JudikaturBVwG

W610 2299142-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
18. Oktober 2024

Spruch

W610 2299130-1/2E

W610 2299142-1/2E

W610 2299143-1/2E

W610 2299144-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Julia RASCHHOFER über die Beschwerde von 1.) XXXX , geboren am XXXX , 2.) mj. XXXX , geboren am XXXX , 3.) XXXX , geboren am XXXX , und 4.) XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit: Syrien und vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 24.05.2024, Zl. Damaskus-OB-KONS/3289/2023, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Syriens, der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind nach eigenen Angaben miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und des volljährigen Drittbeschwerdeführers. Die beschwerdeführenden Parteien brachten am 24.10.2023 (schriftlich) respektive am 06.11.2023 (persönlich) bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ein. Dazu brachten sie im Wesentlichen vor, dass sie die Eltern bzw. die (damals) minderjährigen Geschwister des in Österreich asylberechtigten syrischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX (im Folgenden: Bezugsperson), seien und die Familienzusammenführung mit diesem anstreben würden.

Den Anträgen wurden (teils in Kopie und mitsamt deutscher Übersetzung) Unterlagen zum Nachweis der Identität und der familiären Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien (syrische Reisepässe, Personenstandsurkunden und Geburtsurkunden aller beschwerdeführenden Parteien, ein Auszug aus dem syrischen Familienregister sowie die syrische Heiratsurkunde und eine Urkunde zur Bestätigung der Eheschließung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführerin) sowie Unterlagen zum Nachweis des Aufenthaltes der Bezugsperson in Österreich (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.07.2023, Zl. XXXX , mit welchem der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, Karte für Asylberechtigte sowie ein Auszug aus dem Zentralen Melderegister) beigelegt.

1.2. Mit Schreiben vom 16.04.2024 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: BFA) gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass eine Gewährung des Status der Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Dies wurde in der beiliegenden Stellungnahme vom gleichen Datum damit begründet, dass die Bezugsperson im Entscheidungszeitpunkt bereits das 18. Lebensjahr vollendet habe und daher keine Familieneigenschaft im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 vorliege.

Dies teilte die ÖB Damaskus den beschwerdeführenden Parteien mit Schreiben vom 19.04.2024 mit und forderte sie zur Abgabe einer Stellungnahme auf.

1.3. Mit Stellungnahme vom 06.05.2024 brachten die beschwerdeführenden Parteien durch ihre gemeinsame Rechtsvertretung im Wesentlichen vor, dass das Bundesamt in seiner Begründung für die negative Wahrscheinlichkeitsprognose die unionsrechtliche und innerstaatliche Rechtslage verkenne. Der unionsrechtliche Rahmen für die Familienzusammenführung von Flüchtlingen werde vor allem durch die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (in der Folge: „Familienzusammenführungsrichtlinie“) und die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vorgegeben. Art. 10 Abs. 3 der Familienzusammenführungsrichtlinie schreibe den Mitgliedstaaten vor, die Einreise und den Aufenthalt von Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings zum Zweck der Familienzusammenführung zu gestatten. Im Hinblick auf die Frage, welcher Zeitpunkt zur Bewertung der Minderjährigkeit anzuwenden sei, erachte der EuGH das Datum der Asylantragstellung des Zusammenführenden im Mitgliedstaat als maßgeblich, während ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung als unzulässig erachtet werde (EuGH 12.04.2018, C-550/16, AS; 01.08.2022, C-273/20 und C-355/20, SW BL, BC). Im Urteil vom 30.01.2024, C-560/20, habe der EuGH diese Rechtsprechung im Hinblick auf die österreichische Rechtslage bekräftigt und festgestellt, dass die im Ausgangsfall erfolgte Ablehnung des Antrages gemäß § 35 AsylG 2005 nicht im Einklang mit der Richtlinie gestanden sei.

Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass die zum Zeitpunkt der Asylantragstellung sowie zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Familienzusammenführung minderjährige Bezugsperson und ihre Eltern unabhängig vom Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag einen unionsrechtlichen Anspruch auf Familienzusammenführung hätten. Im innerstaatlichen Recht werde der unionsrechtliche Anspruch auf Familienzusammenführung sowohl durch § 35 AsylG 2005 als auch durch § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Rechtsprechung des EuGH entweder in einem Verfahren nach § 35 AsylG 2005 oder in einem Verfahren gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG umzusetzen. Welcher Antrag gestellt werden müsse, hänge davon ab, ob dem Familienangehörigen im Inland ein Verfahren gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 offenstehe, eine freie Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Antrages bestehe dabei nicht (VwGH 26.05.2019, Ra 2018/19/0568). Dieser Rechtsprechung folgend sei im vorliegenden Fall der Antrag nach § 35 AsylG 2005 zum Zeitpunkt der Antragstellung – in dem ein Verfahren nach § 34 Abs. 2 AsylG 2005 offen gestanden sei – der einzig mögliche gewesen. Eine andere Interpretation der Rechtslage hätte zur Folge, dass Familienangehörige von Minderjährigen – unter Verletzung des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes – regelmäßig gezwungen wären, mehrfache Anträge auf Familienzusammenführung – sowohl nach dem AsylG 2005 als auch nach dem NAG – zu stellen. Dies wiederum wäre mit der Notwendigkeit einer mehrfachen Anreise zur Botschaft und doppelten Gebührenentrichtung sowie einer längeren Verfahrensdauer verbunden.

Es wurde daher beantragt, den beschwerdeführenden Parteien die Einreise zu gewähren.

1.4. Mit Schreiben vom 23.05.2024 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrechterhalten werde. Begründend wurde in der beiliegenden Stellungnahme ausgeführt, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren nach § 35 AsylG 2005 auf die Minderjährigkeit der asylberechtigten Bezugsperson zum Entscheidungszeitpunkt ankomme. Das Botschaftsverfahren nach § 35 AsylG 2005 diene spezifisch dazu, eine Einreise zwecks Erlangung eines Schutzstatus nach § 34 AsylG 2005 im Inlandsfamilienverfahren zu ermöglichen. Um dem Ziel der Familienzusammenführungsrichtlinie zu entsprechen, müsse der Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 nicht erweitert werden, zumal eine Familienzusammenführung auch über das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) möglich sei und von der im NAG festgelegten Legaldefinition des Familienangehörigen gegebenenfalls unionsrechtskonform abgegangen werden könne. Eine darüberhinausgehende unionsrechtliche Verpflichtung zur Gewährung von Asyl und der Ermöglichung einer Einreise zu diesem Zweck gemäß § 35 AsylG 2005 ergebe sich weder aus der Familienzusammenführungsrichtlinie noch aus der Rechtsprechung des EuGH.

2. Mit Bescheid vom 24.05.2024, Zl. Damaskus-OB/KONS/3289/2023, wies die ÖB Damaskus die Anträge der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 unter Verweis auf die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgegebene negative Wahrscheinlichkeitsprognose ab.

3. Gegen diesen, der Rechtsvertretung der beschwerdeführwenden Parteien am 27.05.2024 zugestellten, Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung am 19.06.2024 Beschwerde. Zur Begründung wurden im Wesentlichen die Ausführungen der Stellungnahme vom 06.05.2024 zur unionsrechtlich gebotenen Auslegung der innerstaatlichen Rechtslage wiederholt. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und den beschwerdeführenden Parteien die Einreise zu gestatten; in eventu wurde beantragt, dem EuGH folgende Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen:

„Ist Art. 16 Abs. 1 lit. a der [Familienzusammenführungsrichtlinie] dahingehend auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten verwehrt, den Antrag von Eltern eines unbegleiteten Minderjährigen gem. Art. 10 Abs. 3 lit a iVm Art. 2 lit. f der Richtlinie deshalb abzulehnen, weil der unbegleitete Minderjährige zum Zeitpunkt der Entscheidung das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, und diese Eltern auf ein anderes Verfahren zur Familienzusammenführung zu verweisen, im Rahmen dessen eine neue Antragstellung samt Anreise zu einer österreichischen Vertretungsbehörde notwendig ist, neuerliche Verfahrensgebühren entrichtet werden müssen und erneut eine Verfahrensdauer von mehr als 12 Monaten abzuwarten ist?“

Der Beschwerde beigelegt wurden die im Verfahren bereits vorgelegten Unterlagen.

4. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 13.09.2024, am 17.09.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Syriens, der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind die Eltern der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und des volljährigen Drittbeschwerdeführers.

Die beschwerdeführenden Parteien stellten am 06.11.2023 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX , ein am XXXX geborener syrischer Staatsangehöriger, angeführt, welcher der Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin sowie der Bruder der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und des volljährigen Drittbeschwerdeführers ist. Der Bezugsperson, die in Österreich am 03.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.07.2023, Zl. XXXX , der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Nach Prüfung des Sachverhaltes wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Gewährung des Status der Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson bereits volljährig sei und somit die Familieneigenschaft nicht vorliege.

Mit Bescheid vom 24.05.2024 wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien von der Österreichischen Botschaft Damaskus abgewiesen.

Das Bestehen eines besonders berücksichtigungswürdigen Familienlebens zwischen den beschwerdeführenden Parteien und der Bezugsperson wird nicht festgestellt.

2. Beweiswürdigung

Die festgestellten Tatsachen, insbesondere das Alter bzw. die Volljährigkeit der Bezugsperson seit dem XXXX 2024, ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der Österreichischen Botschaft Damaskus. Das Vorliegen der Volljährigkeit der Bezugsperson im Entscheidungszeitpunkt wurde darüber hinaus von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten. Die Feststellungen zum Verfahrensgang stützen sich ebenso auf die unbestritten gebliebenen Akteninhalte.

Weiters ist festzuhalten, dass bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinen Stellungnahmen davon ausging, dass der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin die Eltern und die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin und der volljährige Drittbeschwerdeführer die Geschwister der Bezugsperson sind; diesbezüglich haben sich auch im Beschwerdeverfahren keine Zweifel ergeben.

Ein konkretes Vorbringen, das auf ein besonders berücksichtigungswürdiges Familienleben zwischen der volljährigen Bezugsperson und ihren Eltern und Geschwistern schließen ließe, wurde im gesamten Verfahren nicht erstattet. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass sich die Bezugsperson bereits seit über zwei Jahren (Antragstellung am 03.08.2022) in Österreich befindet und in dieser Zeit sohin kein Familienleben im Sinne eines Zusammenlebens bestanden haben kann. Dass die Bezugsperson und die beschwerdeführenden Parteien – trotz räumlicher Trennung – einen besonders engen Kontakt bzw. eine besonders intensive Beziehung aufrechterhalten hätten, wurde nicht vorgebracht, sodass in einer Gesamtbetrachtung den beschwerdeführenden Parteien der Beweis des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Familienlebens nicht gelungen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Die maßgebliche Bestimmung der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie) lautet:

„Artikel 10 […]

(3) Handelt es sich bei einem Flüchtling um einen unbegleiteten Minderjährigen, so

a) gestatten die Mitgliedstaaten ungeachtet der in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a) genannten Bedingungen die Einreise und den Aufenthalt seiner Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades zum Zwecke der Familienzusammenführung; […]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I 145/2017 (§§ 34, 60) bzw. BGBl. I 56/2018 (§ 35) lauten auszugsweise wie folgt:

„Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) […]

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) […]

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“

[…]

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) […]

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und […]“

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 68/2013 (§ 11a) bzw. BGBl. I 56/2018 (§ 11) bzw. BGBl. I 145/2017 (§ 26) lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte. [...]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

[…]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt erkannt, dass die Vertretungsbehörde im Ausland an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung gebunden ist, und zwar sowohl an eine negative als auch an eine positive Mitteilung. Allerdings steht es dem Verwaltungsgericht offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an die Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Gegenstand der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht ist dabei, ob die Prognose des BFA hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an die Antragsteller im Rahmen eines (späteren) Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 zutreffend erfolgt ist und die sonstigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 erfüllt sind (vgl. etwa VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0299, Rn. 19, mwN).

