JudikaturBVwG

W121 2282524-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Spruch

W121 2282524-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, aufgrund des Militärdienstes und dem IS Syrien verlassen zu haben. Er befürchte im Falle einer Rückkehr, den Militärdienst leisten zu müssen.

Am XXXX wurde der Beschwerdeführer durch die gegenständlich belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), einvernommen. Der Beschwerdeführer führte zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, in XXXX gelebt zu haben und XXXX aufgrund des IS nach XXXX geflüchtet zu sein. Er sei im wehrpflichtigen Alter gewesen und vor dem syrischen Regime geflüchtet. Er wolle nicht kämpfen, er wolle keine Menschen töten oder selbst sterben. Er fürchte, da er nicht zum Militärdienst eingerückt sei, die Todesstrafe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte (Spruchpunkt III.). Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer in Syrien keine asylrelevante individuelle Verfolgung drohe. Aufgrund der instabilen Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung vom XXXX fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den Länderberichten nur unzureichend auseinandergesetzt habe. Der Beschwerdeführer stamme aus XXXX , Gouvernement XXXX , sei im wehrfähigen Alter und es drohe im daher die Rekrutierung zum Militärdienst bei der syrischen Armee. Es wäre dem Beschwerdeführer nur möglich, über einen Grenzübergang unter Kontrolle des syrischen Regimes, seine Heimatregion zu erreichen. Auch als Rückkehrer und aufgrund seiner Asylantragstellung im Ausland drohe dem Beschwerdeführer Gefahr als Oppositioneller wahrgenommen zu werden.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinem Fluchtvorbringen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum muslimischen Glauben sunnitischer Konfession. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Er besuchte XXXX Jahre lang die Grundschule in Syrien, hat keine Berufsausbildung absolviert und arbeitete in Syrien als Autowäscher.

Der Beschwerdeführer ist in der Ortschaft XXXX , Gouvernement XXXX , Syrien, aufgewachsen und besuchte dort die Schule. Aufgrund von Kriegsgeschehen flüchtete der Beschwerdeführer mit seiner Familie im Jahr XXXX nach XXXX , wo er in einem Zeltlager hauste, ehe er illegal in XXXX ausreiste. Er reiste seitdem nicht mehr nach Syrien zurück und trat im Oktober XXXX den Weg nach Europa an. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Die Ortschaft XXXX liegt östlich der Stadt XXXX im Gouvernement XXXX . Sie befindet sich im Autonomen Selbstverwaltungsgebiet für Nord- und Ostsyrien (AANES), das von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) sowie den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), kontrolliert wird.

Die XXXX , einer der XXXX sowie XXXX der XXXX des Beschwerdeführers leben weiterhin in Syrien. Ein weiterer XXXX lebt in der Türkei und eine XXXX in Saudi-Arabien. Der Beschwerdeführer pflegt wöchentlichen Kontakt mit seiner Familie.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Derzeit ist der Beschwerdeführer als Hilfsarbeiter in XXXX tätig und in XXXX wohnhaft. Er nahm auch an einem Wertekurs, einem Beschäftigungsprogramm sowie Deutschkurs teil.

1.2 Im Falle einer Rückkehr wird der im Jahr XXXX geborene Beschwerdeführer zur Ableistung der vorgeschriebenen „Selbstverteidigungspflicht“ von Seiten der kurdischen Demokratischen Kräften Syriens (SDF) sowie den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) verpflichtet.

Der Beschwerdeführer lehnt die Teilnahme an Kampfhandlungen und das Tragen einer Waffe ab. Er verweigert den militärischen Dienst aus politischen und ethischen Gründen.

In einer Weigerung des Beschwerdeführers, die Selbstverteidigungspflicht für die kurdischen Milizen abzuleisten, würde das Militär auch eine oppositionelle Haltung sehen und wäre der Beschwerdeführer mit der Gefahr bedroht, physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Syrien aus Gründen seiner politischen Ansichten von einer konkreten Gefährdung ausgesetzt ist.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, seitens des nun mehr ehemaligen syrischen Regimes unter Führung Bashar al-Assads verfolgt zu werden (zum Umsturz des syrischen Regimes s. Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 in 1.3) sind keine weiteren Feststellungen notwendig, da die soeben dargelegte Gefährdung für sich alleine ausreicht, um die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu begründen.

1.3 Zur Situation in Syrien (fallbezogen)

Nachstehende Quellen werden der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.3.1 Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation, Version 11 vom 27. März 2024

„9 Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

[…]

Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien […]

Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien"

Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte "Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).

Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der "Selbstverwaltung" befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der "Selbsverwaltung" als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die "Selbstverteidigungspflicht" erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur "Selbstverteidigungspflicht" eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl. NMFA 8.2023).

Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die "Selbstverteidigungspflicht" vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der "Selbstverwaltung" gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).

Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall "höherer Gewalt" einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).

Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen

Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).

Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der "Selbsverteidigungspflicht" erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).

Rekrutierungspraxis

Die Aufrufe für die "Selbstverteidigungspflicht" erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim "Büro für Selbstverteidigungspflicht" ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird - z. B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).

Wehrdienstverweigerung und Desertion

Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die "Militärpolizei" unter seiner Adresse. Die meisten sich der "Wehrpflicht" entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das "Selbstverteidigungspflichtgesetz" auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der "Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft "für eine Zeitspanne". Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleichbehandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).

Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).

Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl. EB 12.7.2019).

Aufschub des Wehrdienstes

Das Gesetz enthält Bestimmungen, die es Personen, die zur Ableistung der "Selbstverteidigungspflicht" verpflichtet sind, ermöglichen, ihren Dienst aufzuschieben oder von der Pflicht zu befreien, je nach den individuellen Umständen. Manche Ausnahmen vom "Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Im Ausland (Ausnahme: Türkei und Irak) lebende, unter die "Selbstverteidigungspflicht" fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den "Wehrdienst" antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).

