JudikaturBVwG

W203 2299095-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2025

Spruch

W203 2299095-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.05.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, idF BF, ist syrischer Staatsangehöriger. Er stellte am XXXX 09.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Die Erstbefragung fand am 07.09.2023 statt.

3. Im Rahmen seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (idF BFA) am 16.05.2024 führte der BF zusammengefasst und soweit wesentlich aus, dass er aus dem Dorf XXXX , Gouvernement Aleppo, stamme und von den Kurden und vom (Anm: ehemaligen) syrischen Regime wegen dem Militärdienst gesucht werde.

4. Mit Bescheid vom 14.08.2024 wies das BFA den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für ein Jahr (Spruchpunkt III).

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheids erhob der BF durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

6. Mit Schreiben vom 12.09.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit Schreiben vom 09.05.2025 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem BF zur Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit ein, schriftlich bis zur Verhandlung bzw. mündlich in der Verhandlung zum Länderinformationsblatt Syrien, Version 12, 08.05.2025, Stellung zu nehmen.

8. Am 20.05.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache und in Anwesenheit des BF und seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der der BF Gelegenheit hatte, zu seinen Fluchtgründen und zur veränderten Lage in Syrien im Detail Stellung zu nehmen.

Die relevanten Auszüge aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung lauten wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

R: Nennen Sie möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie damals Ihren Herkunftsstaat Syrien verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat Syrien zurückkehren können (Fluchtgründe).

BF: Ich bin damals ausgereist, weil die Kurden und die reguläre syrische Armee mich rekrutieren wollten.

R: Halten Sie dieses Fluchtvorbringen nach wie vor aufrecht?

BF: Ja, ich halte es aufrecht.

R: Wer sollte Sie denn heute im Falle einer fiktiven Rückkehr rekrutieren wollen?

BF: Niemand.

R: Dann gibt es keine Fluchtgründe mehr.

BF: In unserem Dorf herrscht immer noch keine Sicherheit. Die Kurden kämpfen immer noch mit der HTS.

R: Weil die Kurden mit der HTs kämpfen ist es dort so gefährlich, dass Sie nicht mehr zurückkehren können. Ist das der Grund?

BF: Ja.

R: Was fürchten Sie konkret im Falle einer Rückkehr?

BF: Dort herrscht keine Sicherheit.

R: Müssten Sie auch einen Wehrdienst ableisten, wenn Sie zurückkehren?

BF: Nein.

R: Genau deswegen, was Sie uns jetzt geschilderten haben, nämlich die allgemein schlechte Lage in Syrien und die unsichere Lage wegen eines Krieges oder eines neuen drohenden Krieges, haben Sie sogenannten subsidiären Schutz erhalten. Wieso glauben Sie, dass Ihnen darüber hinaus auch der Asylstatus zuzuerkennen [sein] müsste?

BF: Ich möchte meine Zukunft hier in Österreich aufbauen, deswegen möchte ich Asyl.

R: Aber Sie dürfen auch als subsidiär Schutzberechtigter hierbleiben. Ich verstehe nicht, wieso Sie unbedingt Asyl brauchen?

BF: Um meine Ehegattin nachholen zu können.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und zu dessen Fluchtvorbringen:

Der BF ist syrischer Staatsangehöriger. Der BF bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und gehört der Volksgruppe der Araber an.

Der BF stammt aus dem Dorf XXXX (auch: XXXX ), Distrikt Manbidsch, Gouvernement Aleppo Syrien, das sich rund 22 Kilometer südöstlich der Stadt XXXX befindet.

2023 verließ der BF Syrien. Über die Türkei reiste er nach Europa weiter und stellte schließlich im September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF hat in Syrien vier Jahre die Schule besucht.

Der BF ist verheiratet und hat keine Kinder.

Der Herkunftsort des BF, XXXX , Gouvernement Aleppo, ist derzeit unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung unter Leitung des ehemaligen HTS-Anführers Ahmed al-Sharaa.

Im Falle der Rückkehr des BF nach XXXX wird dieser weder von der neuen syrischen Übergangsregierung noch von sonstigen Akteuren individuell gefährdet.

1.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Länderinformationsblatt Syrien, Version 12, vom 08.05.2025 (Auszüge):

Politische Lage:

Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024).

Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara' (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024).

Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI 9.12.2024).

Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025).

Sicherheitslage:

Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025).

Wehr- und Reservedienst:

Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024).

Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF und zu seinem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit und zum Religionsbekenntnis ergeben sich aus den durchwegs gleichbleibenden Ausführungen des BF während des Verfahrens. Die Feststellungen zu seinen Fluchtbewegungen und seiner Ausbildung gründen ebenso auf den unbedenklichen und im Wesentlichen stets gleichbleibenden Angaben des BF.

Die Feststellungen zur Asylantragsstellung ergeben sich aus dem Erstbefragungsprotokoll.

Die Feststellungen, dass der BF verheiratet ist und keine Kinder hat, ergeben sich ebenso aus seinen unbedenklichen Angaben.

Die Feststellung, dass XXXX , Gouvernement Aleppo, der Herkunftsort des BF ist, ergibt sich aus seinen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Verfahrens (Bescheid S. 6, VP S. 4).

Die Feststellung zur Kontrollsituation in Bezug auf den Herkunftsort des BF ergibt sich aus einer aktuellen Einschau auf die Website Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com.

Die Feststellung, dass dem BF keine individuelle Gefährdung durch die syrische Übergangsregierung oder sonstige Akteure droht, beruht insbesondere auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, in der er aussagte, dass der Grund, warum er nunmehr nicht nach Syrien zurückkehren könne, diverse Kampfhandlungen seien. Die Furcht des BF vom Assad-Regime zum Militärdienst zwangsrekrutiert zu werden, ist - da dieses Regime nicht mehr besteht - weggefallen. Dies stimmt auch mit seinem Vorbringen überein. Im Übrigen ergibt sich aus den Länderberichten, dass die neue syrische Regierung die Wehrpflicht abgeschafft hat. Die vom BF vorgebrachte Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Kräfte droht ihm ebenso nicht mehr, da der Herkunftsort des BF – im Entscheidungszeitpunkt – nicht (mehr) kurdisch kontrolliert ist. Auch das stimmt mit dem Vorbringen des BF in der Beschwerdeverhandlung überein. Im Übrigen ist eine sonstige individuelle Gefährdung des BF im Verfahren nicht hervorgekommen.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des BF unter Punkt 1.2. stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH Ra 2021/20/0425, 23.10.2024 Rz 26 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts an (siehe etwa VfGH 18.09.2023, E 944/2023 Rz 14; E 2268/2022 Rz 13; VwGH 21.06.2023, Ra 2021/19/0406 Rz 13; 26.11.2020, Ra 2020/18/0384 Rz 14).

3.2. In der Sache

Zunächst ist anzuführen, dass die der ehemaligen syrischen Regierung unter Baschar al-Assad seitens des BF zugeschriebenen Verfolgungshandlungen aufgrund des Sturzes dieses Regimes im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr bestehen.

Wie bereits ausgeführt worden ist, droht dem BF keine Verfolgung durch die neue syrische Übergangsregierung oder durch sonstige Akteure und wird diesbezüglich – um Wiederholungen zu vermeiden – auf die Beweiswürdigung verwiesen.

Im Umstand, dass im Heimatland des BF Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Dem BF ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe droht.

Da im vorliegenden Fall keine von der neuen syrischen Übergangsregierung oder sonstigen Akteuren ausgehende asylrelevante Verfolgung festzustellen war, erübrigt sich eine gesonderte Auseinandersetzung mit der Frage, ob der BF im Zuge des Grenzübertritts bzw. der Rückkehr in die Herkunftsregion mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen konfrontiert sein wird (vgl. VfGH 29.06.2023, E 3450/2022, Rz 17; VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108; siehe jüngst auch VwGH 11.10.2024, Ra 2023/20/0284 Rz 13; 10.01.2025, Ra 2024/14/0747 Rz 14).

Dem Schutz vor Gefahren, die dem BF bei einer theoretischen Rückkehr nach Syrien aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage drohen würden, ist bereits durch den in 1. Instanz rechtskräftig erteilten subsidiären Schutzstatus ausreichend Rechnung getragen worden. Dasselbe gilt für den Schutz vor willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines Konnexes mit einem in der GFK genannten Verfolgungsgrund (siehe dazu statt vieler VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491 Rz 52 mwN).

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

Abschließend sei angemerkt, dass – sollte sich die Lage in Syrien aufgrund neuer (politischer) Entwicklungen maßgeblich ändern und dies sich in der Folge auch in erst noch zu erscheinenden Länderberichten, die asylrelevante Gründe in Bezug auf die konkrete Situation des BF nahelegen, materialisieren – es dem BF unbenommen bleibt, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) zu stellen und folglich ein solcher Antrag unter soeben beschriebenen Umständen gegebenenfalls anders zu beurteilen sein wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Rückverweise