Dies setzt voraus, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Im Falle einer negativen Prognose muss der Antragsteller, um die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, zwar lediglich die (niedrigere) Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überwinden (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, Rn. 24). Es obliegt ihm jedoch, gegen eine negative Prognose des BFA zumindest entscheidungswesentliches Vorbringen zu erstatten und glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 31.05.2021, Ra 2020/01/0284).

3.3. Zur Eigenschaft als Familienangehörige:

3.3.1. Im vorliegenden Fall wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt. Als Bezugsperson wurde der am XXXX geborene, in Österreich asylberechtigte Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin respektive der Bruder der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und des volljährigen Drittbeschwerdeführers genannt.

Die Bezugsperson wurde am XXXX 2024 – sohin noch während des erstinstanzlichen Verfahrens und vor dem nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt – volljährig, womit der Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 bezüglich des Erstbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin nicht mehr erfüllt ist. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer werden als Geschwister der Bezugsperson per definitionem nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 erfasst (vgl. VwGH 11.09.2024, Ra 2024/20/0312, Rn. 30).

Die beschwerdeführenden Parteien sind somit nach der Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht als Familienangehörige der Bezugsperson anzusehen.

3.3.2. Im Verfahren wurde die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die nach Antragstellung eingetretene Volljährigkeit der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson – vor dem Hintergrund der zur Familienzusammenführungsrichtlinie ergangenen Rechtsprechung des EuGH – die Abweisung des Antrages wegen Nichterfüllung der Familienangehörigeneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 rechtfertigt.

3.3.2.1. Die angesprochene Rechtsprechung des EuGH stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:

Mit Urteil vom 12.04.2018, C-550/16, hat der EuGH folgenden Ausspruch getroffen: „Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als ‚Minderjähriger‘ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.“ Weiters verwies der EuGH in der genannten Entscheidung darauf, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie zwar nicht ausdrücklich regelt, bis zu welchem Zeitpunkt ein Flüchtling minderjährig sein muss, um das Recht auf Familienzusammenführung aus Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrichtlinie in Anspruch nehmen zu können. Aus der Zielsetzung dieser Bestimmung, aus der Tatsache, dass sie den Mitgliedstaaten keinen Spielraum lässt, und aus dem Fehlen jeden Verweises auf das nationale Recht zu dieser Frage ergibt sich jedoch, dass die Bestimmung dieses Zeitpunktes nicht dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben kann.

In seinem Urteil vom 01.08.2022, C-273/20 und C-355/20, hat der EuGH neuerlich ausgesprochen, dass Art. 2 lit. f iVm Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der bei Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und Stellung seines Asylantrages in diesem Staat jünger als 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen wird. Das Abstellen auf den Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaates über den Antrag auf Einreise und auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates zum Zweck der Familienzusammenführung entscheidet, als Zeitpunkt nach dem sich die Beurteilung des Alters des Antragstellers oder, je nach Fall, des Zusammenführenden für die Zwecke der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrichtlinie richtet, kann demgegenüber weder mit den Zielen dieser Richtlinie noch mit Art. 7 und Art. 24 Abs. 2 der Grundrechtecharta oder mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit in Einklang gebracht werden. Hinsichtlich der Frage, ob das Aufenthaltsrecht der Eltern auf den Zeitraum beschränkt werden darf, in dem die Minderjährigkeit des Zusammenführenden fortbesteht, wies der EuGH in der oben genannten Entscheidung darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Abs. 2 iVm Art. 13 Abs. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie, sobald dem Antrag auf Familienzusammenführung stattgegeben wurde, verpflichtet sind, den Familienangehörigen einen ersten Aufenthaltstitel mit mindestens einjähriger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

In seinem Urteil vom 30.01.2024, C-560/20, hat der EuGH festgehalten, dass ein auf Art. 10 Abs. 3 lit. a der Familienzusammenführungsrichtlinie gestützter Antrag auf Familienzusammenführung nicht „als verspätet“ angesehen werden kann, wenn er gestellt wurde, als der betreffende Flüchtling noch minderjährig war.