Proteste gegen die "Selbstverteidigungspflicht"

Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der SDF gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Manbij (Menbij) bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2.6.2021 einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021). Diese Einigung resultierte nach einer Rekrutierungspause in der Herabsetzung des Alterskriteriums auf 18 bis 24 Jahre, was später auf die anderen Gebiete ausgeweitet wurde (DIS 6.2022). Im Sommer 2023 kam es in Manbij zu Protesten gegen die SDF insbesondere aufgrund von Kampagnen zur Zwangsrekrutierung junger Männer in der Stadt und Umgebung (SO 20.7.2023). […]“

1.3.2 Auszug aus der Kurzinformation der Staatendokumentation zu SYRIEN: Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht vom 10. Dezember 2024:

„1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende (...). Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024). Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

1.3.3 Auszug aus dem Bericht der EUAA Syria: Country Focus vom März 2025:

„(…)

Syrian Democratic Forces (SDF)

The SDF according to its commander Mazloum Abdi comprise about 100 000 members. They are a military alliance in which the Kurdish People’s Protection Units (YPG) has an prominent component. Alongside the YPG there are regional military councils such as the Deir Ez-Zor Military Council, Manbij Council, and Raqqa Council, whose primary task is to protect their own areas. (…)

As HTS-led factions captured Aleppo in late November 2024, the SNA launched a simultaneous operation in Aleppo province, leading to clashes with the SDF west of the Euphrates River. Meanwhile, the SDF took the withdrawal of Syrian government forces and their pro-Iran allies as an opportunity to expand its territories in Deir Ez-Zor. Facing military pressure from Turkish-backed forces and forces allied with the new authorities in Damascus, the SDF withdrew from several towns on the Euphrates in Raqqa and Deir Ez-Zor governorates. According to an SDF spokesperson, the aim was to preserve Kurdish areas further east and prevent an SNA breakthrough at the Tishreen Dam. This resulted in the loss of control of several cities to the SNA, such as Manbij and Tall Rifaat. Apart from direct clashes, the SDF also launched drone attacks on SNA positions, described as a newly emerging capability.

During the reference period, the SDF were faced with defections from Arab SDF members. A conscript from a base in the Al-Shaddadi area cited by Syria TV reported that the SDF had halted the discharge of military service recruits as about 80 recruits had fled the base, while a source close to the SDF stated that the desertion rate of military service conscripts following the ouster of Bashar Al-Assad had reached more than 90% in some areas of southern Hasaka governorate and rural Deir Ez-Zor. Furthermore, several commanders from the Deir Ez-Zor Military Council defected and crossed the Euphrates to flee to areas under the control of the MOA. Several sources reported of clashes between tribal militias and SDF in Deir Ez-Zor governorate, with tribal fighters driving the SDF out of several locations along the Euphrates river in eastern Deir Ez-Zor.

Mazloum Abdi in January 2025 stated that one of their main demands was a decentralised administration, allowing the SDF to integrate into the Defence Ministry as a unified military bloc. However, interim defence minister Murhaf Abu Qasra rejected this proposal. As of the end of January 2025, the negotiations between the SDF and the Transitional Administration seemed to be stalled, one reason being the uncertain stance of the new US administration. The one day National Dialogue conference organised by the Transitional Administration on 25 February, while assembling 600 people from across Syria did not extend invitations to SDF figures. Moreover, Türkiye reportedly disrupted negotiations between the Ministry of Defence and the SDF, insisting on a complete dismantling of the SDF and rejecting attempts at compromise, such as a proposed relocation of PKK-affiliated fighters to Iraq or Iran. In March 2025, however, SDF leaders signed a deal with the government to integrate their armed forces and civilian institutions into the new Syrian government. The agreement mandates a complete cessation of hostilities and requires the SDF to cede control of border posts, the airport, and key oil and gas fields. It also acknowledges the Kurdish minority as an integral part of Syria and ensures their political representation and participation.The agreement emerged amid increasing uncertainty over the U.S. role in the region and diplomatic efforts by several Western countries advocating for the SDF’s integration into the new Syrian state, with experts suggesting the SDF likely recognized its weakening negotiating position.The practical implementation of this agreement could not be monitored within the scope of this report.

Areas under the control of the Syrian Democratic Forces (SDF)

(…)

The SDF control a large swath of territory in northeastern Syria that accounts for almost one-third of the country’s overall area. These territories comprised about 70 percent of Syria’s oil and gas fields. As of February and March 2025, the territories controlled, occupied, or seized by the SDF encompassed most of Hasaka, approximately half of Raqqa (including Raqqa city), and the portions of Deir Ez-Zor and Aleppo that are located east of the Euphrates

River, as well as a narrow salient on Aleppo’s western Euphrates bank, situated south of Lake Assad and near the Tishreen Dam. According to the Institute for the Study of War (ISW) and the Critical Threats Project (CTP) some small areas west of the Euphrates, located south of Al-Bab and Manbij, were contested between the SDF and the SNA. At least in the immediate aftermath of the takeover of Aleppo city by the armed opposition, the SDF remained in control of the city’s two Kurdish-majority neighbourhoods Ashrafieh and Sheikh Maqsoud.

On 6 December 2024, the former Assad government withdrew from Deir Ez-Zor city and ist environs and the SDF advanced into these areas, seeking to fill this vacuum. As Assad’s troops started to hand over territory to the SDF, the SNA, launching its own Operation Dawn of Freedom in northern and eastern rural Aleppo, expelled the Kurdish forces from key points on the western bank, seizing Tall Rifaat and the strategic city of Manbij on 10 December 2024. However, the SDF made some territorial gains in eastern rural Aleppo in late December 2024 and by January 2025 was again sending units deep into former Assad areas in Deir Ez-Zor, Raqqa and Aleppo.

