 290 Abs 1 StPO).

Obgleich sich das Schöffengericht mit den Einwendungen Markus O*****s, wonach er keinen Bereicherungsvorsatz gehabt habe, eingehend auseinandersetzte und dabei eine entsprechende überschießende Innentendenz bejahte, unterließ es jegliche Konstatierung zu einem Vorsatz des Angeklagten H*****, sich oder einen Dritten durch seinen Beitrag zur Straftat des Erstangeklagten unrechtmäßig zu bereichern. Bei einem Tatbestand, der einen Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung voraussetzt, muss der Beitragstäter mit einem für sich gefassten entsprechend erweiterten Vorsatz handeln (vgl Kienapfel/Höpfel AT12 E 5 Rz 29 mwN). Der Hinweis, wonach Raphael H***** wusste, dass Markus O***** „das Verbrechen des Raubes begeht" (US 10), substituiert diese fehlenden Annahmen nicht, sodass derzeit noch nicht beurteilt werden kann, ob H***** das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 bzw Abs 2 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB oder allenfalls bloß ein Tatbeitrag zum Vergehen der Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 105 Abs 1 StGB zur Last zu legen ist.

Insoweit waren daher - entgegen der iS einer pauschalen Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden nach § 285d Abs 1 StPO Stellung nehmenden Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung der Schuldspruch I 2 sowie die rechtliche Unterstellung der im Schuldspruch I 1 bezeichneten Tat unter § 142 Abs 1 StGB, demgemäß auch die Strafaussprüche betreffend Markus O***** und Raphael H***** (einschließlich des diesen Angeklagten betreffenden Beschlusses gemäß §§ 50, 52 StGB) aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seinen Einwänden war der Nichtigkeitswerber Raphael H***** auf diese den Schuldspruch I 2 aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus O*****:

Der zum Schuldspruch II ausgeführten Mängelrüge (Z 5) zuwider erwogen die Tatrichter die unterschiedlichen Angaben des Zeugen Michael M***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung, gingen aber in Abwägung weiterer Beweisergebnisse davon aus, dass die von Michael M***** vor Gericht abgelegte entlastende Aussage nicht glaubwürdig war (US 15 ff).

Die Angaben Daniel M*****s in der Hauptverhandlung vom 6. März 2007, wonach der Rechtsmittelwerber „bis jetzt noch nichts zurück gegeben hat" (S 8/II), betreffen keinen schulderheblichen Umstand und bedurften daher keiner weiteren Erörterung. Soweit die Beschwerde darin einen Anhaltspunkt für eine Rückzahlungswilligkeit bei den dem Schuldspruch II zugrunde liegenden Taten erblickt, erschöpft sich das Vorbringen in bloßen Spekulationen. Weshalb die Angaben des Zeugen S***** zu der im dortigen Zusammenhang mit dem - den Schuldspruch II gar nicht betreffenden - Vorfall vom 23. Juni 2006 angekündigten Geldrückgabe zu erörtern gewesen wären, wird in der Beschwerde nicht dargetan. Die leugnende Einlassung des Beschwerdeführers erachtete das erkennende Gericht - entgegen dem eine fehlende Berücksichtigung monierenden Vorbringen - als in keiner Weise überzeugend (US 13 ff). Im Übrigen schließt eine geplante spätere Rückgabe einer bereits zugeeigneten Beute den Bereicherungsvorsatz nicht aus (vgl Eder-Rieder in WK² § 142 [2006] Rz 44; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 142 Rz 56; SSt 50/8).

Desgleichen geht der Einwand einer Unvollständigkeit bzw unzureichenden Begründung betreffend den Schuldspruch III ins Leere, zumal die vom Nichtigkeitswerber hervorgehobenen entlastenden Angaben Michael M*****s von den Tatrichtern ausdrücklich als unglaubwürdig bewertet und dieser Schuldspruch auf die belastenden Ausführungen des Zeugen S***** vor der Polizei gestützt wurde (US 19). In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus O***** bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung war dieser Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die lediglich Markus O***** betreffende Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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