JudikaturBVwG

W203 2298636-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 2025

Spruch

W203 2298636-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, idF BF, ist syrischer Staatsangehöriger. Er stellte am XXXX .07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Die Erstbefragung fand am 27.07.2023 statt.

3. Im Rahmen seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (idF BFA) am 23.01.2024 führte der BF zusammengefasst und soweit wesentlich aus, dass er ursprünglich aus XXXX stamme. Dort habe er bis zu seinem 15. Lebensjahr gelebt. Daran anschließend habe er bis eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise in XXXX gewohnt. Dann sei er nach XXXX geflüchtet. Er habe für neun Jahre in Syrien die Schule besucht. Von XXXX habe er seinen Wehrdienst geleistet. Er sei normaler Soldat gewesen und habe keine besondere Ausbildung erlangt. Beruflich sei er zunächst als Taxifahrer tätig gewesen, dann habe er bei einer Firma Marmelade hergestellt. Von XXXX habe er beim Militärflughafen von XXXX Flugzeuge gewartet. Daran anschließend habe er von der Unterstützung eines in der Türkei lebenden Sohnes gelebt. 2018 habe er mit seiner Familie Syrien über die Grenze zur Türkei verlassen. Er sei verheiratet und habe fünf Kinder. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF zunächst wie folgt an: „Wegen eines besseren Lebens. Das österreichische Volk ist sehr nett und freundlich. Ich möchte meinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen.“ Befragt danach, was der BF bei einer Rückkehr nach Syrien befürchte, gab er zusammengefasst an, dass er Angst vor der (nunmehr ehemaligen) syrischen Regierung habe, da seine Arbeitsstelle dem Verteidigungsministerium angehört habe. Er sei seiner Arbeit ferngeblieben. Zudem habe er auch nicht ausreisen dürfen. Weiters gab er in Hinblick auf die Jabbat Al Nusra (Anm: nunmehr HTS) an, dass diese noch gefährlicher als die (nunmehr ehemalige) syrische Regierung sei. Er habe Angst, dass seine Kinder eine „Hirnwäsche“ seitens der HTS bekommen würden und für diese kämpfen müssten. Persönlichen Kontakt zur HTS habe der BF nie gehabt.

4. Mit Bescheid vom 04.08.2024 wies das BFA den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für ein Jahr (Spruchpunkt III).

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheids erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin brachte er soweit relevant vor, dass er aus dem Dorf XXXX , Gouvernement Idlib, stamme. Der BF sei aus Syrien einerseits aus Angst vor dem (nunmehr ehemaligen) syrischen Regime aufgrund seiner Desertation vom Dienst bei der (ehemaligen) syrischen Regierung und andererseits aus Angst vor einer – näher nicht konkretisierten – Verfolgung durch die HTS aufgrund seiner ihm zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung geflüchtet.

6. Mit Schreiben vom 04.09.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Am 23.04.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache und in Anwesenheit des BF und seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der der BF Gelegenheit hatte, zu seinen Fluchtgründen und zur veränderten Lage in Syrien im Detail Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hatte sich für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass die Al Nusra Front (nunmehr HTS) von ihm in Idlib gewollt habe, dass er für sie Panzer repariere. Sie hätten ihn auch „unter Druck gesetzt“ und hätten ihm kein Brot mehr verkauft. Jeder, der dort gelebt habe, habe alle drei Monate ein Recht auf eine nähere Anzahl an Gasflaschen, die er aber auch nicht bekommen habe. Sie seien auch „immer wieder“ zu ihm gekommen und hätten indirekt versucht, sein „Gehirn zu waschen“. Sie hätten auch immer gesagt, dass er seine Kinder in die Moschee schicken solle, damit sie beten, bevor sie auf der Straße spielen. Über einen Dritten hätten sie dem BF schließlich mitgeteilt, dass er für vier Tage Kampf 50 bis 100 Dollar bekommen könnte. Sie hätten gewollt, dass er für sie kämpfe. Deshalb sei er ausgereist. Im Falle der Rückkehr nach Syrien würde er sofort inhaftiert werden. Nachgefragt gab er an, dass dies aufgrund des Umstands sei, dass er „sehr viel über die Al Nusra Front geredet“ habe und er es „damals abgelehnt habe, für sie zu arbeiten“.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und zu dessen Fluchtvorbringen:

Der am XXXX geborene BF ist syrischer Staatsangehöriger. Der BF bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und gehört der Volksgruppe der Araber an.

