JudikaturVwGH

Ra 2024/07/0197 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des M, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. August 2024, LVwG S 1039/0012024, betreffend Übertretung des AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der M. GmbH wurde mit Bescheid vom 6. Februar 2020 die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Behandlungsanlage für nicht gefährliche Abfälle, bestehend aus einer Siebanlage und Nebenanlagen samt Zwischenlagerflächen erteilt.

2Mit Straferkenntnis vom 16. April 2024 bestrafte die Bezirkshauptmannschaft Baden (BH Baden) den Revisionswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 mit einer Geldstrafe von € 8.400 (Ersatzfreiheitsstrafe 68 Stunden). Im Spruch legte die Behörde dem Revisionswerber zur Last, er habe es in den Betriebsjahren 2021 und 2022 „als zum Tatzeitpunkt gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter bzw. abfallrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002“ der M. GmbH zu verantworten, dass die mit Bescheid vom 6. Februar 2020 genehmigte, an einem näher bezeichneten Ort befindliche Behandlungsanlage in den Betriebsjahren 2021 bis 2022 geändert worden sei, ohne im Besitz der nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung zu sein, indem der quantitative Konsens in beiden Jahren sowohl hinsichtlich der Gesamtlagerkapazität von maximal 40.000 m 3 bzw. 60.000 t sowie einer Jahresanlieferung (Gesamtumschlag) von maximal 100.000 m 3bzw. 150.000 t überschritten worden sei, wobei im Jahr 2021 der Lagerstand am Jahresanfang 15.000 t und am Jahresende 86.000 t und im Jahr 2022 am Jahresanfang 82.000 t und am Jahresende 173.000 t sowie die Jahresanlieferung im Jahr 2021 188.436,87 t und im Jahr 2022 224.394,45 t betragen hätten. Es liege eine wesentliche Änderung einer ortsfesten Behandlungsanlage, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen bzw. die Umwelt haben könne, im Sinn von § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 vor, weil es zu einer erhöhten An und Abfahrtfrequenz von Lastkraftwägen und zusätzlichen Manipulationsvorgängen in der Behandlungsanlage nämlich einem erhöhten Einsatz von Gerätschaften (etwa Radlader, Sieb und Brecheranlage) komme, wodurch die Emissionen der Anlage hinsichtlich Lärm und Luftschadstoffen erhöht würden. „Nachteilige Auswirkungen“ auf Personen oder die Umwelt seien auch deshalb zu befürchten, weil infolge der Zunahme des Verkehrs auch wenn dies „nicht zwingend zusätzliche straßenpolizeiliche Maßnahmen erfordere“ die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden könnte, wobei eine „größere Behinderungswahrscheinlichkeit des Verkehrs“ auf der übergeordneten Landesstraße durch die Abbiegevorgänge der Lastkraftwägen und damit auch „eine tendenziell größere Gefahr von Auffahrunfällen“ eintrete. Aufgrund des erhöhten Materialaufkommens sei auch ein „negativer Einfluss auf die Behandlungstätigkeiten bzw. auf die notwendigen begleitenden chemischen Untersuchungen zu befürchten“, weil nicht auszuschließen sei, dass „durch die kürzere Verweilzeit der Abfälle (resultierend durch den erhöhten Materialdurchsatz) Materialuntersuchungen nicht rechtzeitig für den jeweiligen Behandlungs und Verwertungsschritt“ vorlägen. Zudem sei durch die erhöhte Lagermenge eine Verletzung des Vermischungsverbotes zu befürchten, weil es „durch die verringerten oder sogar fehlenden Abstände“ zwischen den einzelnen Abfallfraktionen zu einer Vermischung von Abfällen unterschiedliche Abfallqualitäten kommen könnte.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, die mit Bescheid vom 6. Februar 2020 der M. GmbH erteilte abfallrechtliche Genehmigung sehe die Zwischenlagerung von Abfällen (Bodenaushub und Baurestmassen) auf einer Lagerfläche von insgesamt rund 26.688 m 2 vor, wobei die Gesamtlagerkapazität maximal 40.000 m 3 bzw. 60.000 t und die Jahresanlieferung maximal 100.000 m 3bzw. 150.000 t betragen sollten. Der Abfall werde in der Anlage mittels einer Siebanlage für eine weitere Abfallbehandlung vorbereitet. Der Revisionswerber sei in den Jahren 2021 und 2022 zur verantwortlichen Person nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 und zum verantwortlichen Beauftragten der M. GmbH nach § 9 Abs. 2 VStG bestellt gewesen. Tatsächlich sei der Konsens überschritten worden, indem wie im Spruch des Straferkenntnisses ausgeführt die Jahresanlieferung im Jahr 2021 188.436,87 t und im Jahr 2022 224.394,45 t sowie die Lagerstände am Ende des Jahres 2021 86.000 t und am Ende des Jahres 2022 173.000 t betragen hätten.

