JudikaturVwGH

Ra 2023/20/0284 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Stüger, in der Rechtssache der Revision des H A, vertreten durch Mag. Constantin Benes, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 19, dieser vertreten durch Dr. Erich Gemeiner, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Apostelgasse 36/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2023, W270 22642201/9E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 7. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er zusammengefasst mit der Befürchtung begründete, in Syrien von mehreren Seiten zum Wehrdienst verpflichtet zu werden.

2 Mit Bescheid vom 8. November 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit der Gültigkeit für ein Jahr.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Zulässigkeit der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst im Wesentlichen geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe der Entscheidung keine aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt und eine Befassung mit den Richtlinien des UNHCR unterlassen.

8Zur Darlegung der Relevanz eines Verstoßes gegen das Erfordernis der Heranziehung aktueller Länderinformationen genügt es nicht, sich ändernde Verhältnisse durch Zitierung von Berichten zu behaupten, sondern es ist auch erforderlich, unter Anführung eines Belegs konkret aufzuzeigen, aufgrund welcher vor der Entscheidung verfügbarerer (aktuellerer) Berichte es zu geänderten, für den Revisionswerber günstigeren Feststellungen hätte kommen können (vgl. VwGH 24.1.2023, Ra 2022/20/0328, mwN). Daher wird die Zulässigkeit der Revision nicht damit dargelegt, dass sich diese auf nicht näher bezeichnete „aktuelle Länderberichte“ beziehe.

9Entgegen dem Vorbringen in der Revision setzte sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit den relevanten Erwägungen des UNHCR auseinander und kam zum Schluss, dass der Revisionswerber, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sowie unter Berücksichtigung der relevanten Leitlinien des UNHCR und der EUAA sowie der angeführten, von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, eine, auch (wohl)begründete, Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe nicht glaubhaft gemacht habe. Die UNHCR-Richtlinien verlangen für die Gefährdungsbeurteilung von Personen, die ein Risikoprofil erfüllen, eine Beurteilung der jeweiligen Umstände des Falles. Es ergibt sich daraus somit nicht der Schluss, dass jeder Asylsuchende, der unter ein Risikoprofil falle, einer Verfolgung ausgesetzt sei (vgl. VwGH 3.7.2023, Ra 2023/14/0182, mwN). Der erforderlichen Beurteilung der Umstände kam das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall, wie dargelegt, nach.

10 Insoweit der Revisionswerber weiters auf die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative Bezug nimmt, wird eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 BVG schon deswegen nicht dargelegt, weil es im gegenständlichen Fall, in dem das Bundesverwaltungsgericht eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsgebiet des Revisionswerbers verneinte, auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht ankommt (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2022/20/0235, mwN).

11 Der Revisionswerber bringt schließlich vor, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit „seiner praktischen Möglichkeit“ auseinandergesetzt habe, in seine bisherige Heimatregion einzureisen, ohne dabei vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet zu durchqueren und zum Wehrdienst eingezogen zu werden.

12Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folterjede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 22.2.2024, Ra 2023/20/0332, mwN).

13 Im gegenständlichen Fall wird in der Revision nicht aufgezeigt, dass der Revisionswerber in Bezug auf die vorgebrachte ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder im Beschwerdeverfahren ein entsprechend begründetes Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn erkennen ließe. Damit ist aber dem - auf der Prämisse des bloß behaupteten Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden - Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen.

14 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2024