Der BF stammt ursprünglich aus dem Dorf XXXX (auch: XXXX ), Gouvernement Idlib, Syrien. Als er rund 14 oder 15 Jahre alt war, übersiedelte er nach XXXX , Gouvernement Aleppo. Rund eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise in die Türkei im Jahr 2018 floh er in das Gouvernement Ilib.

Über die Türkei reiste er nach Europa weiter und stellte schließlich im Juli 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF hat in Syrien neun Jahre die Schule besucht. Er leistete seinen Militärdienst von XXXX ab. Er war einfacher Soldat und hat keine Sonderausbildung erhalten. Er war zunächst als Taxifahrer und in einer Fabrik, in der Marmeladen hergestellt wurden, tätig. Von XXXX wartete er beim Militärflughafen XXXX Flugzeuge.

Der BF ist verheiratet und hat fünf Kinder. Seine zwei Söhne sind nicht mehr in Syrien aufhältig. Eine Tochter ist in Syrien verheiratet. Die anderen zwei Töchter leben mit seiner Ehegattin in Syrien.

Der Herkunftsort des BF, Aleppo, Gouvernement Aleppo, befindet sich – ebenso wie sein ursprünglicher Herkunftsort XXXX (auch: XXXX ), Gouvernement Idlib – derzeit unter Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS).

Dem BF droht bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsort keine Zwangsrekrutierung oder sonstige Gefährdung durch die HTS. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass dem BF durch sonstige Akteure eine Gefährdung droht.

1.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien:

1.2.1. Länderinformationsblatt Syrien, Version 11, vom 27.03.2024:

Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023).

1.2.2. Euaa, Country Guidance Syria vom April 2024:

Hayat Tahrir al-Sham or Organisation for the Liberation of the Levant (HTS) is a coalition of Islamist Sunni anti-government armed groups which continues to be listed as a terrorist organisation by the EU, the UN and many states [Security 2023, 1.4.4, p. 30, Security 2021, 1.4.4, p. 25]. HTS is comprised of several armed factions, including Jabhat Fatah al-Sham (also known as Jabhat al-Nusrah and previously as the Al-Nusrah Front). It maintains its power through the Syrian Salvation Government, which has been as the group’s ‘political arm’. [Security 2022, 2.1.2, p. 69; Actors, 4.1.1, p. 50]

HTS forces have been involved in extrajudicial killings, arbitrary arrests and unlawful detention of civilians [Security 2022, 1.4.4, p. 35, 1.4.5, p. 27, 2.1.2, p. 67]. Enforced disappearances, confiscation of property, harassment and intimidation against women were also reported [Targeting 2022, 8.2, p. 82, 11, p. 96, 13.4.2, pp. 118-119]. In recent times, the group attempted to publicly distance itself from al-Qaeda and portray it as a legitimate civilian authority. Despite its legitimisation efforts, HTS continued to commit serious human rights violations [Security 2023, 1.4.4, p. 31].

Civilians perceived to be collaborating or supporting the government or (pro-)government armed forces and/or to oppose anti-government armed groups are targeted by several groups, mainly HTS and ISIL.

In territory controlled by HTS, a number of individuals were targeted based on allegations of collaboration with the GoS. Several executions and detentions on these grounds were reported in 2020, 2021 and 2022. Unclaimed assassinations, reported in autumn 2020 in Rural Damascus, targeted prominent civilian figures who had mediated reconciliation deals between the GoS and opposition fighters.

There were also reports indicating that HTS confiscated properties of minority groups such as Christians, individuals who fled the area or were perceived as political opponents, including alleged GoS supporters.

Reports on arrests of journalists and media activists for criticising HTS have continued. Media activists were arrested without judicial involvement and without clearly communicated charges, and at times were subjected to detention under harsh conditions, torture, and illtreatment. In July 2020, the HTS-linked Syrian Salvation Government imposed a regulation which prescribed that journalists were not allowed to work in areas under its control without obtaining its permission. In order to obtain this card, journalists were required to provide a range of information to the Syrian Salvation Government. Journalists who did not carry a card risked restriction of movement as well as arrest. In 2021, HTS continued to arbitrarily detain activists and humanitarian workers in Idlib. HTS targeted women media workers and activists for exercising freedom of expression, such as speaking out against the group’s rule. Women activists were detained by the group without respect for judicial guarantees. [Targeting 2022, 13.4.2, p. 118]

Christians are targeted by various actors. More than 100 attacks by the GoS forces, opposition armed groups, ISIL, HTS and other parties on Christian churches were reported since the beginning of the conflict.