As of late February 2025, Turkish forces/the SNA and the SDF continued to engage in heavy fighting in northern Syria near the Qara Qozak Bridge and the Tishreen Dam, with ISW and CTP suggesting that Türkiye was possibly attempting to cut the SDF’s supply lines to the dam, located on the eastern Euphrates bank in Aleppo governorate. (…) Moreover, during the reference period, Türkiye has been shelling SDF sites throughout northeastern Syria.As of January 2025, it was noted that the SDF, weakened by its loss of territory and retreat east of the Euphrates, was facing an existential threat as it fought to safeguard its autonomous territory. At the

same time, the reference period saw forces of the US-led Global Coalition intensifying military patrols and bringing in military equipment to reinforce its bases. (…)

While the conflict between the SDF and the SNA remained central in northeastern Syria, SDF has been facing dissent from some Arab tribal factions in Deir E-Zor and these longstanding conflicts also continued during the reference period. Armed men linked to Sheikh Ibrahim al-Hafel, a tribal leader known for mobilising tribes in Deir Ez-Zor against the SDF, attacked security headquarters and patrolling SDF troops. In January 2025, several civilians were injured as the SDF shot at young men in the aftermath of a series of such attacks, while dozens of suspected Assad loyalists, National Defence Forces (NDF) militiamen and Sheikh Ibrahim al-Hafel supporters were arrested in a sweeping security campaign in the Deir Ez-Zor countryside.

SDF-controlled areas witnessed civilians being killed or injured in a variety of incidents, including assassinations, tribal and family disputes, multiple attacks by Turkish forces, SDF members shooting at protesters, and (alleged) ISIL attacks. Dozens of civilians were killed or injured in multiple Turkish drone strikes allegedly launched against civilian targets in the vicinity of the Tishreen Dam (eastern Aleppo).

ISIL cells conducted attacks on SDF positions and military patrols in northeastern Syria, causing a number of casualties among SDF troops. SOHR recorded 27 ISIL operations in November 2024 (including 22 in Deir Ez-Zor and 3 in Hasaka) and a further 13 ISIL operations during the first three weeks of January 2025 in the SDF-controlled areas (10 in Deir Ez-Zor and 3 in Hasaka). ISIL attacks resulted in a number of deaths or injuries among civilians and members of Kurdish security forces. In early February 2025, following large-scale aerial operations against ISIL across Syria in December 2024, the US-led coalition and the SDF launched a new campaign against the group in southern areas of Hasaka, killing two ISIL operatives.

According to ACLED data, the areas under the control of SDF/disputed most affected by security incidents (battles, explosions/remote violence, violence against civilians) during the reference period were Deir Ez-Zor (258 incidents) and Hasaka districts (229 incidents), amounting to around 56 % and 57 % of all security incidents recorded in Deir Ez-Zor and Hasaka governorate, respectively.

In March 2025, SDF leaders signed an agreement to integrate their armed forces and civilian institutions into the new Syrian government. The deal mandates a full cessation of hostilities and requires the SDF to relinquish control of border posts, the airport, and key oil and gas fields.“

Übersetzt:

„(...)

Syrische Demokratische Kräfte (SDF)

Die SDF umfassen laut ihrem Kommandeur Mazloum Abdi rund 100.000 Mitglieder. Sie sind ein Militärbündnis, in dem die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) eine wichtige Rolle spielen. Neben der YPG gibt es regionale Militärräte wie den Militärrat von Deir Ez-Zor, den Manbidsch-Rat und den Raqqa-Rat, deren Hauptaufgabe darin besteht, ihre eigenen Gebiete zu schützen.

Als HTS-geführte Fraktionen Ende November 2024 Aleppo einnahmen, startete die SNA gleichzeitig eine Operation in der Provinz Aleppo, die westlich des Euphrat zu Zusammenstößen mit den SDF führte. Unterdessen nutzten die SDF den Abzug der syrischen Regierungstruppen und ihrer pro-iranischen Verbündeten als Gelegenheit, ihre Gebiete in Deir Ez-Zor auszuweiten. Angesichts des militärischen Drucks von türkisch unterstützten Streitkräften und von Streitkräften, die mit den neuen Behörden in Damaskus verbündet sind, zogen sich die SDF aus mehreren Städten am Euphrat in den Gouvernements Raqqa und Deir Ez-Zor zurück. Laut einem SDF-Sprecher bestand das Ziel darin, kurdische Gebiete weiter östlich zu sichern und einen Durchbruch der SNA am Tischreen-Staudamm zu verhindern. Dies führte zum Verlust der Kontrolle über mehrere Städte an die SNA, darunter Manbidsch und Tall Rifaat. Neben direkten Zusammenstößen starteten die SDF auch Drohnenangriffe auf SNA-Stellungen, was als neu entstehende Fähigkeit beschrieben wird.

Während des Berichtszeitraums waren die SDF mit Desertionen arabischer SDF-Mitglieder konfrontiert. Ein von Syria TV zitierter Wehrpflichtiger eines Stützpunkts in der Region Al-Shaddadi berichtete, die SDF hätten die Entlassung von Wehrpflichtigen eingestellt, da rund 80 Rekruten den Stützpunkt geflohen seien. Eine den SDF nahestehende Quelle erklärte, die Desertionsrate von Wehrpflichtigen nach dem Sturz von Bashar Al-Assad habe in einigen Gebieten im Süden des Gouvernements Hasaka und im ländlichen Deir Ez-Zor über 90 % erreicht. Zudem desertierten mehrere Kommandeure des Militärrats von Deir Ez-Zor und überquerten den Euphrat, um in Gebiete unter der Kontrolle des MOA zu fliehen. Mehrere Quellen berichteten von Zusammenstößen zwischen Stammesmilizen und SDF im Gouvernement Deir Ez-Zor, wobei Stammeskämpfer die SDF aus mehreren Orten entlang des Euphrat im Osten von Deir Ez-Zor vertrieben.