5 Die Überschreitung der genehmigten Jahresanlieferungsmenge führe zu einer deutlich erhöhten Fahrzeugfrequenz der von der angrenzenden Landesstraße zu und abfahrenden Lastkraftwägen. Damit gehe eine „größere Behinderungswahrscheinlichkeit“ des Verkehrs und damit auch eine „tendenziell höhere Gefahr“ von Auffahrunfällen einher. Es könnten „nachteilige Auswirkungen“ auf Personen oder die Umwelt durch das höhere Verkehrsaufkommen nicht ausgeschlossen werden. Aus abfallchemischer Sicht sei aufgrund der gesteigerten Jahresanlieferung von „einer Erhöhung“ der Emissionen hinsichtlich Lärm und Luftschadstoffen infolge des zusätzlichen Verkehrsaufkommens und der zusätzlichen Manipulationsvorgänge in der Behandlungsanlage auszugehen.

6 Aus abfalltechnischer Sicht sei durch das erhöhte Materialaufkommen ein „negativer Einfluss“ auf die Behandlungstätigkeiten bzw. auf die notwendigen begleitenden chemischen Untersuchungen zu befürchten. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass durch die kürzere Verweilzeit der Abfälle, die aus „dem erhöhten Materialdurchsatz“ resultiere, Materialuntersuchungen nicht rechtzeitig für den jeweiligen Behandlungs und Verwertungsschritt vorliegen könnten. Zudem sei durch die stark erhöhte Lagermenge eine Verletzung des Vermischungsverbotes zu befürchten, weil es durch die verringerten bzw. fehlenden Abstände zur Vermischung der einzelnen Abfallfraktionen kommen könnte.

7In rechtlicher Hinsicht erörterte das Verwaltungsgericht, bei der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 handle es sich um ein fortgesetztes Begehungsdelikt, dessen Tatbild solange erfüllt werde, als Begehungshandlungen erfolgten. In Hinblick auf die fortgesetzte Tatbegehung im Jahr 2022 sei jedenfalls keine Verjährung eingetreten.

8Die Nichteinhaltung von in Genehmigungsbescheiden enthaltenen Auflagen oder Bedingungen sei nach § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 zu bestrafen. Der Betrieb einer Anlage ohne Genehmigung nach § 37 sei dagegen nach § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 zu sanktionieren. Darunter falle der hier gegenständlicheVorwurf einer wesentlichen Änderung der Betriebsanlage, ohne dafür eine Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 eingeholt zu haben.

9 Die Überschreitung des mit Bescheid festgelegten quantitativen Abfallkonsenses der Gesamtlagerkapazität sowie der Jahresanlieferung greife in die erteilte Bewilligung ein und stelle eine Änderung der Abfallbehandlungsanlage dar. Sie bedürfeentweder nach Abs. 1 oder nach Abs. 3 des § 37 AWG 2002einer Bewilligung. Einer Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 bedürften jedoch lediglich „wesentliche Änderungen“ einer Behandlungsanlage im Sinn des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002. Werde wie hiereine Übertretung des § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 angelastet, müsse der Schuldspruch daher, um das Erfordernis des § 44a Z 1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahingehend zuließen, dass die vorgenommene Änderung der Behandlungsanlage „wesentlich“ sei. Im vorliegenden Fall sei dem Sachverständigengutachten für Verkehrstechnik und Abfallchemie zu entnehmen, dass die konsenslose Erhöhung der Abfallmenge nicht bloß nachteilige, sondern erhebliche Auswirkungen mit sich bringen könne. Der Straftatbestand nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 sei daher erfüllt. Es liege ein Ungehorsamsdelikt vor. Ein mangelndes Verschulden sei vom Revisionswerber nicht dargelegt worden.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend, auf der Grundlage der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergebe sich nicht, dass eine wesentliche Änderung der Betriebsanlage im Sinn des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 erfolgt wäre. Mit seiner gegenteiligen Ansicht sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 22.3.2021, Ra 2020/05/0137) abgewichen.