In Idlib, HTS seized properties and churches of Christians and restricted their right to worship and prohibited Christians who fled their homes in Idlib from appointing someone to appeal against rulings handed by Sharia courts regarding their property. ‘Islamist factions’ operating in Idlib governorate imposed so-called ‘jizya’ taxes (a tax historically imposed on non-Muslims by Muslim rulers) on Christians, to pressure them to leave their homes. [Targeting 2022, 11, p. 96]

In areas under its control, HTS had interfered in every aspect of civilian life, especially in the form of arbitrary arrests and detentions for violations of the strict dress code and restrictions on freedom of movement. In case of deviation from the imposed dress code and movement restrictions, punishments ranged from corporal punishments, such as lashing, to execution. In January 2022, incidents of harassment and intimidation aimed at forcing women involved in public affairs to leave their jobs were documented. There is further information on women killed and disappeared [Targeting 2022, 13.4.2, pp. 118-119].

It is also reported that ISIL and HTS regularly detained, tortured and killed LGBTIQ individuals in the territories they controlled. Abductions of persons assumed or perceived as gay have also been documented. [Targeting 2022, 14.2, pp. 122-124]

Extremist groups such as HTS and ISIL have carried out public executions, beheadings and crucifixions for transgressing the moral codes of the sharia law in areas under their control, killing hundreds of civilians. They also reportedly subjected women, girls, and minorities to illegal executions for breach of the imposed codes and for ‘dishonouring’ their families. [Actors, 4.1.4, pp. 52-53, 6.4, p. 62]

Attacks by HTS and affiliated armed groups on GoS positions were described as often indiscriminate in nature. These groups also terrorised, killed, and maimed dozens of civilians in the countryside of Aleppo, Hama, and elsewhere [Security 2022, 7.3, pp. 77-78; Security 2020, 1.6.1.2, p. 33]. The group has conducted formal military campaigns, assassinations, hostage takings, and ‘lone wolf’ operations, including suicide bombings. In areas where HTS is operating, civilians are unlawfully detained, kidnapped and tortured for expressing political dissent. It was reported that civilians, including humanitarian workers and media activists were targeted and received death threats for being critical of HTS, as well as extorted and kidnapped for ransom [Actors, 4.1.4, p. 52]. In recent times, the group attempted to publicly distance itself from al-Qaeda and portray it as a legitimate civilian authority. Despite its legitimisation efforts, HTS continued to commit serious human rights violations [Security 2023, 1.4.4, p. 31].

1.2.3. Kurzinformation der Staatendokumentation Syrien: Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024, vom 10.12.2024:

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

[…]

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

1.2.4. UNHCR Regional flash update #8, Syria situation crisis, vom 02.01.2025

The number of individuals returning to Aleppo governorate is the highest, with returnees citing the improved security situation and the abolition of compulsory miliary service as the main reasons for their return.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF und zu seinem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zum Geburtsdatum, zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit und zum Religionsbekenntnis ergeben sich aus den durchwegs gleichbleibenden Ausführungen des BF während des Verfahrens. Die Feststellungen zu seinen Fluchtbewegungen, seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit gründen ebenso auf den unbedenklichen und im Wesentlichen stets gleichbleibenden Angaben des BF.

Die Feststellungen zur Asylantragsstellung ergeben sich aus dem Erstbefragungsprotokoll.

Die Feststellungen, dass der BF verheiratet ist und fünf Kinder hat, ergeben sich ebenso wie die näheren Ausführungen zu seinen Familienangehörigen aus seinen diesbezüglichen Angaben.