Mazloum Abdi erklärte im Januar 2025, eine ihrer Hauptforderungen sei eine dezentralisierte Verwaltung, die es den SDF ermöglichen würde, sich als einheitlicher Militärblock in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Der Interimsverteidigungsminister Murhaf Abu Qasra lehnte diesen Vorschlag jedoch ab. Ende Januar 2025 schienen die Verhandlungen zwischen den SDF und der Übergangsverwaltung ins Stocken geraten zu sein, ein Grund dafür war die unsichere Haltung der neuen US-Regierung. Zu der eintägigen Nationalen Dialogkonferenz, die von der Übergangsverwaltung am 25. Februar organisiert wurde und an der 600 Menschen aus ganz Syrien teilnahmen, wurden keine SDF-Mitglieder eingeladen. Darüber hinaus störte die Türkei Berichten zufolge die Verhandlungen zwischen dem Verteidigungsministerium und den SDF, indem sie auf einer vollständigen Auflösung der SDF bestand und Kompromissversuche wie die vorgeschlagene Verlegung von PKK-nahen Kämpfern in den Irak oder Iran ablehnte. Im März 2025 unterzeichneten die SDF-Führer jedoch ein Abkommen mit der Regierung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung. Das Abkommen sieht eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten vor und verpflichtet die SDF, die Kontrolle über Grenzposten, den Flughafen sowie wichtige Öl- und Gasfelder abzugeben. Es erkennt zudem die kurdische Minderheit als integralen Bestandteil Syriens an und sichert ihre politische Vertretung und Teilhabe zu. Das Abkommen entstand vor dem Hintergrund zunehmender Unsicherheit über die Rolle der USA in der Region und der diplomatischen Bemühungen mehrerer westlicher Länder, die Integration der SDF in den neuen syrischen Staat zu befürworten. Experten vermuten, dass die SDF ihre schwächer werdende Verhandlungsposition erkannt haben. Die praktische Umsetzung dieses Abkommens konnte im Rahmen dieses Berichts nicht überwacht werden.

Gebiete unter der Kontrolle der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF)

(…)

Die SDF kontrollieren einen großen Teil des Territoriums im Nordosten Syriens, der fast ein Drittel der Landesfläche ausmacht. Diese Gebiete umfassen etwa 70 Prozent der syrischen Öl- und Gasfelder. Im Februar und März 2025 umfassten die von den SDF kontrollierten, besetzten oder eroberten Gebiete den größten Teil von Hasaka, etwa die Hälfte von Raqqa (einschließlich der Stadt Raqqa) und die östlich des Euphrat gelegenen Teile von Deir Ez-Zor und Aleppo sowie einen schmalen Vorsprung am westlichen Euphratufer Aleppos, südlich des Assad-Sees und nahe dem Tischrin-Staudamm. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) und dem Critical Threats Project (CTP) waren einige kleine Gebiete westlich des Euphrat, südlich von Al-Bab und Manbidsch, zwischen den SDF und der SNA umkämpft. Zumindest unmittelbar nach der Einnahme der Stadt Aleppo durch die bewaffnete Opposition behielten die SDF die Kontrolle über die beiden mehrheitlich kurdischen Stadtviertel Ashrafieh und Sheikh Maqsoud.

Am 6. Dezember 2024 zog sich die ehemalige Assad-Regierung aus der Stadt Deir Ez-Zor und ihrer Umgebung zurück, und die SDF rückten in diese Gebiete vor, um dieses Vakuum zu füllen. Als Assads Truppen begannen, Gebiete an die SDF abzugeben, startete die SNA ihre eigene Operation Morgenröte der Freiheit im Norden und Osten Aleppos und vertrieb die kurdischen Streitkräfte von wichtigen Punkten am Westufer. Am 10. Dezember 2024 eroberten sie Tall Rifaat und die strategisch wichtige Stadt Manbidsch. Ende Dezember 2024 erzielten die SDF jedoch einige Gebietsgewinne im Osten Aleppos und schickten ab Januar 2025 erneut Einheiten tief in ehemalige Assad-Gebiete in Deir Ez-Zor, Raqqa und Aleppo.

Ende Februar 2025 lieferten sich türkische Streitkräfte/die SNA und die SDF weiterhin schwere Kämpfe in Nordsyrien nahe der Qara-Qozak-Brücke und dem Tischreen-Staudamm. ISW und CTP vermuteten, dass die Türkei möglicherweise versuchte, die Versorgungslinien der SDF zu dem am östlichen Euphratufer im Gouvernement Aleppo gelegenen Damm zu kappen. (…) Darüber hinaus beschoss die Türkei im Berichtszeitraum SDF-Stellungen im gesamten Nordosten Syriens. Im Januar 2025 wurde festgestellt, dass die SDF, geschwächt durch Gebietsverluste und den Rückzug östlich des Euphrat, im Kampf um die Sicherung ihres autonomen Territoriums einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt waren. Gleichzeitig intensivierten die Streitkräfte der von den USA geführten Globalen Koalition im Berichtszeitraum ihre Militärpatrouillen und brachten militärische Ausrüstung zur Verstärkung ihrer Stützpunkte. (…)

Während der Konflikt zwischen den SDF und der SNA im Nordosten Syriens nach wie vor zentral ist, sahen sich die SDF in Deir E-Zor mit Widerstand einiger arabischer Stammesfraktionen konfrontiert, und diese langjährigen Konflikte setzten sich auch im Berichtszeitraum fort. Bewaffnete Männer aus dem Umfeld von Scheich Ibrahim al-Hafel, einem Stammesführer, der dafür bekannt ist, Stämme in Deir Ez-Zor gegen die SDF zu mobilisieren, griffen Sicherheitszentralen und patrouillierende SDF-Truppen an. Im Januar 2025 wurden mehrere Zivilisten verletzt, als die SDF im Anschluss an eine Reihe solcher Angriffe auf junge Männer schossen. Gleichzeitig wurden im Zuge einer umfassenden Sicherheitskampagne im Umland von Deir Ez-Zor Dutzende mutmaßliche Assad-Anhänger, Milizionäre der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) und Anhänger von Scheich Ibrahim al-Hafel festgenommen.

In den von den SDF kontrollierten Gebieten wurden Zivilisten bei verschiedenen Vorfällen getötet oder verletzt, darunter Attentate, Stammes- und Familienstreitigkeiten, mehrere Angriffe türkischer Streitkräfte, Schüsse von SDF-Mitgliedern auf Demonstranten und (mutmaßliche) IS-Angriffe. Dutzende Zivilisten wurden bei mehreren türkischen Drohnenangriffen getötet oder verletzt, die angeblich auf zivile Ziele in der Nähe des Tischrin-Staudamms (Ost-Aleppo) gerichtet waren.