13 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

14§ 2 Abs. 8 Z 3, § 26 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6, § 37 Abs. 1 und Abs. 3 sowie § 79 Abs. 1 Z 9 und Abs. 2 Z 10 AWG 2002 lauten samt Überschriften auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. [...]

(8) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist oder sind

3. ‚wesentliche Änderung‘ eine Änderung einer Behandlungsanlage, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann; als wesentliche Änderung gilt auch eine Änderung einer Verbrennungs oder Mitverbrennungsanlage für nicht gefährliche Abfälle, welche die Verbrennung gefährlicher Abfälle mit sich bringt; als wesentliche Änderung einer IPPC Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung mit einer Kapazitätsausweitung von mindestens 100 Prozent des im Anhang 5 festgelegten Schwellenwertes; als wesentliche Änderung einer Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung oder Erweiterung, durch die die Kapazitätsschwellenwerte in Anhang 5 erreicht werden;

Abfallrechtlicher Geschäftsführer, fachkundige Person, verantwortliche Person

§ 26. (1) Wenn die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von gefährlichen Abfällen, ausgenommen Asbestzement, nicht von einer natürlichen Person ausgeübt werden soll oder der Erlaubniswerber die in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nachweist, ist eine hauptberuflich tätige Person als abfallrechtlicher Geschäftsführer zu bestellen. [...]

(3) Der abfallrechtliche Geschäftsführer ist verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit gemäß Abs. 1 und die Einhaltung der abfallrechtlichen Vorschriften, einschließlich abfallrechtlicher Genehmigungen, verantwortlich.

(6) Wird die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Asbestzement nicht von einer natürlichen Person ausgeübt oder weist der Erlaubniswerber die in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nach, ist eine verantwortliche Person zu bestellen, welche die Kriterien des Abs. 1 Z 1 bis 3 erfüllt. Die verantwortliche Person ist verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen und die Einhaltung der abfallrechtlichen Vorschriften, einschließlich abfallrechtlicher Genehmigungen, verantwortlich.

Genehmigungs und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen

(1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. [...]

(3) Folgende Behandlungsanlagen sofern es sich nicht um IPPC Behandlungsanlagen oder Seveso Betriebe handelt und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:

1. bis 4. [...]

5. eine Änderung, die nach den gemäß § 38 mitanzuwendenden Vorschriften oder nach dem Baurecht des jeweiligen Bundeslandes genehmigungspflichtig ist und keine wesentliche Änderung darstellt.

(4) Folgende Maßnahmen sind sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt der Behörde anzuzeigen:

[...]

Strafhöhe

(1) Wer

9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,

begeht sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.

(2) Wer

10. Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 oder § 52 Abs. 6 ohne eine Anzeige oder im Fall des § 37 Abs. 4 Z 1, 2, 4 oder 8 ohne Bescheid durchführt,

begeht sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht; [...]“

15§ 37 AWG 2002 ordnet an, wann die Errichtung, der Betrieb bzw. eine wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen (generell) einer Genehmigung der Behörde bedarf (Abs. 1), für welche Anlagen keine Genehmigungspflicht besteht (Abs. 2), welche Behandlungsanlagen bzw. Änderungen von Behandlungsanlagen nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50 AWG 2002) einer Genehmigung bedürfen (Abs. 3) und welche nicht der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 3 unterliegenden Maßnahmen der Behörde anzuzeigen sind (Abs. 4).

16Nach § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 ist zu bestrafen, wer eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 AWG 2002 somit nach Abs. 1 oder Abs. 3 dieser Bestimmungerforderlichen Genehmigung zu sein. Die Unterlassung einer Anzeige nach § 37 Abs. 4 AWG 2002 ist dagegen nach § 79 Abs. 2 Z 10 AWG 2002 sanktioniert.

17Eine Genehmigungspflicht nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 tritt bei Änderungen von ortsfesten Behandlungsanlagen ein, wenn eine wesentliche Änderung vorliegt; somit eine solche, die der Definition des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 entspricht. Änderungen von Anlagen, die nicht einem der explizit in § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 genannten Fälle unterfallen, sind nur dann als wesentliche Änderung im Sinn des AWG 2002 anzusehen, wenn die Voraussetzungen des ersten Teilsatzes, nämlich das Vorliegen erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt, erfüllt sind (vgl. VwGH 7.11.2024, Ro 2023/07/0028, mwN).

18Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. etwa VwGH 6.5.2025, Ra 2024/07/0121 bis 0124, mwN).

19Dem Revisionswerber wurde vorgeworfen, er habe es zu verantworten, dass die mit Bescheid vom 6. Februar 2020 bewilligte Abfallbehandlungsanlage ohne Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 geändert worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass vor dem Hintergrund, dass wie dargestelltnur wesentliche Änderungen einer Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 bedürfen, ein Schuldspruch wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002, um die Erfordernisse des § 44a Z 1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände zu enthalten hat, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, dass die vorgenommene Änderung der Behandlungsanlage „wesentlich“ ist. Es muss daher im Rahmen der als erwiesen angenommenen Tat dargelegt werden, ob die Änderung einem der explizit in § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 genannten Fälle unterfällt oder ob die Änderung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann (vgl. VwGH 12.4.2023, Ra 2020/05/0068, 0069, mwN).

20 Im mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten Schuldspruch des Straferkenntnisses der BH Baden wurden als (zumindest mögliche) Auswirkungen der Überschreitung der konsentierten Jahresanlieferung und Lagerkapazität eine erhöhte An und Abfahrtfrequenz von Lastkraftwägen und zusätzliche Manipulationsvorgänge in der Behandlungsanlage sowie daraus folgend eine nicht näher quantifizierte Erhöhung der Emissionen der Anlage hinsichtlich Lärm und Luftschadstoffen sowie eine Beeinträchtigung der Sicherheit, der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs konkret eine größere Behinderungswahrscheinlichkeit des Verkehrs infolge zusätzlicher Abbiegevorgänge von Lastkraftwägen und damit auch eine höhere Unfallgefahr genannt. Im Weiteren angeführt wurde ein möglicher „negativer Einfluss“ des erhöhten Materialaufkommens auf die Behandlungstätigkeiten bzw. auf die begleitenden chemischen Untersuchungen, wobei konkret darauf verwiesen wurde, dass Materialuntersuchungen nicht rechtzeitig vorliegen und es zur Verletzung des Vermischungsverbotes kommen könne.

21Bei der Beurteilung als „wesentliche Änderung“ einer Behandlungsanlage im Sinn des § 37 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 ist zwischen erheblich nachteiligen Auswirkungen und bloß nachteiligen Auswirkungen zu differenzieren. Diese Differenzierung hat auf Grundlage von sachverständigen Erhebungen zu erfolgen. Diesen Erhebungen muss jedenfalls entnommen werden können, wer oder was in welcher Intensität und Wahrscheinlichkeit von den Auswirkungen einer Anlagenänderung betroffen sein kann. Die pauschale Feststellung alleine, es komme zu einer erhöhten Verkehrsbelastung und damit zu einer erhöhten Lärm- und Staubbelastung, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Sinn nicht als ausreichend erachtet, um eine Genehmigungspflicht nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 zu begründen. Nicht jede Beeinträchtigung durch eine erhöhte Verkehrsbelastung führt zu erheblich nachteiligen Auswirkungen im Sinn des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 (vgl. VwGH 22.3.2021, Ra 2020/05/0137, mit weiteren Hinweisen).

22 Diese Überlegungen sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Eine gewisse Steigerung von Emissionen (insbesondere Lärm , Staub, Luftschadstoffe) ist grundsätzlich als Folge jeder Steigerung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen bzw. innerhalb der Behandlungsanlage selbst zu erwarten, aber im Sinn der dargestellten Judikatur ohne nähere Konkretisierung zur Darlegung einer wesentlichen Änderung nicht ausreichend. Die Intensität bzw. Wahrscheinlichkeit dieser Beeinträchtigungen muss näher dargestellt bzw. quantifiziert werden, um eine Beurteilung zu ermöglichen, ob die Auswirkungen im dargestellten Sinn nicht bloß nachteilig sind, sondern die Schwelle der Erheblichkeit nach § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 erreichen. Eine solche Konkretisierung ist im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgt.

23Ebenso ist im Allgemeinen auch eine Zunahme des Verkehrs potentiell mit Störungen anderer Verkehrsteilnehmer verbunden. Auch das allein reicht zur Begründung erheblich nachteiliger Auswirkungen im Sinn des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 aber im Sinn der genannten Rechtsprechung nicht aus. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, wird hinsichtlich der angenommenen Beeinträchtigungen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, im Schuldspruch sowie in den Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts in Wiedergabe der Ausführungen des verkehrstechnischen Sachverständigenohnehin auch nur von drohenden „nachteiligen Auswirkungen auf Personen oder die Umwelt“, nicht aber von „erheblich nachteiligen Auswirkungen“, wie sie die Definition des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 verlangt, ausgegangen.