Die Feststellung, dass der Herkunftsort des BF XXXX , Gouvernement Aleppo, ist, gründet sich insbesondere auf den Angaben des BF im Zuge der Beschwerdeverhandlung (siehe dazu VP S. 4 f). So gab er glaubhaft an, dass er bereits als rund 14-Jähriger (vor dem BFA gab er an: 15-Jähriger) seinen Geburtsort XXXX im Gouvernement Idlib Richtung XXXX verlassen habe. Dass diese Übersiedlung des BF nach XXXX in jungen Jahren zwangsweise erfolgt sei, kam im Zuge des Verfahrens nicht hervor. Eingedenk des Umstands, dass der BF im Jahr XXXX geboren wurde, lebte er auch weit vor Beginn des syrischen Bürgerkrieges (sohin seit ca. 1990) bereits in XXXX und ist mangels anderer Anhaltspunkte nicht von einer inneren Vertreibung aufgrund von Kriegswirren auszugehen. Aufgrund seiner deutlich längeren Verweildauer in XXXX im Vergleich zu XXXX ist davon auszugehen, dass er weit engere Verbindungen zu XXXX entwickelte. Daher wird XXXX , Gouvernement Aleppo, als Herkunftsort des BF angesehen (siehe dazu auch jüngst VwGH 24.01.2025, Ra 2024/14/0145 Rz 9 f mwN).

Die Feststellung zur Kontrollsituation in Bezug auf seinen ursprünglichen und nunmehrigen Herkunftsort ergibt sich aus einer aktuellen Einschau auf die Website Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com.

Die Feststellung, dass dem BF keine Zwangsrekrutierung durch die HTS droht, ergibt sich aus den derzeit verfügbaren Länderberichten, wonach in Gebieten unter Kontrolle der HTS keine Wehrpflicht besteht und Zwangsrekrutierungen nicht vorgenommen werden (siehe dazu auch VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491, insb. Rz 50 f). Dass sich dies nach dem 08.12.2024 geändert hätte, kann nicht erkannt werden. Im Gegenteil - siehe UNHCR, regional flash update #8 vom 02.01.2025, siehe weiters einen Bericht von The New Arab vom 16.12.2024, Why Al-Sharaa's scrapping of conscription for Syrians matters, https://www.newarab.com/news/why-al-sharaas-scrapping-conscription-syrians-matters, (diese Quelle jüngst übernehmend euaa: Syria Country Focus S. 23) – wird davon berichtet, dass die HTS in Syrien die Wehrpflicht abschaffen werde.

Aus den festgestellten Länderberichten ergibt sich, dass Minderheiten wie Christen, bestimmte Berufsgruppen wie Journalisten, Medienschaffende und Aktivisten unter näher zu betrachtenden Umständen in Gebieten unter Kontrolle der HTS gefährdet sein könnten. Gleiches gilt für Frauen, humanitäre Helfer und Anhänger der ehemaligen syrischen Regierung unter Führung von Bashar al-Assad. Weder hat der BF vorgebracht, unter diese exponierten Personengruppen zu fallen noch ergibt sich dies aus dem Akt. Mangels anderer Anhaltspunkte sowohl in den Länderberichten als auch im Akt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF in irgendeiner Weise durch die HTS oder sonstige Akteure gefährdet wäre.

Vor dem BFA brachte der BF zudem vor, dass Jabbat Al Nusra (nunmehr: HTS) noch gefährlicher sei als die (nunmehr ehemalige) Regierung. Befragt danach, inwiefern er sich vor dieser fürchte, gab er an, dass er Angst hätte, dass seine Kinder „eine Hirnwäsche“ von dieser bekommen würden und für sie kämpfen müssten. Inwiefern diese Angaben eine individuelle Gefährdung des BF selbst durch die HTS wahrscheinlich machen sollte, ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon ist erneut darauf hinzuweisen, dass die HTS keine Zwangsrekrutierungen durchführt. Im Übrigen kann seine Angst, dass seine Kinder eine „Hirnwäsche“ von HTS bekommen würden, nicht nachvollzogen werden, zumal der BF im Zuge des Verfahrens selbst angegeben hat, dass die HTS Mädchen und Frauen nicht gefährden würde (vgl. VP S. 8), und seine Söhne Syrien bereits verlassen hätten (VP S. 10).

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung brachte der BF außerdem vor, dass die Al Nusra Front (nunmehr HTS) von ihm in Idlib gewollt habe, dass er für sie Panzer repariere. Sie hätten ihn auch „unter Druck gesetzt“ und hätten ihm kein Brot mehr verkauft. Jeder, der dort gelebt habe, habe alle drei Monate ein Recht auf eine nähere Anzahl an Gasflaschen, die er aber auch nicht bekommen habe. Sie seien auch „immer wieder“ zu ihm gekommen und hätten indirekt versucht, sein „Gehirn zu waschen“. Sie hätten auch immer gesagt, dass er seine Kinder in die Moschee schicken solle, damit sie beten, bevor sie auf der Straße spielen. Über einen Dritten hätten sie dem BF schließlich mitgeteilt, dass er für vier Tage Kampf 50 bis 100 Dollar bekommen könnte. Sie hätten gewollt, dass er für sie kämpfe. Deshalb sei er ausgereist. Im Falle der Rückkehr nach Syrien würde er sofort inhaftiert werden. Nachgefragt gab er an, dass dies aufgrund des Umstands sei, dass er „sehr viel über die Al Nusra Front geredet“ habe und er es „damals abgelehnt habe, für sie zu arbeiten“ (VP S. 11).