ISIL-Zellen verübten Angriffe auf SDF-Stellungen und Militärpatrouillen im Nordosten Syriens und forderten dabei zahlreiche Opfer unter den SDF-Truppen. Das SOHR verzeichnete 27 ISIL-Operationen im November 2024 (darunter 22 in Deir Ez-Zor und 3 in Hasaka) und weitere 13 ISIL-Operationen in den ersten drei Januarwochen 2025 in den von den SDF kontrollierten Gebieten (10 in Deir Ez-Zor und 3 in Hasaka). ISIL-Angriffe führten zu zahlreichen Todesopfern oder Verletzten unter Zivilisten und Mitgliedern der kurdischen Sicherheitskräfte. Anfang Februar 2025, nach groß angelegten Luftoperationen gegen ISIL in ganz Syrien im Dezember 2024, starteten die US-geführte Koalition und die SDF eine neue Kampagne gegen die Gruppe in den südlichen Gebieten von Hasaka, bei der zwei ISIL-Aktivisten getötet wurden.

Den Daten von ACLED zufolge waren die von den SDF kontrollierten bzw. umstrittenen Gebiete, die während des Bezugszeitraums am stärksten von Sicherheitsvorfällen (Kämpfen, Explosionen/Gewalt aus der Ferne, Gewalt gegen Zivilisten) betroffen waren, die Bezirke Deir Ez-Zor (258 Vorfälle) und Hasaka (229 Vorfälle). Dies entspricht etwa 56 % bzw. 57 % aller in den Gouvernements Deir Ez-Zor und Hasaka registrierten Sicherheitsvorfälle.

Im März 2025 unterzeichneten die SDF-Führer ein Abkommen zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung. Das Abkommen sieht eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten vor und verpflichtet die SDF, die Kontrolle über Grenzposten, den Flughafen sowie wichtige Öl- und Gasfelder aufzugeben.“

1.3.4 Auszug aus der Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188-v2] vom 06. September 2023, auf welche im LIB Version 11 vom 27.03.2024 verwiesen wird:

„(...) Situation von Arabern

Ein Universitätsprofessor in Erbil habe gegenüber DIS im Jänner 2022 ausgesagt, dass er davon ausgehe, dass Araber, die sich dem Dienst in den Selbstverteidigungskräften entzogen hätten, nicht im gleichen Ausmaß zum Beitritt gezwungen würden wie Kurden (DIS, Juni 2022, S. 66).

Fabrice Balanche erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom August 2023, dass Araber und Kurden, die keinen Selbstverteidigungsdienst leisten, vor dem Gesetz gleichbehandelt würden. Es gebe eine Verhaftung und Zwangsbeitritt in die Selbstverteidigungskräfte. Laut Balanche zeige man in der AANES jedoch mehr Flexibilität gegenüber Arabern, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken (Balanche, 9. August 2023).

Laut dem Syrienexperten seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete würden unter derselben Art von Kontrolle stehen. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir Ezzour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz Hasaka durchzusetzen (Syrienexperte, 15. August 2023).

Auf die Frage, ob arabische Wehrdienstverweigerer anders behandelt werden als kurdische, antwortet Al-Mustafa im September 2023, dass die Konsequenzen des Fernbleibens für alle gleich seien, jedoch könnten arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein. Es sei anzumerken, so Al-Mustafa, dass sich die meisten kurdischen jungen Männer freiwillig bei den SDF [Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens] melden würden und daher von der Selbstverteidigungspflicht befreit seien (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern (als Gegner/ Oppositionelle)

Es konnten online keine Informationen über die Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern, gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, AANES, Rojava, Selbstverteidigungsdienst, Selbstverteidigungspflicht, Selbstverteidigungskräfte, verweigern, weglaufen, verstecken, Wahrnehmung, Probleme, Gegner, Oppositionelle, Anfeindung, Gesellschaft, Araber, Kurden, Stämme, Behörden

Fabrice Balanche schreibt in seiner E-Mail an ACCORD, dass Kurden Arabern im Allgemeinen nicht vertrauen und annehmen würden, dass sie gegen die AANES seien. Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, würden nicht als Terroristen wahrgenommen, sondern eher als Feiglinge und Gegner der AANES. Die Kurden seien pragmatisch und es sei ihnen lieber, Araber, die den Dienst verweigern, nicht in der Armee zu sehen, weil sie sich unter Umständen als Verräter entpuppen könnten (Balanche, 9. August 2023).

Laut dem von ACCORD kontaktierten Syrienexperten würden Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, als Gegner der kurdischen Hegemonie im Nordosten Syriens wahrgenommen (Syrienexperte, 15. August 2023).

Al-Mustafa erklärt in seiner E-Mail-Auskunft vom September 2023, dass arabische Wehrdienstverweigerer als Verräter der AANES angesehen werden könnten, die ihrer Pflicht nicht nachkommen würden, die von den SDF kontrollierten Gebiete zu schützen. Es könne ihnen vorgeworfen werden, Mitglieder des Islamischen Staates zu sein oder ausländische Kräfte zu unterstützen. Eine Quelle vor Ort habe Al-Mustafa berichtet, dass einige Personen während ihrer Verhaftung (weil sie der Pflicht des Selbstverteidigungsdienstes nicht nachgekommen seien) ihr Leben verloren hätten. Laut einer anderen Quelle gebe es in manchen Gebieten mit Stammeseinfluss mehr Flexibilität bei der Anwendung der Selbstverteidigungspflicht. SDF-Beamte würden jedoch bei jedem Meeting an die Notwendigkeit erinnert werden, dass alle, und insbesondere Araber, sich dem Selbstverteidigungsdienst anzuschließen hätten. Araber würden die Selbstverteidigungspflicht im Allgemeinen ablehnen und die SDF lediglich als „De-facto-Autorität“ betrachten (Al-Mustafa, 1. September 2023).“

2. Beweiswürdigung:

1.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, der Volksgruppe, der Religion sowie die Feststellung zu seinem Familienstand beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen und im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben.