24 Auch hinsichtlich der Folgen für Untersuchungen der Abfälle bzw. möglichen Verletzungen des Vermischungsverbotes ist weder dem Schuldspruch noch der Begründung des Verwaltungsgerichts konkret zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht selbst eine Erheblichkeit der dadurch drohenden Auswirkungen annimmt. Auch insoweit hat das Verwaltungsgericht die Wahrscheinlichkeit und Intensität der befürchteten Folgen der gestiegenen Abfallmenge nicht konkret dargestellt. Auch ergibt sich nicht, mit welcher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die M. GmbH ihren Verpflichtungen insbesondere hinsichtlich einer befürchteten Vermengung der Abfälle nicht mehr nachkommen könnte und welche Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt (etwa auch in Hinblick auf die Art der Abfälle) insoweit konkret zu befürchten sind.

25Der Schuldspruch des vom Verwaltungsgericht bestätigten Straferkenntnisses lässt daher eine Subsumtion der vorgeworfenen Tat als Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 nicht zu.

26Darüber hinaus erweist sich das angefochtene Erkenntnis auch aus einem weiteren Grund als rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Verwaltungsgericht nämlich verpflichtet, das die Verantwortlichkeit konstituierende Merkmal (Organstellung, Funktion, etc.) des Beschuldigten gemäß § 44a Z 1 VStG bei der Umschreibung der Tat richtig und vollständig im Spruch anzugeben (vgl. VwGH 17.12.2024, Ro 2023/07/0027, mwN).

27Insoweit ist zu beachten, dass § 26 AWG 2002 besondere Regelungen für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit enthält, wenn die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von Abfällen nicht von einer natürlichen Person ausgeübt wird oder der Erlaubniswerber die in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nachweist.

28Nach § 26 Abs. 3 AWG 2002 ist der abfallrechtliche Geschäftsführer verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von gefährlichen Abfällen, ausgenommen Asbestzement, im Sinn von § 26 Abs. 1 AWG 2002 und die Einhaltung der diesbezüglichen abfallrechtlichen Vorschriften, einschließlich abfallrechtlicher Genehmigungen, verantwortlich (vgl. VwGH 29.8.2023, Ra 2022/07/0221, mwN).

29 Nach der mit der AWGNovelle Kreislaufwirtschaftspaket, BGBl. I Nr. 200/2021, geschaffenen Rechtslage sind nunmehr (Inkrafttreten 11. Dezember 2021) die verantwortlichen Personen nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 verantwortliche Beauftragte im Sinn des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen und die Einhaltung der abfallrechtlichen Vorschriften, einschließlich abfallrechtlicher Genehmigungen, verantwortlich (vgl. VwGH 26.6.2025, Ra 2024/07/0169, mwN).

30 In Zeiträumen vor Inkrafttreten der AWGNovelle Kreislaufwirtschaftspaket mit 11. Dezember 2021 war nach der damaligen Rechtslage dagegen zwar nach § 26 Abs. 3 AWG 2002 der gemäß § 26 Abs. 1 AWG 2002 bestellte abfallrechtliche Geschäftsführer, nicht jedoch auch eine gemäß § 26 Abs. 6 AWG 2002 namhaft gemachte verantwortliche Person verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 VStG (vgl. VwGH 19.11.2024, Ro 2023/07/0025 und 0026, mwN).

31 Die gegen den Revisionswerber erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf eine in den Jahren 2021 und 2022 von der M. GmbH ausgeübte Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen. Nach dem Gesagten kommt für Zeiträume nach Inkrafttreten der AWGNovelle Kreislaufwirtschaftspaket mit 11. Dezember 2021 daher eine Verantwortung der nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 von der M. GmbH namhaft gemachten verantwortlichen Person und vor Inkrafttreten dieser Novelle der nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen der M. GmbH bzw. der von diesen (eigens) bestellten verantwortlichen Beauftragten in Betracht (vgl. idS nochmals VwGH 19.11.2024, Ro 2023/07/0025 und 0026).