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet dieses in der Beschwerdeverhandlung erstmalig erstattete und sohin gesteigerte Vorbringen als frei erfundene Konstruktion: So gab der BF vor dem BFA an (siehe Bescheid S. 6/88), dass er nie persönlich Kontakt zur Al Nusra Front gehabt habe, während er in der Beschwerdeverhandlung dazu in Widerspruch angab, dass sie „immer wieder“ zu ihm gekommen seien und ihn gar „unter Druck gesetzt“ hätten. Sie hätten immer gesagt, er solle seine Kinder in die Moschee schicken. Auch hätten sie ihm kein Brot mehr verkauft (siehe dazu umfassend VP S. 6). Der Beschwerdeführer verwickelte sich damit in Widersprüche und ist er daher nicht als glaubwürdig zu betrachten.

Was das Vorbringen betrifft, dass die HTS gewollt hätte, dass der BF für sie Panzer repariere, ist auszuführen, dass dieser selbst nicht vorgebracht hat, dass die HTS ihn je dazu gezwungen hätte. Zudem bestärkt der BF mit seinem Vorbringen, über einen Dritten habe die HTS ihm ausrichten lassen, dass er einen näher genannten Geldbetrag erhalte, sollte er für diese kämpfen, indirekt selbst, dass die HTS keine Zwangsrekrutierungen vornimmt. Das deckt sich auch mit den derzeit zur Verfügung stehenden Länderberichten. Es wäre sinnwidrig, Personen freiwillig Geld anzubieten, wenn man diese ohnehin zwangsweise rekrutierten könnte.

Wenn der BF vorbringt, er habe über die HTS sehr viel „geredet“ (VP S. 11), ist dazu auszuführen, dass es sich dabei um kein ausreichend substantiiertes Vorbringen handelt. Auch wenn man diesem Vorbringen glaubt, ergibt sich daraus nicht, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in den Blickwinkel der HTS gelangte. Es wurde dem BF in der Beschwerdeverhandlung ausreichend Raum eingeräumt, sein Vorbringen umfassend zu erstatten. Zudem wurde er gefragt, ob er zum bisher Gesagten oder sonst noch etwas sagen möchte (VP S. 12). Diese Möglichkeit hatte er jedoch ungenutzt verstreichen lassen. An dieser Stelle ist erneut in Erinnerung zu rufen, dass dem Vorbringen eines Asylwerbers im Verfahren zentrale Rolle im Verfahren zukommt.

Der Beschwerdeführer konnte sohin auch nicht glaubhaft darlegen, dass er aufgrund des Umstands, er habe mutmaßlich keine Arbeiten für die HTS verrichtet und viel gegen die HTS „geredet“, von dieser bei Rückkehr nach Syrien inhaftiert werden würde.

Letztlich ist der Vollständigkeit halber hier ebenso auszuführen, dass der BF bei der ersten Gelegenheit (siehe Bescheid S. 5/88) – von der belangten Behörde nach seinen Fluchtgründen befragt – aussagte, dass er zur Erlangung eines besseren Lebens sein Heimatland verlassen habe und um seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Dies ist zwar verständlich, es stellt dieser Grund aber selbstredend keine individuelle Gefährdung des BF durch (irgend)einen Akteur seines Herkunftslandes dar.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des BF unter Punkt 1.2. stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH Ra 2021/20/0425, 23.10.2024 Rz 26 mwN).