Dass der Beschwerdeführer in XXXX , Gouvernement XXXX aufgewachsen ist und dort die Schule besuchte, ergibt sich aus seinen glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung und den Ausführungen in der Beschwerdeschrift, in welcher ein Kartenausschnitt, auf dem der Ort XXXX markiert wurde, ersichtlich ist.

Die Lage von XXXX sowie deren politische Kontrollsituation ergibt sich aus der notorischen Karte www.syrialiveuamap.com (Zugriff am 28.04.2025) in Übereinstimmung mit aktuellen Länderinformationen (vgl. Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10. Dezember 2024).

Die Feststellungen zu seinen weiteren Aufenthaltsorten, zum Schulbesuch, seines beruflichen Werdegangs in Syrien sowie den Feststellungen zu seinen Familienangehörigen ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor den Sicherheitsbeamten, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht.

Das Datum der Asylantragstellung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren. So gab der Beschwerdeführer zuletzt in der mündlichen Verhandlung auch an, beruflich tätig zu sein und dabei als Fliesenleger körperliche Arbeit zu leisten.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zu den Tätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten in Übereinstimmung mit dessen Aussagen vor dem Bundesverwaltungsgericht (Teilnahmebestätigung Wertekurs, Teilnahmebestätigung Integrationskurs, Teilnahmebestätigung Beschäftigungsprogram, Lohnzettel).

1.2 Das Dekret Nr. 3 vom 04.09.2021 verpflichtet Männer in der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien, die XXXX oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, zur „Selbstverteidigungspflicht“ der kurdischen Volksvertretungseinheiten (YPG). Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Die SDF sieht eine einjährige Wehrpflicht vor (vgl. LIB 11, Kapitel 9 „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“). Rezenten Länderberichten ist nicht zu entnehmen, dass sich jene Regelungen seit Umsturz des Assad-Regimes geändert haben (s. Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 und EUAA Country Focus vom März 2025).

Der Beschwerdeführer ist Jahrgang XXXX und unterliegt daher der „Selbstverteidigungspflicht“. Deshalb ist eine Rekrutierung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr von Seiten der kurdischen Kräfte vorgesehen. Aktuelle Informationen aus den Länderberichten lassen die Ansicht zu, dass eine Rekrutierung des Beschwerdeführers in seiner Heimatregion, XXXX sehr wahrscheinlich ist. Diesen ist zu entnehmen, dass viele Rekruten seit dem Umsturz des Assad Regimes die SDF verlassen haben und ein Mangel an Rekruten besteht. Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ist zu entnehmen, dass grundsätzlich in allen Gebieten der AANES die Selbstverteidigungspflicht umgesetzt wird, darunter eben auch in XXXX . Alle ethnischen Gruppen sind verpflichtet, den Dienst abzuleisten. Hinsichtlich aktueller Rekrutierungsbemühungen ist dem Indizwirkung zukommenden Bericht der EUUA Country Focus vom März 2025 zu entnehmen, dass die SDF keine Rekruten aufgrund vermehrter Desertionen von der Selbstverteidigungspflicht entbindet. Dass viele Kämpfer der SDF desertierten, bestätigt einen zumindest momentanen Mangel an Rekruten (s. genannter EUAA Bericht S. 50).

Es kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Mangels an Rekruten sowie der derzeit unsicheren und besonders instabilen Lage der Bedarf an Rekruten im AANES Gebiet steigt und Rekrutierungen auch stattfinden. Infolge des Umsturzes der syrischen Regierung unter Bashar al-Assad kam es vermehrt zu brutalen Kampfhandlungen insbesondere zwischen der türkisch unterstützten SNA und der SDF/YPG, welche dazu führten, dass Gebiete der AANES unter Kontrolle der SNA fielen, darunter die Übernahme der Stadt Manibdj am 09.12.2024 (s. Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 und EUAA Country Focus vom März 2025, insb. S. 50). Künftige Auseinandersetzungen sind sehr wahrscheinlich, zumal die politische Situation in Syrien ungewiss ist und Rivalitäten sowie Bündnisse nicht klar ersichtlich sind. Die Taten der Akteure in Syrien sind derzeit immer wieder durch blutige Kampfhandlungen geprägt (s. Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 und EUAA Country Focus vom März 2025). Dem EUAA Bericht vom März 2025 ist zu entnehmen, dass die SDF und die derzeitige syrische Übergangsregierung ein Abkommen zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung unterzeichneten; eine praktische Umsetzung des Deals konnte seitens EUAA jedoch nicht überwacht werden. Die SDF könnte durch diesen Deal eine untergeordnete Position einnehmen sowie ihren einheitlichen Militärblock, welchen sie Aussagen Mazloum Abdis, Oberkommandierender der SDF, zufolge nach zunächst behalten wollten, verlieren. In naher Zukunft aufkommende Divergenzen und militärische Auseinandersetzungen mit der syrischen Übergangsregierung sind vor dem Hintergrund der politischen Lage daher auch nicht auszuschließen. Rezenten Berichten ist auch nicht zu entnehmen, dass Checkpoints, an welchen Wehrpflichtige hauptsächlich ausfindig gemacht werden, nicht mehr effizient operieren und eine Rekrutierung daher nicht mehr wahrscheinlich ist (s. zur Rekrutierungspraxis LIB Version 11, Kapitel 9).