32Im vom Verwaltungsgericht bestätigten Schuldspruch der BH Baden wurde die Tat dem Revisionswerber dagegen „als zum Tatzeitpunkt gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter bzw. abfallrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002“ vorgeworfen. Diese Bezeichnung des die Verantwortlichkeit konstituierenden Merkmals ist zum einen unbestimmt. Zum anderen ist der gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002 bestellte abfallrechtliche Geschäftsführer nur für die Tätigkeit nach § 26 Abs. 1 AWG 2002, nicht aber für die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Asbestzement nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 verantwortlich und besteht wie dargestellt für Zeiträume nach dem Inkrafttreten AWGNovelle Kreislaufwirtschaftspaket eine Verantwortlichkeit des verantwortlichen Beauftragten nach § 26 Abs. 6 AWG 2002.

33In seiner Entscheidungsbegründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Revisionswerber in den Jahren 2021 und 2022 verantwortlicher Beauftragter nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 der M. GmbH gewesen und nach § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei. Unabhängig davon, dass auch insoweit keine klare Zuordnung der Verantwortung hinsichtlich der Zeiträume vor und nach Inkrafttreten der AWG Novelle Kreislaufwirtschaftspaket erfolgt, hat nach der dargestellten Judikatur das die Verantwortlichkeit konstituierende Merkmal (Organstellung, Funktion, etc.) des Beschuldigten richtig und vollständig im Spruch selbst zu erfolgen.

34Zu beachten ist im Weiteren, dass das Verwaltungsgericht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet ist, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 20.12.2024, Ra 2023/07/0096, mwN). Eine Unterstellung des vorgeworfenen Verhaltens unter eine andere Strafbestimmung durch das Verwaltungsgericht ist zulässig und geboten, wenn es sich dabei lediglich um eine Konkretisierung des Tatvorwurfs bzw. die rechtlich richtige Subsumtion des der Bestrafung zu Grunde gelegten Verhaltens handelt und somit keine Auswechslung der vorgeworfenen Tat vorliegt. Eine (unzulässige) Auswechslung der Tat liegt dann nicht vor, wenn lediglich die rechtliche Beurteilung des vorgeworfenen Verhaltens geändert wird (vgl. etwa VwGH 24.6.2025, Ra 2024/07/0218, mwN).

35Die nach § 32 Abs. 2 VStG erforderliche Verfolgungshandlung ist zwar nur dann im Sinn einer Unterbrechung der Verjährungsfrist ausreichend, wenn dem Beschuldigten das vorgeworfene Verhalten hinsichtlich aller maßgeblichen Tatbestandselemente vorgehalten wird, es kommt aber in diesem Stadium des Verfahrens auf eine (zutreffende) rechtliche Qualifikation des Verhaltens im Zusammenhang mit der Verfolgungshandlung (noch) nicht an; die Verfolgungshandlung bezieht sich nur auf die Tat selbst, nicht auf deren rechtliche Wertung. In diesem Sinn ist es auch ohne Belang, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer juristischen Personen, als verantwortlicher Beauftragter bzw. als abfallrechtlicher Geschäftsführer nach § 26 Abs. 1 AWG 2002 oder verantwortliche Person nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 zu verantworten hat, weil diese Frage nicht Tatbestandselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als beschuldigt angesprochenen Person betreffendes Merkmal ist, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluss ist (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2020/09/0036, mwN).

36 Das Verwaltungsgericht traf somit auch die Verpflichtung zu prüfen, ob das vorgeworfene Verhalten allenfalls unter eine andere Strafbestimmung fällt und gegebenenfalls den Spruch insbesondere auch hinsichtlich des im (jeweiligen) Tatzeitraum die Verantwortlichkeit konstituierenden Merkmalsrichtig zu stellen bzw. zu ergänzen. Dabei ist zu beachten, dass, wenn eine wesentliche Änderung im Sinn des § 37 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 im dargestellten Sinn nicht vorliegt, eine Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 nicht in Betracht kommt. In diesem Fall wäre aber zu prüfen, ob ausgehend vom erhobenen Vorwurfeine nach § 37 Abs. 3 AWG 2002, insbesondere nach der Z 5 dieser Bestimmung, zu genehmigende Änderung vorgelegen bzw. allenfalls zumindest eine Anzeige nach § 37 Abs. 4 AWG 2002 erforderlich gewesen ist. Sollte dies zutreffen, käme eine Bestrafung wegen Verwaltungsübertretungen nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 3 AWG 2002 oder nach § 79 Abs. 2 Z 10 iVm § 37 Abs. 4 AWG 2002 in Betracht.

37Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

38Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. September 2025