Der EuGH hat im Urteil vom 4. Oktober 2024, C-608/22 und C-609/22, dargelegt, dass nach Art. 9 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen kann, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Art. 9 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist. Nach diesen Bestimmungen stellt eine Verletzung von Grundrechten nur dann eine Verfolgung im Sinn von Art. 1 Abschnitt A GFK dar, wenn sie einen bestimmten Schweregrad erreicht. Dieser Schweregrad ist in jedem der in Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b Statusrichtlinie genannten Fälle ähnlich. Was Art. 9 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie betrifft, ist ein solcher Schweregrad insbesondere dann als erreicht anzusehen, wenn mehrere Verletzungen von Rechten in ihrer Gesamtheit, die nicht zwangsläufig Rechte darstellen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden darf, die uneingeschränkte Wahrung der in Art. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verankerten Menschenwürde beeinträchtigen […]. (VwGH Ra 2021/20/0425, 23.10.2024 Rz 27 f).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts an (siehe etwa VfGH 18.09.2023, E 944/2023 Rz 14; E 2268/2022 Rz 13; VwGH 21.06.2023, Ra 2021/19/0406 Rz 13; 26.11.2020, Ra 2020/18/0384 Rz 14).

3.2. In der Sache

Zunächst ist anzuführen, dass die der ehemaligen syrischen Regierung unter Baschar al-Assad seitens des BF zugeschriebenen Verfolgungshandlungen aufgrund des Sturzes dieses Regimes im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr bestehen.

Wie bereits ausgeführt worden ist, droht dem BF keine Gefährdung durch die HTS oder durch sonstige Akteure. Aus den Länderberichten ergibt sich ein klares Bild, dass die HTS keine Zwangsrekrutierungen durchführt. Das übrige vor dem BFA erstatte Vorbringen stellt keine individuelle Verfolgung des BF dar und wird diesbezüglich auf die Beweiswürdigung verwiesen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass der BF selbst keine Reflexverfolgung vorgebracht hat. Das in der Beschwerdeverhandlung erstmalig erstattete Fluchtvorbringen wird aus den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen als nicht glaubhaft erachtet.

Zum Vorbringen betreffend die Vorenthaltung bestimmter Güter durch die HTS sei an dieser Stelle noch ausgeführt, dass - selbst wenn man diesem Vorbringen glaubte - darin mangels einer Verfolgungshandlung keine Asylrelevanz gesehen werden kann. Wie sich aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt, ist unter Verfolgung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Diese Intensitätsschwelle (iSv Art. 9 Abs. 1 StatusRL und hier im Besonderen Abs. 2 lit b leg. cit.) wird jedoch fallgegenständlich nicht überschritten. Ist das Vorenthalten von gewissen Gütern, (hier: laut Vorbringen des BF Brot und Gasflaschen) zwar als ungerechtfertigte Diskriminierung zu betrachten, reicht dies jedoch alleine gesehen nicht aus, um diese Vorgehensweise als eine Verfolgungshandlung im asylrechtlichen Sinne zu qualifizieren (siehe dazu im Vergleich: schwerwiegende und systematische, die Menschenwürde beeinträchtigende Diskriminierungen VwGH Ra 2021/20/0425, 23.10.2024 Rz 29).

Im Umstand, dass im Heimatland des BF Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Dem BF ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe droht.

Da im vorliegenden Fall keine von der HTS oder sonstigen Akteuren ausgehende asylrelevante Verfolgung festzustellen war, erübrigt sich eine gesonderte Auseinandersetzung mit der Frage, ob der BF im Zuge des Grenzübertritts bzw. der Rückkehr in die Herkunftsregion mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen konfrontiert sein wird (vgl. VfGH 29.06.2023, E 3450/2022, Rz 17; VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108; siehe jüngst auch VwGH 11.10.2024, Ra 2023/20/0284 Rz 13; 10.01.2025, Ra 2024/14/0747 Rz 14).

Dem Schutz vor Gefahren, die dem BF bei einer theoretischen Rückkehr nach Syrien aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage drohen würden, ist bereits durch den in 1. Instanz rechtskräftig erteilten subsidiären Schutzstatus ausreichend Rechnung getragen worden. Dasselbe gilt für den Schutz vor willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines Konnexes mit einem in der GFK genannten Verfolgungsgrund (siehe dazu statt vieler VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491 Rz 52 mwN).

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

Abschließend sei angemerkt, dass - sollte sich die Lage in Syrien aufgrund neuer (politischer) Entwicklungen maßgeblich ändern und dies sich in der Folge auch in erst noch zu erscheinenden Länderberichten, die asylrelevante Gründe in Bezug auf die konkrete Situation des BF nahelegen, materialisieren - es dem BF unbenommen bleibt, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) zu stellen und folglich ein solcher Antrag unter soeben beschriebenen Umständen gegebenenfalls anders zu beurteilen sein wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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