In Gesamtschau der oben angeführten Aspekte ist im Falle einer Rückkehr von einer Verpflichtung des sich im wehrpflichtigen Alter befindenden Beschwerdeführers, arabischer Volkszugehörigkeit zur Selbstverteidigungspflicht in seiner Heimat XXXX , Gouvernement XXXX auszugehen.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren glaubhaft dar, dass er die Ableistung eines Militärdienstes verweigern würde. Befragt zu seinen Fluchtgründen, führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass er in XXXX reiste, da er im wehrpflichtigen Alter gewesen sei und er Angst vor Einberufung durch das syrische Regime gehabt habe. Er wolle nicht kämpfen, er habe Angst Menschen zu töten und auch Angst, selbst zu sterben (s. Einvernahme, S. 6). Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich der Beschwerdeführer dabei auf die Furcht vor einer Einziehung durch das (nun ehemalige) syrische Regime bezog, gründet sich diese jedoch auf die Grundhaltung des Beschwerdeführers, nicht kämpfen zu wollen. Der Beschwerdeführer brachte klar zum Ausdruck, dass es ihm nicht darum gehe, nicht für das syrische Regime den Dienst leisten zu wollen, sondern schlicht nicht Kämpfen und niemanden töten zu wollen. Er führte an, sein Glaube und seine Moral verbieten es ihm, das Regime, welches morde, zu unterstützen (s. VH-Protokoll, S. 3). So gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft an, dass er, wenn er den Wehrdienst ableisten müsse, es fürchte töten zu müssen oder selbst getötet zu werden. Er führte ins Treffen, dass er politische- kriegerische Vorgehensweise nicht goutiert und daher aus politischen Gründen nicht den Dienst bei der Armee versehen werde. Die Ableistung des Militärdienstes, welche das Tragen einer Waffe oder das Befolgen eines (möglichen) Aufrufes zum Kampf impliziere, lehnt der Beschwerdeführer strikt ab. Der Beschwerdeführer brachte zwar konkret nicht vor, dass er den Dienst bei den Kurden nicht aufgrund seiner politischen Einstellung nicht leisten werde, ist jedoch von den gleichen moralischen/ethischen motivierten Ablehnung aus Gründen einer Verweigerung des Bedienens und Verwendens einer Waffe auszugehen.

Für eine asylrelevante Verfolgung kommt es nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass eine Person mit dem persönlichen Profil des Beschwerdeführers (Alter, Herkunft) sich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davor fürchten würde, dass ihm aufgrund einer Weigerung, die Selbstverteidigungspflicht der kurdischen Einheiten abzuleisten, Gefahr drohe.

Den Länderinformationen ist zu entnehmen, dass laut verschieden Menschenrechtsorganisationen das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ mit Gewalt durchgesetzt wird (s. LIB Version 11, Kapitel 9). Demselben Bericht ist zu entnehmen, dass das Danish Immigration Service zusätzlich von einer Haft von ca. ein bis zwei Wochen vor Antritt der Wehrpflicht und einer Verlängerung der Wehrpflicht um einen Monat berichtet (ebd.). Rekruten werden im Rahmen der "Selbstverteidigungspflicht" normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt. Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in XXXX (ebd.). Die Dauer des regulären „Wehrdienstes“ beträgt sechs Monate bis zu einem Jahr (ebd.).

Die Quellen gestalten sich betreffend wehrdienstverweigernden Arabern widersprüchlich. Einem Experten zufolge, variiert die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Übereinstimmend sehen die Experten jedoch, dass grundsätzlich eine Gleichbehandlung der Wehrdienstverweigerer vorgesehen ist. Eine Quelle führte jedoch auch aus, dass insbesondere Araber Gewalt und Beleidigungen ausgesetzt sind (s. LIB Version 11, Kapitel 9).

Der Beschwerdeführer wäre im Fall einer Weigerung somit zumindest mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer Rekrutierung, basierend auf Zwang, und damit mit physischer und psychischer Gewalt bedroht.

Auch sähen die kurdischen Streitkräfte in der Weigerung des Beschwerdeführers eine oppositionelle Haltung. Zwar wird nicht verkannt, dass den Länderinformationen zu entnehmen ist, dass gemäß der ÖB Damaskus, den Wehrdienstverweigerern seitens der SDF/YPG wohl keine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde, widerspreche dies jedoch einem von ACCORD befragten Experten, welcher ausführte, dass insbesondere wehrdienstverweigernde Araber Gewalt ausgesetzt sind. Der Syrien-Experte Al-Mustafa berichtet, dass die Konsequenzen des Fernbleibens für alle gleich seien, jedoch könnten arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme schlechter behandelt werden (s. LIB Version 11, Kapitel 9; ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien, a-12188-v2 vom 06. September 2023). Der von ACCORD befragte Geograph und Syrienspezialist Fabrice Balanche betont, dass wehrdienstverweigernde Araber als Gegner der AANES wahrgenommen werden (ebd.). Dem bereits zitierten EUAA Bericht ist, wie bereits ausgeführt, zu entnehmen, dass viele Araber den SDF nach Umsturz den Assad-Regimes entflohen sind. Eine negative Stimmung gegenüber Wehrdienstverweigerern könne sich dadurch intensiviert haben. Durch den Mangel an Rekruten und die erhöhte Konfliktgefährdung im Hinblick auf die politische Lage der SDF/YPG erweist es sich als wahrscheinlich, dass dem Beschwerdeführer, einem wehrpflichtigen, gesunden Mann arabischer Volkszugehörigkeit - insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser aus XXXX , eine Region, welche jüngst Ziel von Angriffen seitens der SNA war (s. EUAA Country Focus vom März 2025, S. 83) - stammt, im Falle einer Weigerung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde.

Der Beschwerdeführer würde aufgrund seiner politischen bzw. ethischen Haltung Kampfhandlungen verweigern und würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer solchen Verweigerung seitens der SDF/YPG auch eine oppositionelle Haltung gesehen werden.

2.3 Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem zitierten Länderberichten zur Lage in Syrien. Die darin enthaltenen Informationen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben.

Angesichts der Seriosität der angeführten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen inhaltlich auch nicht substantiiert entgegengetreten wurde, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001; 28.03.2023, Ra 2023/20/0027).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 02.02.2023, Ro 2022/18/0002, mwN). Für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft letzterenfalls kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch die seitens der Verfolger dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant (vgl. dazu nochmals VwGH Ra 2023/20/0027, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es weiters auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. etwa VwGH 07.03.2023, Ra 2022/18/0284, mwN). Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233, mwN; sowie unter Hinweis auf diese Entscheidung VfGH 27.02.2023, E 3307/2022).