3.3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus (siehe zuletzt VwGH 11.09.2024, Ra 2024/20/0312, mwN), dass eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des innerstaatlichen Familienverfahrens und insbesondere des in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 definierten Familienbegriffs vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur des EuGH angesichts der innerstaatlichen Ausgestaltung des unionsrechtlichen Rechtsanspruchs auf Familienzusammenführung nicht geboten ist. Dies aufgrund folgender näherer Erwägungen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren (vgl. VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0609). In Fällen, in denen den nachziehenden Familienangehörigen ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 nach Einreise in das Bundesgebiet nicht offensteht, hat die Familienzusammenführung hingegen über das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es daher möglich, aber nicht erforderlich, den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie im Wege des § 35 AsylG 2005 zu entsprechen (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2018/19/0568, mwN).

Für die Beurteilung, wem als Familienangehörigen ein Visum nach § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG 2005 erteilt werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allein auf die in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 enthaltene Definition des „Familienangehörigen“ abzustellen (vgl. etwa VwGH 15.12.2021, Ra 2021/20/0105, Rn. 58, mwN). Gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, u.a. wer Elternteil eines minderjährigen Kindes ist. Für die Beurteilung der Minderjährigkeit einer in Österreich asylberechtigten Person, auf die sich Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 beziehen, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diese Anträge, nicht aber auf jenen der Antragstellung an (vgl. etwa VwGH 01.06.2018, Ra 2017/18/0312, mwN).

Nach der Familienzusammenführungsrichtlinie ist es nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 34 und § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen auf Familienzusammenführung in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wird. Eine unionsrechtliche Verpflichtung, dem nachziehenden Fremden eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (hier letztlich den Status des Asylberechtigten), ist weder zu sehen, noch ist solches aus dem zur Rechtssache C-550/16 ergangenen Urteil des EuGH abzuleiten (vgl. etwa VwGH 24.05.2018, Ra 2017/01/0430, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof bekräftigte zuletzt, dass anderes auch aus dem Urteil des EuGH vom 30.01.2024, C-560/20, das sich gerade nicht mit der Gewährung von Asyl, sondern – im Übrigen anlässlich eines im Rahmen eines Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz eingebrachten Vorabentscheidungsersuchens – mit der Familienzusammenführungsrichtlinie beschäftigt, nicht abgeleitet werden kann (vgl. VwGH 11.09.2024, Ra 2024/20/0312, Rn. 28; siehe auch VwGH 23.02.2024, Ra 2023/22/0080).

Ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern (nur) Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist (vgl. Art. 13 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. e dieser Richtlinie), ist es somit unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine – nur im Inland zulässige – Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen (hier: dass in Bezug auf die Eigenschaft als Familienangehöriger anderen Voraussetzungen Beachtlichkeit zukommt) festgelegt werden (vgl. VwGH 11.09.2024, Ra 2024/20/0312 mwN auf VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0609).

3.3.3. Unter Zugrundelegung der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nach der Familienzusammenführungsrichtlinie sohin nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen der beschwerdeführenden Parteien – die Gestattung der Familienzusammenführung mit dem in Österreich lebenden asylberechtigten volljährigen Sohn bzw. Bruder – in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass den beschwerdeführenden Parteien im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG – was unter Anwendung der Grundsätze der unionsrechtskonformen Auslegung bzw. allenfalls des Anwendungsvorrangs des Unionrechts im Bereich des NAG nicht ausgeschlossen ist – erteilt wird (zur Möglichkeit der „zweistufigen“ Verfahrensführung vgl. VwGH 23.02.2024, Ra 2023/22/0080; 20.03.2024, Ra 2020/22/0199). Vor diesem Hintergrund erweist sich der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der beschwerdeführenden Parteien auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen, bereits volljährigen Sohn (bzw. Bruder) zu entsprechen.

