Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des M S, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. August 2024, LVwG S 1040/0012024, betreffend Übertretung des AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die M. GmbH ist Inhaberin einer mit Bescheid vom 24. Juli 2018 erteilten abfallrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Behandlungsanlage für nicht gefährliche Abfälle, bestehend aus einer Sortier- und Recyclinganlage samt Nebenanlagen und Zwischenlagerflächen.
2Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 12. April 2024 wurde der Revisionswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm. § 37 Abs. 1 AWG 2002 mit einer Geldstrafe iHv. € 8.400 (Ersatzfreiheitsstrafe 68 Stunden) bestraft. Dazu wurde ihm spruchgemäß zur Last gelegt, er habe es in den Betriebsjahren 2021 und 2022 „als zum Tatzeitpunkt gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter bzw. abfallrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002“ der M. GmbH zu verantworten, dass die mit Bescheid vom 24. Juli 2018 genehmigte, an einem näher bezeichneten Ort befindliche Behandlungsanlage in den Betriebsjahren 2021 bis 2022 geändert worden sei, ohne im Besitz der nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung zu sein, indem der Jahresdurchsatz (Jahresanlieferung) von maximal 190.000 t in beiden Jahren überschritten worden sei, wobei die Jahresanlieferung im Jahr 2021 367.477,84 t und im Jahr 2022 351.268,93 t betragen habe. Diese Überschreitung des quantitativen Konsenses stelle eine wesentliche Änderung der ortsfesten Behandlungsanlage, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen bzw. die Umwelt haben könne, im Sinn von § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 dar, weil es zu einer erhöhten An- und Abfahrtfrequenz von Lastkraftwägen sowie zusätzlichen Manipulationsvorgängen in der Behandlungsanlage nämlich einem erhöhten Einsatz von Gerätschaften (etwa Radlader, Sieb- und Brecheranlage) und damit einem erhöhten Verkehrsaufkommen komme, das zu einer Erhöhung der Emissionen hinsichtlich Lärm und Luftschadstoffen führe. „Nachteilige Auswirkungen“ auf Personen oder die Umwelt seien auch deshalb zu befürchten, weil infolge der Zunahme des Verkehrs eine „größere Behinderungswahrscheinlichkeit des Verkehrs“ durch die Abbiegevorgänge der Lastkraftwägen (über den zur Einfahrt in die Anlage eingerichteten Abbiegestreifen) und damit auch „eine tendenziell größere Gefahr von Auffahrunfällen“ eintrete. Aufgrund des erhöhten Materialaufkommens sei auch ein „negativer Einfluss auf die Behandlungstätigkeiten bzw. auf die notwendigen begleitenden chemischen Untersuchungen zu befürchten“, weil nicht auszuschließen sei, dass „durch die kürzere Verweilzeit der Abfälle (resultierend durch den erhöhten Materialdurchsatz) Materialuntersuchungen nicht rechtzeitig für den jeweiligen Behandlungs- und Verwertungsschritt“ vorlägen. Auch sei durch die stark erhöhte Lagermenge eine Verletzung des Vermischungsverbotes zu befürchten.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2024/07/0197, mit inhaltsgleichen Vorwürfen gegen den Revisionswerber betreffend eine andere Abfallbehandlungsanlage der M. GmbH auseinandergesetzt, wobei die vom Verwaltungsgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sowie das Vorbringen in der Revision dem vorliegenden Fall in den wesentlichen Punkten gleichen.
7Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Aus den dort genannten Gründen lässt auch der Schuldspruch des vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bestätigten Straferkenntnisses eine Subsumtion der vorgeworfenen Tat als Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm 37 Abs. 1 AWG 2002 nicht zu. Im Weiteren wird der Schuldspruch auch dem Erfordernis, das die Verantwortlichkeit konstituierende Merkmal (Organstellung, Funktion, etc.) des Beschuldigten gemäß § 44a Z 1 VStG im Spruch bei der Umschreibung der Tat richtig und vollständig anzugeben, nicht gerecht.
8Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
9Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 4. September 2025