3.2 Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm – sollte dies der Fall sein – im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. VwGH 25.08.2022, Ra 2021/19/0442, mwN).

Zur Bestimmung der Heimatregion kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat. In Fällen, in denen ein Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung seinen dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hat und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnte (Zustand innerer Vertreibung), ist der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen (vgl. etwa VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192, mwN; 25.08.2022, Ra 2021/19/0442; 09.03.2023, Ra 2022/19/0317).

Zur Beantwortung der Frage, wo sich die Heimatregion des Asylwerbers befindet, bedarf es somit einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Ortschaften – etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse – aufweist (vgl. erneut VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192).

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer in XXXX aufgewachsen und hat dort vor seiner Flucht nach XXXX , Syrien, wo er lediglich in einem Flüchtlingslager hauste, mit seiner Familie gelebt. XXXX ist damit zweifellos als Herkunftsort des Beschwerdeführers anzusehen. Dementsprechend war XXXX als Heimatregion heranzuziehen und in weiterer Folge der Prüfung einer asylrelevanten Verfolgung zugrunde zu legen.

3.3 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen zur Rekrutierungspraxis durch kurdische bewaffnete Gruppierungen im Gebiet der AANES, dass der im Jahr XXXX geborene und damit „wehrpflichtige“ Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die SDF bzw. die YPG in seiner – von diesen Gruppierungen militärisch kontrollierten – Herkunftsregion betroffen wäre. Nach Umsturz des Assad Regimes ist die Heimatregion des Beschwerdeführers von kriegerischen Auseinandersetzungen gezeichnet und ist der derzeitige Mangel an Rekruten ein Indiz für eine Notwendigkeit von Rekrutierungskampagnen. Auch künftige militärische Auseinandersetzungen der SDF mit der derzeitigen (Übergangs-)Regierung in Syrien sind nicht unwahrscheinlich. Insbesondere das Gouvernement XXXX , aus dem der Beschwerdeführer stammt, war jüngst Ziel von Angriffen pro-türkischer Milizen. Der Beschwerdeführer ist damit besonders gefährdet, an einem der Checkpoints im AANES Gebiet aufgegriffen und zwangsrekrutiert zu werden.

Die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien, das international nicht als selbständiger Staat anerkannt ist. Es ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer einer Verfolgung iSd GFK durch eine private Gruppierung, im gegenständlichen Fall durch eine Bürgerkriegspartei, ausgesetzt ist.

Von einer – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei (ein nichtstaatlicher Akteur) ist jene Verfolgung zu unterscheiden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Entscheidend ist daher, mit welchen Reaktionen durch die YPG der Beschwerdeführer auf Grund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen müsste und ob in seinem Verhalten eine – sei es auch nur unterstellte – politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (vgl. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0079 mwN; auch VfGH 25.02.2019, E4032/2018 mwN).

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der in Art. 10 Abs. 1 lit. e der Statusrichtlinie (bzw. iVm. § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG 2005) näher umschriebene Begriff der „politischen Überzeugung“ weit auszulegen. Dies bedeutet, dass, um festzustellen, ob eine solche Überzeugung vorliegt und ein Kausalzusammenhang zwischen ihr und den Verfolgungshandlungen besteht, der allgemeine Kontext des Herkunftslands der Person, die die Anerkennung als Flüchtling beantragt, berücksichtigt werden muss, insbesondere seine politischen, rechtlichen, justiziellen, historischen und soziokulturellen Aspekte (vgl. EuGH 23.2.2023, C-280/21). Der Beschwerdeführer legte im Verfahren glaubhaft dar, aufgrund seiner ethischen/politischen Grundeinstellung das Tragen einer Waffe und die Teilhabe an kriegerischen Handlungen abzulehnen.

Eine Rekrutierung des Beschwerdeführers durch die genannten Akteure würde aufgrund seiner gegen die Verwicklung in Kampfhandlungen im Syrien-Konflikt und damit gegen die Teilnahme an bewaffneten Verbänden in diesem Krieg gerichteten Einstellung mit Zwang, also durch Entführung oder die Androhung von Strafen bzw. körperlichen Misshandlungen im Verweigerungsfall, erfolgen und damit jedenfalls eine den Beschwerdeführer betreffende Verfolgungshandlung darstellen. Da diese Rekrutierung durch Zwang aufgrund der (politischen) Grundhaltung des Beschwerdeführers zu den angeführten Akteuren bzw. ihrer Tätigkeit im Syrien-Konflikt (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. e Statusrichtlinie) erfolgen würde, liegt ein Konnex zu einem der in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vor.

Im Falle einer Weigerung, der Rekrutierung Folge zu leisten, bestünde die Reaktion der SDF/YPG den Länderinformationen zufolge in der Auferlegung einer Haftstrafe oder Verlängerung der Selbstverteidigungspflicht. Der Beschwerdeführer hat nicht nur eine oppositionelle Haltung, eine solche würde diesem auch im Falle einer Weigerung unterstellt werden. Die kurdischen Milizen vermuten in Wehrdienstverweigernden Gegner und erscheint vor dem Hintergrund vermehrter Desertionen von der SDF/YPG und Berichten von brutalem Verhalten gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung, wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, sehr wahrscheinlich.

Im Ergebnis kann die Furcht vor einer Verfolgung aufgrund drohender Zwangsrekrutierung durch die Kurden, bei der Einreise und eine (unterstellte) oppositionelle Gesinnung im Herkunftsstaat objektiviert und als „wohlbegründet“ im Sinn der GFK angesehen werden.

Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

Die Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates ist nicht zumutbar, da die Übergangsregierung unter Führung der HTS derzeit keine territoriale Kontrolle über das AANES-Gebiet und damit die Heimatregion des Beschwerdeführers ausübt.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG 2005 ergeben haben, ist der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist diese Entscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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