Angesichts der bisherigen Ausführungen zur Umsetzung der Familienzusammenführungsrichtlinie im österreichischen Recht und der vorliegenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt das Bundesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass der dargelegten Rechtsprechung des EuGH, wie bisher, im Wege des NAG – unter besonderer Berücksichtigung der Ziele der Familienzusammenführungsrichtlinie, der Grundsätze der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit sowie des Art. 7 und des Art. 24 Abs. 2 der Grundrechtecharta – Rechnung zu tragen ist, während § 35 AsylG 2005 aufgrund seines asylspezifischen Zwecks nur in jenen Konstellationen zur Anwendung gelangen kann, die § 34 Abs. 2 AsylG 2005 unterliegen.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, wonach unter Berücksichtigung der Ziele der Familienzusammenführungsrichtlinie sowie des Effektivitätsgrundsatzes eine doppelte bzw. zweistufige Führung der Verfahren über Anträge auf Familienzusammenführung unionsrechtswidrig sei, kann fallbezogen unterbleiben, zumal dies – vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen – allenfalls zum Ergebnis führen könnte, dass Anträge auf Familienzusammenführung nach § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG entgegen des Gesetzeswortlauts auch in jenen Fällen zuzulassen sind, in welchen im Zeitpunkt der Antragstellung ein Verfahren nach § 34 AsylG 2005 offensteht. Dies ist jedoch nicht Sache des gegenständlichen Verfahrens, sondern wird vielmehr in einem nach § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG geführten Verfahren zu klären sein. Folglich hängt die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache auch nicht von der in der Beschwerde angeregten Fragestellung an den EuGH ab.

3.4. Abschließend ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch in Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 die Einhaltung des Art. 8 EMRK (mitzu-)berücksichtigen und sicherzustellen ist (vgl. VfGH 06.06.2014, B 369/2013; 23.11.2015, E 1510-1511/2015).

Wie der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist aus Art. 8 EMRK jedoch keine generelle Verpflichtung abzuleiten, dem Wunsch der Fremden, sich in einem bestimmten Konventionsstaat aufzuhalten, nachzukommen. Die EMRK verbürgt Ausländern demnach weder ein Recht auf Einreise, Einbürgerung und Aufenthalt, noch umfasst Art. 8 EMRK die generelle Verpflichtung eines Konventionsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch Immigration betreffen, variiert das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte von in dem Staat aufhältigen Personen zuzulassen, nach den besonderen Umständen der betroffenen Personen und dem Allgemeininteresse (vgl. VfGH 10.10.2018, E 4248/2017 ua., mwN; siehe auch EGMR 09.07.2021 [GK], M.A./Dänemark, Appl. 6697/18; 20.10.2022, M.T. ua./Schweden, Appl. 22105/18; sowie EGMR 03.10.2014 [GK], Jeunesse/Niederlande, Appl. 12738/10; sowie darauf Bezug nehmend VwGH 31.05.2021, Ra 2020/01/0284).

In den gegenständlichen Verfahren ist das Vorliegen eines im Sinne des Art. 8 EMRK besonders schützenswerten Familienlebens zwischen den beschwerdeführenden Parteien und der volljährigen Bezugsperson, welches die Erteilung eines Einreisetitels trotz des Nichtvorliegens der Familieneigenschaft im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 rechtfertigen könnte, weder aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien noch aus dem sonstigen Akteninhalt ableitbar und kann somit auch durch das Bundesverwaltungsgericht nicht als in diesem Sinne ergänzend als schützenswert erkannt werden.

3.5. Die Beschwerden waren sohin gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.6. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, die insbesondere durch das Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, den Beschluss vom 29.05.2018, Ro 2018/20/0003 bis 0010, das Erkenntnis vom 23.02.2024, Ra 2023/22/0080, sowie zuletzt – unter Bezugnahme auf EuGH 30.01.2024, C-560/20, CR ua. – das Erkenntnis vom 11.09.2024, Ra 2024/20/0312, eine Klarstellung erfährt, bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

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